Wir haben Zivilcourage gezeigt - K

„Wir haben Zivilcourage gezeigt“
GÖRLITZ. – „Bürgerwehr geht auf kranken Flüchtling los“, titelt
Spiegel Online. „Bürgerwehr fesselt kranken Flüchtling an Baum“,
prangert die Internetseite der Bild-Zeitung an. Ein „heftiger Fall von
Selbstjustiz“ habe sich in Sachsen zugetragen. Wieder Sachsen, wieder
Gewalt, wieder gegen Flüchtlinge. Das ist die Botschaft, die
verbreitet werden soll. Ein psychisch kranker Asylbewerber, der sich
in einem Netto-Supermarkt bei der Kassiererin beschwert habe, dass
seine dort gekaufte Mobilfunkkarte nicht funktioniere, sei von vier
Männern angegriffen und aus dem Supermarkt geprügelt worden.
Von dem Vorfall existiert ein Video. Seit es ins Internet gestellt
wurde, sorgt der Fall, der sich bereits am 21. Mai ereignete, für
Schlagzeilen. Die JUNGE FREIHEIT sprach mit einem der Beteiligten, dem
CDU-Kommunalpolitiker Detlef Oelsner. Seine Schilderungen decken sich
mit dem Video und lassen den ganzen Vorfall – vor allem hinsichtlich
der Frage, wer Täter und wer Opfer ist – in einem anderen Licht
erscheinen.
Oelsner wohnt neben dem Netto-Supermarkt, seine Frau geht regelmäßig
dort einkaufen. „Wir hatten an dem Tag Bekannte eingeladen und wollten
grillen. Meine Frau hat mir erzählt, dass der Flüchtling, der bei uns
im Ort in der Psychiatrie untergebracht ist, den ganzen Tag schon
Ärger gemacht habe und dass die Polizei schon zwei Mal an dem Tag
seinetwegen anrücken musste.“
https://www.youtube.com/watch?v=PUnULljgwIM
Demnach habe sich der Iraker eine Telefonkarte gekauft. Später sei er
wieder zurückgekommen und habe sich beschwert, dass diese nicht
funktioniere. Als die Mitarbeiterin des Supermarktes ihm erklärte,
dass das Guthaben bereits aufgebraucht sei, habe der Mann aggressiv
reagiert und sich hinter die Kassiererin gestellt und diese auf
Arabisch lauthals beschimpft.
Der Supermarkt habe daraufhin die Polizei verständigt, die den Mann
mitnahm. Er sei aber schon kurze Zeit später wiedergekehrt, habe
wieder Ärger gemacht und die Kassiererin so beschimpft, dass diese
sich bedroht fühlte. Auch habe er das Personal des Supermarktes mit
Eiern bewerfen wollen. Wieder sei die Polizei gerufen worden und
wieder habe sie den Iraker mitgenommen. Aber nicht einmal eine Stunde
später sei er erneut erschienen.
„Ich stand mit meinen Bekannten am Gartenzaun. Wir haben uns das
angeschaut, hatten aber nicht vor, dahin zu gehen. Der Flüchtling
wollte sich dann vor dem Netto eine Zigarette anzünden, aber sein
Feuerzeug ging nicht. Da hat er es wütend auf den Boden geworfen und
ist wieder in den Laden marschiert“, schildert Oelsner den Ablauf.
Dann sei eine Kundin aus dem Supermarkt gelaufen gekommen und habe
gerufen, dass der Asylbewerber gerade zwei Flaschen Wein klauen wolle.
„Ich habe sofort die Polizei gerufen“
„Da sind wir rüber gelaufen in den Laden. Wir haben gesehen, dass der
aggressiv mit den Flaschen rumfuchtelte und die Kassiererin bedrohte.
Also sind wir dazwischen. Wir haben dem die Flaschen abgenommen,
einfach, damit nichts passiert“, erzählt der CDU-Politiker. Danach
wollten er und seine Bekannten den Iraker aus dem Laden drängen, damit
er keinen weiteren Ärger mache, verteidigt Oelsner sein Eingreifen.
Plötzlich sei der Asylbewerber aber aggressiv geworden und habe auf
sie eingetreten und -geschlagen. „Da haben wir ihn gepackt, es gab
eine Rangelei und dann hatten wir ihn draußen. Ich habe dann sofort
die Polizei gerufen.“ In der Zwischenzeit hätten sie den Mann fixiert,
da die Polizei aber länger gebraucht habe, habe sich der Iraker
losgerissen und sei erneut auf Oelsner und seine Freunde losgegangen.
„Ich habe ihn dann in den Schwitzasten genommen und wir haben ihn mit
mehreren Kabelbindern an einem Baum festgebunden.“ Als die Polizei
kam, habe er einem Beamten noch seine Personalien gegeben. Dann seien
sie alle wieder zurück in den Garten gegangen. Danach habe er von der
Geschichte erst einmal nichts mehr gehört, bis ein Video von dem
Vorgang ins Internet gestellt wurde. Nun heißt es auf einmal, die
Polizei ermittle auch gegen ihn und seine Freunde wegen versuchter
Freiheitsberaubung.
„Die Polizei hat sich noch bedankt“
Foto: CDU Arnsdorf
Oelsner hat dafür kein Verständnis. „Der Polizist vor Ort hatte sich
noch bedankt und gemeint, wir hätten gute Vorarbeit geleistet.“ Die
Polizei habe dem Iraker Handschellen angelegt und ihn, weil er immer
noch aggressiv gewesen sei, auf einer Trage zusätzlich fixiert in
einen Krankenwagen verladen, der den Mann dann in die Psychiatrie
gebracht habe.
„Wir haben lediglich Zivilcourage gezeigt, aber offenbar ist das jetzt
strafbar. Ich bin so erzogen worden, dass man als Mann eingreift, wenn
eine Frau bedroht wird. Und die Mitarbeiterin wurde bedroht. Wir sind
keine Bürgerwehr, sondern ganz normale Bürger, aber wir schauen eben
auch nicht zu, wenn so etwas passiert“, verteidigt sich Oelsner. Dass
die Medien den Fall nun so verdreht darstellten, ärgere ihn zwar,
verwundere ihn mittlerweile jedoch nicht mehr.
Beim der zuständigen Polizeidirektion in Görlitz gibt man sich
bedeckt. Dennoch bestätigt Sprecher Thomas Knaup gegenüber der JF,
dass die Polizei an diesem Tag dreimal wegen des Asylbewerbers zum
Supermarkt ausrücken musste. Bei den ersten beiden Malen seien die
Beamten jedoch lediglich gerufen worden, weil eine Kommunikation mit
dem psychisch Kranken nicht möglich gewesen sei. Die Polizei habe
dabei „Taxi gespielt“ und den Iraker zurück in die Psychiatrie
gebracht. Dort ist er im offenen Vollzug untergebracht.
Staatsschutz ermittelt
Zuletzt sei die Polizei um 18.52 Uhr wegen eines Ladensiebstahls zum
Supermarkt gerufen worden. „Als die Einsatzkräfte dort ankamen, trafen
sie auf etwa 20 Männer“, sagte Knaup. Der Iraker sei dabei bereits mit
Kabelbindern an einen Baum gefesselt gewesen. Zuvor hatte er laut
Zeugen die Filialleiterin und eine weitere Angestellte mit einer
Flasche bedroht.
„Die dafür verantwortlichen Männer berichteten, dass sie den Mann zur
Abwehr einer angeblichen Gefährdungssituation festgehalten und an
einer Flucht gehindert haben wollen“, heißt es in einer Mitteilung der
Polizei. „Die Beamten forderten die Personengruppe auf, den Platz zu
verlassen. Sanitäter versorgten den 21jährigen und brachten ihn zum
Arnsdorfer Fachkrankenhaus zurück.“ Bei seinem Abtransport sei der
Mann „sichtlich in Rage“ gewesen, sagte Knaup.
Ob der psychisch kranke Asylbewerber bereits polizeilich bekannt oder
vorbestraft ist, wollte der Polizeisprecher weder bestätigen noch
dementieren. „Ich kann dazu aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts
sagen.“
Er
bestätigte
jedoch,
dass
der
Staatsschutz
in
die
Ermittlungen eingebunden sei. Die Begründung: „Wenn 20 deutsche
Staatsbürger einen Flüchtling an den Baum binden“, wolle man
grundsätzlich nicht „auf die Expertise des Staatsschutzkommissariats“
verzichten.
Während gegen den Asylbewerber wegen des Verdachts der Bedrohung
ermittelt wird, müssen die Deutschen mit einem Verfahren wegen des
Verdachts der Freiheitsberaubung rechnen. Ebenfalls werde geprüft, ob
die
Männer
ihr
Festnahmerecht
nach
Paragraph
127
der
Strafprozessordnung überschritten hätten. Dort heißt es: „Wird jemand
auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht
verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden
kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig
festzunehmen.“
„Nothelfer mit ‪Zivilcourage“
Der renommierte Medienanwalt Ralf Höcker kritisierte unterdessen den
Bericht der Bild-Zeitung zu dem Fall. „Rechtmäßig agierende Nothelfer
mit ‪Zivilcourage werden von der ‪Bild-Zeitung daher kurzerhand zu
einer durchgedrehten ‪‎Bürgerwehr erklärt. Dieser Artikel ist ein
schlimmes Beispiel dafür, wie durch das geschickte Weglassen von
Fakten ein völlig falscher Eindruck erweckt wird.“
Laut seiner juristischen Expertise habe der Asylsuchende „mindestens
einen Hausfriedensbruch“ begangen. „Schon das genügt gemäß §§ 32 StGB
und 127 StPO, um den drei Männern das Recht zu geben, den Täter
festzunehmen, ihm die Flasche abzunehmen und ihn zu fixieren, bis die
Polizei kommt“, schrieb Höcker in einem Facebook-Eintrag.
„Das
Ermittlungsverfahren
gegen
die
drei
angeblichen
‘Bürgerwehrmänner’ wird also aller Voraussicht nach eingestellt
werden. Vermutlich wird dann ein Aufschrei durch das Land gehen. Das
liegt aber nicht daran, dass die zu erwartende Verfahrenseinstellung
unrechtmäßig
ist,
sondern
daran,
dass
Journalisten
falsch,
unvollständig und tendenziös berichtet und damit falsche Erwartungen
geweckt haben.“
Quelle: jungefreiheit.de