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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Hans Michelbach (CSU), Unions-Obmann im
Bundestags-Finanzausschuss, gab heute, 01.06.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Koalitionsspitzen beraten Erbschaftssteuer-Reform“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Pascal Fournier.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
01.06.2016
CSU-Finanzpolitiker Michelbach: CSU ist bei der Erbschaftssteuer-Reform
„Lordsiegelbewahrer“ des Koalitionsvertrags
Baden-Baden: Im Streit um die Erbschaftssteuer-Reform hat der Obmann der
Unionsfraktion im Finanzausschuss des Bundestags, der CSU-Politiker Hans
Michelbach, die Haltung seiner Partei verteidigt. Bislang sperrt sich die CSU gegen einen
Entwurf, auf den sich CDU und SPD geeinigt haben. Im Interview mit dem
Südwestrundfunk (SWR) verwies Michelbach auf Berechnungen, wonach der vorliegende
Kompromiss für Erben von Unternehmen Steuererhöhungen bedeutet. Wörtlich sagte er:
die CSU sei der „Lordsiegelbewahrer“ des Koalitionsvertrags, in dem sich Union und
SPD geeinigt hätten, in dieser Legislaturperiode keine Steuern zu erhöhen. Im
vorliegenden Entwurf der Erbschaftssteuer-Reform gebe es Punkte, die die CSU „so
nicht akzeptieren könne“, so der CSU-Finanzpolitiker im SWR-Tagesgespräch. Als
Beispiele nannte er einen wachsenden bürokratischen Aufwand für Unternehmen und die
steuerliche Behandlung verschiedener Formen von Betriebsvermögen, die auf eine
Substanz-Besteuerung hinauslaufe. Er gehe davon aus, sagte Michelbach, dass alle drei
Koalitionspartner eine „Politik der Mitte“ betreiben wollten. Dazu gehörten aus seiner
Sicht die Erhaltung der Arbeitsplätze und „Sicherung der Leistungskraft gerade der
mittelständischen Wirtschaft“. Zur aktuellen Blockade innerhalb der Regierungskoalition
sagte Michelbach, auch die CSU wolle eine Lösung im Streit um die
Erbschaftssteuerreform – allerdings keine Lösung, mit der man sich „in der Wirtschaft
nicht sehen lassen“ könne. Zugleich zeigte sich der CSU-Finanzpolitiker optimistisch: Er
gehe davon aus, dass die Koalition „in diesen Tagen“ zu einer „gangbaren, akzeptablen
Schenkungs- und Erbschaftssteuerreglung“ kommen könne.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Fournier: Eigentlich ist alles ausgehandelt. SPD und CDU haben in den Personen der
Abgeordneten Carsten Schneider für die SPD und Ralph Brinkhaus für die CDU ein
Kompromisspapier zur Reform der Erbschaftsteuer ausgehandelt. Aber: es hakt
trotzdem, denn die CSU trägt den Kompromiss nicht mit. Herr Michelbach, warum nicht?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Michelbach: Ja, wir haben nachgerechnet, was an Steuerbelastung herauskommt. Und die
hohe Unternehmensbewertung hat dazu geführt, dass 1,5 Milliarden Euro Belastung für die
Unternehmen bei dieser Einigung herauskommen würde, und das bedeutet natürlich, dass wir
den Grundsatz der Koalitionsvereinbarung - keine Steuererhöhungen in dieser
Legislaturperiode - absolut zerstören würden. Und deswegen kann die CSU nicht mitmachen,
und es kann auch nicht im Interesse von den anderen Parteien sein, also CDU und der SPD,
dass hier ein Grundsatz gebrochen wird, nämlich keine Steuererhöhungen in dieser
Legislaturperiode.
Fournier: Mehrere Wirtschaftsverbände haben signalisiert, sie könnten mit der
vorliegenden Reform relativ gut leben. IHK-Chef Schweitzer hat gesagt, es wäre ihm vor
allem wichtig, dass man sich überhaupt eine Reform einigt. Warum blockieren Sie
trotzdem?
Michelbach: Leider können der Herr Schweitzer, der Präsident des DIHK, den ich sehr schätze,
nicht rechnen. Leider ist das nur in einem Ministerium möglich, auszurechnen, was für den
Steuerzahler an Belastung herauskommt, und wenn man dem DIHK-Präsidenten und seinen
Mitgliedern erklärt, dass sie Mehrbelastungen erfahren, dann sind sie sehr schnell gegen diese
Reform. Das heißt, wir sind die Lordsiegelbewahrer, dass also hier keine Steuererhöhungen
stattfinden. Das ist das Ziel unserer CSU-Vorstellungen.
Fournier: Es gibt Beobachter, die sagen, schon in seiner jetzigen Form erhält das
Kompromisspapier eine ganze Reihe von ziemlich komfortablen Privilegien für die Erben
von Unternehmen. Mal abgesehen von der Gerechtigkeitsfrage: Machen weitere
Ausnahmen, wie die CSU sie fordert, das Gesetz tatsächlich besser und handhabbarer?
Michelbach: Zunächst muss man mal feststellen, dass die Verhandlungen der stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden Schneider, Brinkhaus und Hasselfeldt eine Verbesserung gegenüber
dem ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers hervorruft. Das muss man klar
sehen, aber es sind einige Baustellen, die wir so nicht akzeptieren können. Wichtig ist, dass
man im Detail ein Gesetz durchführt, das nicht Überbürokratie hat, das die Arbeitsplätze schont
und vor allem für die Zukunft sichert.
Fournier: Die Betriebe sind eine Seite, aber das Problem ist auf der anderen Seite Ihre
Koalitionspartner, denn weder SPD noch CDU scheinen in der Sache
Erbschaftsteuerreform noch zu größeren Zugeständnissen an die CSU bereit zu sein.
Carsten Schneider, der das Kompromisspapier für die SPD mit ausgearbeitet hat, hat
kürzlich in einem Interview gesagt: „Darüber diskutieren wir mit der CSU nicht mehr.“
Hat die CSU den Bogen überspannt?
Michelbach: Das Gleiche hat er gesagt, nach dem Bundesfinanzminister-Gesetzentwurf, dass
er keine Verbesserungen erzielt. Jetzt hat er dann bei den Verhandlungen in wesentlichen
Punkten, wie bei der Investitionsklausel, schon einige Positionen geräumt. Wir sind der
Auffassung, er muss nicht in allen Punkten unserer Auffassung sein, aber die essentiellen
Punkte für den Mittelstand, für die Erhaltung der Familienunternehmen, halten wir für richtig und
wir werden natürlich darauf drängen. Es ist noch nicht aller Tage Abend, ich gehe davon aus,
dass sich alle bewegen müssen und dann eine gangbare, akzeptable Schenkungs- und
Erbschaftsteuerregelung stattfindet.
Fournier: Ich würde trotzdem gerne nochmal auf den innerkoalitionären Frieden zu
sprechen kommen – oder Unfrieden. Das Klima gerade zwischen den beiden
Unionsparteien ist ja zurzeit alles andere als schwesterlich, siehe das Krisentreffen der
Parteichefs Seehofer und Merkel. Welche Rolle spielt das in dem Streit? Das Veto zum
Erbschaftsteuerkompromiss kam ja direkt aus der Münchener Staatskanzlei?
Michelbach: Das ist natürlich von der CSU-Landesgruppe auch dort hingetragen, insbesondere
auch an das bayerische Finanzministerium, um die Berechnungen zu überprüfen. Wir haben
festgestellt, dass es eben diese Steuererhöhungen gibt und warum sollen wir da nachgeben,
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
wenn im Koalitionsvertrag hier eine Unterschrift von allen Drei stattfinden muss, von CDU, SPD
und CSU? Ich gehe mal davon aus, dass wir eine Politik der Mitte machen wollen, und da
gehört der marktwirtschaftliche Ansatz – Erhaltung der Arbeitsplätze, Sicherung der
Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, gerade im Mittelstand – dazu.
Fournier: Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Erbschaftsteuergesetzt bis zum
30. Juni dieses Jahres verlangt. Allerdings: wenn das nicht klappt, dann gelten einfach
die alten Regelungen fort. Kann man auf dieser Grundlage die Reform sozusagen einfach
aussitzen und ausfilibustern?
Michelbach: Wir wollen Lösungen, nur kann es keine Lösung sein, mit der wir uns in der
Wirtschaft nicht sehen lassen können, und wir wollen kein schlechtes Gesetz, das Arbeitsplätze
vernichtet. Ich gehe davon aus, dass wir zu einer Einigung in diesen Tagen kommen und dass
wir eine neue Lösung, die dann auch verfassungskonform ist, schaffen können.
- Ende Wortlaut -
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