Millionentransfer nach Zypern

Manuskript
Beitrag: Geldwäsche leicht gemacht –
Millionentransfer nach Zypern
Sendung vom 31. Mai 2016
von Sha Hua, Herbert Klar und Joe Sperling
Anmoderation:
Sie sind vermutlich ein braver Steuerzahler. Ohne Menschen wie
Sie gäbe es keine Schulen und keine Straßen. Die
Steuerhinterzieher interessiert das Allgemeinwohl einen feuchten
Kehricht. Und trotz der Empörung über Panama macht die Politik
es ihnen leicht. Frontal 21 war „undercover“ unterwegs. Unsere
Legende: Wir wollten Millionen Schwarzgeld waschen – und
fanden Helfershelfer in Deutschland und in Zypern. Ausgerechnet
Zypern. Die Banken dort haben Sie auch mit Ihrem Steuergeld
gerettet. Zypern musste damals im Gegenzug versichern, dass es
Geldwäsche künftig unterbindet. Von wegen!
Text:
Krieg in Afghanistan - mit Munition aus Albanien. Verkauft von
dubiosen Waffenhändlern. Abgewickelt über Briefkastenfirmen in
Zypern.
Tod eines Wirtschaftsprüfers. Er hatte aufgedeckt, wie 230
Millionen Dollar aus der russischen Staatskasse verschwanden.
Abgewickelt auch über Briefkastenfirmen in Zypern.
Anlagebetrug in Deutschland. Dieser Mann und seine Komplizen
zockten 60 Millionen Euro mit einem Schneeballsystem ab. Auch
über Briefkastenfirmen in Zypern.
Die Insel Zypern - ein Paradies für Urlauber und dubiose
Geschäftemacher. Nur 900.000 Einwohner, aber über 200.000
diskrete Firmen, die die wahren Eigentümer von Vermögen
verschleiern sollen. So war es jahrelang.
Funktioniert dieses Geschäftsmodell noch immer? Ein
Selbstversuch.
Wir haben einen Termin in Leipzig - sind mit einem
Unternehmensberater verabredet. Er lockt im Internet mit
schnellen Firmengründungen in Geldwäscheparadiesen – auch
Zypern ist im Angebot.
Wir recherchieren mit verdeckter Kamera – geben vor,
Millionensummen verstecken zu wollen. Unsere Legende: Wir
planen den Kauf von Immobilien in Deutschland über Firmen in
Steueroasen und niemand soll erfahren, wem die Immobilien
gehören. Für ihn ist das offenbar kein Problem.
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Wenn Sie alle Unterlagen bringen, dann können wir das hier
in Deutschland abwickeln - Firmengründung und
Kontoeröffnung. Sie müssen nicht dahin fliegen.
Eigentlich hätte er das Gespräch abbrechen müssen – Verdacht
auf Geldwäsche. Die EU-Regeln sind inzwischen schärfer.
O-Ton Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter:
So wie sich das anhört, ist das im Grunde ein komplettes
Service-Paket, um schwarze Gelder zu waschen, um es mal
ganz einfach zu sagen, und seien es Gelder aus
Steuerhinterziehung oder aus sonstigen kriminellen Taten.
Und das ist im Grunde ein Klassiker in der Geldwäsche.
Dabei sollten gerade über Zypern heute solche Geschäfte nicht
mehr möglich sein.
Rückblick: Im Juni 2012 ist Zypern pleite, flüchtet unter den EuroRettungsschirm.
Die Auflage damals: Der Inselstaat muss harten Bedingungen zur
Haushaltssanierung zustimmen. Und soll gegen „das Waschen
von Geldern aus Steuervergehen mit betrügerischer
Aktivität“ und „des Missbrauchs von zypriotischen
Unternehmen und Fonds“ vorgehen.
O-Ton Wolfgang Schäuble, CDU, Bundesfinanzminister, am
17.2.2013:
Sie müssen schon noch ein bisschen mehr tun, um die
internationale Community davon zu überzeugen, dass sie die
Regeln zur Bekämpfung von Geldwäsche nicht nur
gesetzlich umgesetzt haben, sondern dass sie sie auch
implementiert haben.
Wurden die Auflagen wirklich erfüllt? Im April verließ Zypern den
Euro-Rettungsschirm. Mit 7,3 Milliarden Euro wurden Zyperns
Banken gerettet – der Großteil kam von Europas Steuerzahlern.
Nach unserem Termin in Leipzig suchen wir nach weiteren
Angeboten, um unser Geld zu verstecken. Wir finden etliche
Berater, die zyprische Briefkastenfirmen anbieten – offen damit
werben, Eigentümer durch Strohmänner zu verschleiern. Wörtlich
heißt es:
„zyprische Mitarbeiter unserer Kanzlei stehen dauerhaft im
Handelsregister und schützen ihre Identität“.
Wir fahren nach Hamburg. Eine Kanzlei hat uns zum persönlichen
Gespräch geladen. Andreas Frank, ein ehemaliger Banker und
Experte in Sachen Geldwäsche, begleitet uns. Wir drehen wieder
mit verdeckter Kamera, wollen 15 Millionen Euro in Immobilien
verstecken. In Telefonaten und E-Mails hatten wir das bereits
angekündigt.
Da seien wir bei ihm genau richtig, versichert unser
Gesprächspartner. Mit Hilfe zyprischer Firmen sei das noch
immer gut möglich. Dann entwirft er für uns ein kompliziertes
Firmengeflecht. Bietet gleich mehrere Verschleierungsmöglichkeiten an. Am Ende empfiehlt er uns einen zyprischen
Investmentfonds.
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Nur der Gründer des Fonds - das ist dann unser Strohmann wird bekannt. Die tatsächlichen Nutzer bleiben anonym. Wir
können für Sie nach Ihren Wünschen einen
maßgeschneiderten Fonds auflegen. Dadurch sparen Sie
sich die Zeit und Arbeit.
Kurz nach unserem Gespräch schickt die Kanzlei eine Mail. Für
unseren Experten ist das ein professionell ausgearbeitetes
Verschleierungsmodell für unsere 15 Millionen.
O-Ton Andreas Frank, Experte für Geldwäsche:
Aus diesem Gespräch habe ich entnommen, dass es immer
noch sehr einfach ist, in Zypern Gesellschaften zu gründen.
Ich muss a) den wirtschaftlich Berechtigten verschleiern,
aber auch b) die Spur des Geldes verschleiern, weil über die
Spur des Geldes kann ich rausfinden, wer dahinter ist. Und
wenn es ein mehrstufiges Verfahren ist, was wir sehr oft bei
Geldwäsche sehen, ist diese Spur nicht mehr zu verfolgen.
Wir reisen nach Zypern. Seit Ende 2013 müssen die Banken hier
eine sogenannte Compliance-Abteilung einrichten, eine bankinterne Kontrollinstanz, die Geldwäsche verhindern soll.
Kann man die umgehen? Der Hamburger Anwalt hat uns einen
Termin bei seinem Geschäftspartner in Nikosia vermittelt. Der soll
uns jetzt ganz genau erklären, wie wir die Spur des Geldes trotz
der neuen Regeln und Auflagen verwischen können.
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Eigentlich darf der Banker nicht mehr selbst entscheiden, ob
ein Konto eröffnet wird. Nach den neuen Regeln muss er jetzt
die Kundenunterlagen dieser Compliance-Abteilung vorlegen
- die prüft und entscheidet dann. Wir haben aber ein gutes
Verhältnis zur Bank. Die Compliance-Abteilung tut, was wir
wollen. So läuft das jetzt.
O-Ton Frontal 21:
Bei welcher Bank denn?
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Bei der Bank of Cyprus.
Die Bank of Cyprus. Auch die größte zyprische Bank wurde mit
Hilfe von EU-Steuergeldern gerettet. Wir wollen wissen, wie sie
die Einhaltung der Geldwäsche-Regeln sicherstellt. In einer
wortreichen Erklärung versichert die Bank, sie unternähme alles,
die neuen Vorschriften einzuhalten, indem sie,
Zitat:
„… einen robusten Rahmen für die Einhaltung der Regeln
durch eine effektive Organisationsstruktur…“
schaffe. Auch habe man sich von umstrittenen Kunden getrennt zum Beispiel aus Russland und der Ukraine.
Trotzdem scheint Zypern mehr denn je auf das schmutzige
Geschäft angewiesen zu sein. Die Spuren der schlechten
wirtschaftlichen Lage sind überall zu sehen und es werden wieder
mehr Briefkastenfirmen gegründet – nach einem dramatischen
Rückgang in 2013.
O-Ton Andreas Frank, Experte für Geldwäsche:
Zypern ist nach wie vor von Zufuhr von Kapital abhängig aus
dem Ausland. Wir haben dieselben Bankenstrukturen, wir
haben sehr viel Abhängigkeit von Osteuropa.
Wir verabreden uns mit einer der größten zyprischen
Beratungsfirmen, winken wir wieder mit angeblich 15 Millionen
Euro, drehen wieder verdeckt. Über ein Dutzend Anwälte und
Experten bieten hier maßgeschneiderte Lösungen - von
Briefkastenfirmen bis zu gekauften EU-Staatsbürgerschaften.
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Ich war bei den Verhandlungen mit der Regierung über
Firmenregister und Briefkastenfirmen dabei. Ich glaube nicht,
dass Zypern da was ändert. Wir wollen doch die Vorteile, die
uns mal groß gemacht haben, behalten.
Wir wollen wissen, ob Banken nachfragen, wem tatsächlich die
Firma gehört. Das müssten sie eigentlich. Eine Bank-Spezialistin
wird gerufen. Es folgen Anrufe bei der Piräus Bank, die Filialen in
Zypern unterhält. Kurze Zeit später zaubert sie eine Lösung an
die Wand.
O-Ton, Gedächtnisprotokoll:
Also, die Banken sind nach zyprischem Recht nur
verpflichtet, 80 Prozent der eigentlichen Eigentümer zu
kennen und den Behörden zu melden. Wenn das ein
Strohmann ist, erfährt in Deutschland ohnehin keiner was
davon. Die übrigen 20 Prozent bleiben vollkommen
ungenannt und unbekannt. Wie die eigentlichen Verhältnisse
sind, will auf Zypern niemand wissen – auch die Bank nicht.
Denn auf dem Papier sieht ja alles legal aus.
Das sei aber alles streng vertraulich, sagt sie am Ende. Keiner
dürfe davon erfahren.
Wir fragen nach bei der Piräus Bank, ob sie bei so was
mitmachen würde - keine Antwort. Wir zeigen unsere Recherchen
Markus Meinzer, Direktor beim internationalen Netzwerk für
Steuergerechtigkeit, Tax Justice Network.
O-Ton Markus Meinzer, Tax Justice Network:
Die Bank nimmt bei dieser Konstruktion wissentlich in Kauf,
dass Gelder gewaschen werden, dass Gesetze umgangen
werden und dass es hier zu Straftaten kommt, und macht
sich damit auch mit schuldig. Letztlich sagt die Bank, dass
ihr weitgehend egal ist, woher das Geld denn stammt,
solange es bei ihnen auf dem Konto landet.
Wollte die EU-Kommission nicht genau das verhindern? Sie hat
mehrfach überprüft, ob Zypern seine Auflagen wirklich einhält,
die letzte - die „siebte Überprüfung - Sommer 2015“ - erklärt
Zypern gar zum Erfolgsmodell, obwohl sie hinten im
Kleingedruckten, unter dem Punkt „Geldwäschebekämpfung“
selbst kritisiert:
„Weitere Anstrengungen sind vonnöten, (…), dass die
Aufsichtsbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche mit
ausreichend Personal ausgestattet und angemessen
geschult sind, um eine wirksame Überwachung zu
gewährleisten.“
Im Klartext: Die Überwachung funktioniert nicht wirklich.
Kompetente Fahnder fehlen.
Wir fragen dazu nach im Bundesfinanzministerium - wollen
Minister Schäuble befragen. Kein Interview. Das Ministerium
verweist auf sieben Kontrollen der EU-Kommission auf Zypern.
Alles prima also?
Gerhard Schick reiste als Mitglied des Bundestagsfinanzausschusses mehrfach nach Zypern und kritisiert die
Nachlässigkeit der Bundesregierung.
O-Ton Gerhard Schick, B‘90/GRÜNE, MdB, finanzpolitischer
Sprecher:
Der Bundesfinanzminister hat das Thema Geldwäsche bisher
praktisch überhaupt nicht beachtet und das ist damals nur
ganz kurz hochgepoppt, als es um die Zypern Rettung ging,
aber eine nachhaltige Politik gegen Goldwäsche kann ich bei
Bundesfinanzminister Schäuble nicht erkennen.
Unser Fazit: Zypern ist noch immer ein Geldwäscheparadies –
aufgepäppelt mit Steuermilliarden aus der EU.
O-Ton Markus Meinzer, Tax Justice Network:
Ich halte es für einen Skandal, dass wir europäischen
Staaten diese Art von Raubrittertum noch immer erlauben,
wo sie sich im Steuersubstrat anderer Staaten bereichern
oder in Kauf nehmen, dass sie sich an Drittstaaten
bereichern. Ich denke, wir sind auch eine Wertegemeinschaft
in Europa und es gehört dazu, dass wir uns hier
Geschäftsmodellen widmen, die ehrbar sind. Und ein
Geschäftsmodell einer Schwarzgeld Oase ist sicherlich
keines, das darunter fallen kann.
Auf Zypern spielt das offenbar keine Rolle - und die europäische
Politik schaut weiter zu.
Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur
zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten
unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen
Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem
Stand des jeweiligen Sendetermins.