info`s - Galerie Hebecker Weimar

In dem Blatt „Simplex mit Kalbsmaske“ aus dem Zyklus
„Simplicius Simplicissimus“ übertrug er Anfang der
1990er Jahre den literarischen Impuls des bitter-­
satirischen Romans Grimmelhausens von 1668, der Zeit
und Umstände des 30jährigen Krieges beleuchtet, in
aktuelle bildnerische Chiffren. In Rolf Münzners Interpretation der Romanvorlage tritt weniger das Groteskkomische der Betrachtungen des einfältigen Simplicius
hevor, als das in seinen Lebensberichten hervordrängende Grauen, das durch den Kontrast von unschuldiger
Beobachtung und einer exzessiv grausamen Wirklichkeit
wiedergegeben wird. In den Grafikfolgen zu Johann
Wolfgang Goethes „Die neue Melusine“, zu Pierre Louÿs „Der Teufel ist ein Weib“, zu Gedichten von Christian
Morgenstern oder zu Cervantes Roman „Don Quichotte“, die in unserer Ausstellung in Einzelblättern
vertreten sind, erfährt Münzners Übertragung der literarischen Vorlage sinnliche Verfremdung. Sie fügt den
schöngeistig erdachten Verbrechen und Heldentaten wie
den liebreizenden Gedankenspielen eine assoziative
Vergegenwärtigung hinzu, die sich erst in der Gestaltung entfaltet auf immer neue und aufregende Weise. Also, das geht, 1989, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 31 x 21,9 cm
­ rrichtete er sein eigenes Atelier. In diesem Refugium,
e
vertieft in seine Gedankenwelt, entstanden und entstehen seine Bildschöpfungen in der träumerischen Klarheit einer sicheren Hand: freie Blätter, Illustrationsfolgen, Mappenwerke. „Rennen hinter Motoren“ (1978)
oder „Kunststück“ (1982) erschließen sich dem suchenden Auge in Bewegungsmotiven, die sich aus einer
inneren Rhythmik ergeben, die der Lebensdynamik
entspricht. Über das Wunderbare gelangt Münzner
zur Phantastik des Alltäglichen. Der ästhetische Reichtum seiner Illustrationen zur Literatur
beglückt durch die kühne Vielfalt der Reflexionen.
Radballspiel, 1977, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 33,6 x 41,4 cm
Textbeitrag: Susanne Hebecker, Erfurt
Biografie
1942 in Geringswalde geboren – 1956–60 Lehre
und Arbeit als Maschinenschlosser in Leisnig –
1960–62 Grundwehrdienst bei der NVA – 1962–67
Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst
Leipzig bei Hans Mayer-Foreyt und Gerhard Kurt
Müller, Klasse für freie Grafik und Illustration –
1969–72 Aspirantur an der HfGuB Leipzig bei Albert
Kapr und Rolf Kuhrt und in der Steindruckwerkstatt
bei Horst Arloth – 1973 Lehrauftrag an der HfGuB
Leipzig, 1989 Übernahme der künstlerischen Leitung
der Werkstatt für Lithografie, 1992–2007 Professur
für Freie Grafik – freischaffend in Geithain
GALERIE HEBECKER
Schillerstraße 18, 99423 Weimar
Telefon: (03643) 853741, 851786
www.hebecker.com, [email protected]
Zu Michail Bulgakow, „Der Meister und Margarita“, Blatt VI: Großer Walzer,
geöffnet: Dienstag–Freitag 11–17.30 Uhr,
1976, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 23,4 x 29 cm
Samstag 10–16 Uhr und nach Vereinbarung
ROLF MÜNZNER
DRUCKGRAPHIK
GALERIE HEBECKER
lädt Sie, Ihre Angehörigen und Freunde
zur Eröffnung der Ausstellung
ROLF MÜNZNER (*1942)
DRUCKGRAPHIK
sehr herzlich ein.
Wir treffen uns am Samstag,
dem 23. April 2016 um 14.30 Uhr,
in unserer Galerie, Weimar, Schillerstraße 18.
Die Loge, 1983, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 23,1 x 29,4 cm
Ausstellungsdauer: 23. April – 18. Juni 2016
Titelbild:
Fliegende Druckpressen, 1973, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 36,4 x 26,5 cm
Quichotte, 1989, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 24,5 x 16,3 cm
Balance – Schritt, 1987, Steindruck, Asphaltschabtechnik, 22,3 x 30,2 cm
Fliegende Druckmaschinen, Radballspieler, BalanceSuchende oder Morgensterns Knie scheinen als silbriges
Gespinst von linearem Geäder aus schwarzen Bildgründen auf. Von der Imagination Rolf Münzners wach‑
gerufen, aus seinem Sinn fürs Reale, der an eine die
Regeln der Wahrscheinlichkeit überschreitende Phantasie gebunden ist, nehmen sie in seinen Werken Gestalt
und Wesen an. In der vom Künstler mit Meisterschaft
beherrschten Technik der Schablithografie, in der die
helle Zeichnung aus dem Dunkel eines Asphaltgrundes
heraus­gearbeitet wird, gibt sich unter dem Anschein
einer zarten grafischen Schönheit ein großer Ernst in
spannungs­vollen inhaltlichen Bezügen zu erkennen.
In unserer Ausstellung werden ca. 50 Blätter aus dem
druckgrafischen Werk des Künstlers gezeigt, die retrospektiv einen Einblick in sein umfangreiches Schaffen
gewähren, darunter Abzüge von den ersten Lithosteinen, die er Anfang der 1970er Jahre in der Asphaltschabtechnik bearbeitete. Rolf Münzner, 1942 in Geringswalde/Sachsen geboren, konnte seine schöpferische Veranlagung während
des Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in die formende Ausprägung einer eigenen
Stilistik fügen. In der Fachklasse für freie Grafik und
Illustration stärkte Professor Gerhard Kurt Müller seine
Hinwendung zur Literatur; in der Steindruckwerkstatt
der Hochschule erarbeitete er sich unter Geleit von
Horst Arloth die in Vergessenheit geratene Technik der
Asphaltschabmanier. Die lichte Zartheit, die diese
Technik erlaubt, entsprach seinem Sinn für subtile
Verfeinerung. Der schwarze Hintergrund wirkt wie ein
dunkler Spiegel für die schöpferische Macht der Inspiration. Im Gegensatz von Hell und Dunkel entdeckte
der Künstler eine deutende Kraft, die seine Figuren in
der Spannung zwischen Nächtlichem und Lichtem
erkennt. Mitte der 1970er Jahren entstanden
Zu Walther Petri, „Welemir Chlebnikow“, 1985, Steindruck,
­A sphaltschabtechnik, 20,2 x 15,2 cm
­ edeutende Grafikzyklen, wie „Die Arena“ und Folb
gen zu Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“ oder zu Alexander Bloks „Die Zwölf“, die ein
gesellschaftskritisches Weltbild offenbaren. Seine
Fähigkeit, geistige Abenteuer und Experiment, das
Infragestellen und das Aufs-Spiel-setzen als schöpferische Prinzipien zu verwirklichen, gab Münzner
zudem mittels eines Lehrauftrages am ehemaligen
Studienort und über einen Zeitraum von mehr als
30 Jahren der nachfolgenden Künstlergeneration an
der „Leipziger Schule“ weiter. In förderlicher Distanz
zu Leipzig hingegen, in der Kleinstadt Geithain,