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Am liebsten zurück ans Steuer
Motorsport: Formel-1-Rennfahrer und Le-Mans-Sieger Hans Herrmann mit Freunden in Gmünd
Dass er an diesem Abend im „Paulaner“ in Schwäbisch Gmünd sitzen kann, ist reines Glück. Hans
Herrmann, schwäbische Rennfahrerlegende aus Sindelfingen mit
Erfolgen für Mercedes und Porsche, saß in den gefährlichen Motorsportjahren hinterm Steuer.
KUNO STAUDENMAIER
Hermann ist Gründungs- und Ehrenmitglied im Stuttgarter Verein Solitude
Revival, dessen stellvertretender Vorsitzender Gerald Just kommt aus Schwäbisch Gmünd. Motorsport steht an diesem Sonntag aber nicht auf dem Programm, sondern eine Stadtbesichtigung
rund um die Johanniskirche. Natürlich
wird am Abend über Motorsport geplaudert, für Hans Herrmann das Lebenselixier. Er bleibt jung dabei, würde heute
lieber als je zuvor in ein Formel-1-Cockpit steigen. „Heute heißt das, kein Risiko
und viel Geld, früher war es genau umgekehrt.“ Früher, das ist das Jahr 1954.
Mercedes ist auf der Suche nach einem
weiteren Fahrer für die Formel-1-Saison.
Die Rennabteilung entscheidet sich für
Hans Herrmann. Noch im selben Jahr
legt er die schnellste Rennrunde beim
Großen Preis von Frankreich vor, in der
Schweiz gelingt ihm sogar der Sprung
auf die Siegertreppe.
Hans Herrmann schlägt ein SchwarzWeiß-Leporello auf, Freunde haben ihm
Fotos aus dieser Zeit aneinandergereiht.
Glückliche Momente und die Gefahr
sind nah beieinander. In Monaco verunglückt der damals 26-Jährige schwer,
sein Mercedes bleibt unter einer Abschrankung hängen. Und Hans Herrmann weiß, dass ihn das Schicksal der
anderen Rennfahrer hätte ereilen können. „Am Start kam schon immer der
Gedanke auf, wer ist es heute.“ Für langes Nachdenken blieb dann aber keine
Zeit. „Wir mussten uns ganz aufs Auto
konzentrieren.“ Das aus einem ganz besonderen Grund: „Rennfahrer fuhren
damals alles“, sagt er. Also Formel 1,
Le-Mans-Sieger Hans Herrmann (links) genießt einen Abend in Schwäbisch Gmünd, hier zusammen mit dem Vorsitzenden des
Vereins Solitude Revival, Hans-Peter Koch und dem zweiten Vorsitzenden Gerald Just.
(Foto: kust)
Langstreckenrennen, Bergrennen.
„Nicht selten bin ich am Samstag für
Porsche Sportwagenrennen gefahren,
am Sonntag für Mercedes Formel 1.“
Was für eine Umstellung: Der leichte
Porsche mit Heckmotor reagiert völlig
anders als der schwerere Mercedes mit
Frontmotor. „Wenn man jung ist, dann
geht das schon“, sagt er und lebt mit den
Erinnerungen. Die hat er als Markenbotschafter von Porsche und Mercedes immer mal wieder. Wenn am nächsten Wochenende Mercedes das zehnjährige Be-
stehen des Museums feiert, ist Herrmann natürlich dabei. Dann könnte er
wieder hinterm Steuer eines W 196 – der
Formel-1-Renner von 1955 – oder eines
Mercedes 300 SLR sitzen und einige Museumsrunden drehen. Mercedes und
Porsche, das sind auch zwei Eckpunkte
in seinem Leben. Hans Herrmann hat sie
auf seiner Visitenkarte festgehalten: Die
Karriere beginnt mit dem Mercedes W
196 und endet mit dem grandiosen LeMans-Sieg 1970 im Porsche 917.
Wenn Hans Herrmann in Schwäbisch
Gmünd sitzt, denkt er auch an verwandtschaftliche Bindungen zur Gold- und Silberstadt. Ein Onkel aus der Familie Zieher war es, der in Stuttgart Inhaber eines
Juweliergeschäfts war. Die Region kennt
er natürlich auch aus der Sicht hinterm
Lenkrad. Dabei denkt er an so manche
Bergrennen der frühen Jahre, in Heubach unterm Rosenstein, bei Schorndorf, am Neuffen. Hans Herrmann redet,
als sei es gestern gewesen. Wer ihm gegenüber sitzt, möchte das glauben. Sport
hält eben jung.