Strategie der Fraunhofer-Gesellschaft zur Mikroelektronik-Forschung Auf dem Weg zur »Joint Fab for Research« München, den 23. Mai 2016 Prof. Dr. Reimund Neugebauer Prof. Dr. Hubert Lakner Präsident Fraunhofer-Gesellschaft Vorsitzender Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik Executive Summary Neben der kontinuierlichen Performanceverbesserung durch Skalierung, die in der Vergangenheit die rasante Entwicklung der Mikro- und Nanoelektronik charakterisierte, hat heute die funktionelle Diversifizierung, d.h. die Erweiterung der Nanoelektronik durch andere Funktionsblöcke zu nano- (elektronischen) Systemen die treibende Rolle übernommen (»More than Moore«). In Verbindung mit der Informations- und Kommunikationstechnik bildet diese funktionelle Diversifizierung die Grundlage für das sog. Internet of Things in allen Anwendungsbereichen von der Produktion (Industrie 4.0) bis zum Lifestyle. Diese Entwicklung hat eine besondere Bedeutung für die deutsche und europäische Industrie, da durch sie enorme Wachstumschancen für die insbesondere in Deutschland starken Industriezweige des Maschinenund Anlagenbaus, der Automatisierungstechnik, des Automobilbaus und der Medizintechnik entstehen. Europa und speziell die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrem Verbund Mikroelektronik sind im Bereich dieser Technologien derzeit gut aufgestellt. Die dezentrale Struktur des Verbunds mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsrichtungen kommt der technologischen Vielfalt der funktionellen Diversifizierung entgegen und erweist sich als ein zukunftsfähiges Modell. Doch auch dieses Modell steht zunehmend vor der Herausforderung der branchentypischen kurzen Investitionszyklen. Diese erfordern in relativ kurzen zeitlichen Abständen erhebliche Investitionen, für die in der Regel Sonderinvestitionsprogramme außerhalb der regulären institutionellen Förderung erforderlich sind. Im Zuge der weiter fortschreitenden Miniaturisierung werden zukünftig von den Anwendungen gewünschte Funktionalitäten auf atomarer Ebene maßgeschneidert werden. Heute ist das noch Thema der Grundlagenforschung, morgen wird es die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg sein. Ohne die Beherrschung von fortgeschrittenen Nanoelektroniktechnologien weit im Vorfeld einer industriellen Anwendung droht daher nicht nur ein wichtiger Unterstützungsfaktor für Grundlagenforschung und Industrie verloren zu gehen, es wird dadurch bereits mittelfristig die Technologiesouveränität Deutschlands in Frage gestellt. Spitzenforschung in Deutschland wird damit abhängig vom politischen »good will« ausländischer Technologielieferanten. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist ein nächster Investitionszyklus erforderlich, wie er von der FraunhoferGesellschaft Anfang 2016 im Konzeptpapier für eine »Joint Fab for Research JFFR« vorgeschlagen wird. Die heute im Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik verfügbare Forschungsinfrastruktur adressiert vornehmlich den Bereich der funktionelle Diversifizierung. Aufgrund der aktuellen technologischen 2 Entwicklungen wird kurzfristig eine Erneuerung und Erweiterung erforderlich, Technologien für die Datenaufbereitung und Datenvorverarbeitung in intelligenten Sensorknoten und die notwendige Kommunikation müssen neu aufgebaut werden. Damit soll der Verbund Mikroelektronik als Motor für die weitere Digitalisierung zahlreicher Anwenderbranchen fit gehalten werden und zu einer Basis für eine vollständigen Supply Chain von der Grundlagenforschung bis zum Nachweis industrieller Produzierbarkeit gemacht werden, mit dem Ziel auch zukünftig Deutschland einen Auftritt als souveräner, globaler Player zu erlauben. Für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Konzepts werden sich die Institute des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik reorganisieren und sich gemeinsam als Forschungsfab (»Joint Fab for Research«) neu aufstellen. Sie führen dazu ihre technologischen Möglichkeiten in einem gemeinsamen Technologiepool zusammen, schließen Ausstattungslücken und erneuern die wichtigen Basistechnologien. Damit werden Effizienz und Schlagkraft erhöht und es wird gewährleistet, weiterhin im internationale Vergleich auf Augenhöhe mit Einrichtungen wie imec (BE), Leti (FRA) oder CNSE (US) agieren zu können, und ein attraktiver Forschungspartner für Grundlagenforschung und Industrie zu bleiben. Die in der JFFR gemeinsam agierenden Institute adressieren dabei alle Technologiebereiche, die für die Erforschung, Entwicklung und (Pilot-) Fertigung von Mikro- und Nanosystemen essentiell sind. Die Machbarkeit neuer Ideen der Grundlagenforschung kann damit in einer industrieähnlichen Fertigungsumgebung nachgewiesen und reproduzierbar umgesetzt werden. 3
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