Essay Der Kommentar Oder haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass das lebenslange Bemühen um Verständigung gescheitert ist? Haben wir versagt, wenn wir heute über Parallelgesellschaften sprechen? Findet man in einer devoten Verhaltensänderung den Weg, den Glauben an das Gute? Das glaube ich ganz und gar nicht! Man fühlt sich in eine Verantwortung gerufen und weiß nicht, aus welcher Kraftquelle man sich ihr stellen kann. So unterschiedlich die Motivation, Hintergründe, Wünsche und Hoffnungen zu der „Wandlung“ auch sein mögen, in Wirklichkeit geht es immer darum, dass wir offenbar nicht nur einen Wunsch verspüren, sondern einen Auftrag fühlen, unsere Wesenswirklichkeit zu erfahren und aus solchem Erfahren heraus handeln wollen. Und diese Aufgaben sind irdisch! Ich glaube, dass alle Menschen auf der Welt dieses ernsthafte Anliegen haben. Aber wie kommen wir auf den richtigen Weg? Der Weg zum inneren und damit auch zum äußeren Frieden? Wie kann man zu etwas Höherem gelangen, als dass man sich allen Opfern, die das Leben auferlegt, willig hingebe, damit der Wille zum Ideal sich in das Leben selbst verwandle – und wie kann man selbst werden als durch das Leben? Den Mut zum ewigen Kampf um das Ideal des Gedankens hätte wohl der Mensch, aber er vergisst`s und verschläft`s. Bettina Brentano Eine Frage des Glücks Das sitzt! Sind wir zu faul, zu bequem für neue Gedanken? Machen wir es uns leicht mit dem religiösen Weg, einem Weg der bedingungslosen Glauben verlangt. Den habe ich nicht. Ich bin als „Protestant“ getauft und das bleibt in mir. Ich bin nicht ausgestattet, die Geheimnisse des Glaubens zu ergründen oder vorbehaltlos anzuerkennen. Kritische Nachfragen sind notwendig und zulässig. Hans Blumenberg schreibt dazu in seinem Buch „Die Lesbarkeit der Welt der Religionen“. Diese Adam und Eva Geschichte vom Paradies haben ja Männer erzählt. Und die vom Paradies und den vielen Jungfrauen auch. Aber wahr ist auch, dass ein guter Glaube Menschen nachhaltiger kooperieren lässt. Freunde sagen mir, ich solle nicht alles so nah an mich heranlassen. Wie soll das denn gehen? Gibt es einfache Lösungen? Ich kenne keine. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung. Angesichts der furchtbaren Kriege, Flucht und Vertreibung in dieser Welt und der zerstörerischen Gewalt gegen Menschen, deren Ursache oft im unterschiedlichen Glauben begründet ist, zweifle ich an der versöhnenden Kraft der Religionen. Wer hat denn die Deutungshoheit in der religiösen Tauschbörse der Macht? Wer schließt die Hölle der Gewalt in dieser Welt? Wir Menschen können es offenbar nicht! Ob mein Mitpatient anruft weiß ich nicht. Ich würde mich aber sehr freuen. Eberhard Wagner 2/2016 durchblick W ussten Sie, dass es in fünf Ländern der Erde einen eigenen Ministerposten für die Frage des Glücks gibt? Ein solcher Posten wurde in den Ländern Bhutan, Ecuador, Schottland, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela geschaffen. In diesen Tagen wurde der Weltglücksbericht veröfHorst Mahle fentlicht. Laut dieser weltweiten Studie sind die Dänen am glücklichsten und Deutschland schafft im Ranking der glücklichsten Länder immerhin den Platz 16. Man fragt sich natürlich sofort, wodurch denn das Glücklich sein des Einzelnen bestimmt ist. Der für die Vereinten Nationen erstellte Bericht verbindet u.a. Länderdaten mit Befragungen über die Selbstwahrnehmung ihrer Bewohner. Er berücksichtigt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, die durchschnittliche Lebenserwartung, das soziale Umfeld oder Vertrauen in Regierung und staatliche Instanzen. Natürlich spielen auch die persönlich empfundene Freiheit, grundlegende Entscheidungen für das eigene Leben treffen zu können sowie negative Faktoren wie Sorgen, Trauer und Wut eine Rolle. Da ist es interessant, dass etwa zur gleichen Zeit eine Studie der internationalen Hilfsorganisation Oxfam veröffentlicht wurde, wonach den Reichen die halbe Welt gehört. Genauer: Die 62 reichsten Menschen der Erde besitzen genauso viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die soziale Ungleichheit nehme dramatisch zu. Zu den Ursachen gehören nach Meinung der Autoren eine völlig unzureichende Besteuerung großer Vermögen und Kapitalgewinne sowie die Verschiebung von Profiten in Steueroasen. „Das oberste Prozent der Weltbevölkerung verfügt über mehr Vermögen als der Rest der Welt zusammen“, heißt es bei Oxfam. Mit anderen Worten heißt das: Rund 70 Millionen Supereiche besitzen demnach mehr als die übrigen rund sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Und trotzdem sind viele Menschen glücklich!? Wahrscheinlich ist es zu einfach die Volksweisheit „Geld macht nicht glücklich“ zu zitieren. Das Glück ist offensichtlich aber auch von vielen anderen Faktoren bestimmt. Aber trotzdem wird man sagen müssen, dass es gut wäre, wenn viele Menschen unserer Erde mehr besitzen würden, um zu leben – ja teilweise sogar um zu überleben. Insofern ist die Frage des Glücks auch eine Frage der Gerechtigkeit. 59
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