L Ä ND L IC HE R G ARTE N Ein Garten wie eine zart klingende MELODIE 20 BIOTERRA 3 / 2016 FOTOS: BENEDIKT DITTLI LÄ NDLIC HER GA R TE N Das Lenzburg-Beet: Mit Blüten von Salvia nemorosa ‘Caradonna’, Kalimeris und Päonien (im Vordergrund). Tiermediziner sind sie beide. Doch während Sabina Meyers Liebe vor allem den Blumen gilt, spürt Adrian Meyer in ihrem Garten im aargauischen Hägglingen den Tieren nach. Neue Impulse für die Entwicklung der Pflanzenbilder gab die Begegnung mit der Gartengestalterin Anne Forster. Vo n Ca r m en Ho c ker Auf dem Tisch liegt ein Buch, aus dem Notizzettel quellen: «Gärtnern mit alten Rosen» des britischen Rosenzüchters John Scarman. Die Lektüre dieses Buches weckte bei Sabina Meyer das Interesse an historischen Duftrosen. Und nachdem sie den Wochenendkurs «English gardening» im südbadischen Landhaus Ettenbühl besucht hatte, wollte sie in ihrem Garten vor allem eins haben: Rosen. Keine staksigen Edelrosen in Monokultur, sondern buschig wachsende, einmal blühende Rosen, inmitten mehrjähriger Stauden: «Ich mag wilde Gärten, keine gepützelten.» Adrian Meyers Augenmerk gilt der Blumenwiese, die sich über weite Teile des 2000 m2 grossen Gartens erstreckt. Er interessiert sich weniger für Rosen als für alles, was kreucht und fleucht. Wenn Sabina ihren Mann sucht, schaut sie zuerst nach, ob er mit seiner Kamera in der Blumenwiese robbt. In BIOTERRA 3 / 2016 21 Eine schöne Kombination: Prärielilien und Wiesen-Salbei in der Frühlingswiese. Gewöhnliche Prärielilie Camassia cusickii. Der Milchstern Ornithogalum umbellatum kommt wild in der Wiese vor. 2 22 BIOTERRA 3 / 2016 FOTOS: BENEDIKT DITTLI LÄ NDLIC HEILKRÄ HER GA UTE R TE N R «Wir mögen wilde Gärten»: Adrian und Sabina Meyer. Prärielilien und Narzissen blühen im Frühling in der grossen Blumenwiese zusammen mit Wiesen-Salbei und anderen Wildblumen. dreizehn Jahren hat er über 500 einheimische Wildtiere im Garten fotografiert: von Schmetterlingen über Wildbienen bis zu Reptilien und Vögeln. «Sie ist die Pflanzenfrau, ich bin der Tiermann», sagt er und zählt sogleich auf, welche Tierarten er bereits dokumentiert hat. Unter anderem die seltene Weisse Turmschnecke Zebrina detrita, auch Märzenschnecke genannt. Sie kommt im Schweizer Mittelland nur an wenigen, trockenen Standorten vor. Auf der Rückseite des Hauses, an einer sandigen Böschung, summen in der Frühlingswiese Hunderte Wildbienen wie die Graue Sandbiene Andrena cineraria und die Gemeine Pelzbiene Anthophora plumipes. Bodennistende Wildbienen brauchen eine dicke Sandschicht, in die sie ihre Nisthöhlen bauen können. Je höher die Schicht ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, unterschiedliche Arten anzuziehen. Manche Wildbienen bohren ihre Höhlen bis zu 40 cm tief in den Boden. MAGERE WIESE MIT REICHER FLORA Schon immer war es Sabina Meyers Traum gewesen, ein Haus mit grossem Umschwung zu haben. Auf einem Spaziergang mit ihrem Hund entdeckten sie das Wiesenstück am Rande des Dorfes. Wie einzigartig der Standort in Bezug auf Flora und Fauna ist, kristallisierte sich nach und nach heraus. Als sie die Wiese, auf der früher Schafe weideten, im ersten Frühjahr einfach wachsen liessen, wurden sie mit einer Vielfalt an einheimischen Wiesenblumen belohnt: Inmitten der Gräser zeigten sich die Blüten von Milchstern Ornithogalum umbellatum, Wiesenschaumkraut Cardamine pratensis, Feld-Witwenblume Knautia arvensis, Wiesen-Margerite Leucanthemum vulgare, Wiesen-Flockenblume Centaurea jacea, Tauben-Skabiose Scabiosa columbaria, Wiesen-Sal- Duftende Narzissen Narcissus poeticus var. recurvus. BIOTERRA 3 / 2016 23 L Ä ND L IC HE R G ARTE N Die Gärtnerin und die Gestalterin. Schattierungen von Weiss über Rosa bis hin zu Blau mögen beide Gartenfrauen gern. bei Salvia pratense und Natternkopf Echium vulgare. Ein Bild von einer romantischen Blumenwiese, wie es sich viele Gartenfreunde wünschen. Doch so gute Voraussetzungen wie auf dem sandigen Grundstück von Familie Meyer gibt es selten. Meist ist der Boden zu nährstoffreich, sodass gepflanzte Wildblumen wie Wiesen-Salbei wieder verschwinden oder im Falle einer Aussaat erst gar nicht keimen. IDEEN IM EINKLANG Drei Jahre liegt die erste Begegnung zwischen Sabina Meyer und Anne Forster zurück. Das «Bioterra»-Porträt «Mit Chopin im Garten» über den Privatgarten der Gestalterin hatte damals Sabinas Aufmerksamkeit auf sich gezogen. «Was für ein schöner Garten – und was für eine interessante Frau», dachte sich die Musikliebhaberin und meldete sich sogleich Leichtes Schweben – verblühte Allium-Kugeln. 24 BIOTERRA 3 / 2016 für den Kurs «Ein blaues Wunder» an. Kurz darauf lud sie Anne Forster in ihren Garten ein. Denn der Kurs hatte in ihr den Wunsch geweckt, die Beete lockerer und luftiger zu gestalten. In einem ersten Rosenrausch hatte sie die Pflanzen etwas zu dicht gesetzt, es fehlte an Abwechslung und Struktur. Anne Forster erinnert sich, dass sie bei ihrem ersten Besuch von der Lage und Topografie des Gartens beeindruckt war. Auf der einen Seite die Weitsicht mit Blick auf Lenzburg, Felder und Berge und innerhalb des Gartens ein Terrain, auf dem sich Ebenen mit leichten Hängen abwechseln. Kaum ein Gestalter könnte die Landschaft so sanft und harmonisch modellieren wie die Natur selbst. Von Anfang an verstanden sich die beiden Frauen gut, ihre Vorstellungen von Gestaltung, Farben und Formen harmonierten. Als Sabina ihr sagte, dass sie Rot und Gelb nicht mag, antwortete Anne nur: «Das musst Du mir nicht zweimal sagen. Meine Lieblingsfarbe ist Blau». PFLANZENBILDER VERFEINERN Noch im selben Jahr nahmen die beiden erste Projekte in Angriff. Da war zunächst das «Lenzburg-Beet» entlang der Böschung am Feldweg, in dem Sträucher und Rosen zu üppig geworden waren und die Stauden aufgrund der vielen Wurzelunkräuter kümmerten. Nachdem alle Pflanzen ausgegraben worden waren, suchte man eine Lösung für ein ebenes Beet. Mit Felsbrocken, die bei einer Bachumgestaltung in der Nachbargemeinde angefallen waren, wurde eine Stützmauer gebaut. So konnte die Erde tiefgründig ausgetauscht werden. Normalerweise ist es Anne Forster ein Anliegen, mit den Standortgegebenheiten zu arbeiten. «Manchmal ist es aber ratsam, in eine Bodenerneuerung zu investieren, um langfristig Ruhe und Freude zu haben», erklärt die Gartengestalterin diese Massnahme. Zumal wenn der Garten biologisch, ohne Einsatz jeglicher Spritzmittel gepflegt werden soll. Bestehende Sträucher wie Flieder und Magnolie wurden in FOTOS: BENEDIKT DITTLI Ein Platz zum Geniessen und Sein: In Gesellschaft mit Rosen, Storchschabel und Wiesenblumen. BIOTERRA 3 / 2016 25 AUS ADRIAN MEYERS FOTOARBEIT: Senf-Weissling Leptidea sinapis. Graue Sandbiene Andrena cineraria. Hauhechel-Bläuling Polyommatus icarus. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat Adrian Meyer 33 Tagfalter und 235 Nachtfalter im eigenen Garten entdeckt. die Pflanzung integriert, vorhandene Stauden neu gruppiert und ergänzt. Rückblickend bezeichnet sich Sabina als Pflanzensammlerin, die vor allem in kleinen Spezialitätengärtnereien den vielen Versuchungen nur schwer widerstehen konnte. Warum sich auf eine Iris-Sorte beschränken, wenn es doch so viele Schönheiten gibt? Doch im Gegensatz zu einem botanischen Garten, bei dem im Vordergrund steht, die pflanzliche Vielfalt anschaulich zu dokumentieren, lebt die Ästhetik eines Privatgartens von Struktur, von einer Melodie, die durch ihren Rhythmus akzentuiert wird. Sabina liebt nicht nur zarte Töne, sondern auch filigrane Blüten und Blätter. Anne Forster griff diesen Wunsch auf, setzte aber bewusst Kontrapunkte mit markanten Stauden wie der Iris germanica ‘Hello Darkness’, deren violettschwarze Blüten wie grosse Tupfer durchs Beet tanzen. Nach der Blüte sorgt das lanzettenförmige Laub noch monatelang für Struktur im Beet. Auch die kugelförmigen Laubbüsche der Pfingstrosen und der aufstrebende Habitus von Eisenhut Aconitum carmichaelii ‘Arendsii’ und Ziersalbei Salvia nemorosa ‘Caradonna’ setzen Akzente. Ganz in der Tradition des britischen Mixed Border liegen dazwischen verbindende Inseln niedrig wach- Rasenweg durchs wild-romantische Blühen. 26 BIOTERRA 3 / 2016 sender Duftstauden wie Phlox divaricata ‘Clouds of Perfume’. Am Rande der Blumenwiese, unter den Gehölzen, breiten sich teppichartige Pflanzungen der niedrigen Zwiebelblüher Krokus Crocus etruscus ‘Zwanenburg’, Blausternchen Scilla siberica ‘Alba’, Frühlingsstern Ipheion und Hasenglöckchen Hyacinthoides non-scripta aus. Eine Neuentdeckung für Sabina waren Stauden-Clematis, die Anne Forster schon im Chopin-Garten zahlreich pflanzte: «Diese Clematis-Art könnte auch mein Herz erobern», sagt sie. Die sommerliche Blüte der Sorte ‘Star River’ löst jene der einmal blühenden, historischen Rosen ab und ihr üppiges, gesundes Laub strukturiert das Beet. «NATURALISED», WÜRDEN DIE ENGLÄNDER SAGEN Adrian Meyers Steckenpferd ist die Beobachtung und systematische Erfassung von Schmetterlingen. Innerhalb der letzten sieben Jahre hat er 33 Tagfalter und 235 Nachtfalter im eigenen Garten entdeckt. Kein Wunder, dass ihm die Blumenwiese besonders am Herzen liegt. Schon manchen Schmetterling hat er auf den Blumen und Blättern fotografiert. Im Garten soll eine reiche Flora blühen, die vielen Insekten und anderen Tieren Lebensraum und Nahrung bietet. Zusammen mit Anne Forster tüftelte Sabina daran, wie man den Frühlingsaspekt der Blumenwiese verschönern könnte. Dichternarzissen wurden ergänzt und hellblau blühende Prärielilien neu gesetzt. Anne Forsters Gestaltungsphilosophie ist, sich auf wenige Arten und Sorten zu konzentrieren und davon grössere Mengen zu pflanzen, gerade auf grösseren Flächen. Durch die Wiederholung erhält die Pflanzung einen ungekünstelten Charakter, der an natürlich vorkommende Blütenfelder erinnert. In einer ersten Gemeinschaftsaktion wurden 500 Prärielilienzwiebeln gesetzt. Da das Resultat so umwerfend war, wollte Sabina Meyer die Idee fortführen und noch ein weiteres Stück der Blumenwiese mit Prärielilien durchwirken. Im vergangenen Herbst lieferte ein Camion nochmals 1000 Stück, die bei milden Temperaturen leichter in die Erde gebracht werden konnten als bei der ersten Pflanzung. Nun sind alle gespannt, wie die Blumenwiese und der Garten sich weiterentwickeln werden. «Ein Garten ist kein Bild, das immer so bleibt», weiss Anne Forster. Weil die Natur dynamisch ist, aber auch, weil Sabina noch so viele Gedanken im Kopf herumschwirren. LÄ NDLIC HER GA R TE N ANNE FORSTER Über die Blumenwiese Es war Sabinas Idee, die Blumenwiese mit mehreren Rasenwegen zu durchziehen. Als gestalterisches Element, aber auch aus praktischen Gründen, um verschiedene Orte im Garten miteinander zu verbinden. Obwohl das Mähen Adrians Sache ist, lässt es sich Sabina nicht nehmen, diese Wege im Frühling jedes Jahr neu zu definieren. Schwungvoll zieht sie die Bahnen, die anschliessend zwei- bis dreimal im Sommer gemäht werden. In diesen Bereichen haben wir bewusst keine Blumenzwiebeln gesetzt. Adrian beginnt mit der Mahd der Blumenwiese Ende Juni, da bis dahin alle Blumen Zeit hatten, sich zu versamen. Und er mäht blockweise, damit die Tiere weiterwandern können. Für den Frühlingsaspekt habe ich zwei Zwiebelblüher ausgewählt: die einheimische Dichternarzisse Narcissus poeticus var. recurvus, die in kleinen Gruppen bereits vorhanden war, und die Prärielilie Camassia cusickii. Ihre hellblauen Blüten heben sich besonders schön von den gleichzeitig blühenden, dunkelblauen Ähren des Wiesen-Salbeis ab. Über die Pflanzung Die Zwiebeln der Prärielilie sind mit etwa 17 cm sehr gross. Ihre Pflanzung kommt deshalb einem Kraftakt gleich, zumal wenn man 500 oder wie im letzten Herbst gar 1000 Stück setzt. Wir haben mit dem Spaten quadratische Rasenstücke an drei Seiten ausgestochen und aufgeklappt. Anschliessend muss Erde entfernt werden, da man später sonst eine Hügelwiese hätte. Zu den Zwiebeln gibt man etwas Kompost, klappt das Rasenstück wieder zu und drückt es leicht an. Auf eine – meist empfohlene – Nachdüngung haben wir verzichtet, da die Wiese mager bleiben soll, um deren natürliche Vielfalt zu erhalten. Beide Zwiebelblüher werden von Bienen als Pollenspender angeflogen. Zu Pfauenauge-Narzisse Narcissus poeticus var. recurvus Eine Varietät der Weissen Narzisse, ursprünglich südwesteuropäisch, blüht zerstreut in Schweizer Wiesen. Sie bildet den Schluss des NarzissenReigens und blüht bis weit in den Mai hinein. Die leicht zurückgebogenen, FOTOS: BENEDIKT DITTLI, GARTENPLAN: ANNE FORSTER weissen Blütenblätter stehen um eine grünlich-gelbe Trompete mit leuchtend rotem Rand. Die duftende Dichternarzisse braucht etwas Zeit, um sich zu etablieren. Höhe: 30 cm. Zu Prärielilie Camassia cusickii Die Gewöhnliche Prärielilie ist eine hellblaue Camassia-Art. Ein Zwiebelgewächs, das sich besonders zur Ansiedlung und Verwilderung in Blumenwiesen eignet. Prärielilien bilden üppiges Laub, das Zeit zum Einziehen benötigt. Während diese Phase in einem Staudenbeet unschön anzusehen wäre, fällt sie in einer Blumenwiese kaum auf. Höhe: 60 cm, auch als Schnittblume geeignet. BIOTERRA 3 / 2016 27
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