yitwtMxfytx Leitung - Neue Zürcher Zeitung

yitwtMxfytx Leitung
Montag, 4. Juli 1966
Die Hundertjahrfeier der Nestle .S . A
Feierlicher Festakt in Lausanne
La. Lausanne, 2. Juli
Dio Nestle Alimentnna S. A. knim dieses Jahr
nul' ihr hundertjähriges Bestehen zurückblicken.
Aus bescheidenen Anfängen hat sieh die Nestle zu
einem Unterneliinnn emporgearbeitet, das absolute
Weltgeltung besitzt, das seine Aktivität ül)or die
ganze Erde ausdehnt und das heute auf der Liste
der größton Firmen (ohne die Amerikaner) nn
elfter Stelle rangiert, Das renommierte Unternehmen hat dieses Ereignisses über das vergangene
Wochenende mit einem Pestakt gedacht, zu dem
eine höchst illustre Gesellschaft aus dem In- und
Anstände geladen war. Bundespräsident IT. Schaffner, zahlreiche Regierungs-, Parlaments- und Beliördevertreter, hervorragende Repräsentanten der
Wirtschaft, nationaler und internationaler Organisationen, eine große Schar in- und ausländischer
Freunde der Nestle sowie die Nachkommen der
Gründerfnmilio versammelten sich am Freitag und
Samstag bei herrlichem Sommerwetter am Ufer
des Genfersees, um mit einer Reihe cindrückliehcr
und gediegener Veranstaltungen diesen wichtigen
Abschnitt im Leben des Unternehmens gebührend
zu markieren.
Im Wandel der Zeit
Dr. Max Petitpierre hielt als Präsident des Verwaltungsrates in seiner Festansprache
über die
in der «NZZ» bereits in der Sonntngsausgabe ausRückschau in die Verführlich berichtet wurde
gangenheit, bestimmte die wichtigsten Aufgaben
Gegenwart und würdigte,
des Unternehmens in der
den Blick in die Zukunft gewandt, das freie Unterwichtige
nehmertum als
Quelle jener expansiven
Kräfte, die die Industrienationen der freien Welt
Nachkriegszeit
zu immer größerem
im Laufe der
Wohlstand geführt haben. Die prononcierte Hinwendung des modern und dynamisch geführton
Unternehmens zum wissenschaftlichen und technischen Fortschritt liefert die Energien, die in
einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
den Motor des wirtschaftlichen Wachstums speisen.
Die Nestle erkennt ihren engern Aufgabenkreis
darin, einen substantiellen Beitrag zur Lösung des
weltweiten Ernährungsproblems zu erbringen. Sie
ist in Würdigung dieser Aufgabenstellung insbesondere den Entwicklungsländern vorpflichtet
und bemüht sich, auf dem Boden der spezifischen
politischen Verhältnisse in diesen Regionen besondere Formen der Zusammenarbeit zu suchen. Mit
den Staaten des kommunistischen Ostens nnterhält
Nestle dagegen keine geschäftlichen Beziehungen;
diese Länder sind an den Produkten der Nestle
nicht interessiert.
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Mit Befriedigung wies Dr. Petitpierre darau
hin, daß sicli im Westen im Soge des steigenden
Wohlstandes, an dem alle Bevölkerungsschichten
partizipierten, dio ideologischen Gegensätze abgeschliffen haben; der Begriff dos freien Unternehmertums hat nicht mehr jenen absoluten Charakter wie im 19. Jahrhundert; vielmehr ist das
freie Unternehmen in ein kompliziertes wirtschaftliches, soziales und gesellschaftspolitisches Bcziehungsnotz zur Umwelt; eingespannt., das es in seiner
Strategie zu berücksichtigen hat. Insbesondere die
sozialpolitische Verpflichtung ist Jüngst zu einem
integrierten Bestandteil der Unternohmungspolitik
geworden. Trotz diesen Fortschritten hat der Westen
natürlich noch lange nicht das Rezept für die
«beste aller Welten» gefunden. Zahlreiche Probleme harren weiter der Lösung. Das freie Unternehmertum ist dazvi berufen, bei der Behandlung
dieser Probleme tatkräftig mitzuwirken und seinen
Einfluß geltend zu machen. Es hat bei der Vorwaltung des Gedankengutes der freien Wirtschaft
eine wichtige trouh'ändorische Funktion zu erfüllen.
Eine beispielhafte
unternehmerische Leistung
Bundespräsident IT. Schaffner überbrachte dio
Glückwünsche der obersten Landesbehörde. Seine
profiliert« Grußbotschaft widmete der hohe Magistrat einigen ivirtschaf'tspolilischen Betrachtungen,
wobei er vorerst auf dio Arbeitskräftefrage einging und darau
hinwies, daß es die Nestle durch
f
eine Politik der vorausschauenden Produktionaverlagerung .vorstanden habe, dieses Problem zu
bewältigen. Die Leiter der Nestle haben denn auch
den vom ausgetrockneten Arbeitsmarkt am meisten
bedrohten Firmen immer wieder empfohlen, die
Möglichkeit der Gründung von «Satellitenbctricben» im Auslande zu prüfen. Diese Politik hat sieh
zudem, wie wiederum das Beispiel Nestle zeigt, bei
der Uoberwindung mancher internationaler Handelshemmnisso als erfolgreich erwiesen.
Dio Entwicklung seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges hat das
wirtschaftliche Wachstum in
zahlreichen Branchen begünstigt. Dio Behauptung,
daß von dieser Tendenz nur Unternehmungen
«optimal» profitieren könnton, die ihren Hauptsitz in einem großen, von Handelshemmungen
dosprüsidont Schaffner betonte, natürlich nicht
gleichzeitig auch abgeleitet werden, daß in der
Wirtschaftsordnung der Zukunft nur noch für
Großuntcrnehmungon Platz vorhanden sei; auch
klcinoro und mittlere Firmen werden sich, wenn sie
anpassungsfähig und beweglich genug sind, behaupten können. Dio Nestle lehrt aber, daß ein
kleiner binnenwirtschaftlichor Raum nicht notwendigerweise das Wachstum eines Betriebes in weltweite Dimensionen verhindern muß.
Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen
ist die Schweiz heute mehr denn jo aufgerufen,
einen wesentlichen Beitrag an die Entwicklung der
wenig begünstigten Länder zu leisten. Der Bundesrat war bisher immer der Auffassung, daß diese Hilfe am zweckmäßigsten durch
die Errichtung von Produktionsbetrieben in diesen
Ländern zu erfolgen habe. Dieser Aufgabe ist dio
Schweiz schon weitgehend nachgekommen, hat sie
doch pro Kopf der Bevölkerung dio größten industriellen Investitionen in diesen Gebieten vorgenommen; an dieser Politik ist dio Nestle maßgebend beteiligt, was im Urteil des Bundespräsidenten um so höher zu schätzen ist, als diese Investitionskategorien nicht selten verschiedenen Diskriminationen ausgesetzt sind. Zudem hat die
Nestle bekanntlich ihren Willen zur Lösung des
Ernährungsproblems mit der Gründung einer Stiftung von 20 Millionen Franken dokumentiert.
Vorschlag einer Investitionsrisikogarantie
der NeslldDie
sie umfaßt nunmehr 214
Produktionsbetriebe
Produktionsstätton
macht einen großen Einsatz
von qualifiziertem Fachpersonal notwendig. Zweifellos wäre es nicht möglieh gewesen, dio hohe Zahl
von spezialisierton Arbeitskräften ohne spürbare
Beeinträchtigung der Binnenwirtschaft allein in
rekrutieren. Die Nestle hat deshalb
freien Markto haben
wie ihn etwa die USA der Schweiz zuWeg
beschritten, nämlich dio Intereinen andern
oder die EWG aufweisen
, ist von der Nestle1
essicrung Angehöriger anderer Länder für das
widerlegt
kann,
wie Bunebenfalls
worden. Daraus
Unternehmen, denen der Weg bis in die oberste
Spitze der Geschäftsheitung offensteht. Von dicVorgehen hat nicht allein die schweizerische
ßem
'irtschaft Nutzen; gezogen^ sie hajt zudem dem
tern'elimen eine gewaltige1 Stoßkraft und den
des Pioniertums erhalten.
Nachdem Bundespräsident Schaffner die Politik
Selbstfinanzierung
der
in ihrer Bedeutung als stabilisierender nnd konsolidierender Faktor gewürdigt hatte, gab er abschließend zu bedenken, daß
in einer lebensfähigen und vitalen Firma mit den
Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert ist,
auch die Kräfte ^wachsen, die für ihre Uoberwindung notwendig sind; und die dauernde Beschäftigung mit Schwierigkeiten führt zu einer ungeahnten Stärke und münzt sieh schließlich in ICrfolge
aus.
Nach Bundespräsident Schaffner würdigte der
Präsident des Waadtländor Staatsrates, M. Edouard Debetaz, das Gewicht und die ökonomische
Ausstrahlungskraft der Nestle für den Kanton
Waadt, während der Zuger Landammann, Dr. Hans
Hürlimann, mit wohlgesctzten Worten daran erinnerte, daß dio Jubilarin ihren Ursprung nicht
nur am Gcnferseo, sondern auch im Kanton Zug
hat.
Im Spiegel der Geschichte
Die Nestle hat ihre Hundertjahrfeier mit der
Publikation eines umfassenden Werkes verbunden,
in dem das wechselvollo Schicksal des Unternehmens in die Zeitgeschichte eingebettet dargestellt
Juni-Festwochen Zürich 1966
«Serjeant Musgrave's Dance»
The English Stage Company
im Schauspielhaus (1./2. Juli)
haj. Unter den Theatemationen der Gegenwart
besitzt wohl England den stärksten dramatischen
Nachwuchs. Als vor zehn Jahren im Royal Court
Theatre John Osbornes Stück «Look Back in Anger»
uraufgeführt wurde, begann ein neuer Abschnitt
in der englischen Theatergeschichte: Eine junge
Generation trat auf den Plan und verlieh in ihrer
eigenwilligen Weise ihren Gefühlen, ihrer Kritik
und ihren Hoffnungen Ausdruck. Obschon im
Royal Court Theatre unter George Devines Leitung
keine eigentliche Schule gebildet wurde, setzte sieh
in den nächsten Jahren eine ganze Reihe junger,
um das Jahr 1930 geborener Autoren durch, deren
Werke dip verscliiedensten stilistischen Richtungen
zwischen einem neuen sozialkritischen Realismus,
dem absurden Theater und dem poetisch-epischen
Theater in der Nachfolge Brechts umfassen. Der
letztgenannten Richtung gehört John Arden an,
der heute wohl zu Recht zu den stärksten dramatischen Begabungen seines Landes gezählt wird,
eine Erkenntnis, die sich erst allmählich durchsetzte, nachdem der junge Dichter 1959 mit der
Uraufführung von «Serjeant Musgrave's Dance»
unter Lindsay Andersons Regie seinen ersten großen Erfolg erzielt hatte. Sechs Jahre nach der
[Traufführung erlebte das Werk durch die «English
Zentralsitz
des
weltweiten Konzerns
Stage Company» eine Neuinszenierung, die als
der englische Beitrag zu den diesjährigen JuniFestwochen nun auch im Schauspielhaus gezeigt
wurde.
In drei Akten (acht Szenen), die zu Ende des
letzten Jahrhunderts im Norden Englands spielen,
hat Arden die Geschichte des königlich britischen
Sergeanten Musgrave gestaltet, der zusammen mit
drei andern Soldaten als Deserteur aus den Kolonion in ein Bergarbeiterstädtchen kommt, um dessen
Bewohnern die Sünde des Krieges und des ungerecht
vergossenen Blutes zu demonstrieren. «Diese Stadt
gehört uns, sie ist reif für uns, und ihre Bewohner:
wenn die uns gehört haben werden, uns und das
Wort Gottes, das die Morde hinausschreit, die
ich sage euch, dann
wir auf dem Gewissen haben
werden sie sich alle miteinander uns zuwenden, und
sie werden sich gegen diesen Krieg wenden!» erklärt in flammendem Eifer der von seinem Missionsgefühl durchdrungene Sergeant. «Was wir den
Leuten zeigen werden, das wird sie vorwärts
treiben, auf Zeit und Ewigkeit, gegen die Unehre,
und gegen die Gier, und gegen den Mord aus Gier.
Das ist unsere Pflicht, die neue Pflicht der Deserteure, dem Herrgott sein Tanz auf dieser Welt; und
wir sind weiter nichts als seine rv i e starken Beine,
um diesen Tanz zu vollführen!» Die Soldaten, die
in das von Streik und Klassenkampf zerrüttete,
von Kälte und Hunger heimgesuchte Städtchen
einziehen, von den Honoratioren als vermeintliche
Werber der Königin begrüßt, von den Bergarbeitern als vermeintliche Streikbrecher argwöhnisch
beobachtet, haben einen handgreiflichen Beweis für
dio Sinnlosigkeit kriegerischer Unternehmungen
Henri Nestle,
Nr. 2932
1814
- einer der Gründer
dar Nestle Alimeiittni« S. A.
Der Bundesrat wird dem Parlament dio Schaffung einer Inveslitiomsrisikogaranlic vorschlagen; gang der Nestle auf den Hintergrund des Zeitgeschehens zu projizieren und damit eine Gesie soll es ermöglichen, dio Hilfe an die Entwicklungsländer auch unter wachsenden Schwierigkeiten schichte zu schreiben, die nicht allein durch dio
Sorgfalt und Akribie besticht, mit der sie verfaßt
woitorzu führen . Zudem soll sie Firmen zur Mitden üblichen Rahmen
hilfe ermuntern, die sich die Uebernahme solcher wurde, sondern die auch
von Firmenchroniken sprengt. Jean Heers Buch
Risiken sonst nicht leisten könnton.
originelle und unkonvenBundespräsident Schaffner betonte in seinen beschreibt auf durchaus
tionelle Weise ein Stück Welt- und WirtschaftsBetrachtungen weiter, daß die wachslumsstarken geschichte,
in die als immer wiederkehrender
Unternehmen nicht nur
wie es eine populäre Brennpunkt die Geschicke der Nestle eingelassen
Theorie erklärt
im Bereiche der Investitions- sind.
beziehungsweise
güter
der Chemie zu finden sind.
Jean Heer hat es mit diesem anspruchsvollen
Dio Nestle ist ein Zeuge dafür, daß man sich vor Vorgehen
verstanden, dos vielfältige Bezugssystem
zu starken Verabsolutierungon an sich zutreffender
darzustellen, das die Nestle mit ihrer Umwelt verBeobachtungen hüten muß.
bindet und auf das sie gestaltend Einfluß zu nehausgeprägte regionale Streuung
"
Nestle-Verwaltungsgebäude, Vejiey
Morgenausgabe Blatt 5
men versuchte. Er hat aber auch dos spezifische
politische und wirtschaftspolitische Klima zu beschreiben vorsucht, das die einzelnen Epochen der
letzten hundert Jahre charakterisiert und in das
wichtige betriebliche Entscheide der Nestle hineingestellt waren. Zweifellos gewinnt dos Verständnis
für eine Finnengoschichte in starkem Maße, wenn
sio gegen den politischen und wirtschaftspolitischen Hintergrund der einzelnen Epochen abgehoben wird.
Das Schicksal der Nestle wird durch diese Präsentation wesentlich dichter und klarer. Es wird
aus der mehr anekdotenhaften Erzählung in eine
umfassende Geschichtsschreibung verlängert, in der
die gewaltigen Umschichtungen, die etwa an der
Basis der industriellen Revolution liegen
Heer
deutet sio richtigerweise mehr als Evolution
,
ebenso herausgearbeitet sind wie jene scheinbar
unbedeutenden Details, die das Alltagsleben bestimmen. Die Geschichte ist nicht mehr ein Bilderbogen von Epinal. Sie wird auch zur Alltagsgeschichtc derjenigen, die sie schaffen: der Kaufleute in ihren Geschäften, der Bankiers hinter
ihren Safes, schreibt Jean Grandmougin (Paris).
Und Prof. F. Baudhuin (Louvain) rühmt am Werk
«Weltgeschehen 1806 bis 1966» das Bemühen des
Autors, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen
einer Großunternehmung zu gewähren und die
Ursprünge aufzuzeigen, aus denen es entstanden
ist.
Pädagogische Entwicklungshilfe
für
den Kongo und Kamerun
ag Zwei Gruppen mit insgesamt 13 Mitgliedern
aus der schweizerischen Lehrerschaft begeben sich
dieser Togo nach Kamerun und nach dem Kongo,'
um Weiterbildungskurse für afrikanische Lehrer
durchzuführen. Jede Equipe übernimmt zwei
Kurse zu drei Wochen, deren administrative Leitung und Organisation der afrikanischen
Lehrer-
wird. Jean Heer, dem Verfasser des Werkes, ist es
in hervorragender Weise gelungen, den Werde-
organisation im Kongo und in Kamerun untersteht.
mitgebracht: das Skelett ihres aus eben diesem
Städtchen stammenden Kameraden Billy Hicks,
der in fernem Land hinterrücks ermordet wurde.
Der Kreuzzug gegen die Gewaltlosigkeit endet mit
gewalttätigem Schrecken: Bei einer nächtlichen
Rauferei bringt einer der Soldaten unabsichtlich
seinen Kameraden um, und die mörderische Logik
des in Raserei verfallenden Sergeanten, der eben
«Wir sind wieder dort, wo wir vorher waren.
Und was tun wir jetzt?» fragt mit großer Bitterkeit der Bergmann Walsh. Es liegt nicht zuletzt
eine tiefe Tragik darin, daß wir dem Zorn und
dem Abscheu des Sergeanten angesichts der Grausamkeiten des Krieges beistimmen und doch seinen
Weg zu deren Behebung entschieden ablehnen müssen. Arden zeigt, daß die Welt und das Leben
nicht auf starre Prinzipien reduziert werden können, weil dies der Vielschichtigkeit des menschlichen Wesens widerspicht.
Daß John Arden von Brecht beeinflußt wurde,
deutete er selbst an, als er sein Stück «eine unhistorisehe Parabel» nannte, und auch die Art, in
der volksliedhafte Songs in den Text eingefügt
sind, erinnert an das Vorbild des deutschen Bühnendichters. Dennoch hat Arden ein durchaus eigenständiges, theaterwirksames Stück gesehrieben, das
auf dem Boden des Realismus fundiert ist, diesen
jedoch auf dio Ebene der Stilisierung hebt. Auf
dieser vollzieht sich denn auch die Verbindung von
Versen, Prosa und Liedern zu einer Einheit, welche
auf einen balladesken Grundton abgestimmt ist,
der Tragik und Komik, aggressive Sozialkritik
und poetische Schilderung in sich vereint.
Das Hauptmerkmal der Neuinszenierung "des
Stücks durch die «English Stage Company* ist die
Werktreue. Die Regie Jane Howells verzichtete
auf jegliche Striche und war mit größter Sorgfalt
bemüht, das Stück genau nach den in seiner Einführung festgelegten Intentionen des Autors
szenisch zu realisieren. In doppelter Weise wurde
die straffe Komposition des Werks zum Erlebnis:
einerseits in der mit größter Präzision, durchge-
diese Logik als einen «Mechanismus unseres Herrgotts» deklariert und das Mittel gegen die Tollwut darin gefunden zu haben glaubt, «die Tollwut
gegen die zu kehren, die sie ausgeschickt haben
aus diesem Land», droht ein Blutbad anzurichten,
als in höchster Bedrängnis anrückende Dragoner
den Sergeanten und seinen einzigen überlebenden
Kameraden gefangennehmen und so Musgraves
Verlangen, einen «besonders empörenden Gewaltakt durch einen noch größeren und außerordentlichen Gewaltakt zu rächen», vereiteln. Im Gefängnis seiner Aburteilung entgegensehend, ahnt
der Sergeant, daß man dem Krieg nicht durch neue
Gewalttat ein Ende machen kann, daß er nicht
ein von Gott gesandter Rächer, sondern ein schuld
bcladener Mensch ist.
Am Schluß des Stücks ist die Ordnung wieder
hergestellt: Die Honoratioren und die Bergarbeiter
tanzen gemeinsam um das Bierfaß, und der anarchistische Sergeant ist unschädlich gemacht. Ist
demgemäß alles in schönster Ordnung? Arden
läßt seine Zweifel an der gebrechlichen Welt durch,
blicken: Gesetz und Ordnung wurden erneut durch
Gewalt etabliert, die Dragoner haben wold die Befreiung von momentaner Bedrohung gebracht, aber
die sozialen Probleme sind damit nicht gelöst:
Neue Zürcher Zeitung vom 04.07.1966