Erinnerungen an Breslauer Zeiten

Erinnerungen
an
Breslauer Zeiten
Erinnerungen
an
Breslauer Zeiten
Die Breslauer Kösener Corps:
Ihre besonderen Bräuche in Breslau und
ihre gegenseitigen Beziehungen bis in die Gegenwart
zusammengetragen von Dr. Horst-Joachim Reichel Silesiae ECB
zum 195. Stiftungstag der Silesia am 24. Mai 2016
Frankfurt (Oder) 2016
Autor: Dr. Horst-Joachim Reichel Silesiae ECB
Bearbeitung und Layout:
Dr. Hans-Christian Kersten Silesiae, Franconiae Tübingen
Coverdesign: Dr. Günter Bäro Silesiae, unter Verwendung der
Wappen der vier Breslauer Kösener Corps Borussia,
Silesia, Lusatia und Marcomannia
Impressum
Copyright: © 2016 Horst-Joachim Reichel
Druck & Vertrieb: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort
1
Geschichte des Breslauer SC
3
Die Breslauer Corpshäuser
31
Zobtenkommerse
43
Hoftage
58
Silesias Verhältniscorps
83
Breslauer Pauk-Comment von 1898
100
Breslauer Bier-Komment von 1921
113
Literaturverzeichnis
131
Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität, Breslau, um 1900
Vorwort
Der Breslauer Seniorenconvent (SC), den die vier Breslauer Kösener
Corps Borussia, Silesia, Lusatia und Marcomannia bildeten, ist
Geschichte. Gerade deshalb habe ich hier die 115 Jahre seines
Bestehens von 1821 bis 1936 und seine „Fortsetzung“ innerhalb des
Kölner SC von 1951 bis 1996 nachgezeichnet, um eine Grundlage für
bleibende Erinnerung zu bieten. Der Abschnitt über den SC wird ergänzt
durch eine Beschreibung der Breslauer Corpshäuser der vier Corps,
einschließlich des Berichts eines Augenzeugen über die Zerstörung des
Hauses der Silesia am Ende des 2. Weltkriegs.
Hinzugefügt habe ich die Geschichte zweier besonderer Veranstaltungen
der Breslauer Kösener Corps, der Zobtenkommerse und der „Hoftage“,
um die Erinnerung an diese historischen Besonderheiten wachzuhalten.
Den Abschluss bildet eine kurze Geschichte der Beziehungen von Silesia
zu ihren Verhältniscorps. Für eine Neuauflage dieser Broschüre könnte
ich mir sehr gut eine Ergänzung durch die Darstellung der Beziehungen
der drei anderen Breslauer SC-Corps zu ihren Verhältniscorps vorstellen.
Ich bitte um Rückmeldungen von dort.
Die einzelnen Kapitel der vorliegenden Broschüre sind auch zu verstehen als Zusätze zu der im Jahr 2011 erschienenen „Geschichte des
Corps Silesia Breslau 1821 – 2011“, in der ich die letzten 40 Jahre
beschrieben habe.
Auch diesmal bin ich wieder zu tiefem Dank verpflichtet meinem
Corpsbruder Dr. Hans-Christian Kersten Silesiae, Franconiae Tübingen,
der in mühevoller Kleinarbeit, verbunden mit sehr häufig nötigen
Nachfragen, das Korrekturlesen und die für den Druck erforderliche
Formatierung des Textes bis hin zur Einarbeitung der Fußnoten
übernommen hat. Für diese echt corpsbrüderliche Hilfestellung möchte
ich mich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bedanken.
1
Ein weiterer Dank gilt meinem Corpsbruder Dr. Günter Bäro für seine
hilfreichen Ratschläge und seine Unterstützung bei der Gestaltung des
Layouts, außerdem für die Enddurchsicht der Druckvorlage.
Allen Lesern wünsche ich eine interessante Lektüre dieser hoffentlich
häufig zum Schmunzeln Anlass gebenden Erinnerungen an alte
Burschenherrlichkeit.
Mai 2016
Dr. phil. Horst-Joachim Reichel Silesiae ECB
2
Geschichte des Breslauer SC
Nach der Stiftung der Borussia am 23.11.1819 und der der Silesia am
24.05.1821 bildeten diese beiden Corps den ersten Breslauer SC.1
Aufgrund der Verfolgungen durch die Universitätsbehörden und den
preußischen Staat gemäß den durch Metternich initiierten Karlsbader
Beschlüssen bestanden die Corps, damit auch der SC – natürlich ebenso
die am 28.11.1819 gegründete Burschenschaft Arminia2 – in den 20er
und 30er Jahren meistens nur im Geheimen, offiziell aufgelöst waren sie
von 1824 bis 1828 und 1836 bis 1837. In der Zwischenzeit offen
rekonstituiert war Silesia seit dem 02.02.1828, Borussia seit dem 03.
08.18293, die Burschenschaft Arminia auch seit dem Jahr 1828. Da sich
bald einige Mitglieder dieser Arminia von ihr lossagten, weil sie den
radikaler werdenden Tendenzen nicht folgen wollten, gründeten sie im
Jahr 1831 das Corps Teutonia. Dieses hielt im SC von Anfang an fest zu
Borussia, so dass Silesia ständig isoliert war. „Dem Bedürfnis nach einem
Gegengewicht entsprach die Gründung einer weiteren Verbindung, ein
Verfahren, das bis zum Jahr 1849 in Breslau noch einige Male wiederholt wurde.“4 Im Jahr 1832 kam es also am 6. November zur Gründung
der Lusatia durch einen Greifswalder Pommern (zugleich Rostocker
Vandale und Hallenser Pommer), der wie bisher alle Pommern bei Silesia
verkehrt hatte.5 Teutonia wurde allerdings schon 1834 und Lusatia 1836
suspendiert.6
Bei dem offiziell als „Demagogenverfolgung“ deklarierten Verbot aller
Korporationen, insbesondere nach dem Sturm auf die Frankfurter
Hauptwache am 3. April 1833, einer Aktion radikaler Burschenschafter
gegen den Bundestag, wurden zahlreiche Mitglieder der Breslauer
Verbindungen bestraft7, entweder mit Karzerhaft für einige Tage oder mit
dem Consilium abeundi (Verweisung von der Universität) oder mit
Relegation (Verweisung von allen Universitäten mit allgemeinem
Studienverbot) für einige Jahre oder auch für immer.
Erst Ende der 30er Jahre glätteten sich die Wogen der politischen
Korporationsverfolgungen, so dass der Breslauer SC mit Borussia
(rekonstituiert 03.08.1838) und Silesia (rekonstituiert 07.12.1837) auch
1
Corpsgeschichte der Lusatia, Band I (nachf. zitiert „Lusatia I“), S. 14.
Corpsgeschichte der Silesia (nachf. zitiert „Silesia“), S. 68, 71.
3
Corpsgeschichte der Borussia, Band I (nachf. zitiert „Borussia I“), S. 160.
4
Lusatia I, S. 19.
5
Lusatia I, S. 19
6
Silesia, S. 74, Lusatia I, S. 33.
7
Silesia, S. 73
2
3
offiziell wieder in Erscheinung treten konnte.8 Er war damals auch schon
richtig organisiert: Auf regelmäßigen SC-Sitzungen wurden u.a.
Beschlüsse über den monatlichen Wechsel im Präsidium gefasst, die
Komments verglichen sowie Bestimmungen über Waffenschutz
vereinbart, wie man den acht Protokollen entnehmen konnte, die aus
jener Zeit (Februar bis Juli 1836) erhalten geblieben waren. Zu Beginn
und Schluss jedes Semesters wurden gemeinsame Kommerse
abgehalten9 und im Abstand von zwei Wochen gemeinsame Kneiptage.
Diese bildeten den Ursprung der noch bis 1914 veranstalteten SCFrühschoppen.10
Mit der nach der Auflösung der Arminia im Sommer 183411 am
17.12.1835 neu gegründeten Burschenschaft der Raczeks (nach dem
Namen ihres Kneipwirts) kam es bald wieder zu Auseinandersetzungen
über die Führungsrolle in der Studentenschaft. Die Raczekianer
versuchten, durch möglichst viele Kontrahagen die beiden Corps
„totzuschlagen“, was allerdings misslang. In den 40er Jahren wurde „die
gegenseitige Stimmung dann jedoch freundlicher und blieb, weil man ein
geordnetes Paukverhältnis eingerichtet hatte, einige Zeit hindurch
leidlich“.12
Das allgemeine Alltagsleben der Corpsstudenten war allerdings Ende der
30er Jahre recht turbulent. Nach Besuchen in den Kneipen der Stadt, den
sog. Kretschams, in denen es das dort gebraute einfache Fassbier gab13,
kam es oft mit Turnern, Polen und Burschenschaftern in den engen
Gassen der Stadt zu Prügeleien, die mit dem „Holzkomment“ – die
Studenten trugen damals Knotenstöcke als Waffe bei sich – ausgefochten wurden, weiterhin zu häuslichen Radauszenen und anderen
„Vergnügungen“, die die Kennzeichen einer sehr häufigen und
ausgiebigen „Kneilheit“ oder „Beknüllung“ trugen. Selbst unter den Corps
kam es gelegentlich zu Prügeleien und zu zeitweisem gegenseitigen
Verruf, „kurz, es war kein gesundes studentisches Leben mehr, das man
führte.“14
In der Bürgerschaft führte das verständlicherweise zu Unmut und
deutlicher Distanzierung. Über den Versuch, dies zu ändern, ist in der
Corpsgeschichte der Silesia zu lesen: „Was endlich die Wiederherstellung des in der letzten Zeit tief gesunkenen Ansehens der
8
Silesia, S. 86 f, Borussia I, S. 174.
Silesia, S. 74.
10
Lusatia I, S. 23.
11
Borussia I, S. 170.
12
Silesia, S. 87.
13
Lusatia I, S. 25.
14
Silesia, S. 77.
9
4
Studentenschaft unter den Bürgern und die Aufnahme in bessere
Verkehrskreise betrifft, so wurde diese von der Silesia – abgesehen
davon, dass man den Besuch in den gewöhnlichsten Kneipen wieder
aufgab und sich in besseren Lokalen zeigte, sich auch eines anständigen Lebens befleißigte – dadurch bewerkstelligt, dass man im Verein
mit den Raczeks und unter zahlreicher Beteiligung nicht farbentragender
Studenten – merkwürdiger Weise ohne die Preußen – am 18. Februar
1839 einen großen Ball in dem damals erst kürzlich eingeweihten besten
Gesellschaftssaal der Stadt, im ‚Wintergarten‘, arrangierte und die ganze
feine Welt Breslaus dazu einlud. … Die erst zögerlichen feinen Damen
sagten zu, als auf Veranlassung des Rektors Otto seine Frau und zwei
andere hoch angesehene Damen sich bereit erklärten, die Honneurs zu
machen. Das Fest gelang, und so war die Rezeption der Studentenschaft
in bessere Gesellschaftskreise vollzogen“15, was dann auch so blieb.16
Im SC gab es im Jahr 1840 eine kleine Dissonanz, als ein Corpsbursch
der Silesia, der seine Hoffnung auf die erste Charge nicht erfüllt sah, mit
zwei Renoncen austrat und zusammen mit zwei Vertretern der Borussia
am 10.03.1840 eine Pomerania gründete, die allerdings nach kaum
einem Jahr schon wieder suspendierte.17 Aus ihren Mitgliedern ging am
10.03.1841 eine Lusatia hervor mit den Farben der Lusatia aus den 30er
Jahren. Trotz einer stattlichen Aktivenzahl suspendierte Lusatia in der
ersten Hälfte des WS 1845/46, wobei der Grund nicht bekannt ist.18 Doch
schon nach sehr kurzer Zeit, am 27. Februar 1846, fand die
Rekonstitution statt. Borussia und Silesia halfen dabei „mit allen Kräften,
da das Vorhandensein eines dritten Corps nach den früheren Erfahrungen im Interesse des SC dringend erwünscht, wenn nicht sogar
notwendig war.“19 Es wurden sogar zwei Preußen und ein Schlesier zur
Unterstützung an Lusatia abgegeben und übernahmen dort die erste und
zweite Charge.
Im März 1848 wurde innerhalb der Breslauer Bürgerwehr von der
gesamten Studentenschaft ein Studentenfreikorps gebildet, in dem der
SC die neunte Kompanie stellte, „um zum Schutz der durch die
Revolution errungenen Freiheit und zu ihrer weiteren gesetzlichen
Entwicklung kräftigst beizutragen und ebenso sehr reactionären als
anarchischen wie auch die Sicherheit der Personen und des Eigenthums
gefährdenden Bestrebungen zu widerstehen.“20 Zu einem militärischen
Einsatz ist das Studentenfreikorps allerdings nicht gekommen. Es wurde
15
Silesia, S. 88.
Lusatia I, S. 35.
17
Borussia I, S. 195.
18
Lusatia I, S. 43 f.
19
Lusatia I, S. 45.
20
Silesia, S. 102.
16
5
schon bald nach der Aushebung wieder aufgelöst, noch ehe im Mai in
Breslau der Barrikadenkampf ausbrach.
Die Beziehungen innerhalb des SC verschlechterten sich Ende der 40er
Jahre zusehends, so dass es in jedem Semester zu zahlreichen
schweren Säbelforderungen kam.21
Am 06.03.1847 war auf Veranlassung von Silesia, um gegen die
geschlossen auftretenden Preußen und Lausitzer bestehen zu können,
ein Corps Saxonia gegründet worden, das allerdings am 10.05.1848
schon wieder aufgelöst wurde, nachdem Silesia wegen zunehmender
Entfremdung ihre Unterstützung beendet hatte. Saxonia hatte deswegen
im Dezember 1847 gegen Silesia eine PP-Suite von 25 (!) Paaren
gestürzt, sie allerdings bereits am 20. Januar 1848 zurückgenommen,
weil sie – schon aus Zeitgründen – nie hätte ausgefochten werden
können.22
Im Herbst 1847 trat Borussia sogar wegen eines eigentlich belanglosen
Streits mit Silesia aus dem SC aus. Da aber die Verhandlungen mit den
Raczeks und einer neuen burschenschaftlichen Verbindung Marcomannia zu keinem befriedigenden Ergebnis führten, kehrte Borussia im
Februar 1848 in den SC zurück.23 Das Verhältnis zu den Raczeks war in
den 40er Jahren allgemein immer feindlicher geworden, da die Burschenschaft sich im Vorfeld der 48er Revolution zunehmend politisierte. Im SS
1849 kam es erneut zu einer offiziellen Spaltung des Breslauer SC, da
diesmal Silesia austrat, nachdem man sich über die Bereinigung des
Ehrenwortbruchs zweier Preußen nicht einigen konnte.24 Schon einen
Tag nach dem Austritt der Silesia stifteten Borussia und Lusatia am
02.03.1849 ein neues Corps mit dem Namen Neo-Silesia und denselben
Farben wie die alte Silesia, nur in umgekehrter Reihenfolge, und mit den
gleichen hellblauen Mützen. Das hatte natürlich eine PP-Forderung aller
Corpsburschen der Silesia zur Folge. Neo-Silesia konnte nur bestehen,
da Borussia und Lusatia mehrere Corpsburschen abgaben.25 Als diese
Unterstützung ausblieb, musste Neo-Silesia schon nach nur neun
Monaten Bestand suspendieren.26
Um einen eigenen (zweiten) SC bilden zu können, zu dem mindestens
zwei Corps gehören mussten, gründete Silesia am 11.06.1849 ein neues
Corps mit dem Namen Marchia und den Farben der alten Märker von
21
Silesia, S. 100.
Silesia, S. 108.
23
Borussia I, S. 220.
24
Silesia, S. 109, Borussia I, S. 220 ff.
25
Lusatia I, S. 70.
26
Lusatia I, S. 71.
22
6
181127. Dieser neue SC wurde sogar vom Kösener Kongress als der
rechtmäßige geführt, da Silesias Verhalten in der o. a. Ehrenwortbruchsache zweier Preußen als gerechtfertigt anerkannt wurde.28
In dem Gegen-SC kam es nun bald in der Frage des Umgangs mit der
Burschenschaft zu Verstimmungen zwischen Borussia und Lusatia, was
zur Folge hatte, dass nach der Suspension von Neo-Silesia am
24.11.1849 Lusatia Ende 1849 austrat29 und Borussia daraufhin schon
kurz danach, am 28. Februar 1850, in Silesias SC zurückkehrte. Lusatia,
nun völlig isoliert, schloss sich diesem Schritt im Mai 1850 an, womit die
kurze Zeit der Gegen-SC´s vorüber war.30
Aber schon 1851 gab es erneut Streit im SC, zumal sich die Fronten
geändert hatten. Marchia, eigentlich Silesias Kind, hatte sich der Politik
der Borussia angeschlossen, und Lusatia hatte sich andererseits der
Führung der Silesia anvertraut. In der Auseinandersetzung über die
Fragen, wie lange ein Corps das Präsidium innehat und ob eine
kurzfristige Suspension Auswirkungen auf die altersmäßige Reihenfolge
der Corps im SC hat31, verließen Borussia und Marchia den SC und
wandten sich Beschwerde führend an den Vorort Heidelberg. Bis von dort
eine Entscheidung kam, hatte man sich aber wieder geeinigt.32
„Bei dieser Stimmung im SC gaben die Mensuren regelmäßig Anlass zu
den ärgerlichsten Streitigkeiten. Schon die Zusammensetzung der
Partien war bezeichnend, da durch viele Semester hindurch auf der einen
Seite Borussia und Marchia, auf der anderen Seite Silesia und Lusatia
fochten. Fast immer folgten auf die Mensurtage stundenlange SCVerhandlungen mit Klagen gegen Unparteiische und Sekundanten sowie
Beschwerden über unberechtigte Verweigerung von Partien, so dass das
gegenseitige Misstrauen beständig wuchs.“33 „Die SC-Sitzungen waren
häufig stürmisch. Als bester Sprecher galt, wer dem Gegner, ohne
revozieren zu müssen, die meisten Grobheiten zu sagen wusste.“34
So entzweiten sich Im Februar 1853 Silesia und Lusatia wegen einer
Lappalie: „Auf dem Hoftag der Lusatia war ein Lied gesungen worden, in
dem Silesia eine Parodie ihres Farbenliedes erblickte und deshalb sofort
27
S. dazu unten S. 28.
Silesia, S. 109.
29
Lusatia I, S. 73.
30
Silesia, S. 110, Borussia I, S. 222 f.
31
Lusatia I, S. 75.
32
Silesia, S. 113 f.
33
Silesia, S. 125.
34
Lusatia I, S. 76.
28
7
ostentativ des Fest verließ.“35 Aber schon zwei Jahre später näherten sich
beide Corps wieder an, was dann aber auch wieder nur vier Jahre
Bestand hatte.
Schon 1859 kam es – aus unbekannten Gründen – wieder zu einem
Bruch im SC, und zwar abermals in neuer Konstellation. Denn diesmal
traten Silesia und Borussia aus dem SC aus, und der von Marchia und
Lusatia gebildete SC wurde vom Kösener als der legitime anerkannt. Da
Marchia im November 1860 wegen Mitgliedermangels suspendieren
musste, stand Lusatia plötzlich wieder einmal allein da, sah sich
gezwungen, klein beizugeben, und trat am 7. November 1860 wieder
dem von Borussia und Silesia gebildeten Gegen-SC bei.36
Diese Streitigkeiten und die dauernden Austritte aus dem SC sind ein
Zeichen dafür, dass die Corps als Folge der sich im politischen Raum
manifestierenden Freiheitsbestrebungen des Individuums noch zu sehr in
der unbedingten Behauptung des eigenen Standpunkts verharrten und
noch nicht gelernt hatten, demokratisch durch Abstimmung zustande
gekommene Mehrheitsbeschlüsse zu akzeptieren.37 Die gereizte
Stimmung und die sich daraus ergebenden Streitereien hielten im SC
noch eine ganze Weile an. Dennoch luden die Corps sich gegenseitig zu
ihren größeren Festlichkeiten wie runden Stiftungsfesten und Hoftagen
ein.38 Seit den 50er Jahren besuchte der SC im Sommer jeden
Donnerstagnachmittag gemeinsam die Gartenkonzerte im Volksgarten.
Im Jahr 1855 wurde sogar eine gemeinsame glanzvolle Schlittenfahrt
unternommen. Seit der Krönung Wilhelms I. zum preußischen König am
18. Januar 1861 wurde jedes Jahr an seinem Krönungstag ein besonderer Kommers abgehalten.39 Besondere Höhepunkte bildeten die SCZobtenkommerse.40
Aus dem Jahr 1848 ist noch ein besonderes Ereignis zu erwähnen. Im Mai
wurden nämlich vom Breslauer SC die seit ca. 10 Jahren an jedem
Semesteranfang abgehaltenen „Fuchsenkommerse“ verboten, bei denen
Brandfüchse präsidierten, einerseits wegen „allzu großen Randals“41,
andererseits weil diese Kommerse zu unerträglich vielen Kontrahagen
35
Lusatia I, S. 75 f. Hoftage waren im 19. Jahrhundert von den Breslauer Corps
veranstaltete besondere Feste, auf denen das Kleinfürstentum des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation in Form eines Bierkönigtums parodiert
wurde. Vgl. dazu unten das Kapitel „Hoftage“, S. 58 ff.
36
Lusatia I, S. 76.
37
Borussia I, S. 223.
38
Silesia, S. 121.
39
Lusatia I, S. 79 f.
40
Vgl. das Kapitel „Zobtenkommerse“ unten S. 43 ff.
41
Silesia, S. 97.
8
geführt hatten. „Die dabei gewissermaßen notwendigen Neckereien –
‚tüfteln‘ war der dafür übliche Ausdruck –, die kommentmäßig mit dem
Aufbrummen eines ‚dummen Jungen‘ enden mussten, überstiegen immer
mehr das zulässige Maß.“42 Im Jahre 1849 wurden die „für immer
abgeschafften“ Fuchsenkommerse wieder aufgenommen, bis sie 1852
endgültig verschwanden. Anstelle der Fuchsenkommerse wurden SCSemesterantrittskommerse eingeführt, die von da an regelmäßig
stattfanden.43
In den Jahren 1848/49 kam es unter den Corps zu Vorbereitungen für die
Gründung eines alle SC übergreifenden Verbandes. Diesen Bestrebungen stand der Breslauer SC positiv gegenüber und beteiligte sich am
15.08.1848 an der „Jenenser Senioren-Convents-Deputiertenversammlung“. Seit 1850 gehörte der Breslauer SC zu dem sich bildenden
Gesamtverband, dessen förmliche Konstituierung dann nach Überwindung der Vorbehalte vieler SC allerdings erst am 26. Mai 1855 erfolgte.
1856 schloss sich der Breslauer SC offiziell diesem Kösener SC-Verband
an.44
In der Breslauer Burschenschaft hatten im Jahr 1847 zwölf aus der
Burschenschaft der Raczeks ausgetretene Mitglieder eine Marcomannia
gegründet, die in ein Waffenverhältnis zum SC trat, allerdings schon 1850
wieder zu den Raczeks zurückkehrte. Am 27.10.1848 war außerdem eine
neue Arminia gegründet worden, und schließlich kam als neuer – dritter
– Bund im WS 1860/61 eine Germania hinzu, daneben eine katholische
Burschenschaft „Winfridia“.45 „Mit diesen Burschenschaften unterhielt der
SC ein Paukverhältnis und ging auch sonst in öffentlichen Angelegenheiten mit ihnen zusammen. Zwar wurde oft genug der gegenseitige
Verruf ausgesprochen, doch fand man sich stets bald wieder
zusammen.“46
Für das Verhältnis zu den Burschenschaften wurde dann das Jahr 1858
bedeutungsvoll. Denn nach heftigen Streitigkeiten kam es im Bierlokal
der Marchia zu einer von 25 Raczeks angezettelten Prügelei. Die Märker
riefen den ganzen SC zur Hilfe, der die Burschenschafter nach kurzem
Handgemenge aus der Kneipe warf. Am schwarzen Brett der Universität
erschien danach folgende „köstliche“ Mitteilung in herrlichem Latein:
42
Silesia, S. 97, 111; Borussia I, S. 218.
Lusatia I, S. 79.
44
Silesia, S.124, Lusatia I, S.74.
45
Borussia I, S. 223.
46
Silesia, S. 122.
43
9
„Foedus tumultus, commilitones, nuper inter vos exortus est, cum in
deversorio publico quinque diversae sodalitates turpi commissa pugna
plane humillimi vulgi more verbera et ictus miscuerunt gravemque
intulerunt Academiae huius dignitati et omnium vestrum famae iniuriam.
…“47 (Neulich, Kommilitonen, ist es unter Euch zu einem schändlichen
Tumult gekommen, als fünf verschiedene Korporationen in einer
öffentlichen Kneipe in einer üblen Prügelei in der Art des allerniedrigsten Pöbels Schläge und Hiebe ausgeteilt und der Würde dieser
Universität und dem Ansehen von Euch allen schweren Schaden zugefügt haben. …)
Die akademische Behörde ordnete die Auflösung der Raczeks und die
Relegation dreier ihrer Mitglieder für einige Jahre an. Ein ähnlicher Vorfall
ereignete sich am 30. Januar 1866, als die Raczeks versuchten, in die
Corpskneipe der Borussia einzudringen, aber von den Preußen
zusammen mit den zur Hilfe gerufenen Schlesiern abgeschlagen wurden
und vom Rektor wieder für mehrere Jahre verboten wurden.48 Diese
Vorfälle lassen erkennen, wie wenig erfreulich nach wenigen Jahren
wenigstens äußeren Friedens die Beziehung zu den Burschenschaften
ab Mitte der 50er Jahre war, mit denen 1874 auch das Paukverhältnis
endgültig gelöst wurde.
Die 60er Jahre begannen mit der oben schon erwähnten Suspension der
Marchia im November 1860 wegen Mitgliedermangels. Aus demselben
Grund musste auch Lusatia ein Jahr später, am 12. November 1861,
suspendieren. Silesia dagegen erlebte eine ausgesprochene Blütezeit. Im
WS 1861/62 hatte sie z.B. 28 Aktive und Inaktive am Ort. Borussia war
deutlich schwächer, so dass Silesia den Mittelpunkt des gesamten
corpsstudentischen Lebens in Breslau bildete. Alle Angehörigen auswärtiger Corps und die früheren Mitglieder der suspendierten Corps
Marchia und Lusatia verkehrten für einige Jahre nur bei Silesia. Deren
Verhältnis zu Borussia war lange Zeit sehr gespannt, bei den SCSitzungen – zum SC gehörten ja nur noch diese beiden Corps – gab es
häufig Streit um den Vorsitz, was 1863 sogar für ein Semester zur
Auflösung des SC führte.
„Wenn auch späterhin“, d.h. seit Beginn der 60er Jahre, „das Verhältnis
unter den einzelnen Corps nicht immer das freundschaftlichste war und
es oft zu Gegensätzen kam, so nahmen doch diese nie, wie einst, den
Charakter offener Feindschaft an, sondern wurden durch einige PPPartien schnell erledigt.“49 Jedes Semester fanden gemeinsame
47
Silesia, S. 126.
Silesia, S. 136, Lusatia I, S. 86.
49
Silesia, S. 133.
48
10
Vergnügungen statt in Gestalt von Ausflügen, Kneipen und Kommersen.
Im WS 1876/77 gab es sogar einmal eine Theateraufführung des SC
unter Mitwirkung von Schauspielerinnen des Lobetheaters zum Besten
der Weihnachtsbescherung armer Kinder.50
In jedem Wintersemester wurde eine offizielle SC-Tanzstunde organisiert,
bisweilen auch ein SC-Ball veranstaltet. Da die Töchter aus Breslauer
Familien dazu eingeladen wurden, verbesserte sich ganz allgemein der
Kontakt zu diesen Breslauer Familien, die sich auch häufig mit der
Veranstaltung von Hausbällen revanchierten51, jeweils mit den Herren
eines Corps. „Vor Beginn der Tanzstunde hatte die Tanzlehrerin dem SC
eine Liste derjenigen jungen Damen vorzulegen, die sie für würdig
befand, mit den Corpsstudenten zu tanzen. Bei der strengen Überprüfung
dieser Liste wurden die Mädchen rigoros daraus gestrichen, die den
Herren Corpsstudenten nach Herkunft und Aussehen nicht genehm
waren. …“52 Die Tanzstunde verlief jedesmal nach demselben Ritus:
„Nachdem die jungen Damen, nach Corps getrennt, an den Längsseiten
des Saales, die begleitenden Mütter auf dem ‚Drachenfels‘ Platz
genommen hatten, betraten die Aktiven im Frack, getrennt nach Corps,
unter Führung ihrer Chargierten im Gänsemarsch den Saal und
verneigten sich vor dem ‚Drachenfels‘ und den Damen ihres Corps.“53
Anschließend wurde strikt darauf geachtet, dass die Damen des einen
Corps nicht von den Herren eines anderen Corps aufgefordert wurden.
Wollte z.B. jemand mit der Schwester eines Schulfreundes oder auch mit
seiner Cousine tanzen, die bei einem anderen Corps saß, weil ihr Bruder
dort aktiv war, so musste erst die Genehmigung des eigenen Erstchargierten eingeholt und vor dem Erstchargierten des anderen Corps
eine Verbeugung gemacht werden.54
1865 war für den Breslauer SC ein wichtiges Jahr, da er Vorort des
Kösener SC-Verbandes war und die Aufgabe erhielt, einen Entwurf für
neue, umfassende Statuten vorzulegen. Auf zahlreichen SC-Sitzungen
wurde die von dem Breslauer Preußen von Petrikowsky formulierte
Vorlage von Borussia und Silesia abgesegnet.
Aus dem Jahr 1869 ist zu berichten, dass der Breslauer SC-Biercomment
einer Überarbeitung unterzogen wurde. Die zu diesem Zweck einberufenen SC-Biercomments-Revisionscommissions-Sitzungen wurden
50
Silesia, S. 147, Lusatia I, S. 116.
Silesia S. 161, Borussia I S. 286.
52
Lusatia I, S. 135.
53
Lusatia I, S. 134 f.
54
Borussia I, S. 324.
51
11
mehrere Monate hindurch einmal wöchentlich auf der Kneipe des
präsidierenden Corps abgehalten.55
Ende der 60er Jahre änderte sich die Situation im SC wieder, der ja seit
Ende 1861 nur von Borussia und Silesia gebildet worden war. Denn am
03.11.1868 wurde die am 01.12.1864 gestiftete Landsmannschaft
Marcomannia als drittes Corps in den SC aufgenommen.56 Und am
29.04.1869 kam noch die am 07.03.1869 mit Hilfe der Borussia durch
Abgabe eines Corpsburschen für die erste Charge rekonstituierte Lusatia
wieder hinzu.57 Damit hatte der Breslauer SC seine endgültige
Zusammensetzung bekommen, die mit kleinen Unterbrechungen58 bis zu
seiner vom Naziregime erzwungenen Auflösung im Jahr 1936 bestanden
hat.59
Die wiederholten, wenn auch nur kurzzeitigen Suspensionen der
Breslauer Corps wegen Nachwuchsmangels Ende des 19. Jahrhunderts
– mit Ausnahme von Silesia, die allerdings auch nur mit Mühe durch die
personelle Unterstützung einiger ihrer Verhältniscorps dem gleichen
Schicksal entging – sind besonders darauf zurückzuführen, dass bei den
Abiturienten aus Schlesien damals ein Drang nach dem Westen des
Deutschen Reiches einsetzte. „Der Besuch der bekannten Universitäten
München, Marburg, Heidelberg, Freiburg u.a. war Mode geworden. Wer
ein bis zwei Semester dort studiert hatte, verspürte bei seiner Rückkehr
zu der heimatlichen Hochschule keine Lust mehr, erneut aktiv zu werden.
Ein Zuzug von westdeutschen Abiturienten nach Breslau war damals
nicht zu verzeichnen.“60
Im Zuge der im Kösener SC-Verband seit der Mitte der 70er Jahre des
19. Jahrhunderts aufkommenden Kreispolitik bezogen die vier Corps des
Breslauer SC klare Position, die sie bis heute beibehalten haben:
Borussia bekannte sich – unter Bruch einiger anderer alter Verhältnisse
– eindeutig zum grünen Kreis, Silesia blieb – bis heute – bewusst
kreisfrei, allerdings zählten in der Mehrzahl schwarze Corps zu ihren
Verhältnissen, Lusatia tendierte zum blauen Kreis61, Marcomannia
55
Geschichten über Marcomannia und Marcomannen, Band I (nachf. zitiert
„Marcomannia I“), S. 70 f.
56
Marcomannia I, S. 64 f.
57
Lusatia I, S. 88 f, Marcomannia I, S. 70.
58
Suspension der Lusatia 30.10.1872 bis 02.03.1877 und 05.05.1902 bis 23.05.
1903, je ein Semester Marcomannia 28.04. bis 31.07.1883 und Borussia 23.04
bis 22.10.1884
59
Silesia, S. 137.
60
Lusatia I, S. 100 f.
61
Lusatia I, S. 149.
12
zunächst ebenfalls, verließ diesen Kreis allerdings nach dem 2. Weltkrieg
und schloss sich ganz dem roten Kreis an.
„In den 70er Jahren wuchs bei allen Corps des HKSCV die Streitlust und
als Folge davon die Mensurtätigkeit: PP-Suiten, nicht nur zwischen
einzelnen Corps, sondern auch zwischen ganzen SC´s wurden zahlreicher. Derartige SC-PP´s hatte der Breslauer SC mit den SC´s zu Bonn
und Göttingen, sowie mit der Hansea zu Göttingen auszufechten. Die
Gründe für diese PP´s waren zumeist nichtig.“62
„Ein zweiter Missstand, die sog. Mensuranfragen, führte auch im
Breslauer SC in den 70er und 80er Jahren zu einer häufig sehr gereizten
Stimmung. Denn jedem Corps stand es frei, im SC die Mensur
irgendeines Mitglieds eines anderen Corps zur Sprache zu bringen, sie
zu bemängeln und über ihr Gelingen abstimmen zu lassen. Natürlich ließ
sich das betroffene Corps bei abweichender Beurteilung der Mensur dies
nicht gefallen, zumal auf eine schlechte Mensur die Strafe der b.a.w.Dimission stand und ein CC auf diese Weise binnen kurzem zeitweise um
seine sämtlichen Corpsburschen kommen konnte. Die Stimmung
zwischen den Corps war daher häufig äußerst gereizt. Dies machte sich
in den SC-Sitzungen durch erregte Debatten, beleidigende Äußerungen,
protokollierte Rüffel, ferner durch endlose PP-Suiten sowie Schläger- und
Säbel-, ja sogar Pistolenforderungen bemerkbar.“63
Diese Fehlentwicklungen veranlassten den Intendanturrat Leonhard
Zander Borussiae Breslau, Guestphaliae Jena, Marchiae Halle, Lusatiae
Breslau IdC, im Jahr 1880 mit einigen Alten Herren verschiedener
Kösener Corps die später sog. Zandersche Reformbewegung64 ins Leben
zu rufen, der es um „Beschränkung der Kosten des Corpslebens und die
Abstellung der eingeschlichenen Missbräuche in Mensurangelegenheiten“65 ging. Sie setzte in diesen Punkten deeskalierende Beschlüsse
des Kösener Congresses 1881 durch: SC-PP-Suiten wurden ganz
verboten und damit die teuren Bewirtungen auswärtiger Corps sowie die
Partienzahl bei PP-Suiten auf vier begrenzt. Die Mensuranfragen zu
verbieten gelang allerdings erst 1889.66
Die hohen Kosten des Corpslebens blieben ein ständiges Problem, wie
man daraus entnehmen kann, dass der Kösener Kongress im Jahr 1903
– der Breslauer SC war wieder einmal Vorort – unter Leitung des
62
Marcomannia I, S. 89, Lusatia I, S. 114.
Lusatia I, S. 114, Marcomannia I, S. 90.
64
Lusatia I, S. 113 ff.
65
Silesia, S. 149.
66
Lusatia I, S. 115, Marcomannia I, S. 93.
63
13
Vorortsprechers Toepffer Marcomanniae beschloss, dass ein Geschenk
für Waffenschutz bei einer PP nicht mehr als 100 Mark kosten und bei
solchem Anlass nur zu einer Kneipe eingeladen werden dürfe.67
Trotz der ständigen Auseinandersetzungen in Mensurfragen fanden seit
den 70er Jahren im Breslauer SC regelmäßig in jedem Semester eine
SC-Semesterantrittskneipe und eine SC-Semesterschlusskneipe statt,
dazu jedes Jahr ein SC-Ball und ab 1888 zum Geburtstag Kaiser
Wilhelms II. (27. Januar) ein offizieller Kommers. Es war auch durchaus
üblich, sich gegenseitig anlässlich runder Stiftungsfeste zu besuchen.
Ein ganz besonderes gemeinsames Erlebnis der Breslauer SC-Corps
waren die seit 1882 allein vom SC – nicht mehr von der ganzen
Studentenschaft – alle zwei Jahre mit oder ohne vorherigen Umzug durch
die Stadt durchgeführten Zobtenkommerse.68 In der Regel fanden diese
Kommerse auf dem Marktplatz der Stadt Zobten zur Freude der Zobtener
Bürger statt, auch wenn die Studenten bisweilen etwas zu ausgelassen
waren. Im Jahr 1886 allerdings kam es zu erheblichem Ärger. „Nach
Schluss des offiziellen Kommerses besuchten noch einige Studenten in
frühester Morgenstunde und in dem für diese Zeit angemessenen
Zustande das zur Einweihung eines neu erbauten Gasthauses stattfindende Tanzkränzchen. Sie mögen wohl genug Anlass zur Missstimmung gegeben haben und wurden kurzerhand hinausgeworfen. Bei
dem Versuch, einige im Saal liegen gebliebene Corpsmützen wieder
herauszuholen, entspann sich ein heftiger Streit mit dem Wirt und den
anwesenden Bürgern, der in eine umfangreiche Prügelei ausartete.“69 Im
Verlaufe dieser Auseinandersetzung zerschlugen die Studenten sämtliche Fensterscheiben des Hauses.
„Dieser Vorgang, der natürlich in allen Zeitungen in mehr oder weniger
wahrheitsgetreuer Weise besprochen wurde und dem Ansehen der Corps
bedeutend schadete, bleibt eine trübe Erinnerung in der Geschichte des
Breslauer SC. Empfindlich hohe Geldstrafen wurden den Hauptkampfhähnen wegen groben Unfugs und Sachbeschädigung auferlegt, und es
fehlte nicht viel zur Verurteilung wegen Landfriedensbruchs; beim
Regierungsantritt Friedrichs III. im Jahr 1888 wurden diese Strafen jedoch
durch Amnestie erlassen. Der Zobtenkommers unterblieb erklärlicherweise mehrere Jahre hindurch, bis die Bürger von Zobten selbst mit der
Bitte an den SC herantraten, doch wieder die alte Sitte aufzunehmen,
was aber erst nach fünf Jahren im SS 1891 geschah.“70
67
S. Wikipedia, Vororte des KSCV, Jahr 1903, Anm. 26.
Vgl. dazu das Kapitel „Zobtenkommerse“ unten S. 43 ff.
69
Silesia, S. 151. S. dazu auch unten im Kapitel “Zobtenkommerse”, S. 52.
70
Silesia, S. 151.
68
14
Im Jahr 1885 war der Breslauer SC Vorort und hatte die ehrenvolle
Aufgabe, Bismarck anlässlich seines 70. Geburtstages die Glückwunschadresse des Kösener SC-Verbandes zu überbringen. Dabei
richtete Semmler Silesiae als Leiter der SC-Abordnung eine kurze
Ansprache an den Kanzler, für die dieser sich mit einigen Hinweisen auf
seine Aktivität bei Hannovera Göttingen bedankte und mit dem Satz
schloss: „Meine Herren, ich bitte Sie um das Eine: Halten Sie fest an
dem, was Sie im Corps haben!“71 Die Begeisterung der Corpsstudenten
für Bismarck war so groß, dass sie an allen Huldigungen für den Eisernen
Kanzler teilnahmen. So beteiligte sich der Breslauer SC an der am 25.
November 1898 abgehaltenen akademischen Trauerfeier, auch an der
Einweihung des Breslauer Bismarckdenkmals im Oktober 1900. Zur
Enthüllungsfeier des Berliner Bismarckdenkmals im folgenden Jahr entsandte der Breslauer SC vier Vertreter. Selbstverständlich beteiligten sich
die vier Breslauer Kösener Corps auch an der Sammeltätigkeit und den
Einweihungsfeierlichkeiten für den im SS 1907 errichteten Bismarckturm
auf dem Zobten, dem Ort zahlreicher früherer feuchtfröhlicher Besuche
der Breslauer Studentenschaft.72
Der SC nahm regelmäßig an besonderen Feiern der Universität teil, so
z.B. an dem alljährlichen Festakt zum Geburtstag Kaiser Wilhelms II. und
der zum ehrenvollen Gedenken an Kaiser Wilhelm I. (geb. 22.03.1797)
veranstalteten Zentenarfeier. Nach dem Festakt in der Aula Leopoldina
folgte bei dieser Veranstaltung eine Wagenfahrt durch die Stadt, an der
sich sämtliche Professoren und die Chargierten aller Korporationen in
Vollwichs mit Fahne beteiligten. Sie führte zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal,
an dem ein Kranz niedergelegt wurde.73 „Gegen Ende des WS 1896/97
führten je zwei Vertreter der vier SC-Corps bei einer unter dem Protektorat Ihrer Kgl. Hoheit Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen durchgeführten Wohltätigkeitsveranstaltung eine Schlägerquadrille mit Damen
auf, die Aktiven in vollem Wichs, die Damen in weißen Kleidern und den
Schärpen der einzelnen CC. Diese Tanzvorführung fand derartigen Beifall
bei den Zuschauern, dass sie mehrmals wiederholt werden musste.“74
Außerdem beteiligte sich der SC an den „Blumen- und Margueritentagen“, die zu Wohltätigkeitszwecken veranstaltet wurden. Dabei fuhren
die Aktiven auf bekränzten Pferdewagen durch die Stadt und sammelten
bei mehreren Stopps Geld in ihre Sammelbüchsen.75 „Im WS 1899/1900
erschien der SC mit den Chargierten in Wichs und mit Fahne zur
71
Silesia, S. 150.
Silesia, S. 175, Marcomannia I, S. 254.
73
Corpsbericht der Silesia, WS 1896/97, S. 7.
74
Corpsbericht der Silesia, WS 1896/97, S. 7.
75
Lusatia I, S. 101.
72
15
Einweihung des Moltke-Denkmals und bei der akademischen Jahrhundertwende-Feier.“76
Das Aktivenleben verlief in den 30 bis 40 Jahren vor dem 1. Weltkrieg bei
allen vier Corps in ähnlicher fester Form77, wobei es keinen Tag ohne
Pflichtprogramm gab. Nur der Mittwoch- und Sonntagnachmittag waren
couleurfrei. An jedem Wochentag musste vormittags für eine Stunde der
Universitätsfechtboden mit dem dort agierenden offiziellen Universitätsfechtlehrer besucht werden, von den vier Kösener Corps ab acht Uhr
hintereinander in der Reihenfolge der Anciennität. Zusätzlich musste
wöchentlich zweimal nachmittags der Corps-Fechtboden besucht werden
unter der Leitung des Zweitchargierten. Unter Vorsitz des Fuchsmajors
fand zweimal pro Woche der Renoncen-Convent (heutige Bezeichnung:
Fuchsenstunde) statt, in dem aus einem kleinen Büchlein, dem sog.
„Schimmerkalender“, Farben und Zirkel sämtlicher (!) Corps sowie die
SC-Konstitution und der Bierkomment gelehrt und abgehört wurden.
Schon drei fehlerhafte Antworten wurden dabei mit einer Beifuhr
geahndet. Jeden Montagabend fand der CC statt. Am Dienstag und
Donnerstag gab es zwanglose Spielkneipen mit Skat, Knobeln, Schach
und manchen Gesellschaftsspielen. Am Freitag besuchten die Corps im
Sommer am späteren Nachmittag die Gartenkonzerte in der Zwingergesellschaft, im Winter die SC-Tanzstunde. Jeder Sonnabendnachmittag
ab 13 Uhr war durch Mensuren ausgefüllt. Dieser Sonnabend-Bestimmtag endete gewöhnlich zwischen sieben und acht Uhr abends, worauf
jedes Corps in sein Corpslokal, später Corpshaus, zur offiziellen Kneipe
fuhr. Am späten Sonntagvormittag gab es einen Frühschoppen, zu dem
jedes Corps sein Stammlokal in der Stadt aufsuchte. Einmal im Monat
bürgerte sich auch ein SC-Frühschoppen ein.
Waren bisher die Korporationen, und insbesondere die Corps und
Burschenschaften, die Vertreter der gesamten Studentenschaft gewesen, so wurden Ende der 80er Jahre an den Universitäten neue
Studenteneinrichtungen, die sog. „Allgemeinen Studentenausschüsse“,
ins Leben gerufen. Diese umfassten sämtliche Korporationen und
Vereine der jeweiligen Universität und hatten den Zweck, bei feierlichen
Anlässen die Studentenschaft als Ganzes zu vertreten. Sie konnten
„allgemeine Studentenversammlungen“ einberufen, und ihnen oblag
überhaupt „die Ordnung allgemeiner, wichtiger Studentenangelegenheiten“.78 Außerdem erklärte sich der SC im Jahr 1891 mit den sog.
„Schwarzen Ehrengerichten“ der Breslauer schlagenden Korporationen
76
Corpsbericht der Silesia, WS 1899/1900, S. 5.
Lusatia I, S. 137 ff.
78
Silesia, S. 155.
77
16
einverstanden. Damit war der Anspruch des SC, bei Veranstaltungen das
Präsidium der gesamten Studentenschaft zu stellen, endgültig hinfällig.
Obwohl sich der Allgemeine Studentenausschuss in Breslau nach dem
Austritt der Corps schon 1892 wieder auflöste, musste dennoch der SCComment diesen neuen Entwicklungen angepasst werden. Und nach
längeren internen Diskussionen ist 1898 ein neuer „S.C.-Comment“
verabschiedet worden. Er enthält die “S.C.-Konstitution“, den „Ehrengerichts-Comment“ und den „Pauk-Comment“.79 Die „S.C.-Konstitution“
umfasst 334 (!) Paragraphen und ist in fünf Kapitel unterteilt. Nach einer
Einleitung folgen Titel I: Organisation des S.C., Titel II: Organe des S.C.,
Titel III: Feierlichkeiten und Vergnügungen, Titel IV: Von dem S.C.Eigentum, Titel V: Stellung des S.C. zur Außenwelt.
Auf einen wesentlichen Bereich des SC-Lebens Ende des 19./ Anfang
des 20. Jahrhunderts muss hier noch eingegangen werden, und zwar auf
die erneute Häufung von PP-Partien. So wird in den ab WS 1895/96
erhaltenen Corpszeitungen der Silesia fast für jedes Semester bis zum 1.
Weltkrieg von PP-Partien berichtet, auch wenn häufig festgestellt wird,
dass das Verhältnis zu den übrigen Breslauer Corps „im Allgemeinen gut“
war und man sich bei größeren Veranstaltungen regelmäßig auch
gegenseitig besucht hat. Insbesondere die Beziehungen zwischen Silesia
und Lusatia waren in den 90er Jahren gut. Aber mit Borussia und
Marcomannia hat Silesia häufig PP gefochten, z.B. im SS 1898 mit
Marcomannia 8 Partien, mit Borussia sogar 12! Es war ja auch durchaus
üblich, dass auf das Stürzen einer PP-Suite mit einer bestimmten Anzahl
von Partien mindestens dieselbe Zahl von Partien dagegen gestürzt
wurde, was zu den hohen Gesamtzahlen führte. So war das Verhältnis
von Silesia zu Marcomannia im SS 1903 besonders gespannt, was nach
Auseinandersetzungen auf einem Mensurtag zu Schlägerforderungen
aller Schlesier-CB gegen die beiden Marcomannen-Sekundanten und
dazu noch zu 8 + 8 (!) PP-Partien führte. Im WS 1905/06 wurde es
zwischen Silesia und Marcomannia noch schlimmer: Zunächst gab es 4 +
4 PP-Partien, dann wurden von Marcomannia noch einmal 4 Partien
gestürzt, worauf Silesia 16 (!) dagegen stürzte, die allerdings z.T. erst in
den folgenden Semestern gefochten werden konnten. Im WS 1907/08
focht Silesia 4 PP-Partien gegen Borussia, 4 + 4 PP-Partien gegen
Lusatia sowie 4 + 4 PP-Partien gegen Marcomannia. Alles in einem (!)
Semester. Und im SS 1908 focht Borussia PP gegen alle anderen drei
Corps des Breslauer SC.80 Für das WS 1908/09 heißt es dann in der
Corpszeitung der Silesia81, die Beziehungen zu Borussia seien gut
79
Abdruck des Pauk-Comments unten S. 100 ff.
Marcomannia I, S. 273.
81
Seite 6 f.
80
17
gewesen, übrigens eine Ausnahme. Dennoch seien „die historisch
gewordenen 4 PP-Partien gestürzt worden, wogegen Borussia sich 4
weitere vorbehielt“, die dann im nächsten Semester gefochten wurden. Im
WS 1909/10 waren Silesias Beziehungen zu den drei CC „gleichmäßig
kühl, ohne gerade gespannt zu sein“ – eine köstliche Formulierung.82
Ähnlich blieb es bis zum 1. Weltkrieg: Mit Borussia stand Silesia „in
scharfer Gegnerschaft“, zu Marcomannia war das Verhältnis „gleichgültig
kühl“. Lusatia „unterstützte Silesia nach wie vor gegen die beiden
anderen Corps, von denen Lusatia augenblicklich durch heftige Feindschaft getrennt wird.“83
Die Beziehungen unter den schlagenden Verbindungen waren in Breslau
1891 durch die Einrichtung der sog. „Schwarzen Ehrengerichte“ auf eine
allgemein verbindliche Stufe gehoben worden. Schon 1907 allerdings
wurden diese Ehrengerichte durch eigene Pauk- und Ehrengerichtskomments ersetzt, die der SC mit den Verbänden der Burschenschaften,
Landsmannschaften und Turnerschaften abschloss.84 Und „etwa 1909
oder 1910 kam es zur Gründung des sog. ‚Schwarzen Waffenringes‘ der
Breslauer schlagenden Verbindungen mit einheitlichem Komment. Dieser
Waffenring war wohl der erste seiner Art in Deutschland. Er hatte nicht
nur den Zweck, Ehrenhändel auf geordnetem Weg auszutragen, sondern
vertrat allgemein die Interessen der Waffenstudenten und trat auch bei
allgemein-studentischen Veranstaltungen stets geschlossen auf, wobei
das Präsidium in regelmäßigen Abständen wechselte.“85 Als es 1914 zum
sog. Marburger Abkommen der vier schlagenden Verbände in ganz
Deutschland kam, bestand der Breslauer Waffenring aus den vier
Kösener Corps (Borussia, Silesia, Lusatia, Marcomannia), den vier
Burschenschaften (Raczeks, Arminia, Germania, Cheruscia), den drei
Landsmannschaften (Makaria, Vandalia, Markoborussia) und den drei
Turnerschaften (Suevia, Frankonia, Guestphalia), während die ebenfalls
in Breslau bestehenden Weinheimer sowie Rudolstädter Corps und
andere schlagende Verbindungen nicht aufgenommen waren.86
Im Jahr 1910 wurden, einer Entwicklung im Kösener SC-Verband
folgend, im Breslauer SC Anträge auf Rückdatierung der jeweiligen
Stiftungsdaten gestellt, zuerst von Borussia.87 Beschlossen wurden für
Borussia der 23.11.1819 statt des 03.08.1929, für Silesia der 24.05.
1821 statt des 07.12.1837 – am 7. Dezember wird aber jedes Jahr von
Silesia ein offizielles Rekonstitutionsfest gefeiert – und für Lusatia,
82
Corpszeitung der Silesia, WS 1909/10, S. 6.
Corpszeitung der Silesia, WS 1910/11, S. 7.
84
Lusatia I, S. 126.
85
Lusatia I, S. 126 f.
86
Lusatia I, S. 127.
87
Silesia, S. 176.
83
18
allerdings erst 1919 vom SC beschlossen,88 der 06.11.1832 statt des
27.02.1846. Damit war Marcomannia mit dem Stiftungsdatum 01.12.
1864 und der am 03.11.1868 erfolgten Aufnahme in den SC das jüngste
der vier SC-Corps.
Zwei lustige Begebenheiten aus der Geschichte des Breslauer SC vor
dem 1. Weltkrieg sollen hier noch erwähnt werden, zumal sie „wie ein
Wiederaufleben alter, scheinbar unwiederbringlich verflossener Studentenherrlichkeit anmuten.“89 Eine dieser Begebenheiten, und zwar aus dem
Jahr 1910, wird in der Corpsgeschichte der Borussia90 ausführlich
geschildert: Fünf Preußenfüchse hatten nach einer Zecherei in einer
Stadtkneipe die vor der Tür stehende Pferdekutsche, deren Kutscher
sich in der Kneipe aufhielt, bestiegen und waren im Galopp durch die
Stadt gefahren, bis das Pferd auf einem glatten Pflaster stürzte. Die noch
auf der Kutsche sitzenden drei Preußen – zwei waren schon abgesprungen – wurden von der Polizei aufgeschrieben und erhielten ein
Polizeistrafmandat von 20 Mark, ein relativ hoher Betrag. Das eigentliche
Strafverfahren wurde an die Universitätsrichter abgegeben. Alle drei
Delinquenten wurden mit zwei Tagen Karzer bestraft, was im Jahr 1910
schon recht unüblich geworden war. Sie mussten die Strafe nacheinander
absitzen.
Als der erste entlassen wurde, kamen seine Corpsbrüder und zahlreiche
SC-Angehörige auf zwei Pferderollwagen, um ihn abzuholen. Auf dem
einen Wagen stand ein kerkerartiges Lattengestell und daneben ein
Corpsbruder im roten Henkerkleid, in den Händen ein Beil aus Pappe, mit
Silberpapier überklebt. Der Entlassene wurde in diesen Kerker gesteckt
und von dem Henker bewacht. Die Corona fuhr – fröhlich zechend –
durch die Stadt. Ein Schlesier spielte dabei eine besondere Rolle: Er saß
in Kneipjacke auf einem der Rollwagenpferde, Röllchen um die
Fußgelenke und eine schwarze Jockeymütze auf dem Kopf. Er blies
Mundharmonika oder las der begleitenden Gassenjugend laut vor aus
Oppenheimers Compendium der anorganischen Chemie. Ein anderer
Schlesier fuhr, mit einem weißen Kutscherzylinder, zu Rad in Schlangenlinien vor dem Zug her. „Die Bürger staunten und lachten.“91 Ein sehr
ähnliches „Komitat“ hatte der SC im Februar 1909 einem Schlesier-iaCB
gegeben, als er nach einem Tage Karzerhaft entlassen wurde.92
88
Lusatia I, S. 132 und S. 158 f.
Silesia, S. 175.
90
Borussia I, S. 307 ff.
91
Borussia I, S. 310, Lusatia I, S. 101.
92
Silesia, S. 175.
89
19
Übrigens wurde auch noch im Jahr 1910 als Strafe von ordentlichen
Gerichten gegen Studenten Festungshaft verhängt. Folgendes Beispiel
kann aus Breslau berichtet werden: Nach einer Mensur war ein Paukant
an Wundfieber gestorben. In dem Gerichtsprozess gegen den Paukarzt
wurde auch gegen die Corps vorgegangen, die Paukanten auf dem
Mensurtag gestellt hatten. So verbrachten nach ihrer Verurteilung wegen
der Teilnahme an einer Mensur als eines „Zweikampfs mit tödlichen
Waffen“ zwölf Aktive des Breslauer SC einige Tage bis zu ihrer
Begnadigung in verschiedenen preußischen Festungen.93
Während des 1. Weltkriegs war der Corpsbetrieb aller vier CC weitgehend eingestellt, weil die Aktiven im Feld waren. Es gab jedoch jede
Woche einen SC-Abend, wobei das Präsidium alle acht Wochen
wechselte.94
Wie groß die Kriegsbegeisterung des deutschen Volkes am Beginn des 1.
Weltkriegs war, zeigen die Zahlen der Kriegsteilnehmer der Breslauer
Corps, von denen sich fast alle Aktiven und Inaktiven als Freiwillige zum
Kriegsdienst meldeten und von den Alten Herren auch ein großer Teil,
soweit sie nicht schon als Reservisten ihrem Mobilmachungsbefehl
nachgekommen waren. Insgesamt haben rund drei Viertel der Angehörigen der Breslauer Corps als Soldaten im Felde gedient. Von den bei
Kriegsausbruch lebenden Corpsbrüdern haben am Krieg teilgenommen
von Borussia
Silesia
Lusatia
Marcomannia
119 von 200
141 von 218
81 von 140
118 von 206.
Erschreckend groß war der Blutzoll, den die Corps zahlen mussten:
Es fielen 19 Preußen, 36 Schlesier, 18 Lausitzer, 20 Marcomannen.95
Nach dem 1. Weltkrieg eröffneten die Corps ihren Betrieb sofort wieder
wie vor dem Krieg. Allerdings ruhte schon im SS 1921 das aktive
Korporationswesen bei fast allen Breslauer Verbindungen wieder, so
auch bei den Corps des Breslauer SC, da die meisten Aktiven sich mit
dem deutschen „Selbstschutz in Oberschlesien“ dem Vormarsch der
Polen unter Korfanty – nach dem für die Polen unbefriedigenden
93
Marcomannia I, S. 295 f.
Lusatia I, S. 154.
95
Vgl. zu Kriegsteilnehmern und Gefallenen Borussia I, S. 331, 340; Silesia,
S. 183, 185; Lusatia I, S. 151 f; Marcomannia I, S. 351, 379, 467 ff.
94
20
Abstimmungsergebnis von Anfang Mai 1921 – entgegenstellten und u. a.
am 21.05.1921 am St. Annaberg erfolgreich mitkämpften.96
Im SC lebten die alten Gegensätze sofort nach dem 1. Weltkrieg wieder
auf; es gab aber bald veränderte Frontstellungen. Silesias Verhältnis zu
Lusatia – vor dem Krieg lange Zeit sehr positiv – verschlechterte sich so,
dass häufig PP gefochten wurde und man dann Anfang der 30er Jahre
von einer traditionellen PP mit Lusatia sprach wie früher mit Borussia.
Jetzt war „das Verhältnis mit Borussia trotz mancher Händel und PPSuiten mehr oder weniger normal, manchmal sogar gut.“97 Silesias
Beziehung zu Marcomannia – Anfang des Jahrhunderts durch zahlreiche
PP´s gekennzeichnet – verbesserte sich seit der Mitte der 20er Jahre
deutlich, sogar bis zu offiziellen gegenseitigen Corpsbesuchen. Allerdings
gab es im Jahr 1925 noch eine besondere fechterische Delikatesse:
„IaCB Schwarz (x) Marcomanniae übersandte dem dritten Chargierten
von Silesia eine persönliche Forderung auf Schläger. Diese wurde von
einem wohllöblichen CC der Silesia durch persönliche Forderung von
seinen sechs besten Fechtern an iaCB Schwarz quittiert. Dieser bedankte
sich im SC für diese ´Ovationen`. Er werde einem wohllöblichen CC der
Silesia für dieses Entgegenkommen stets verbunden sein.“98 An diesem
„Geplänkel“ wird deutlich, dass bei aller Fechterei aufgrund persönlicher
Forderungen auch der Humor nicht verloren ging. Alle sechs Partien
endeten übrigens mit einer Abfuhr auf Seiten Silesias!
Das Fechten spielte bei allen vier Breslauer Corps auch in der Zeit der
Weimarer Republik insgesamt eine sehr große Rolle. Jeden Sonnabend
war während der Semester wieder Mensurtag, denn alle vier Corps
verlangten von ihren Aktiven neun genügende Mensuren als Voraussetzung für die Inaktivierung; Ausnahme: bei Linksern sechs99. Auch das
PP-Fechten wurde eifrig gepflegt, auch noch Anfang der 30er Jahre. So
wurde z. B. 1931 den Lausitzern von Marcomannia „wegen einiger unliebsamer Vorfälle bei einer Mensur“ eine Chargenforderung überbracht, die
Lusatia mit einer gestürzten und einer vorbehaltenen PP-Suite beantwortete, worauf Marcomannia eine PP-Suite gegenstürzte und sich eine
weitere vorbehielt.100 Und 1933 fochten die Marcomannen mit Borussia
„erbittert PP- und Chargenforderungen“.101 Noch 1935 gab es wieder eine
PP Silesia gegen Marcomannia, während so kurz vor der Zwangssuspension das Verhältnis zwischen Silesia und Borussia, wie oben
erwähnt, ungetrübt war.
96
Borussia II, S. 20 ff.
Silesia, S. 224.
98
Corpszeitung der Marcomannia, 1925, S. 6.
99
Borussia II, S. 78.
100
Marcomannia II, S. 305.
101
Marcomannia II, S. 336.
97
21
Trotz dieser wie vor dem 1. Weltkrieg häufigen PP-Fechterei gab es im
Breslauer SC in den 20er Jahren durchaus auch harmonische gemeinsame Veranstaltungen: So fand neben den üblichen SC-Frühschoppen
und -kommersen am 18.01.1921 auf dem Marcomannenhaus ein
besonderer SC-Kommers statt anlässlich der Feiern zum 50jährigen
Bestehen des Deutschen Reiches.102 Für das SS 1925 wird in Silesias
Corpszeitung ausdrücklich vermerkt: „Der SC schloss das Semester mit
einem überaus nett verlaufenen Dämmerschoppen im Gasthaus ´Drei
Kronen´“, was in den folgenden Jahren dann Tradition wurde und sich
auch zur Semestereröffnung einbürgerte.103 (Ein Gasthaus „Drei Kronen“
gab es tatsächlich auch in Breslau, nicht nur in Frankfurt/Oder.) In den
Sommersemestern nahm der ganze SC wieder an den NachmittagsKonzerten im Zwinger teil, jetzt dienstags, und in den ersten Wintersemestern fand stattdessen wie früher eine SC-Tanzstunde statt,
allerdings nur bis 1923/24. Von da ab trennten sich die Corps wegen der
Kosten, die bei den hohen Aktivenzahlen ein entsprechend großer Saal
verursacht hätte. Jedes Corps hielt nun seine Tanzstunde im eigenen
Corpshaus ab104, aber es wurde weiterhin in jedem Wintersemester ein
SC-Ball veranstaltet, zunächst im Hotel „Vier Jahreszeiten“, später im
„Savoy-Hotel“.105 Es gab auch gemäß der vom oKC 1921 beschlossenen
Verpflichtung zum Sport SC-Sporttrainingsstunden in Leichtathletik,
Geräteturnen und Spielen106 sowie SC-Sportfeste in den leichtathletischen Disziplinen.107 Bisweilen wurden auch Skikurse im Riesengebirge
durchgeführt.
Nach dem 1. Weltkrieg mussten die SC-Komments den neuen Verhältnissen angepasst werden. Daher wurde im Sommer 1921 eine Kommission eingesetzt mit je einem Vertreter der vier Corps. Insbesondere der
neue Bierkomment soll hier gewürdigt werden, denn er ist ein Musterbeispiel korporationsstudentischen Humors!108 Dieser Bierkomment
wurde beschlossen „zu Nutz und Frommen bierehrlicher Bierburschen,
zur Beachtung und nützlichen Belehrung launenhafter und widerspenstiger Gemüter, als da sind Bierfüchse, Bierschisser usw., … im Juli
des Durstjahres 1921 …“.
1927 war für den Breslauer SC wieder einmal ein besonderes Jahr, da er
im Kösener SC-Verband turnusgemäß erneut den Vorort stellte. Zunächst
gab es darüber, welcher CC die Vorortgeschäfte führen sollte, im
102
Borussia II, S. 20.
Heft 15, August 1925, S. 333.
104
Lusatia I, S. 163.
105
Borussia II, S. 30.
106
Lusatia I, S. 163 f.
107
Borussia II, S. 32.
108
Abdruck des Bier-Comments unten S. 113 ff.
103
22
Breslauer SC längere Debatten, bis nach einer kurzen wenig erfolgreichen Kommissionslösung mit wechselndem Vorsitz Silesia sich
schließlich bereit erklärte, diese Aufgabe zu übernehmen.109 Vorortsprecher als Vertreter Silesias, des dann im Breslauer SC in diesem Jahr
präsidierenden Corps, war der zu diesem Zweck reaktivierte Kersten I. Er
hat sich neben der Wahrnehmung zahlreicher Repräsentationsaufgaben,
z.B. bei der Überbringung der Glückwünsche der Deutschen Studentenschaft an den Reichspräsidenten von Hindenburg zu dessen 80.
Geburtstag am 2. Oktober 1927 in Berlin, besonders durch die Vorbereitung und Leitung des Kösener Kongresses sehr verdient gemacht,
auf dem eine Neufassung der Kösener Statuten beschlossen wurde.
Der Breslauer SC ist insgesamt viermal Vorort des HKSCV gewesen:
1865 (Vorortsprecher Dalen Borussiae), 1884 (Vorortsprecher Reichert
Marcomanniae), 1903 (Vorortsprecher Toepffer Marcomanniae), 1927
(Vorortsprecher Kersten Silesiae).110 Lusatia hat 1974 für den Kölner SC
den Vorortsprecher Jüttner gestellt.111
1935/36 suspendierten auf Druck des Naziregimes alle vier Corps des
Breslauer SC, so dass auch dieser nicht mehr existierte.
Auf dem Corpshaus der Silesia etablierte sich die von den NS-Behörden
eingesetzte Kameradschaft „Yorck“, die allerdings gleich engen
Kontakt zu Silesias Alten Herren aufnahm und mit diesen einen gemeinsamen Altherrenverband gründete. Auch Breslauer Preußen, etwa 60
Prozent der Borussia, zu der sich das Verhältnis von Silesia vor der
Suspension ja deutlich verbessert hatte, schlossen sich dem Altherrenverband dieser Kameradschaft an. Das Corpshaus der Lusatia übernahm
die Kameradschaft „Himmelwitz“, das Haus der Marcomannia die
Kameradschaft „Carl von Clausewitz“.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Vertreibung der Deutschen
aus Schlesien verschwanden die Kameradschaften wieder. Einiger ihrer
Mitglieder bekannten sich später zu den in Westdeutschland
rekonstituierten Corps. So erhielten einige Yorcker bei Silesia zunächst
die Corpsschleife112 und ab 1961 dann das dreifarbige Band mit der
eingestickten Aufschrift „Yorck“.113
109
Marcomannia II, S. 217 f.
S. oben S. 11, 13 f und 15.
111
S. unten S. 26.
112
Silesia, S. 249 f, 256.
113
Silesia, S. 289.
110
23
Die Verluste im 2. Weltkrieg waren bei den vier suspendierten Breslauer
Corps sehr groß. Es fielen bzw. starben später in der Gefangenschaft
oder an ihren Verletzungen von Borussia 26 Corpsbrüder114, von Silesia
29115, von Lusatia 36116 und von Marcomannia 12117.
Außerdem verloren viele der Alten Herren aus den deutschen Ostgebieten – die meisten wohnten in Schlesien – ihre Heimat und mussten
im Westen Deutschlands eine neue Bleibe und berufliche Tätigkeit
suchen. Doch trotz dieser großen persönlichen Schwierigkeiten begann
schon sehr bald bei allen vier Breslauer Corps eine Sammlungsbewegung der Alten Herren in den deutschen Westzonen, und schon
1948 nahm man die Diskussion über die Möglichkeit einer Rekonstitution
auf. „Bei einer Zusammenkunft Alter Herren der vier Breslauer Corps im
Mai 1949 in Essen wurde dann die Frage erörtert, ob es nicht zweckmäßig sei, sich wegen der Schwäche jeder einzelnen Altherrenschaft zu
vereinen und ein gemeinsames Corps zu bilden. So lasse sich die
schlesische Tradition am besten aufrecht erhalten.“118 Doch die weitere
Entwicklung führte zu eigenen Lösungen jedes der vier Corps.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Köln zur Patenstadt für das verloren
gegangene Breslau, und die Universität Köln übernahm die Patenschaft
für die ehemalige deutsche Universität Breslau. Daher lag es für die
ehemaligen Breslauer Corps nahe, dort zu rekonstituieren und als
zweiten Standort das nur 80 km entfernte Aachen hinzuzunehmen, um
auch Studenten einer Technischen Hochschule rezipieren zu können.
Denn eine unverwechselbare Eigenschaft der Breslauer Corps war die
Gemeinschaft von Geistes- und Ingenieurwissenschaftlern in ihren
Reihen. Außer in West-Berlin wäre das in der Bundesrepublik
Deutschland nur noch in München möglich gewesen, zwei Standorten,
die für die Breslauer Corps aus verschiedenen Gründen ungeeignet
waren – u.a. zu wenig Alte Herren in der näheren Umgebung, zu viele
andere eingesessene Korporationen am Ort.
So rekonstituierte sich Silesia mit der Unterstützung durch zwei CB des
Kartellcorps Guestphalia Bonn am 07.12.1950 in Köln als Silesia
Breslau zu Köln und Aachen. Borussia kam am 09.10.1951 in Köln
hinzu, nachdem sie von 1948 bis 1950 mit ihrem Kartellcorps Holsatia in
Kiel – zunächst in der „Studenten-Segel-Gesellschaft Holsatia“ –
kooperiert hatte und dann am 21.04.1951 in Münster rekonstituiert
114
Verzeichnis der Mitglieder des Corps Borussia Breslau, Neuauflage 2013, S. 15.
Mitgliederverzeichnis des Corps Silesia, 2011, S. 240.
116
Lusatia I, S. 183 ff.
117
Corpszeitung der Marcomannia, 1989, S. 1565.
118
Lusatia II, S. 26.
115
24
worden war. Borussia und Silesia beteiligten sich am 19.05.1951 an der
Rekonstitution des Kösener SC-Verbandes. Borussia unterhielt zunächst
in Aachen nur eine Außenstelle, beherbergt durch das WSC-Corps
Montania. Am 31.07.1954 begann aber auch in Aachen der offizielle
Corpsbetrieb der Borussia Breslau zu Köln und Aachen. Marcomannia kam als Marcomannia Breslau zu Köln und Aachen am 01.
12.1952, Lusatia am 27.07.1956 als Lusatia Breslau zu Köln und
Aachen hinzu.
Lusatia hatte zunächst im Jahr 1949 mit ihrem ältesten Verhältniscorps
Moenania Würzburg Kontakt aufgenommen, was am 10. Februar 1951 zu
einem besonders intensiven Freundschaftsabkommen führte, in dem
Moenania zusagte, die Aufgabe eines Traditionsträgers des ehemaligen
Corps Lusatia Breslau zu übernehmen, und die Lausitzer aus
Dankbarkeit dafür versprachen, allen aktiven Corpsburschen der
Moenania in der Gegenwart und Zukunft bis zu einem etwaigen
Wiedererstehen eines aktiven Corps Lusatia das Breslauer LausitzerBand zu verleihen. Schon ein Jahr später ergab sich tatsächlich die
Möglichkeit zu einer Rekonstitution der Lusatia, und zwar in Hamburg, wo
einige sehr engagierte Alte Herren der Lausitzer wohnten und woher
auch einige der jungen Mainländer-Lausitzer-Corpsburschen stammten.
So rekonstituierten am 9. Mai 1952 vier iaCB der Moenania, die zugleich
das Lausitzerband trugen, in Hamburg die Lusatia Breslau.119
Da Lusatia aber dort vier Jahre lang letztlich nicht recht Fuß fassen
konnte, ging sie am 27. Juli 1956 als Lusatia Breslau zu Köln und Aachen
an diese beiden Standorte, wo die drei anderen Breslauer Corps schon
florierten. Den Start der Lusatia in Köln und Aachen ermöglichten drei
Zweibänderleute, die „eingedenk früherer Gemeinsamkeiten“ von
Borussia Breslau gestellt wurden.120 Lusatia zeigte sich übrigens im WS
1969/70 den Preußen gegenüber dankbar, indem sie der Borussia, die
damals personelle Unterstützung benötigte, einen Corpsbruder als
Zweibändermann schickte, der bei Borussia sogar zum Senior gewählt
wurde.121
„Auf dem Kösener Congress 1952 erfolgte im inoffiziellen Teil des
Festkommerses eine kurze Rekonstitution des Breslauer SC. Auch in den
Folgejahren wurde diese Gepflogenheit beibehalten, bis 1957 alle vier
Breslauer Corps in Köln und Aachen vereint waren.“122 Nun gehörten alle
vier Corps des ehemaligen Breslauer SC zum Kölner SC, der
119
Lusatia I, S. 191 ff, Lusatia II, S. 30 ff.
Lusatia II, S. 62.
121
Lusatia II, S. 163.
122
Lusatia II, S. 41.
120
25
ursprünglich nur von Hansea Köln und Friso-Luneburgia gebildet worden
war. Einen eigenen Breslauer SC gab es innerhalb des Kölner SC
natürlich nicht, aber es gab eigene gemeinsame Veranstaltungen der
Breslauer Corps.
Die Beziehungen der Corps des ehemaligen Breslauer SC in Köln und
Aachen waren durchaus positiv, auch wenn in Fechtfragen (z.B.: Darf tief
gefochten werden? Sind PP´s erlaubt?) Silesia meistens isoliert war. Im
Sommer 1976 gewährte Lusatia – wie schon einmal im Jahr 1962 – der
Suevia München Waffenschutz zur Austragung dreier Partien einer PPSuite gegen Silesia. Wegen dieser Unterstützung stürzte Silesia eine PPPartie gegen Lusatia. Die Lausitzer sahen in der Gewährung des
Waffenschutzes keinen Anlass für eine PP und lehnten ab.123
Die guten Beziehungen zwischen den Breslauer Corps wurden durch
solche Meinungsverschiedenheiten keineswegs beeinträchtigt. Das kam
sogar hin und wieder durch gemeinsame Kneipen zweier Corps,
manchmal auch durch gegenseitige Corpsbesuche zum Ausdruck, z.B.
von Borussia bei Silesia in Köln und von Silesia bei Borussia in Aachen
im SS 1986 bzw. SS 1987. Anfang November 1983 startete sogar eine
gemeinsame Großveranstaltung: Borussia, Silesia, Lusatia und
Marcomannia hatten den kompletten Kölner Piano-Club „Apropos“
gemietet und gestalteten dort mit 150 Gästen einen geselligen Abend bei
Live-Musik und Tanz. Wegen des großen Erfolgs wurde die Aktion im
folgenden Winter wiederholt.124
Erwähnt werden muss auch, dass Lusatia 1974 präsidierendes VorortCorps im Kösener SC-Verband war und von allen Corps des Kölner SC
durch personelle Beteiligung an der Vorortmannschaft tatkräftig unterstützt worden ist. Vorortsprecher war H. Jüttner Lusatiae.125 Er leitete u.a.
eine erfolgreiche Arbeitstagung zur Hochschulneuordnung und zeichnete
sich durch eine straffe Leitung des Kösener Congresses aus.
Ein wesentliches Anliegen der Breslauer Corps war das Wachhalten der
Erinnerung an die schlesische Heimat. So wurde am 24.07.1953
anlässlich des Treffens der schlesischen Vertriebenenverbände in Köln
ein „corpsstudentisches Schlesiertreffen“ des ehemaligen Breslauer SC
im Rahmen der Semesterabschlusskneipe der Silesia durchgeführt. In
den Ansprachen kam der gemeinsame Wille zum Ausdruck, „die
Breslauer Tradition zu wahren und das Corpsleben im Westen
123
Lusatia II, S. 187.
Lusatia II, S. 243.
125
Lusatia II, S. 166.
124
26
Ende der Leseprobe von:
Erinnerungen an Breslauer Zeiten - Die Breslauer
Kösener Corps: Ihre besonderen Bräuche in Breslau und
ihre gegenseitigen Beziehungen bis in die Gegenwart
Horst-Joachim Reichel, Hans-Christian Kersten
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