ONCKEN MAGAZIN JOHANN-GERHARD-ONCKEN KIRCHE HAMBURG NR. 1 / 2016 Heimat HIER STEHT DIE RUBRIK 1 Heimat: Die Orte, mit denen ich gute Erfahrungen verbinde. Vanessa Niedergesäß IMPRESSUM ALLES NEU, MACHT DER MAI … … und so erscheint im Mai 2016 ganz passend die erste Ausgabe unseres neuen Gemeindebriefes – Das Onckenmagazin. Vom Format bis zu den Inhalten gibt es viele kleinere und größere Veränderungen, die dieses neue Magazin prägen sollen. Jede Ausgabe wird themenbezogen sein, die Artikel werden sich mit den unterschiedlichsten Perspektiven des jeweiligen Themas auseinandersetzen. Das Thema unserer ersten Ausgabe lautet „Heimat“. Ein Begriff, der vertraut ist, aber doch nicht leicht zu definieren. Ein vielschichtiger Begriff, der sich über die Jahre immer wieder verändert. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Heimat noch eine rein juristische Bezeichnung. Im Grimm‘schen Wörterbuch ist Heimat definiert als das Land oder Landstrich, an dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat. Heimat hatte jedoch nur derjenige, der auch Eigentum oder Besitzrechte an diesem Ort hatte. Wer ohne Besitz, also „heimatlos“ war, dem war es in Teilen Deutschlands sogar verwehrt zu heiraten. Heute definiert das Internet-Lexion Wikipedia Heimat als eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Seit dem 19. Jahrhundert und mit der Wandlung der Rechtsnormen hat sich der Begriff Heimat ebenso weiterentwickelt. Heute ist zu der sachlichen Ebene, welche noch immer eine enge Verbindung zum Herkunftsort herstellt, eine weitere Ebene, eine Gefühlsebene gekommen. „Heimat“ wird emotionaler verstanden. So gibt es Heimatgefühle, Heimatklänge, Heimweh – alles Begriffe, die mit dem Gefühl der Sehnsucht und Geborgenheit verbunden sind. Daneben gibt es auch die „geistige Heimat“, die nicht einen bestimmten Ort, sondern die Zugehörigkeit zu einer inneren, gedanklichen Einstellung beschreibt. Mit diesen und anderen Aspekten des Themas Heimat beschäftigen sich die Artikel dieser Ausgabe. Ein großes Dankeschön gilt allen, die das Redaktionsteam tatkräftig mit Artikeln und Fotos unterstützt haben! Wir freuen uns auch jetzt schon auf die Reaktionen auf diese erste Ausgabe des Onckenmagazins und bitten um Leserbriefe an [email protected]. Herzliche Grüße und viel Freude beim Lesen wünschen Friederike Wolkenhauer und das Redaktionsteam VORWORT 3 INHALT 3VORWORT 4INHALT 48IMPRESSUM 50AUSBLICK 6 Titelthema HEIMAT – VERSUCH EINER ANNÄHERUNG 14 Titelthema VERSCHIEDENE TEXTE ZUM THEMA HEIMAT 16 Titelthema HEIMATGEFÜHLE 10 Titelthema HEIMAT GEFUNDEN 12 Titelthema MEIN ZUHAUSE IST NICHT IN DIESER DIMENSION 20 Angedacht ÜBER DEN HORIZONT HINAUS 4 INHALT 36 Do it yourself UPCYCLING MIT KONSERVENDOSEN 24 40 DAS BEDÜRFNIS NACH HEIMAT FEIJOADA, EIN KULINARISCHER AUSFLUG NACH BRASILIEN Titelthema 26 Titelthema CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGSFRAUEN & IHRE KINDER Rezept 42 Menschen aus der Gemeinde INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL 32 46 TAUFE – EIN HAUCH VON HEIMAT VORSCHAU Titelthema Wichtige Termine INHALT 5 6 HEIMAT – VERSUCH EINER ANNÄHERUNG HEIMAT VERSUCH EINER ANNÄHERUNG Heimat – für Deutsche ein nicht Heimat - wie soll man heute emoti- mehr den kollektiven Heimatbe- ganz einfaches Thema. Wir Deut- onal, begeisternd, feierlich, moti- griff der Nachkriegsjahre: Natur, schen haben während der Kriege vierend, von einer wichtigen und Dorf, intakte Familie, glückliche Tausenden die Heimat genommen, lebensnotwendigen Sache reden, Kühe auf der Wies‘n, VW-Käfer, Frauen, Männern und Kindern. An- ohne nicht gleich den schmalen Glockengeläut dererseits mussten auch Deutsche Grad der Sachlichkeit zu verlassen? Kinder. Zum Glück hat der Begriff durch Flucht und Vertreibung ihre Der moderne, braune Sumpf be- Heimat eine wohltuende Weite ge- Heimat verlassen. Sicherlich ist es nutzt und missbraucht den Begriff funden. Heimat ist mehr. Wir gehen den Menschen dieser Generation für seine politischen Absichten. auf territoriale, emotionale, digi- gelungen, eine neue Heimat zu Heimat wird dort mit „Deutschna- tale, zeitliche und geistige Spuren- finden, das Bewusstsein des Ver- tional“ gleichgestellt und damit suche. lustes der „alten Heimat“ bleibt je- pervertiert. Wer heute zu viel Hei- doch bestehen. matgefühl zeigt, rutscht sofort in Heimat steht für jenen Ort „zu dem eine gewisse Ecke. Das Hissen aufgrund tatsächlichen Herkom- Den gefühlten Verlust von Heimat, einer Deutschlandflagge im heimi- mens oder vergleichbar ursprüngli- obwohl schen Vorgarten wird beargwöhnt. cher Verbundenheitsgefühle eine Heimat geblieben ist, beschreiben Unbedenklich das unmittelbare und für die jeweilige ostdeutsche Fähnchenschwenken für Fußball- Identität konstitutive Vertrautheit fans. besteht“, so belehrt uns der Brock- man in der örtlichen Bürgerinnen und Bürger nach ‘89. Sie haben einen ist dagegen Teil ihrer alten Heimat verloren, und lachende haus. Heimat ist die Stelle im nicht nur die Arbeit, sondern auch Heimat – ein ambivalenter und zu- Raum, die uns so vertraut ist. Alltagserinnerungen, wie zum Bei- tiefst emotional aufgeladener Be- Diesen Ort suchen wir uns nicht spiel die gute alte Schulküchensolj- griff. Die einen sehnen sich ein aus. Wir finden ihn vor, wachsen in anka, die hauchdünnen Filinchen Leben lang nach ihr, andere wissen ihm auf. Territoriale Herkunfts- oder die Ost-Schrippen. genau, wo sie ist. Für einige be- heimat. Es ist der Ort, dessen Ge- findet sich Heimat im Kopf, für an- ruch wir in der Nase behalten; den dere ist Heimat eine Utopie. wir wieder erkennen, obwohl Gras Andererseits verlassen jedes Jahr rund 140.000 Auswanderer unser drüber gewachsen ist; der Land. Es sind jene Deutsche, die in Dabei ist Heimat ein so schönes manchmal unsere „heile Welt“ sich die Sehnsucht tragen, unter an- Wort. „Heim“ steckt da drin, wir as- bleibt. An diesem Ort, zwischen deren Umständen eine neue, bes- soziieren Heimeligkeit, Schutz, in den Dimensionen von Gemein- sere Heimat zu finden. Ebenso viele guten Geborgenheit, schaft, Raum und Tradition be- Menschen stellen jedes Jahr bei uns intim, Sicherheit. Natürlich soll es ginnt die Entwicklung der eigenen einen Asylantrag, in der Hoffnung, nicht zu pathisch werden, zu sch- Ich-Identität. Heimat ist für jeden dass Deutschland ihre Heimat wird. malzig. Bei uns gibt es längst nicht woanders: Händen, im siegerländischen HEIMAT – VERSUCH EINER ANNÄHERUNG 7 Fachwerkdorf, im Krabbenkut- eines Menschen auch eine zweite und deren Songs sich über Monate ter-Hafen in Friesland, in der Miets- Heimat geben, eine Wahlheimat. in den Charts hielten. Dire Straits, kaserne mit vier Hinterhöfen in Die erste Heimat kann einem Pink Floyd, Frank Zappa oder Kreuzberg oder in der Zechensied- fremd werden. Eben dann, wenn Boston – Heimatmusik für mich. lung im Ruhrgebiet. man sich in dieser ersten Heimat Genauso kann Heimat in der Zu- nicht mehr daheim fühlt. kunft liegen, als Utopie oder in der Das Überraschende an der territo- Phantasie. Heimat ist erfahrbar. Für rialen Heimat ist, dass wir sie oft- Heimat ist im Wandel und war es jeden anders. Heimat kann man mals erst dann lieben lernen, wenn wohl schon immer. Seit den An- sehen, hören, riechen, schmecken, wir sie vermissen. „Erst die Fremde fängen der Moderne im 18. und 19. berühren, sich in ihr bewegen, sie in lehrt uns, was wir an der Heimat be- Jahrhundert beschleunigt sich der sich sitzen“, meinte schon Theodor Fon- Prozess einer Befreiung von Bin- eben. tane. Solange die Heimat da ist, dungen aller Art. Dieser Prozess spürt man sie kaum. Was uns machte auch vor der Heimat nicht Darüber hinaus existiert Heimat Heimat bedeutet, erfahren wir am Halt. klar, nicht nur im Gefühl, in der Sinn- besten, wenn wir sie eine Weile Heimat lässt sich nicht vertreiben. lichkeit oder an einem Ort, sondern nicht haben. Plötzlich spürt man So sind zum Beispiel die Heimat- auch in den Gedanken. Wir nennen jenes so vertraute Gefühl, wenn forschung und die Entstehung von das geistige Heimat. Das können zum Beispiel im Asienurlaub eine Heimatmuseen eine Antwort auf jene Denkweisen sein, die einem Bachkantate aus dem Radio perlt den Verlust von Heimat durch die Menschen so geläufig sind, dass er oder wenn jemand im ausländi- industrielle Zerstörung. Im 21. keine anderen für möglich hält. schen Fernsehen Brecht oder Rilke Jahrhundert führt die Globalisie- Hier kann man jedes Wort ein- zitiert. So kann unsere Heimat rung zur universellen Auseinan- ordnen und kennt den Hintersinn, umso schöner werden, desto weiter dersetzung mit dem, was Heimat der mitschwingt und der für Au- weg sie ist. Ferne verklärt und ist. Es kommen neue Arten von ßenstehende zunächst schwer ver- macht sehnsüchtig. Heimat ins Spiel. Technische Ge- ständlich ist. Gleichzeitig wurde spüren. Sinnliche Heimat räte wie iPhones, Laptops oder TabAber Heimat ist mehr. „Heimat ist lets erlauben den Aufenthalt in der Heimat – für den einen der alte ein Gefühl“, so sinnierte Herbert digitalen Heimat: zu Hause im Sessel hinterm Ofen, für den an- Grönemeyer in seinem 1999 er- Chatroom. Die „Digital Natives“, deren die Sehnsucht nach einer an- schienen Song. Heimat kann hier die Generation, die mit digitalen deren, zukünftigen Welt. Heimat und dort sein, vor allem aber in sich Technologien vertraut ist, weil sie kann unendlich weit über das hin- selbst. Das meinte schon der russi- mit diesen aufgewachsen ist, steht ausgehen, was vor Augen ist, bis hin sche Sin- so als Gegenbewegung zu den „Im- zur himmlischen Heimat. Jeder jawski, der 1973 nach Frankreich migrants“, den analog Daheimgeb- von uns braucht eine Heimat. Aber emigrierte. Er sagte: „Heimat ist liebenen. jeder von uns kann nur selbst ent- Schriftsteller Andrej kein geografischer Begriff. Man scheiden, wo er sie sucht und wo er trägt sie in sich selbst.“ Heimat ist Heimat ist noch mehr. Heimat da, wo ich Heimat sein lassen will. kann eine zeitliche Dimension be- Um es mit dem deutschen Philoso- inhalten, also die Erinnerung an phen sagen. eine vergangene Zeit und deren „Heimat ist da, wo ich verstehe und Stil. Für mich persönlich wären das wo ich verstanden werde“. Heimat aus musikalischer Sicht die wun- kann auch eine Person sein, eine derbar verrockten 80-iger, in der Gruppe, eine Gemeinschaft, ein Be- Musik noch per Hand gemacht ziehungsnetz. So kann es im Leben wurde und Stars echte Stars waren 8 Karl Jaspers zu HEIMAT – VERSUCH EINER ANNÄHERUNG sie findet. Frank-Eric Müller Heimat ist für mich keine Stadt oder Kommune. Heimat findet dort für mich statt, wo andere mich lieben und annehmen und ich liebe und annehme, d.h. die Auswirkung von gegenseitiger Liebe beheimatet mich in meinem Leben und unserer Welt. Lea Herbert HIER STEHT DIE RUBRIK 9 HEIMAT GEFUNDEN MEINE HEIMAT Der Geruch von Salzwasser, Möwengeschrei, Bücher, vertraute Gesichter, Kaffee, Menschen, die meine verschrobenen Eigenschaften kennen und mich trotzdem lieben. Das ist Heimat für mich. Es sind Dinge, Gerüche, Gefühle, Menschen. Heimat ist ein Ort, an dem meine Seele atmet, ein Ort an dem ich kein Make-up und keine gutsitzende Jeans brauche, ein Ort voller Erinnerungen und Menschen, deren Gegenwart, Worte und Umarmungen mein Herz zur Ruhe kommen lassen. Obwohl „Zuhause“ immer das war, was ich (besonders als introvertierter Mensch) brauchte, war mein Inneres ruhe- und rastlos. Und so zog ich von Stadt zu Stadt, wechselte Zimmer, Mitbewohner und Second- hand-IKEA-Möbel. Und jede neue Stadt wurde zu einem weiteren Ort mit guten Momenten und Abenteuern, Freundschaften, Grillen im Stadtpark und Fischbrötchen im Hafen. Und so pendelten meine Heimwehgefühle zwischen „Mein Rostock“, „Hamburg, meine Perle“ und „Berlin, du bist so wunderbar“. Seit über vier Monaten habe ich wieder eine neue Heimat – Molyvos, eine Stadt mit rund 1.400 Einwohnern, im Norden der griechischen Insel Lesvos. Und wann immer ich mich auf der kurvenreichen Straße der Stadt nähere, erstrahlt die Burgruine auf dem Berg und die Lichter der Stadt geben mir das Gefühl, ein neues Zuhause gefunden zu haben. Und ich bin Gott unendlich dankbar für diesen neuen Ort, an den er mich berufen hat, denn hier habe ich meine Heimat gefunden. HEIMATLOS Lesvos ist das Tor zu Europa. Über 1.000.000 Flüchtlinge sind 2015/2016 über die gefährliche Route über das Wasser gekommen. Die Türkei ist so dicht bei; tagtäglich schauen wir hinüber und können nur erahnen, wie viele Menschen auf der anderen Seite warten, um end10 HEIMAT – HEIMAT GEFUNDEN lich in ein besseres Leben starten zu können. Die zehn Doch nicht nur Flüchtlinge sehnen sich nach einem Zu- Kilometer erscheinen so nah und doch entscheiden sie hause. Wir alle sind auf der Suche nach dem einen Ort, täglich über Leben und Tod. an dem unsere Seele zur Ruhe kommt. Wir sind ge- Die abertausend Menschen, die diese Option wählen, trieben und gebeutelt von finanziellen Sorgen, Krank- haben ihre Heimat aufgeben heit, Tod, Essstörung, scheiternden Beziehungen, man- müssen; sie haben ihr Leben gelnder Liebe. Und wir sehnen uns nach einem Ort, an in einen Rucksack gestopft dem wird all das ablegen können und für einen Moment und sich auf den langen und einfach nur Kind sein dürfen. Wir wünschen uns ge- beschwerlichen Weg gemacht. liebt, erkannt und angenommen zu sein. Dieses Ver- Sie sind zerrissen zwischen der langen wurde von Anbeginn der Zeit in unser Herz ge- Trauer über ihre zerstörte Heimat und pflanzt. Es ist Heimweh nach dem Himmel. der Hoffnung nach einem neuen Zuhause. Und darum wandern sie Wochen und Monate mit Billig-Flip Flops, schieben ihre Angehörigen im HEIMATGEBER Rollstuhl durch Wälder, Flüsse und endlose Straßen und Und darum bin ich hier: Um den Heimatlosen von sind bereit, 4.000 Kilometer bei unsag- einem Gott zu erzählen, der uns nach Hause ruft. Der als baren Bedingungen mit ihren liebender Vater darauf wartet, uns in die Arme zu Neugeborenen zu wan- schließen. Der uns Heimat sein will. Der möchte, dass dern. Sie riskieren wir uns danach ausstrecken IHN zu kennen und jeden buchstäblich Tag mehr zu lieben. Und dann wird ER unseren Blick alles. von einer zerstörten oder vergangenen Heimat auf eine zukünftige richten. Dann wird unsere Seele ankommen, weil wir erkannt sind. Weil wir erleben, dass wir geliebt sind, ohne etwas dafür tun zu müssen. Und das ist, was ich hier tue: Jesus begegnen. Flüchtlingen von einem Gott zu erzählen, der aus Liebe für sie gestorben ist. Einen Ort gestalten, an dem Ehrenamtliche und Volontäre zur Ruhe kommen. Backen. Zuhören. Ermutigen. In Gottes Wahrheit eintauchen. Kaffee kochen. Trauern und Trösten. Dienen. Für und mit anderen beten. Stehenbleiben. Lieben. Menschen und Gott verbinden. Lachen. Staunen über Gottes Größe. Geschichten hören. Auf Jesus verweisen. IHM die Ehre geben. Und mich daran freuen, endlich meine Heimat gefunden zu haben – meine Heimat in IHM. Sarah Burzlaff Sarah befindet sich seit letztem Jahr auf der Insel Lesvos, um dort vor Ort Flüchtlingen zu helfen und zieht nun nach Athen, um die Arbeit an anderer Stelle weiterzuführen. Wenn Du Sie finanziell bei Ihrer Arbeit unterstützen möchtest, schreibe eine E-Mail an [email protected] und wir setzen uns mit Dir in Verbindung. HEIMAT – HEIMAT GEFUNDEN 11 MEIN ZUHAUSE IST NICHT IN DIESER DIMENSION Seit einigen Jahren hängt ein beson- Durch verschiedene Schichten und sind keine Gebäude oder Menschen deres Bild im Haus meiner Eltern. die Grundierung hat das Bild ein zu erkennen, die mir vertraut sind Gemalt Schwester, Profil. Dieses Profil bewundere ich und die für mich Heimat prägen. Es strahlt es Wärme, Licht, Geborgen- seit ich das Bild das erste Mal ge- ist das Profil. heit und Freude aus. sehen habe. Im Nachdenken über den Begriff Es ist ein Teil von meinem Zuhause Was aber hat dieses Bild mit Heimat Heimat kam mir recht schnell dieses geworden und gehört einfach dort hin. zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Bild in Erinnerung. Neben den Farben, finde ich die Es bildet weder den Ort, noch die Für mich ist Heimat mehr als ein Ort Struktur des Bildes besonders schön. Landschaft ab, aus der ich komme. Es an dem ich geboren 12 von meiner HEIMAT – MEIN ZUHAUSE IST NICHT IN DIESER DIMENSION oder aufge- wachsen bin. Heimat ist für mich das Die Farben die dazu kommen, sie Gott möchte dem Leben Profil, Tiefe Zusammenspiel aus einem Ort, der machen das Bild lebendig und bunt. und Struktur geben. Er will das Sprache, die dort gesprochen wird Erinnerungen und Erlebnisse. Jeder Denken, Fühlen, Handeln und Er- (ich liebe die Sprachmelodie und den einzelne Lebensabschnitt, jeder Tag leben prägen. Dialekt), der Mentalität, die Men- hinterlässt sein Farbenspiel auf Im Lied: Farbe kommt in dein Leben schen, die mich geprägt haben, Erin- meinem Lebensbild. von Christian Loer wird genau das nerungen und das Gefühl der Zuge- Je älter ich werde, umso vielseitiger besungen. hörigkeit. Meine Heimat, mit allem wird es, umso interessanter wird die „Farbe kommt in dein Leben, wo der was dazugehört, ist für mich die Kombination aus Struktur und Meistermaler malt.“ Grundierung meines Lebensbildes. Farbe. Gott ist der beste „Maler“ – er hat das Die Grundlage auf der alles Weitere Mein Lebensbild zu gestalten, es zu Leben geschenkt, er möchte Deinem aufgetragen wird. verfeinern, ist und bleibt ein Prozess. und meinem Leben Profil, Tiefe und In meinem Vergleich ist Heimat Farbe geben. Er möchte meine Grun- nicht die Leinwand (vielleicht kann Ein Prozess, der mit der Grundie- dierung auftragen, mein Bild mit man diese am ehesten mit dem Ge- rung begonnen hat . Farbe neu ausfüllen. Nicht abgekop- schenk des Lebens selbst verglei- Gleichzeitig merke ich immer mehr, pelt chen), es ist die Grundierung. Un- dass hier auf der Erde mein Begriff Heimat, nicht scheinbar von Heimat, ja meine Heimat selber meinem Erleben. Er möchte Deinem Konturen Profil gibt. ein Versuch ist, Heimat zu sein. und Die Art zu sprechen, die direkte Art Hebräer 13, 14 (nach der NGÜ) sagt: Struktur und Farbe geben, in einer der Menschen und der Dialekt, sie „Denn hier auf der Erde gibt es Dimension, die besser ist als ich es prägen meine Kommunikation bis keinen Ort, der wirklich unsere mir vorstellen kann. heute, auch wenn ich schon lange Heimat wäre und wo wir für immer Wie sieht Deine Heimat aus? Was nicht mehr in meiner Heimat wohne. bleiben ganze hat Dich geprägt? Wie sieht die Die Lebenseinstellung, die regionale Sehnsucht gilt jener zukünftigen Grundierung aus? Mentalität prägt bis heute meine Stadt, zu der wir unterwegs sind.“ Die entscheidende Frage ist: Lasse Sicht der Welt. Lebensgewohn- Da, wo ich eigentlich hingehöre, da ich zu, dass Gott mir seine Grundie- heiten wie verregnete Tage (mehr als wo ich meine Identität, meine Prä- rung aufträgt, mein Leben prägt und im Süden Deutschlandes) lassen gung habe, da wo mein Zuhause ist, gestaltet? Lasse ich ihn mein Lebens- mich eine andere Perspektive auf das ist letztlich nicht auf der Erde. Es bild gestalten? sonnige Tage haben, als meine ist nicht in dieser Dimension. Meine Ich freue mich über meine Heimat Freundin aus Baden- Württemberg. Heimat kann mir ein Gefühl dafür hier auf der Erde, bin dankbar für sie Natürlich kommen die Liebe zu hü- geben was meine wirkliche Heimat und möchte mich doch jeden Tag geliger Landschaft, Mischwäldern, als Kind Gottes ist. neu von meiner Heimat bei Gott die Begeisterung für die Kombina- Als Jünger Jesu ist meine eigentliche prägen und gestalten lassen. Denn tion aus Industrie, Natur und Kunst Heimat, das wohin ich gehöre, das, sie ist es, die letztlich die perfekte aus meiner Heimat. was mich prägt, nicht auf dieser Erde Heimat ist. Das alles begleitet mich und prägt zu finden. Es ist die Gegenwart meine Sicht der Welt bis heute. Es ist Gottes. Es ist der Ort, an dem Gott die Grundierung, auf der alles Wei- der Herr ist, wo er regiert. Sein Reich! tere aufgebaut wird und Struktur er- Das was mich also im Tiefsten prägt , hält. meine Grundierung als Kind Gottes, Meine Heimat prägt mich, auch ist also nicht auf dieser Erde zu wenn ich nicht in ihr wohne. Mein finden. Es macht sich letztlich nicht Lebensbild bekommt durch meine an einem Ort, sondern an einer Prägung auch aus der Heimat Tiefe. Person fest. und doch das was könnten. Unsere von meiner meinem menschlichen abgekoppelt Lebensbild von Tiefe, Mirjam Fuchs HEIMAT – MEIN ZUHAUSE IST NICHT IN DIESER DIMENSION 13 HEIMAT „Es ist meine Gemeinde, meine geistliche Heimat. Es ist das fröhliche Grüßen, das Fragen, wie es einem geht und Mich reizt immer wieder Vers 1 aus Psalm 122: „Ich war die Antwort abwarten. voller Freude, als sie zu mir sprachen: „Wir gehen zum Gern erzähle ich von der Begegnung mit einem lei- Hause des Herrn.“ tenden Kollegen: „Herr Adam, schön, Sie wiederzu- Es waren meine Eltern, die das sagten. So bin ich in sehen! Wie geht es Ihnen?“ meiner Jugendzeit als Fußballtorwart mit ihnen 20 km „Schlecht!“ nach Verden gefahren und hatte meinen Torwartdress „Prima!“ an. Ich musste nämlich nach der Andacht noch 7 km bis Als ich ihn staunend ansah, wurde er etwas nachdenk- zum Fußballspiel mit dem Fahrrad fahren. Und nach lich. dem Spiel ging es mit lädierten Knochen als Torwart zu- Hören wir eigentlich hin, was gesagt wird? rück. Ich habe nichts bereut. Bei meinen „Onckens“ habe ich immer das Gefühl, dass Das ist sehr lange her. Nun leben wir seit 1986 in Ham- zugehört wird. Da ist ein Stück wahre, geistliche Heimat. burg, davon seit 1999 halbjährlich in Südfrankreich. Seit Onckens ist meine Tankstelle. Dieser „Sprit ist kos- April 2016 sind wir nicht mehr „Franzosen.“ tenlos und unendlich“. In Frankreich hatten wir sehr gute Kontakte, Bekannte Nun denke ich an die vielen Schwestern und Brüder, die und viele, die hofften, dass wir endgültig dort Bürger ohne diese Tankstelle auskommen wollen. Ich vermisse werden. Die Freunde in Frankreich hofften, dass wir viele von ihnen. unser Haus nicht verkaufen, weil sie uns als Freunde be- Wissen sie eigentlich, was ihnen entgeht? Was bedeutet halten wollten. ihnen die Gemeinschaft des Abendmahls? Für mich ist Meine Geschwister in Hamburg hofften, dass wir das das die Gelegenheit, Gott zu danken, dass Er seinen Haus loswerden. „Lieber Harry, wir brauchen Dich in Sohn Jesus Christus für uns geopfert hat. der Gemeinde.“ Fazit: Heimat für mich ist „Onckens“ von ganzem Onckens hat gesiegt! Herzen“. „Was zieht Dich eigentlich nach Hamburg?“, war die Frage der Freunde in Südfrankreich. 14 HEIMAT – GEMISCHTES Harry Adam Was könnte der Begriff Heimat bei verschiedenen fühlend gesehen … bleiben und endlich da sein können … Menschen auslösen? nein! Geht doch nicht … nur die wohlige Erinnerung mitnehmen können … wieder Ort los, Heimat los … dann Es könnte der Geruch von Weihnachtsplätzchen sein, ankommen, aufgenommen, angenommen werden, ein Kuscheltier, das duftende Heu, erinnernd an eine bleiben können … leider nein! besondere Gebirgswanderung oder der Algen Meer- Und wieder weiter, weiter … grenzenlose einsame Er- wassegeruch am Strand, Pferdegeruch – ohh ja … schöpfung … an die Heimat, die es einmal war und alles das ist deutlich vor meinem inneren Auge zu nicht mehr ist schmerzvoll denkend … weiter gehen … sehen. bis? Ganz bestimmte Klänge oder Melodien einer Musik Hören von Gesagtem – Deine Heimat ist in Dir zu oder die morgendlichen Gesänge von Vögeln lässt das finden, klingt gut und wie finde ich sie in mir? Weiter Gefühl von tiefer Freude spüren. Das Quietschen der vorbeifahrenden Straßenbahn erinnernt an Gespräche mit Opa am Küchentisch. Auch die Berührung von menschlicher Haut, verbunden mit warmen und geborgenen Gefühlen. Das Streicheln von Hund, Katze oder Meerschweinchen, deren Zuneigung genießend und schließlich der besondere leckere Geschmack von frisch ausgepuhlten Erbsen im Schrebergarten von Tante Rüstig. Heimat, der Ort, wo geboren und nie Heimat gewesen … Heimat unterwegs … entwertet und entwürdigt … suchend, mehr oder weniger hoffend … Heimat unterwegs? Auf der Flucht vom Krieg, Hunger oder der Familie? Ian Hamilton Finlay schreibt 1996 auf einer Bodentafel zwischen den Gebäuden der Kunsthalle in Hamburg folgenden Satz in verschiedenen Sprachen: „Die Heimat ist nicht das Land – sie ist die Gemeinschaft der Gefühle.“ Regina Michaelis-Braun und einen zugewandten Menschen kurz gefunden … wieder verlassen müssen … unterwegs sein, weiter unterwegs … von Menschen verstanden, versorgt und mit- Schreibst Du etwas für den Gemeindebrief ? Thema Heimat! Sofort dachte ich an Ostpreußen, Masuren, Flucht und Vertreibung. Dann kam gerade unser jüngster Sohn zu Besuch, Jahrgang 1972. Ich fragte ihn: „Was verstehst Du unter Heimat“? Die Antwort: „Heimat ist, in mir verwurzelt zu sein“. Kindheitserinnerung, Gerüche, Menschen, Orte, Urlaube, Musik, Rituale, Tradition, Elternhaus und dann: „Die Heimat kann mir keiner nehmen“. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Gisela Sembritzki HEIMAT – GEMISCHTES 15 HEIMATGEFÜHLE „Die Erinnerungen (an die Heimat) sind das einzige Pa- Heimat ist auch dort, wo meine „Heimatgemeinde“ ist. radies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“ Zu Rositten gehörte auch die „Baptistenkapelle“ mit Heimat ist ein gern besungenes Thema, besonders be- der „Sonntagschule“, mit „Tante Pajewski“ (der Frau des liebt bei Soldaten im Krieg und fern der Heimat: „Predigers“) und auch mit „Tante Malchen“. Und wenn „Heimat, deine Sterne, sie strahlen mir auch am fremden ich beim Ostpreußentreffen (Kr.Pr.Eylau) in Verden die Ort. Was sie sagen, deute ich so gerne, als der Liebe zärt- „ergrauten Großväter“ und damaligen Bauernjungs liches Losungswort.“ Oder schon 1914-1918: „Vor der fragte, ob sie den Kaiser von China kennen, wussten sie Kaserne, vor dem großen Tor, stand eine Laterne und es nicht; aber das „alte Mädchen“, „Tante Malchen“, steht sie noch davor; so woll’n wir uns wiederseh’n, bei kannten sie alle – unvergesslich wie sie mit uns – „den der Laterne woll’n wir steh’n, wie einst Lili Marleen.“ Kleinsten“- sang: „O wie fein, O wie fein, wird es in dem Oder auch bei Matrosen auf hoher See: „Der Junge an Himmel sein …“ – der Reeling, der denkt ans Mädchen, das er liebt zuhaus. Unsere „Baptistenkapelle“ stand neben unserem Die Küsten sind voller Häfen, doch jeder Hafen spuckt Grundstück mit meinem Elternhaus (das „Posthaus“, ihn einmal wieder aus.“ (Lale Andersen und später auch denn mein Vater war „Posthalter“) und sie war die ein- Freddy Quinn). zige Kirche im Dorf (seit 1855). Meine Eltern gehörten zur Gemeinde, und mein Vater war Gemeindekassierer „Wo meine Wiege stand, da ist mein Heimatland…“. und sang Bass im Gemischten Chor. Und mein frommer Meine Wiege stand in Rositten, ein längliches Bau- Opa nahm mich – den „Drei-Jahre-hoch“ immer mit, erndorf, 40 km südlich von Königsberg (heute Kalinin- wenn er sich in sein Zimmer zum Gebet zurückzog. Er grad). Mein Eltern- und auch Geburtshaus hat schon betete kniend und betete laut; und ich kniete neben ihm mein Urgroßvater gebaut (um 1850). Meine Eltern und sah ihn schweigend aber mit großen Augen an; und haben mir ihren Glauben vorgelebt. Und sie machten n i wenn mein Opa ein paar Tränen vergoss, dann weinte c h t durch „kleine Karo’s noch ein Kreuz“, um das dann ich mit. Das erzählte mir mein Vater, der uns einmal be- für besonders fromm zu halten. Ich hatte Raum zum lauscht hatte; er wollte doch wissen, „Wat de Voader mit Leben und Luft zum Atmen, würde ich heute sagen. Ich dem Jung moakt“… hatte eine sonnige Kindheit in Dorf und Wald und Flur Und als ich 1977, als Pastor der Oncken-Gemeinde, nach bis – zur Flucht mit Pferd und Wagen am 08.02.1945: Hamburg kam, traf ich Hanni Pajewski wieder. Sie war Anfang Februar 1945 auch geflüchtet, aber allein, zu „Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen; Fuß und mit sechs kleinen Kindern; und sie landete über weite Felder lichte Wunder gehen. – glücklich in Hamburg, ihrer Heimat. Sie schrieb unter- Starke Bauern schreiten hinter Pferd und Pflug; wegs Briefe an ihren Mann, der Frontsoldat war. Eine über Ackerbreiten streicht der Vogelzug. – Enkelin hat daraus ein ganzes Buch gemacht. „Tante Pa- Und die Meere rauschen den Choral der Zeit; jewski“ – das blieb sie bis ans End – begleitete mich als Elche steh‘n und lauschen in die Ewigkeit.“ Pastor mit ihren Gebeten und Fragen (Ihre Heimatge- - Ostpreußenlied - meinde war die „Böhmkenstraße“, 1943 in der „Gommora-Nacht“ bombenzerstört, als sie noch eine junge Frau war). 16 HEIMAT – HEIMATGEFÜHLE Und sie erzählte mir auch einiges über meinen Kinder- wachsen“ geworden – auch und gerade durch das Stu- glauben, den ich unter meiner „Pimpfenuniform“ („Hit- dium der Theologie. ler-Jungen-Jungschar“, 10-14 Jahre) versteckt hatte; und manchmal auch schon meinte, verloren zu haben. Aber Doch Heimat ist nicht nur dort, „wo meine Wiege mein Glauben ist n i c h t verlorengegangen; und ich stand“; sondern auch dort, wo die Menschen sind, die glaube, das hängt mit den „nachhaltigen“ Gebeten mich lieben und die mich brauchen. – meines Opas zusammen. Und wie ich meine „Jugend- Heimatgefühle hege ich auch für das Schwabenland. Ich sünden als Jungzugführer in der Nazizeit“ bewältigt bin ein „Beuteschwabe“, denn nach der Flucht und den habe, ist ein anderes Thema und würde hier zu weit „Nachkriegs(w)irrungen“ landeten wir in Spaichingen führen). in Baden-Württemberg, unweit vom Bodensee, einem Und mein „Kinderglauben“ aus meinen Kindertagen in kleinen Katholischen Städtchen mit zwei großen Kir- Rositten gehört noch immer zu (m)einem Urvertrauen; chen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Dort lernte ich allerdings ist der „aus den Kinderschuhen raus“ und „er- Tischler und fuhr jeden Sonntag mit dem Fahrrad 15 km HEIMAT – HEIMATGEFÜHLE 17 nach Tuttlingen. Dort war eine „Ost- Zudem lernte ich – zwar im Jugend- Und in den Bergen bin ich auch Zu- preußische Flüchtlingsgemeinde“ seminar – (m)eine echte Ostfriesin hause; denn „steig ich den Berg hi- entstanden, auch „Klein-Königs- kennen. Und so wurden mir auch nauf, das macht mir Freude.“ Etwa berg“ genannt; nach Rositten meine Weener an der Ems im Rheiderland 15x waren wir mit Gemeinde- z w e i t e Heimatgemeinde. Dort und ebenso Firrel, die „Perle Ost- gruppen im Tennengebirge in Wer- wurde ich Jugendleiter; und dort er- frieslands“; zu Heimatgemeinden. – fenweng, ein Hochtal (1.000 m), um- fuhr ich auch – auf einem Jugendlei- Erika und ich heirateten 1955, geben von Bergen (bis 2.300 m). Es terlehrgang im Jugendseminar in hatten und haben drei Töchter und gibt dort keinen Gipfel, auf dem wir Hamburg (1951) - meine Berufung – über die Goldene Hochzeit hinaus nicht schon waren. Dazu kamen zum Pastor … – waren wir bis zu Erikas Tod „Wanderungen“ auf den Hochkönig, Es lag auf der Hand und war ein (1/2013) ein glücklich verheiratetes die Zugspitze und den Dachstein „heimatliches Geschenk“, dass nach Team; und zwar in allen vier Ge- (alle je rund 3.000 m). Die Berge sind meinem meinden gemeinsamen auch (m)eine Heimat, am liebsten Rennbahnstraße Dienstes. Erika hatte nicht nur auf einer Hütte – und mit „Kaiser- 115, meine erste Dienststelle in mich, sondern auch meine Beru- schmarrn“! Stuttgart war, als Filialprediger für fung angenommen; wir wurden Esslingen und Göppingen (damals „Pastorsleute“, und sie war die Frau, war ich noch ein „Doppelver- „die alles so herrlich regieret“…. diener“). In Esslingen – wo wir „auf Und auch diese vier Gemeinden – dem – Stuttgart mit Esslingen und Göp- „standen auch die Wiegen“ unserer pingen, Wanne-Eickel, Duisburg beiden Töchter Uta und Anne und Hamburg – Oncken-Gemeinde (Maike wurde dann in Ostfriesland – waren und sind für uns wie geboren). Unsere Uta (3 Jahre) Heimat. Das hängt mit den Men- fragte mich mal: „Papa, sprechen die schen zusammen, mit denen wir hier auch deutsch?“ – Die Schwaben lebten, die uns liebten und die uns können alles, nur nicht hoch- brauchen konnten; und mit denen deutsch, witzelten damals schon die wir teilweise auch heute noch guten „Rei’g‘schmeckten“ (die Zugezo- Kontakt haben. Gemeinde ist ein- genen). – Ich aber habe auch heute fach schön, schön heimatlich. – noch Heimatgefühle, wenn ich Das „Pilgerheim Weltersbach“, ein „Schwäbische Laute“ höre … Altendorf in Westfalen, hat fol- Studium Hamburg-Horn, Hegensberg (1953-57) wohnten in unseres gendes Leitbild: „Wir bieten ein ZuIch habe auch Heimtgefühle, wenn hause für Menschen, unabhängig ich Plattdeutsch“ von ihrem Glauben und ihrer Her- höre. Ich war als Student 2x zum Fe- kunft. Wir wünschen uns, dass sie riendienst in Firrel (ich durfte bei uns Heimat finden.“ – Und eine nochmal kommen, obwohl ich schon ähnliche Heimaterfahrung machten einmal da war!?); sodass mich meine wir als Bewohner des Alberti- Semester-Kollegen den „Bauernpre- nen-Hauses in HH-Schnelsen (seit diger von Ostfriesland“ nannten. Ein 2/2007). Titel, auf den ich heute noch ein biss- Als wir nach den ersten acht Wo- chen stolz bin; denn sooo dumm chen von einem Besuch kamen, sind die Ostfriesen nicht, wie es uns sagte Erika, sich die Hände reibend: manche „dummen Ostfriesenwitze“ „Ich freu mich schon auf mein Zu- weis machen wollen. hause.“ 18 „ostfriesisches HEIMAT – HEIMATGEFÜHLE Erhard Rockel "Heimat ist jeder Ort der Welt wo es Menschen gibt, die Dich als Bruder oder Schwester aufnehmen.“ Daniel Hoyos Rodriguez HIER STEHT DIE RUBRIK 19 »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.« (Hebr. 13,14) 20 ANGEDACHT HEIMAT – ÜBER DEN HORIZONT HINAUS Unser Glaube ist von der Überzeu- manche Unsicherheiten versichern, Auch Beziehungen verändern sich, gung inspiriert, eine Heimat in einer wir mögen in einer Ehe Dauer an- zu den Kindern, zu Freunden. Ge- zukünftigen, besseren, ewigen Welt streben, wir mögen uns in einem ge- liebte Menschen werden sterben. zu finden. Wie beim Auszug der Is- wählten Beruf zu verwirklichen Andere werden geboren. raeliten aus Ägypten setzt diese Vor- trachten, wir mögen vielen anderen Veränderungen machen auch Angst. stellung einer zukünftigen Heimat das Leben verschönt haben, wir Man muss loslassen, Vertrautes auf- in Bewegung. Wir sind auf dem Weg mögen uns selbst unserer Erden- geben, sich an neue Menschen oder an einen Ort, von dem wir hören, an tage durch Bildung und Reisen so neue Aufgaben gewöhnen. Es gibt den wir glauben, ihn aber noch nicht angenehm wie möglich gestaltet Augenblicke, da wünschen wir uns kennen - die himmlische Heimat. haben — über all dem steht uns die Erfahrung von Ewigkeit: wenn Im Hebräerbrief des Neues Testa- schwebt dieses tiefe, dieses notwen- wir intensives Liebesglück erleben; mentes heißt es: „Wir haben hier dige und manchmal so bittere gött- wenn wir etwa auf einem Familien- keine bleibende Stadt, sondern die liche „befristet“. Gastrecht ist nicht fest unser Leben als von Gott und zukünftige suchen wir.“(Hebr.13,14) Heimatrecht. Wir sind und bleiben Menschen gesegnet fröhlich und Dieser Satz setzt uns auf gepackte unterwegs, auf der Suche nach der unbeschwert feiern; wenn uns ein Koffer. Nichts bleibt, so klingt es an. Heimat, nach dem Sinn, dem Steten, Projekt gelingt, an dem wir mit viel Alles ist vergänglich. Wir haben hier dem ewig Bleibenden. Energie und Herzblut gearbeitet nichts Bleibendes. Im Gegenteil. Bis es soweit ist, leben wir in Bewe- haben. Wir sind Wanderer, Passanten, Vor- gung. Bewegung aber bedeutet Ver- In solchen Augenblicken bewegt bei-Geher. Wir sind Gäste auf Erden. änderung. uns uns die Sehnsucht nach Beständig- So sagt es auch das Alte Testament. ständig. Unser Aussehen verändert keit. Dann möchten wir, dass alles so Gast auf Erde bedeutet: Wir mögen sich. Wir bekommen Falten, werden bleibt, wie es gerade ist. Dann, in uns einrichten, wir mögen uns ma- krank oder wir werden gesund. diesen glückserfüllten Augenbli- teriell sichern, wir mögen uns gegen Leben gibt es nicht im Stillstand. cken, fällt es manchmal schwer, uns Wir verändern ANGEDACHT 21 mit der Vergänglichkeit alles Irdi- anfühlt, „draußen“ zu sein? Kennen türlich kann man sagen, dass der, der schen abzufinden. Dann wollen wir wir das Heimweh derer, die sich Jesus glaubt, gefunden hat. Der Hütten bauen, in denen alles so fremd fühlen? Können wir uns die heißt Kind Gottes und damit ist er bleibt, wie es ist. Das Leben soll so Angst Erbe (Gal. 4,4). Dieser Mensch weiß, bleiben. Die Gemeinde soll so Migranten vorstellen? was bleiben. Die Es geht nicht nur um die Not derer, Reicht das aber? Ist das alles? bleiben. Die Arbeit soll so bleiben. die weit weg von zu Hause sind. Zukunft, Ankommen, Heimat und Es gibt auch „Denk-Hütten“. Das Auch mancher, der „vor die Tür ge- all das, was wir damit verbinden und können unsere Lehrsysteme sein. setzt“ wurde, weiss, was es heisst, ersehen, fällt uns nicht in den Schoß, Wehe, wenn dann jemand neuen „nicht mehr gut genug“, oder „zu alt“ ist nicht schon längst bequem ins Wind hereinbringt. Und dennoch - zu sein: am Arbeitsplatz, in den Be- Trockene gebracht. Die zukünftige wir haben hier keine bleibende ziehungen, in der Gesellschaft. Das Stadt suchen wir. Wer jetzt noch Stadt. Beim Nachdenken wird uns ist keine positive Mobilität, sondern keine Heimat hat und beginnt zu klar, dass es gerade die Vergänglich- die Hoffnungslosigkeit derer, die suchen, dem sagt die Bibel: Es gibt keit ist, die unser Glück und unser ihrer Familie keine Zukunft sichern eine künftige Stadt, auch wenn hier Leben so kostbar macht. Wie sagte können. „Keine bleibende Stadt“, alles vergeht. Es gibt Zukunft und noch Hermann Hesse in seinem Ge- das ist ein Bild für Vergänglichkeit, Heimat, wenn wir die Augen offen- dicht Stufen „Wir sollen heiter aber auch für die Urangst der Opfer, halten, wenn wir suchen und uns Raum um Raum durchschreiten, an die den Rhythmus der heutigen finden lassen. Es gibt Orientierung keinem wie an einer Heimat hängen, Welt nicht einhalten können. und Halt, wenn wir zu Gott hin der Weltgeist will nicht fesseln uns Wir eine denken – egal, wie groß die Fragen und engen, er will uns Stuf‘ um Heimat. Ja wir haben sogar einen um uns herum auch sein mögen, Stufe heben, weiten. Kaum sind wir Anspruch und was auch immer die Zukunft heimisch einem Lebenskreise und Schweiz gibt es das Heimatrecht bis bringen wird. traulich eingewohnt, so droht Er- heute. Kirche hat zu allen Zeiten Es muss nicht so bleiben wie es ist. schlaffen. Nur wer bereit zu Auf- auch die Aufgabe, Heimat zu sein. Es kann anders, neu und richtig bruch ist und Reise, mag lähmender Obwohl hier nichts bleibt, brauchen werden. Die Sehnsucht danach ist Gewöhnung sich entraffen.“ wir Häuser, Hütte, Kapellen und uns längst ins Herz gepflanzt, denn „Unsere Heimat aber ist im Himmel. Kirchen, um Menschen ein „Zu- „Wir haben hier keine bleibende Von dort erwarten wir auch Jesus hause“ zu bieten. Wie kann das aus- Stadt, sondern die zukünftige su- Christus, den Herrn als Retter“, so sehen? Wie kann Gemeinde zur chen wir“. formuliert Paulus in Phil. 3,20. Heimat werden? “Das kann ja alles sein!”, regt sich „Wir haben hier keine bleibende Frank-Eric Müller Emanuel auf, der ohne Familie, ohne Stadt, sondern die zukünftige su- Pastor der Oncken- Kontakte, ohne Bleibe aus Togo chen wir!“ Das aktive Moment des Gemeinde kam. “Für Euch ist ‘unterwegs sein’ Bibelwortes drückt sich im Verb einfach. Ihr wisst nicht, was es „suchen“ aus. Die Identität der heisst, ‘draußen’ zu sein!” Emanuel Kirche, die die zukünftige Stadt aus Togo hat vielleicht eine größere sucht, ist nicht ihre Mobilität, son- Veränderung hinter sich, als wir je in dern ihr Ziel. Mit der zukünftigen unserem Leben erlebt haben und er- Stadt ist die Ewigkeit bei Gott ge- leben werden. meint. Wir haben also einen weiten Er hat alles verlassen, und kam Blick. hierher. Er ist zwar da, aber nicht Suchen, das ist sehr aktiv. Ich lese „drinnen“, sondern immer noch den Satz so, dass dieses Suchen Zeit „draußen“. Wissen wir, wie sich das unseres Lebens nicht aufhört. Na- 22 ANGEDACHT Kinder sollen so der Flüchtlinge, Menschen auf brauchen Heimat. In der der Heilsgewissheit bedeutet. Heimat ist für mich der Ort, dem ich von klein auf gesellschaftlich wie auch landschaftlich verbunden bin. Jens Schüller Heimat ist Da wo meine Familie ist! Lisa Asmussen HIER STEHT DIE RUBRIK 23 DAS BEDÜRFNIS NACH HEIMAT Stadt der Welt, wo es alles gab, was ich brauchte, außer diesem einen Masterstudiengang, der mich interessierte. C’est la vie, dann zieht man halt ins Ausland. Auslandserfahrung wird heutzutage sowieso überall erwartet und zwei Jahre sind schnell um, tröstete ich mich selbst, war aber von diesen klischeehaften Gedanken überhaupt nicht überzeugt. Heimat zeigt sich oft erst, wenn man sie verlässt. Wenn jemand mich fragt, was ich am meisten vermisse, sage ich oft einfach „ungarisches Essen“, aber alleine aus dem Grund, dass es sonst unheimlich schwer zu beschreiben ist. Denn was fehlt mir nun wirklich? Die direkte, manchmal sogar unhöfliche Art der Menschen (die sich aber Touristen gegenüber fast nie äußert)? Ich mag die eigentlich gar nicht und versuche sogar, selber etwas dagegen zu tun, freundlich zu sein, so wie ich es in Norddeutschland gelernt habe. Aber selbst wenn ich den Kopf schüttele oder mich über das freche Verhalten von anderen aufrege, gehört es irgendwie dazu. Genauso wie der fast unerträglich heiße Sommer - aber es fehlt mir echt, über die Hitze zu meckern. Heimat könnte also ein Ort sein, den man kennt, wo Bilder, Gerüche und Geräusche tausend Erinnerungen hervorrufen. Der Spielplatz, die Schule, die Straße, die Bank an der Donau, der Park, das Lieblingscafé, das alte Vor zweieinhalb Jahren packte ich meinen Koffer und Tonsignal in der U-Bahn, der seltsame, trotzdem ver- zog nach Hamburg, in eine Stadt, in ein Land, wo ich traute Geruch der Tennishalle, die alten Busse, die mor- nicht hinwollte. Aber selbst wenn es sich so ergab, war gens aus allen Ecken platzen, die billigen Stehplätze im ich mir ziemlich sicher, dass ich nach dem Studium ge- dritten Rang des Konzertsaals, die Straßenlaterne, nauso schnell weg bin wie ich kam. Ich fühlte mich in gegen die ich mit fünf mit dem Schlitten flog, die der Heimat nämlich sehr wohl: meine Familie war da - warmen Sommernächte, die ewig lange Schlange am bis auf meine Schwester, die ihren Lebensmittelpunkt Eingang der Eisbahn und mein Zimmer bei meinen El- nach dem Abi in England einrichtete -, ich hatte einen tern. großen Kreis von sehr guten und engen Freunden, eine Mittlerweile habe ich auch in Hamburg solche Orte. Es super Gemeinde und lebte in der schönsten und tollsten würde natürlich weitere vierundzwanzig Jahre dauern, 24 HEIMAT – BEDÜRFNIS HEIMAT lässt? Gibt es eine zweite Heimat? Eine Wahlheimat? Ich denke nicht, aber zweieinhalb Jahre sind vielleicht einfach zu kurz, um das entscheiden zu können. Für mich ist Heimat zu einer Idylle geworden: sie ist die Vergangenheit, mein altes Leben, wo ich kaum Streit erlebe, da ich selten da bin, wo ich morgens nicht mehr über den Berufsverkehr zu schimpfen brauche, wo ich das politische Geschehen nur indirekt mitbekomme und wo ich quasi nur Urlaub mache. Zu einem Ort, wohin ich vor meinen Problemen fliehen kann, der aber keine Realität mehr ist. Bin ich damit heimatlos geworden? Die ähnlich viele Erinnerungen zu sammeln, wie in Budapest, aber das imaginäre Archiv ist trotzdem schon ziemlich dick. Beim Jahrgangstreffen hieß es, „wisst ihr noch, im ersten Semester in der Bergkate …“ und während einer Liebeskummer-Phase war die Stadt eine Ausstellung von ehemals schönen, dann vielmehr schmerzhaften Erinnerungen. Denn es sind die Erlebnisse, die verschiedenen Erinnerungen, die einen Ort für einen mit Leben füllen und zu etwas Besonderem machen. Und natürlich die Menschen, mit denen man diese teilt. Freunde, lieb gewonnene Menschen: ohne geht Heimat nicht. Menschen, bei denen man sein Vertrauen gut aufgehoben wissen kann, die seelische Nachbarn sind, alleine sie bedeuten ein Stück Heimat, oder zumindest eine Prise Gemütlichkeit, wenn sonst alles unterzugehen scheint. „Nur wo du bist, da ist ein Ort“, schrieb Elizabeth Barrett-Browning und es ist ein trauriges Urteil auf mich und Hamburg bezogen. Wenn nämlich Frage kann zwar sehr weit führen, da aber mein Bauchgefühl sagt, dass ich gern jederzeit nach Budapest zurückkehren würde, weil ich die Familie, die Freunde und das Lebensgefühl unheimlich vermisse, lässt sie sich direkt beantworten. Dass ich wahrscheinlich erstmal nicht zurück in die Heimat ziehen werde, ist eine andere Geschichte. Die Arbeit, die Liebe und die mit denen verbundenen Umstände stehen im Weg – und das ist sogar richtig so. Denn ich weiß nicht, wo Gott mich in einem Jahr sehen will, was er mir alles noch beibringen will und wo er für mich das neue Zuhause bereitet. Bis er mir das alles zeigt, brauche ich nichts anderes zu tun als ihm zur Ehre leben, dort, wo er mich jetzt sehen will: in Hamburg. Und mein Gott wird alle meine Bedürfnisse reichlich erfüllen in Herrlichkeit in Jesus Christus. Eszter Magyar nicht alles rund ist, rufe ich meistens entweder meine Mutter oder meine Schwester oder eine Freundin aus meiner Gemeinde in Budapest an. In Hamburg sind es bisher wenige, die mir so vertraut sind. Die eine ist auch Ungarin: die Herkunft, aber vor allem die Sprache verbindet uns. Egal wie gut wir Deutsch können, die ungarische Sprache schenkt uns das unmittelbarste Gefühl von Heimat, selbst wenn wir gerade in einem Hamburger Café frühstücken. Egal wie problemlos ich deutsche Literatur lesen kann, am schönsten klingt für mich nach wie vor die ungarische Poesie. Und egal wie lange ich schon in Deutschland lebe, richtig heimisch fühle ich mich erst, wenn ich mich mit jemandem auf Ungarisch austauschen kann. Heimat ist ein Ort, es sind die Menschen, die Erinnerungen und die Sprache. Doch was bleibt, wenn man seine Heimat, freiwillig oder gezwungenermaßen, verHEIMAT – BEDÜRFNIS HEIMAT 25 EIN GEMEINDECAFÉ ALS WOHNZIMMER FÜR FLÜCHTLINGE Im Oktober 2015 gingen die Bilder des am Rande der Ägäis ertrunkenen Kindes aus Syrien um die Welt. In dem Bewusstsein, dass sich zuerst Hamburger Moscheegemeinden, dann katholische und schließlich evangelisch-lutherische Gemeinden um die täglich am Hamburger Hauptbahnhof angestrandeten Flüchtlinge abmühen, wurde einer Gruppe von 13 baptistischen Oncken-Freikirchlern klar: Spätestens (also lieber spät als nie) jetzt sind wir dran. Diese „wilde 13“ bestand und besteht weitgehend aus älteren und gesundheitlich angeschlagenen Gemeindegliedern, aber mit Herz und Hand am rechten Fleck. Was kann diese „Rentnerband“ leisten, fragten wir uns. Viele Flüchtlinge leben in Massenunter- künften, wo sie keine Minute zur Ruhe kommen können. Besonders bedroht und gefährdet sind dabei Frauen und deren Kinder. Schon die alttestamentliche Geschichte der Ruth und ihrer Schwiegermutter Naomi macht die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen auf der Flucht deutlich. Oftmals bedroht und ausgebeutet, nicht nur von der einheimischen Wirtschaft, sondern auch von Männern, auch von jenen, die sich bisweilen gleichsam auf der Flucht befinden. Frauen auf der Flucht und deren Kinder befinden sich somit in einer dreifach bedrohten Lage. Und dabei wünscht sich die aufnehmende Gesellschaft gleichsam die zivilisatorische und soziale Kraft dieser Frauen, damit AUCH die Integration der sie umgebenden Männer, Freunden, Verwandten, männlichen Kindern gelingen möge. Wir, die älteste Baptisten-Kirche auf dem europäischen Kontinent, verfügt nun nicht nur über eine schöne Kirche, sondern auch über ein Café in zentraler Lage, welches manche Tage schlichtweg leer steht. So entstand in der „wilden 13“ die Idee eines kreativen „Zur-Ruhe-kommen-Raumes“ für weibliche Flüchtlinge und deren Kinder. Unser Gemeinde-Café soll (auch!) zum „Wohnzimmer“ 26 HEIMAT – CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGE Abendbrot (syrische und deutsche Küche) her und verspeisen es mit schmatzender Freude. Gemeinsam mit den Frauen herrscht ein fröhliches Treiben und ein Klönschnack mit Händen und Füßen. Parallel dazu spielen Kinder mit Bausteinen, Ritterburgen und Autobahnen. Andere sind in unserem Kreativ-Maler-Atelier und toben sich mit Pinseln aus oder kommen mit feinen Stiften zur inneren Ruhe. Wieder andere syrische Achtjährige werden von unseren fast Achtzigjährigen quasi „adoptiert“ und lernen unter ihrer herzlichen Hand ein wenig mehr Deutsch. Perspektivisch wollen wir noch für besonders bedrohte und belas- Im Dezember enstanden intensive tete Flüchtlingsfrauen aus einer Kontakte zwischen den alten Hasen Erstaufnahmeunterkunft werden. von „Herzliches Lokstedt“ und unserer jungen „Rentnerband“ - auf Unsere Kontaktaufnahmen gingen Augenhöhe. Die „Herzlichen“ haben in verschiedene Richtungen. Par- junge Helfer und die sich in Not be- allel dazu lief ein Info- Gottesdienst findenden Flüchtlingsfrauen. Wir (zu „Exodus 2“) mit Sonderkollekte. haben einen geeignete Räumlich- Nach einigen verworfenen Recher- keit und eine Truppe älterer Helfer. chen (Wir haben lernen müssen, Hinzu kam – ebenfalls auf Augen- was geht und was nicht geht!) sind höhe – ein freikirchliches Geschenk wir auf die Flüchtlingsinitative aus der Nachbarschaft, zwei Straßen „Herzliches gestoßen, weiter. Dort residiert eine seit Jahr- welche bereits seit 2013 Menschen zehnten mit uns herzlich verbun- unterstützt, die vor Gewalt, Terror dene Advent-Gemeinde, die unser und Willkür aus ihrer Heimat Projekt von Anfang an mit Woman- fliehen mussten und in der Cont- und Manpower unterstützt hat. ainer-Unterkunft Hamburg- Auch die beiden jungen Pastoren Lokstedt untergebracht wurden. sind von Anfang an dabei – an un- Dort laufen bereits Sport- und serer Seite. Lokstedt“ in garten gemeinsam nutzen und mit den Frauen nähen – zum Selbstbedarf und Behalt sowie zum möglichen Verkauf durch die Flüchtlingsfrauen. Des weiteren sind Stadterkundungsgänge, Museumsund Galeriebesuche geplant und verbindlich angemeldet. Somit wollen wir gemeinsam den Horizont der zu uns geflohenen Flüchtlingsfrauen UND unseren eigenen Horizont erweitern. Jesus, der Gott, an den wir glauben und dem wir vertrauen, war auch ein direkter Nachkomme der „Ausländerin“ Ruth, einer Flüchtlingsfrau. Im Namen unseres Gottes, der wiederum selbst ein Flüchtlingskind war – ohne Laufen zu können - Sprachangebote, „Women‘s Club“ und Fahrradwerkstatt. Sowie viele Ende Januar haben wir – alle sehr ehrenamtliche aufgeregt – losgelegt. Syrische und Unterstützungen mehr kochen, unseren Gemeinde- auf Augenhöhe. afghanische Speziell engagiert sich „Herzliches Kinder beleben uns und unser Café Lokstedt“ für besonders bedrohte QUO VADIS. Adrenalin pur! Flüchtlinsfrauen aus Syrien und Af- Gemeinsam (!) mit den Flüchtlings- ghanistan sowie deren Kinder. frauen richten wir hier ein gesundes Frauen und deren und ein politisch Verfolgter, ohne auch nur sprechen zu können – wollen wir uns diese Frauen aus Syrien und Afghanistan in unserem Café QUO VADIS und auch sonst anbefohlen sein lassen. Wir Christen sind weitgehend inteHEIMAT – CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGE 27 griert in die von uns mitgestaltete „Ich komme aus Damaskus, einer Damaskus studiert, auch wenn ich säkulare Kultur der westlichen Auf- einst traumhaft schönen Stadt. Ge- wusste, dass „frau“ bei uns in Syrien klärung und können für die ankom- nauer gesagt aus einem schönen bald nach dem Studium erst einmal menden Orientalen eine Brücke grünen Villenvorort. Ich bin die Äl- Kinder kriegt. Ich bin stolz, beides sein hinein in diese gemeinsame teste von fünf Geschwistern. Mein hingekriegt zu haben: Mutter sein Gesellschaft. Ebenso können wir für Vater war Journalist und hat als Kor- und einige Jahre in meinem stu- die eine respondent für verschiedene briti- dierten Beruf arbeiten zu können. Brücke sein hin zu den gläubigen sche Zeitungen gearbeitet. Die Bis zum letzten Tag meines Aufent- Muslimen, weil wir deren Anliegen Rollen waren bei uns zuhause klar, halts in Syrien! ein Stück weit dolmetschen können. aber jede/r durfte bei uns denken Mein Mann arbeitet als Arzt in und sagen, was er/sie wollte. Und einem Krankenhaus. Menschen bekommen ein mensch- wir alle waren und sind neugierig Seit 5-6 Jahren wurde die Intoleranz liches Gesicht, wenn sie ihre Ge- auf das Leben und seine Möglich- in Syrien immer größer. Übrigens schichte erzählen können und wenn keiten. auf allen Seiten. Syrien war seit Jahr- wir ihnen zuhören. Ich bin gerne zur Schule gegangen, hunderten ein Land der Sunniten Ihre für viele Frauen aus Syrien typi- Mathe war mein Lieblingsfach. Und und Schiiten, der maronitischen sche Geschichte erzählt an dieser Englisch. Und natürlich meine Christen und der Aleviten und Stelle Jasmin (Name geändert), 34 Freundinnen! vieler Jahre alt und Mutter dreier Kinder Ich habe Ingenieurswissenschaften ohne Religion. im Alter von 5, 8 und 11 Jahren: mit Schwerpunkt Architektur in Doch dann wurden die Drangsalie- 28 säkulare Gesellschaft HEIMAT – CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGE anderer Gruppen mit und rungen des Assad-Regimes immer bedrohlicher und noch mörderischer das Vorgehen der soge- nannten Gotteskrieger des IS. Ich kann es nicht ertragen, wenn Menschen mir drohen und immerzu fordern: Du musst so leben, so denken, so glauben, dich so verhalten, kleiden, deine Kinder so erziehen … Die Versorgungslage verschlechterte sich von Tag zu Tag. Keine Lebensmittel. Keine Medizin. Alle Wege waren dicht. Misstrauen und Gewaltbereitschaft blühten von Tag zu Tag mehr. Ein Cousin landete im Staatsgefängnis, wurde misshandelt und ermordet. Ein anderer Cousin wurde von der IS-Bombe getroffen. Flucht machen musste. Stunden in Richtung griechische Ich selbst hätte das weiter ausge- Ich hatte das verdammte Glück, Inseln. Wie Verbrecher kamen wir halten, denn ich liebe mein Land. über die Grenze in den Libanon aus- in ein Militärlager für 6 Tage ohne Aber nicht mit und für meine reisen zu können und von dort mit sanitäre oder ärztliche Versorgung, Kinder. dem Flugzeug nach Izmir in die zwischen Hunger, Gestank, Frieren Sie sollten in Sicherheit leben und eine humane Zukunft haben können. Deshalb habe ich mich auf Flucht Die die begeben. arabischen Länder hatten ihre Grenzen geschlossen oder es herrschten hältnisse Ver- »Ich selbst hätte das weiter ausge- halten, denn ich liebe mein Land. Aber nicht mit und für meine Kinder. Sie sollten in Sicherheit leben und eine humane Zukunft haben können. Deshalb habe ich mich auf die kaum anders als in Sy- Flucht begeben.« und Dreck. Wir wurden sehr grob behandelt, was sich in allen weiteren Fluchtländern außer in Österreich und Deutschland wieder- holte. Auf dem Boot rien. Die arabischen Staaten haben Türkei. Somit blieb meinen Kindern nach Athen wieder Meter hohe ihre Türen trotz derselben Sprache und mir die gefährliche Flucht über Wellen und das endlose Geschrei und Religion verschlossen und die kriegerische Grenze zwischen der Frauen und Kinder in unserer Deutschland hat seine Türen für die Syrien und der Türkei erspart. erbärmlichen Angst. Flüchtlinge geöffnet. Von dem, was dann kam, wurde Ohne Versorgung oder sanitäre Ein- Das für mich Schlimmste war, dass meinen Kindern und mir nichts er- richtung wurden wir in Athen in mein Mann weiter festgehalten spart. Bei hohem Wellengang ging Busse und Autos gepfercht, die uns wurde und ich mich mit meinen es in einem nahezu seeuntaugli- nach Makedonien brachten. Keine drei kleinen Kindern allein auf die chen Minute Ruhe, kein Schlaf, Kälte von kleinen Boot über viele HEIMAT – CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGE 29 Außen und Innen. meine Kinder bin nur ich allein da. In Makedonien pferchte man uns Freundschaften sind schwer mög- dann in schrottreife Züge, deren To- lich, denn in der Not gehören An- iletten abgeschlossen waren, Tag feindungen, und Nacht. Meine Kinder und ich und auch kleine Diebstähle zum lagen auf dem Gang und auf den Alltag in der Flüchtlingsunterkunft. Waggonübergängen. Tagelang in Ich möchte endlich wieder arbeiten Dreck Ohne können, möchte meinen Kindern Dasselbe etwas ermöglichen. Als Architektin. setzte sich in Serbien, Kroatien und Vielleicht als Mathematik-Lehrerin, Slowenien unverändert fort. 22 denn ich spreche sehr gut Englisch. Tage lang auf der Balkanroute mit Meine Angst in jeder Minute. Schulen. Nur für meine Kinder habe Von Österreich wurden wir dann ich meine Heimat verlassen. Meine schnell in sauberen Bussen nach Kinder sollen eine Zukunft haben, Deutschland gebracht. jenseits von Krieg und Gewalt. Hier lebe ich jetzt mit meinen drei Und ich möchte, dass mein Mann Kindern in der Erstaufnahme in endlich ausreisen und bei uns sein Hamburg-Lokstedt. Ich bin froh kann. und dankbar, hier in Deutschland zu Noch habe ich viel Kraft, denn ich sein. Vor allem, weil meine Kinder bin – wie viele andere geflohene Sy- in Sicherheit sind. rerinnen – eine starke Frau. Besser Aber das Leben in einer Unterkunft gesagt: weil ich es sein muss.“ und Gestank. Waschmöglichkeiten. Schuldzuweisungen Kinder brauchen ohne Intimsphäre, ohne abschießbare Schränke, ohne Ruhe. 24 Stunden lang, ohne Spielsachen für die Kinder und ohne das Wissen, was Morgen sein kann, ist hart. Für 30 HEIMAT – CAFÉ FÜR FLÜCHTLINGE Dr. Michael Ackermann gute Heimat ist für mich der Ort, an dem man sich Zuhause fühlt, wo man geboren wurde und aufgewachsen ist, wo die Verwandten, Großeltern, Eltern, Tanten, Cousins, Cousinen und Freunde wohnen, wo es Menschen gibt, die sich mit mir verbunden fühlen. Jeremie Teffo HIER STEHT DIE RUBRIK 31 TAUFE EIN HAUCH VON HEIMAT Die Taufe wird in den neutesta- zitiert wird, beschreibt: „Wenn je- eurer Sünden, und euer Leib war mentlichen Schriften an den ver- mand in Christus ist, ist er eine neue unbeschnitten; Gott aber hat euch schiedensten Stellen dokumentiert, Schöpfung: Das Alte ist vergangen; mit Christus zusammen lebendig beschrieben und erklärt. Von Jesus Neues ist geworden.“ (2. Kor. 5,17) gemacht und uns alle Sünden ver- wissen wir, dass er sich taufen ließ Die Taufe ist ein Ausdruck des geben. Er hat den Schuldschein, der (Mt. 4), in der Apostelgeschichte neuen Menschen. In der Taufe sind gegen uns sprach, durchgestrichen lesen wir, dass zur Taufe der Glaube wir noch einmal geboren. und seine Forderungen, die uns an- allein die Voraussetzung ist (Apg. 8). Der Apostel Paulus entfaltet in klagten, aufgehoben. Er hat ihn da- Die Taufe steht im NT im engen Zu- seinen Briefen sogar eine Tauftheo- durch getilgt, dass er ihn an das sammenhang mit der Bekehrung zu logie (Röm. 6 und Kol. 2). In Ko- Kreuz geheftet hat. Die Fürsten und Christus. Wenn Menschen in Kon- losser beschreibt Paulus die Taufe Gewalten hat er entwaffnet und öf- takt mit dem Schöpfergott kommen so: „Mit Christus wurdet ihr in der fentlich zur Schau gestellt; durch werden sie vollkommen anders. Der Taufe begraben, mit ihm auch aufer- Christus hat er über sie trium- Glaube an Gott heißt: Ich bin nicht weckt, durch den Glauben an die phiert.“ Opfer meiner Vergangenheit. Kraft Gottes, der ihn von den Toten Ein Bibelvers, der gerne bei Taufen auferweckt hat. Ihr ward tot infolge 32 HEIMAT – TAUFE, EIN HAUCH VON HEIMAT Die drei wichtigsten Aussagen zur grundsätzlich hat sich etwas verän- sie bekommen wir Rückendeckung Taufe in in diesem Text sind: dert. nach hinten. Ja, wir können über- Wer von der Auferweckung spricht, haupt keine tragfähige Zukunfts- 1. Taufe heißt: meint: Neues Leben aus neuem Ma- hoffnung haben, wenn wir die Last Geboren zum neuen Leben. Damit terial, aus dem neuen „Stoff“ des der Vergangenheit nicht los wären. ist die Totalerneuerung unseres Le- Unverweslichen, des nicht mehr der „Ihr ward tot infolge eurer Sünden“, bens gemeint. Ein Sterben und Auf- Sünde und dem Tod Unterwor- schreibt Paulus. Daher ist es für erstehen, das nur in der Verbesse- fenen. Noch überlagern sich diese viele Menschen eine ganz beglü- rung des Menschen bestünde, ist beiden Wirklichkeiten zwischen ckende nicht das hier Gemeinte. Es geht dem alten und dem neuen Men- merken, dass Gott Schuld vergibt. nicht nur um ein neues Denken, schen. Der Christ als der „in Unser Text gebraucht, um diesen Wollen und Tun, sondern um ein Christus“ lebende, mit der „Anzah- Sachverhalt zu schildern, ein Bild: neues Sein. Hier ist also nicht Recy- lung“ auf das zukünftige Leben ver- Die Taufe hat, so könnte man sagen, cling gemeint. Hier geht es nicht um sehene Mensch, als die „neue Kre- den alten Menschen getötet. Wir „Aus alt mach neu!“ Sondern: Aus atur“, wird feststellen: Der alte werden mit unserer Sünde nicht da- einem hoff- Mensch lebt gar nicht mehr, ich bin durch fertig, dass wir uns der Ver- nungslosen Menschen wird ein schon mit Christus auferstanden. antwortung zu entziehen versu- Mensch, der sich der Ewigkeit ge- Das nennt sich Heilsgewissheit! In chen. Es wiss ist. Aus einem Menschen, der Taufe manifestiert sich diese ungestörtes Verhältnis zu Gott und dessen Lebensperspektive nur bis Gewissheit. zu den Menschen geben, solange sündenbeladenen, zum Tode reicht, wird ein Mensch, Erfahrung, kann kein wenn Sie gesundes, alte Schuld unbereinigt ist. Was der über den Tod hinaus sieht und 2. Taufe heißt: einer dem anderen angetan hat, schon hier und jetzt den Charakter Von Schuld entlastet. Die Taufe gibt muss das Verhältnis beider bleibend der Unverweslichkeit bekommt. uns nicht nur eine Perspektive für belasten, es sein denn, die böse Ver- Rein äußerlich bleibt alles beim die Zukunft. Die Taufe gibt uns auch gangenheit wird ausgelöscht. Alten. Da bleibt trotz des Glaubens eine Gewissheit für unsere Vergan- „Er hat den Schuldschein…“. Der noch die ein oder andere Ecke des genheit. Und die sieht bei jedem von Text gebraucht das Bild von dem alten Menschen bestehen. Aber uns sehr unterschiedlich aus. Durch ausgelöschten Schuldbrief. Das Do- HEIMAT – TAUFE, EIN HAUCH VON HEIMAT 33 kument, mit allen Daten, dass uns menen größer denn je. Selbst Go- belastet, hat Gott selbst ans Kreuz ethe schrieb in „Götz von Berli- genagelt. Da ist die Schuld ge- chingen im 5. Akt: „Wir Menschen storben. Damit ist, was uns belastet führen uns nicht selbst; bösen Geis- aus der Welt. Wird in der Taufe das tern ist Macht über uns gelassen“. Sterben Jesu auf uns angewandt, so Wir sind aber zu Gott befreit! ist damit unsere Vergangenheit aus- Christi Kreuz und Auferstehung – gelöscht. in der Taufe uns zugewandt – hat die Herrschaft solch „himmlischer 3. Taufe heißt: Schicksals und Verderbensmächte“ Zu Gott befreit. Christus hat die gebrochen. Mächte unterworfen, und zwar Die Vergebung der Sünden gilt. Wir durch das Kreuz. Nichts kann uns haben den freien Zugang zu Gott. mehr von der Liebe Gottes trennen Die Auferstehung Jesu Christi, die (Röm. 8, 38). Bürgschaft für unsere eigene Auferstehung, ist Faktum, das niemand Können wir damit etwas anfangen? mehr ungeschehen machen kann. Das alte Weltbild ist nicht mehr das Wir haben keine bösen Mächte zu unsere! Wir werden die unsicht- fürchten, wir dürfen sie getrost ver- baren bösen Mächte nicht mehr achten. unter dem Himmel suchen. Die So gesehen hat Taufe etwas mit Frage ist, ob wir diese Mächte nicht Heimat zu tun. Taufe bedeutet ei- in unserer eigene Geschichte zu su- nerseits ankommen, im Glauben zu chen haben: als überindividuelle Hause sein, in die Gemeinschaft der Strömungen, Gemeinde Tendenzen, Ideen, völlig zu Trends, Zwänge, Suggestivkräfte. werden und andererseits bedeutet Aber das andere gilt es auch zu be- Taufe losgehen, anfangen, mit an- denken. Gerade in unserer Zeit ist deren gemeinsam Glauben leben. die Angst und die Sehnsucht vor und nach überirdischen Phäno- 34 integriert HEIMAT – TAUFE, EIN HAUCH VON HEIMAT Frank-Eric Müller Heimat ist da, wo ich zur Ruhe komme und mich geborgen fühle. Samuel Lehmpfuhl HIER STEHT DIE RUBRIK 35 DO IT YOURSELF AUS KONSERVENDOSEN SCHICKE AUFBEWAHRUNGEN BASTELN In dieser Kategorie des Oncken Magazins möchten wir und wirft die Dose gedankenlos weg. Euch zukünftig mit DIY Ideen inspirieren und be- Diese Ausnahme wiederholt und wiederholt sich und ginnen mit der Frage: schon enden viel zu viele von denen im Müll. Müll oder Dekoration für zu Hause? Dabei lassen sich mit Papier und Schere tolle Sachen aus Wer kennt das nicht - man geht einkaufen, greift aus- den Blechdosen machen, die zu Hause überall einen nahmsweise mal zu den Mandarinen in der Konserven- Platz finden und zusätzlich die Umwelt schonen! dose, zaubert zu Hause schnell eine Quarkspeise her 36 DO IT YOURSELF Was ihr benötigt: – Konservendose (beliebige Größe) – Prägepapier oder Tapete – Weißes Lackspray (z. B. Acrylic Spray Paint 150 ml, ca. 6,99 €) – Schere – Doppelseitiges Klebeband Zum „Verzieren“: – Juteband – Geschenkband – Farbige Holzschmetterlinge – Bedrucktes Papier Das Material habe ich bei „IDEE Creativmarkt“ besorgt, hier wird man immer fündig. Anleitung: 1. Die Etiketten auf den Dosen lösen sich wie von selbst, wenn ihr sie vorher im warmen Wasser mit ein wenig Spülmittel einweicht. Außerdem verlieren sie so auch den Geruch von dem Inhalt, den ihr zuvor noch genüsslich vernascht habt. Ist die Dose trocken, notiert Ihr euch die Maße, 2 schneidet das Prägepapier zurecht und befestigt es anschließend mit einem doppelseitigen Klebeband an dem Blech. 3. Sobald nichts mehr verrutscht, schnappt ihr euch das Lackspray, geht an die frische Luft und besprüht die Ränder sowie den Boden der Konservendose. Ca. 20 Minuten trocknen lassen und dann das ganze wiederholen, damit kein Silber mehr durchschimmert. 4. Jetzt liegt es ganz an euch die Dose zu gestalten. Ob mit Schleifen, Schmetterlingen (passend zur Jahreszeit) oder mit einem Juteband – lasst eurer Kreativität freien Lauf! 5 Und das Beste an dem ganzen? Sie sind vielseitig einsetzbar! Ob als Übertopf für Blumen, Aufbewahrungsplatz für Shampoo, Schmuck, etc., oder für Stifte & Co., sie sind in jedem Zimmer ein Hingucker! DO IT YOURSELF 37 Als ich gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, zum Thema „HEIMAT“ die Do-it-yourself Seite zu gestalten, war mein erster Gedanke „Yay, endlich wieder basteln“ und kurz darauf dachte ich „Was ist eigentlich Heimat? Hat es für jeden dieselbe Bedeutung? Ist es ein Synonym für „zu Hause?“ Beim Googeln bin ich dann über den Satz gestolpert „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“ Es muss also nicht zwangsläufig das vertraute Umfeld sein, in dem man aufgewachsen ist, Schönes und nicht so Schönes erlebt hat. Das Haus, in dem die Eltern heute noch leben. Man kann sagen, ich fühle mich in Hamburg am wohlsten, hier bin ich glücklich, hier fühle ich mich heimisch – trotz der vielen Regentage. Manch einer reist in ein Land, gelockt durch die Kultur und vielen warmen Sonnentagen und kehrt jedes Jahr zurück, weil man dort glücklich ist. Und irgendwann bleibt man dort – weil man die Heimat gefunden hat. Sehr passend finde ich hier folgendes Zitat: „Heimat kann man nicht vererben, sie ist in meinem Kopf. Und sie ist in meiner Seele.“ (Horst Bienek 1930 – 1990) Jennifer Shresta 38 DO IT YOURSELF DO IT YOURSELF 39 REZEPT Feijoada 40 HEIMAT – REZEPT AUS BRASILIEN FEIJOADA EIN BRASILIANISCHES NATIONALGERICHT In Brasilien ist „Feijoada“ das brasilianische Nationalgericht, ein deftiger Eintopf aus schwarzen Bohnen, Wurst und Schweinefleisch. Die verschiedenen Stücke kann man beim Metzger vorbestellen. In Brasilien wird dazu traditionell Reis und grünes Blattgemüse serviert. Bei Fragen stehe ich Euch gerne zur Verfügung. Liebe Grüße und „bom apetite!“. Eure Desirée Reif ZUBEREITUNG Zubereitungzeit: 25 Minuten Kochzeit: 2 Stunden 1. 6 l Wasser, Bohnen, Salz, Pfeffer und Lorbeerblätter in einen großen Topf geben, zum Kochen bringen, Hitze reduzieren und 50 Minuten köcheln. 2. Die Hälfte des Specks in grobe Stücke schneiden, die andere Hälfte klein würfeln und beiseite stellen. ZUTATEN Portionen: 10 – 8 l Wasser – 1 kg schwarze Bohnen, abgespült – Salz – Pfeffer – 4 Lorbeerblätter – 400 g Speck am Stück – 500 g luftgetrocknetes gesalzenes Rindfleisch, in Stücke geschnitten – 2 ungesalzene Schweinefüße – 250 g geräucherte Schweinerippchen – 2 ungesalzene Schweineschwänze – 100 g Schweinebauch, in Stücke geschnitten – 1 ungesalzenes Schweineohr – 1 geräucherte Wurst, in Stücke geschnitten – 500 g scharf gewürzte Wurst, in Stücke geschnitten – 2 EL Öl – 4 Knoblauchzehen, gehackt – 2 Zwiebeln, gehackt – 2 große Bund frische Petersilie, gehackt 3. In der Zwischenzeit 2 l Wasser in einem großen Topf bei hoher Hitze zum Kochen bringen. Getrocknetes Rindfleisch, Schweinefüße und Schweinerippchen hineingeben und 25 Minuten simmern. Schweineschwanz, die großen Speckstücke, Schweinebauch, Schweineohren und Wurst zugeben und weitere 25 Minuten simmern. 4. Fleisch herausnehmen, zu den Bohnen geben und weitere 45 Minuten simmern. 5. Öl in einer großen Pfanne erhitzen und Knoblauch darin 45 Sekunden anbraten. Zu den Bohnen geben. In derselben Pfanne die kleinen Speckwürfel 2 Minuten auslassen. Zwiebeln zugeben und hellbraun und weich anbraten. Petersilie zugeben und alles gut verrühren. Mischung ebenfalls zu den Bohnen geben, umrühren und weitere 25 Minuten köcheln, bis alles gut durch ist. 6. Fleisch herausnehmen und auf einer Servierplatte anrichten. Bohnen in eine Schüssel gießen und heiß mit Reis servieren. HEIMAT – REZEPT AUS BRASILIEN 41 MENSCHEN AUS DER GEMEINDE INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL Interview mit Auguste Gessel vom 22.03.2016 in ihrer RK: Die Böhmkenstraße wurde während des 2. Welt- Wohnung in Hamburg Wilhelmsburg. Das Interview krieges ausgebombt. führte Reinhold Krause. AG: Als die Böhmkenstraße ausgebombt wurde, war ich nicht hier, denn ich musste mein Pflichtjahr nach der RK: Schwester Gessel, Sie sind hier in Hamburg ge- Schule ableisten. boren? AG: Ich bin direkt hier auf der Veddel geboren. Wo ich RK: Darf ich einmal nachfragen: Was war das Pflicht- jetzt lebe ist Wilhelmsburg. Mein Vater war ein sehr fa- jahr? natischer Hamburger. Und Wilhelmsburg gehörte zu AG: Wir mussten ein Haushaltsjahr ableisten. Das war Preußen. Die Veddel gehörte aber zu Hamburg. Und Pflicht, wenn man aus der Schule kam. Dieses habe ich darum ist mein Vater nicht von der Veddel wegge- in Siloah, dem späteren Albertinen-Diakoniewerk, im gangen. Mutterhaus abgeleistet. Danach bin ich nach Hause zu Auf der Veddel haben meine Eltern und wir Kinder ge- meinen Eltern gekommen. Darauf bestimmte meine wohnt und wir Kinder sind in die Sonntagsschule nach Mutter, dass ich etwas arbeiten müsse. Und so bin ich in Rothenburgsort über die Elbbrücken zu Fuß gegangen. das Erholungsheim von Siloah nach Bad Pyrmont gekommen und habe dort ca. 2 ½ Jahre gearbeitet. Und RK: Wie hieß Ihr Vater? weil ich Heimweh hatte, musste ich unbedingt wieder AG: Carl Schütte. Carl mit C. nach Hamburg zurückkehren. RK: Gehört Ihr Vater zur Gemeinde Rothenburg? RK: Und wie war Ihr weiterer Lebensweg? AG: Nein, er gehörte zur Böhmkenstraße. AG: Dann folgte der Arbeitsdienst. Meine Freundin und ich wussten zuerst nicht, was wir als Beruf lernen RK: Gehörte die ganze Familie zur Böhmkenstraße? wollten. Zunächst dachten wir auch an eine Kranken- AG: Ja, meine Mutter auch. Beide Eltern gehörten zur schwesterausbildung. Aber zu Kriegszeiten konnte Böhmkenstraße. man auch nicht alles einfach lernen. So meinten die Krankenschwestern von Siloah, dass wir RK: Und Sie sind auch in der Böhmkenstraße getauft erst einmal zum Arbeitsdienst gehen sollten. worden? AG: Ich bin in der Böhmkenstraße im Jahr 1939, als ich RK: Und was haben Sie nach dem Arbeitsdienst ge- aus der Schule kam, von Pastor Stahl, zusammen mit macht? Harald und Liselotte Becker, getauft worden. Mit Ger- AG: Zu einer Krankenschwesternausbildung ist es bei hard Voss bin ich damals in die Jugend gegangen. mir nicht gekommen. Meine Freundin, die nicht zur Gemeinde gehörte, konnte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Meine Mutter hat mich dann in der Kinderpflegerinnenschule angemeldet. 42 INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL RK: Gehörte diese Kinderpflegerinnenschule zu Alber- AG: Dann musste ich ein Anerkennungsjahr machen. tinen? AG: Nein. Dies war eine Ausbildung zur Pflege der RK: Wo haben Sie dieses Anerkennungsjahr abge- kleinen Kinder, keine Erzieherinnenausbildung. Die leistet? Schule lag damals in der Feldbrunnenstraße. Die Aus- AG: In verschiedenen Familien. Aber die haben mich bildung dauerte, soweit ich mich erinnere, zwei Jahre. ausgenutzt. Und dadurch habe ich kein Anerkennungsjahr anerkannt bekommen. Ich musste die Kohle heran- RK: Wissen Sie noch, wann dies war? schleppen und den Hühnerstall ausmisten, wie auch AG: Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass vor den Rasen mähen. Danach hatte ich nichts mit den Kin- dem Prüfungstag in der Nacht davor die Schule ausge- dern in den Familien zu tun. Und das sollte mein Aner- bombt wurde. kennungsjahr sein! Da habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich auf keinen Fall in diese Familien RK: Glücklicherweise waren Sie zu diesem Zeitpunkt zurückkehren wolle. Ich musste sogar in einer Familie, nicht in der Schule! in der Nähe von Poppenbüttel, meine Brotmarken ab- AG: Ja, wir haben nicht in der Schule, sondern zu Hause geben. Aufgrund dieses unglücklichen Jahres bin ich gewohnt. Da unsere Lehrerinnen alle überlebt hatten, Kinderpflegerin ohne Anerkennungsjahr. In der Folge- wurde die Prüfung in die Erzieherinnenschule verlegt. zeit habe ich hier in Wilhelmsburg in der Krippe gearbeitet. Dort habe ich in einem Buch über mich lesen RK: Und nach der Ausbildung, was haben Sie dann müssen: Kinderpflegerin ohne Anerkennung! weiter erlebt? INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL 43 RK: Das ist wirklich eine große Ungerechtigkeit ge- Kind nach Hause genommen und eine Nähmaschine wesen … gekauft, um in Heimarbeit die Kleider zu nähen. End- AG: Ja, nur weil man mich so ausgenutzt hat. lich war mein Sohn Uwe wieder bei mir. RK: Seit 1939 gehörten Sie zur Gemeinde Böhm- RK: Das war für Sie und Ihr Kind sicher die beste Lö- kenstraße. Wo sind Sie nach dem Krieg zur Gemeinde sung. Und wie lange waren Sie dann noch in der Heim- gegangen? Da gab es die Böhmkenstraße nicht mehr. arbeit tätig? AG: Dann bin ich nur noch in die Gemeinde Grindel- AG: Bis meine Tochter Marlies kam. Den Termin erin- allee gegangen. Da ich kein Anerkennungsjahr aner- nere ich z. Zt. nicht mehr. Auf jeden Fall hatte ich meine kannt bekommen habe, musste ich in einer Fabrik mein Kinder bei mir. In dieser Zeit wohnten wir noch bei Geld verdienen. Dort habe ich meinen Mann kennenge- meinen Eltern in der Harburger Chaussee. Bald starb lernt. meine Mutter, darauf auch mein Vater. Dann starb auch Tante Hannchen. Schließlich war es dann meine Woh- RK: Darf ich fragen, was das für eine Fabrik war, in der nung mit drei Zimmern. Als die Kinder etwas größer Sie Ihren Mann getroffen haben? wurden, bin ich wieder zur Arbeit gegangen. AG: Das war eine Schiffsblockfabrik, hier in der Veddel. Aber dann habe ich die Wohnung doch getauscht, weil das Arbeitsamt auf meine Anfrage, ob sie mir eine neue RK: Was haben Sie da für eine Tätigkeit ausgeübt? Arbeit vermitteln könnten, zwar keine Arbeit für mich AG: Ich wurde an den Bohr- und Fräsmaschinen ange- hatten, stattdessen aber einen Hausmeister suchten. So lernt. Doch irgendwann mochte ich diese Tätigkeit teilte ich dem Arbeitsamt mit, das dies ja eine Tätigkeit nicht mehr ausüben und habe die Büros in der Fabrik für meinen Mann sein könnte. So haben wir die Drei- gereinigt. Und dort habe ich meinen Mann kennenge- zimmerwohnung meiner Eltern gegen eine Dreizim- lernt. Schließlich haben wir bei meinen Eltern zuhause merwohnung im Arbeitsamt getauscht, wo wir eine län- geheiratet, im Sinne einer Haustrauung. gere Zeit gewohnt haben. Wie lange wir dort gewohnt haben, kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich glaube, RK: Wurden Sie von Pastor Heeren getraut? als meine Tochter Marlies zur Schule kam, gingen meine AG: Ich glaube ja. Es muss im Jahr 1952 gewesen sein. Kinder und ich weg von meinem Mann, weil ich seine Gewalttätigkeit nicht mehr ertragen konnte. So stand RK: Gehörte Ihr Mann auch zur Gemeinde? ich mit meinen Kindern schließlich allein mit unseren AG: Nein, er gehörte nicht zur Gemeinde. In der Zeit, als Koffern auf der Straße. ich jung verheiratet war, bin ich kaum zur Gemeinde gegangen. Mein Mann stand sehr unter dem Einfluss RK: Wann war das zeitlich gesehen? seiner Mutter, was sich sehr negativ auf unsere Bezie- AG. Marlies war gerade zur Schule gekommen, als sie hung auswirkte. Wir haben uns später scheiden lassen. sieben Jahre alt war, so um 1974. Zuerst kam ich bei meinem Bruder Gerhard mit meinen Kindern unter. RK: Wie ging es dann weiter? AG: Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation RK: War dies Gerhard Schütte? musste ich vorübergehend mein Kind zur Schwägerin AG: Ja , Gerhard Schütte, mein jüngster Bruder. nach Alsterdorf geben, um in der Kleiderfabrik, in der Caffermacherreihe, am Band Kleider zu nähen. Abends RK: Wie sind denn Günter Schütte mit Ihnen ver- bin ich nach Hause gekommen und habe geweint, weil wandt? mein Baby nicht da war. Ich habe fast jeden Abend ge- AG: Der Vater von Günter Schütte, Willi Schütte, ist weint, wenn ich abends allein war. Schließlich hat mein mein Cousin. Dessen Vater war meines Vaters Vater, der Mann dann eine Taxe bestellt, um unser Kind aus Als- in Sasel wohnte. Warum mein Vater ausgerechnet auf terdorf wieder abzuholen, nachdem wir schon ein paar der Veddel wohnte, während die übrige Verwandtschaft Wochen voneinander getrennt waren. Wir haben unser in Sasel wohnte, kann ich nicht beantworten. 44 INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL RK: Wie ging es dann weiter? RK: Inge Schütte war eine sehr liebe und freundliche AG: Nachdem ich bei meinem Bruder ausgezogen war, Frau, die ich in ganz besonderer Erinnerung habe. suchte ich eine Arbeit über die Zeitung und fand eine AG: Und schließlich kam Marlies aus der Schule, die Anzeige, in der ein Witwer mit einer Dreizimmerwoh- auch etwas lernen sollte. Sie habe ich zur Handelsschule nung eine Haushälterin suchte. Dort haben wir nur für geschickt, die sie nach drei Jahren erfolgreich abge- ein Jahr gewohnt, weil dieser Mann sich meinen Kin- schlossen hat. Anschließend ist sie beruflich bei der Go- dern gegenüber schlecht verhielt. Daraufhin bin ich zu thaer Versicherung tätig gewesen. dem früheren Wohnungsverwalter meiner Eltern in der Harburger Chaussee 33 gegangen und habe ihm meine RK: Sie sind immer Mitglied in unserer Gemeinde ge- Geschichte erzählt. Dieser hatte zuerst eine Zweizim- wesen, zuerst in der Böhmkenstraße und anschließend merwohnung im vierten und dann eine Dreizimmer- in der Grindelallee. Bis vor kurzem sind Sie noch zur Bi- wohnung in der zweiten Etage für mich und meine belstunde gekommen, was aus gesundheitlichen Kinder. Für eine längere Zeit haben wir dort gelebt, wo Gründen jetzt nicht mehr möglich ist. ich schon früher zuvor mit meinen Eltern gewohnt AG: Ich kann selbst hier in der Wohnung mich nur noch habe. In dieser Zeit ging mein Sohn Uwe in die Real- mit dem Gehwagen bewegen. Dreimal bin ich schon ge- schule und wollte auch noch Geld mit Zeitungsaus- fallen und mein Nachbar von gegenüber musste mir tragen verdienen. Da habe ich zu ihm gesagt, dass ich das aufhelfen. Nun ist er selber so krank und kann mir nicht Geld verdienen müsse und er doch lieber seine Schular- helfen. Jetzt habe ich einen Alarmknopf an meinem beiten machen sollte. Und ich erinnere mich noch mit Handgelenk. Zuletzt bin noch einmal in meiner großer Freude daran, dass ich von der Schulbehörde Schlafstube gefallen und musste feststellen, dass ich einen Brief bekommen habe, indem bestätigt wurde, mich selbst nicht hochziehen kann. Zum Glück lag mein dass Uwe die Aufnahmeprüfung für die Realschule be- Telefon auf dem Tisch und so habe ich meinen Sohn standen hat. Uwe angerufen, der schnell mit dem Auto aus Kirchdorf gekommen ist und mir aufgeholfen hat. RK: Was hat ihr Sohn gelernt? AG: Industriekaufmann bei der Firma Merkel in Wil- RK: Ja, bitte unbedingt den Gehwagen benutzen, damit helmsburg. Nachdem er ausgelernt hatte, kam er in die Sie nicht wieder fallen! Darf ich zum Schluss noch eine englische Filiale von Merkel nach Halite. Dort war er bis Frage stellen? Was bedeutet für Sie Heimat? Sie zum Jahr 2015 Geschäftsführer. Da hat er großes Glück wohnten in Ihrem Leben überwiegend in Hamburg. gehabt. AG: Ja, die Veddel ist meine Heimat und wir sind sonntags in die Sonntagsschule nach Rothenburgsort über RK: Und wie sind Sie dann wieder zur Gemeinde Grin- die Elbbrücken gegangen. Geleitet hat die Sonntags- delallee gekommen? schule Onkel Matthies. Auch den Gottesdienst hat er AG: Seit der Zeit, als ich wieder in der Harburger dort in den gleichen Räumen abgehalten. Meine älteste Chaussee gewohnt habe. Aber auch in der Zeit, als mein Schwester ist dort auch getauft worden. Meine Ge- Sohn noch klein war, bin ich mit ihm in die Grindelallee meinde ist die Grindelallee. gekommen. Später habe ich in der Altentagesstätte immer den Kaffee gekocht, zusammen mit ihrer Mutter, RK: Liebe Schwester Gessel, danke für das Interview. Hanna Krause. Mit ihr und mit Inge Schütte habe ich immer zusammen gesessen. Inge Schütte hat mich nach ( Schwester Gessel ist heute 91 Jahre alt und lebt in einer dem Gottesdienst immer wieder zum Essen eingeladen, kleinen, behindertengerechten Wohnung in Wilhelms- aber ich bin nie zu Inge hinauf in ihre Wohnung zum burg) Essen gegangen, was mir nachträglich ganz furchtbar leid tut. Inge hat mich immer so freundlich eingeladen. Reinhold Krause INTERVIEW MIT AUGUSTE GESSEL 45 EINFÜHRUNGSGOTTESDIENST MIRJAM FUCHS AM 19. JUNI Am So., den 19. Juni 2016 ist der Einführungsgottesdienst von Mirjam Fuchs. Obwohl es der dritte Sonntag im Monat ist – und damit eigentlich ein 11.00 Uhr-Gottesdienst – wollen wir an diesem Tag den Gottesdienst um 10.00 Uhr starten! Grund dafür ist das geplante Programm. Als Gemeinde freuen wir uns, dass es nun endlich soweit ist. Mirjam kommt zu uns und beginnt ihren Dienst in unserer Gemeinde. Die Einführungspredigt wird Pastorin Andrea Kallweit-Bensel, Dozentin für Psychologie und Seelsorge an der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest halten. Im Gottesdienst haben alle Gemeindegruppen die Möglichkeit, sich mit einem Beitrag Mirjam vorzustellen. Im Anschluss an den Gottesdienst werden wir miteinander essen und feiern. Herzliche Einladung! TAUFE AM 3. JULI Herzliche Einladung zum Taufgottesdienst am So., den 03.Juli 2016. Taufgottesdienste sind ein besonderes Erlebnis – für die Täuflinge, aber auch für und als Gemeinde. Dem Taufgottesdienst vorweg gehen drei Informationsabende zum Thema. Im Mai und Juni werden diese Abende im QUO VADIS unter der Leitung von Pastor Frank-Eric Müller durchgeführt. Wer zum Thema Taufe Fragen hat, sich mit der eigenen Taufe beschäftigt oder einfach nur mal ins Thema reinschnuppern will, der ist dazu herzlich willkommen. Wenn Dich der Gedanke an eine Taufe in unserer Gemeinde beschäftigt, dann suche doch bitte das Gespräch mit Pastor Müller. 46 VORSCHAU SOMMERFEST 10. JULI 10 UHR Sommerfest. Wie im vergangenen Jahr werden wir auch in 2016 ein Sommerfest feiern. Am Sonntag, den 10. Juli starten wir um 10 Uhr mit einem Familiengottesdienst. Zurzeit arbeiten wir an dem Thema. Zusammen mit der Koreanischen Gemeinde wollen wir diesen Tag verbringen. Eingeladen sind aber auch alle Eltern und Kinder von Drin & Draußen. Dieser Tag ist gleichzeitig der Abschluss von Drin&Draußen vor der Sommer- pause. Eingeladen ist natürlich auch die SMD-Gruppe, die sich regelmäßig in unseren Räumen trifft. Nach dem Gottesdienst stehen wieder Aktionen, Spiele, gemeinsames Mittagessen und Überraschungen auf dem Programm. Alle diese drei besonderen Veranstaltungen sind sehr gute Gelegenheiten, Nachbarn, Freunde und Bekannte einzuladen und mitzubringen. Ergreife die Gelegenheit beim Schopf und lade jetzt schon dafür ein. VORSCHAU 47 Heimat ist der Ort, wo ich ich sein kann. Merle Lungfiel 48 IMPRESSUM Schwedenfreizeit Sommer 2016 – 21.-29.08. Du hast Lust, Dich im Sommer zu entspannen, willst aber nicht zuhause abhängen, denn dort kennst du eh schon alles? Dann stell Dir mal Folgendes vor: Strahlend blauer Himmel, saftig grüne Wiesen und Du mittendrin! Ein typisch niedliches Holzhaus in Schweden, direkt am See mitten im Småland, dem Pipi-Langstrumpf-Land. Da wollen wir hin, und du kommst mit! TERMIN: 21.–29. AUGUST 2016 KOSTEN: ~ 200 € ANREISE: LOS GEHT ES GEMEINSAM IN DER GRINDELALLEE Du bist Dir unsicher, weil Du keine Leute kennst? Kein Problem, hinterher kennst Du sie ;-). Die Freizeit ist dafür da, dass wir unsere neue Mitarbeiterin für die junge Gemeinde, Mirjam Fuchs, kennenlernen und uns auch gegenseitig. Das heißt, die Gruppe ist komplett neu gemischt und es gibt keine alten Hasen, die aufeinander hocken und vor denen man sich scheuen müsste. Das heißt, es gibt keinen Grund für Dich, nicht mitzukommen :-). Falls Du Fragen zur Freizeit hast, kannst du Dich gern bei Franzi oder Frank-Eric melden: [email protected] oder [email protected] Bitte melde Dich bis spätestens 15.07.2016 bei Franzi oder Frank-Eric an. Wir freuen uns auf Dich! 49 AUSBLICK DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM SEPTEMBER MIT DEM THEMA BEZIEHUNGEN Das nächste ONCKEN MAGAZIN steht unter dem Butter und Brot - eine wunderbar ephemere Beziehung. Thema Beziehungen. Du bist eingeladen, Artikel, Texte, Walter Fürst, Schweizer Aphoristiker Gedanken, Fotos o.ä. dazu beizutragen. Damit Deine Phantasie dazu beflügelt wird, haben wir Leben ist die dauernde Anpassung innerer Beziehung hier einige Zitate mehr oder weniger bekannter Persön- an äußere. lichkeiten aufgelistet. Vielleicht helfen sie Dir bei der Herbert Spencer, englischer Philosoph und Soziologe Ideenfindung. Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der Religion ist persönliche Beziehung zu Gott. Sie ist un- 31.07.2016 bedingte Gegenwart. Paul Anton de Lagarde, deutscher Orientalist und Kulturphilosoph Eine Beziehung wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Nicht die sexuelle Beziehung ist Grundlage für die Kenneth Branagh, brit. Schauspieler Liebe, sondern die Liebe ist Grundlage für die sexuelle Beziehung. In einer Beziehung kommt es nicht nur darauf an, auf Phil Bormanns, belgischer Ordenspriester und Schriftsteller das gleiche Ziel zuzugehen, sondern auch auf die aufeinander abgestimmte Geschwindigkeit. Rum und Ruhm - auch eine Kain & Abel-Beziehung. Maximilian Hofbauer Martin Gerhard Reisenberg, Diplom-Bibliothekar und Autor In einer Beziehung ist es hilfreich, eine Beziehung zur Eine Beziehung ist ein Geben und Nehmen, nicht ein Beziehung zu haben. Geben und Hinnehmen. Andrea Mira Meneghin, Hausfrau aus Basel Heiko Noack, Dichter Eine Beziehung, die kriselt, ist ein Wackelkontakt. In den fetten Jahren ist unsere Beziehung zu Gott eine Klaus Klares, deutscher Verleger sehr flüchtige. Pavel Kosorin, tschechischer Schriftsteller und Aphoristiker 50 AUSBLICK 27. – 31. Juli 2016 Otterndorf HEIMATGEBER www.buju.de Sommer · Sonne · Sand · Mehr Meine HEIMATGEBER Auf www.buju.de/heimatcode den www.buju.de eigenen Heimatcode erstellen! BUJU 2016 27. - 31.7. 2016 Otterndor f Twelve24 warumLila verylives Bundesjugendtreffen des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. Veranstalter: Gemeindejugendwerk · 14641 Wustermark www.gjw.de · www.buju.de HIER STEHT DIE RUBRIK 51 52 HIER STEHT DIE RUBRIK
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