Pfarrerin Susanne Graap Lindenallee 90 16816 Neuruppin Tel. 017630547448 Ich stehe auf dem Bahnsteig am Rheinsberger Tor und warte auf den Regionalexpress nach Berlin. Gerade bin ich dabei, mir eine Fahrkarte über das Handy zu buchen. Plötzlich spricht mich ein junger Mann von der Seite an. Ich verstehe zunächst nicht richtig, denn er spricht gebrochen Deutsch. Für einen kurzen Moment fährt es mir durch die Glieder, was will er von mir? Aber dann sehe ich ihn hilflos mit seinem kopierten Stadtplan hantieren: „Ist das hier der Bahnhof West?“ „Nein“ antworte ich. „Wohin möchten Sie denn?“ höre ich mich fragen. Dann erfahre ich von Rafi, so nenne ich ihn, dass er bis Hennigsdorf fahren will und dann nach Oranienburg. Dort hat er eine kleine Wohnung zusammen mit seinem Bruder. Seine Heimat ist Afghanistan, erzählt er mir im Gespräch. Ob er eine Arbeit habe, - möchte ich wissen und was er in Neuruppin mache. Es ist eine vorsichtige Unterhaltung in einem Gemisch von Deutsch und Englisch. Auf meine Frage, wo seine Eltern jetzt seien. Werden seine Augen traurig und ich erfahre, dass sie sind in Afghanistan geblieben sind. Dann zeigt Rafi mir Bilder von seiner Heimat, die er von ein paar Tagen von ihnen bekommen hat. Alle Bilder zeigen zerstörte und brennende Häuser. Eines hat sich mir besonders eingeprägt. Es zeigte vor den zerstörten Häusern einen Fluss, der rot war. „Das ist alles Blut.“ sagt er. Ich sehe ihn fassungslos an und weiß, auch er kann es kaum begreifen. Was mir Rafi zeigt, berührt mich mehr als alle Bilder, die ich bisher in den Nachrichten und Zeitungen gesehen habe. Sie verbinden sich plötzlich mit dem Menschen, der da vor mir steht. Diese Bilder haben ein Gesicht, weil sie sich mit der Geschichte dieses so freundlichen Menschen verbinden. Bis Hennigsdorf fahren wir gemeinsam vorbei an blühenden Rapsfeldern. Alles scheint so friedlich. Gastfreundschaft ist ein hohes Gut des christlichen Glaubens. Die Fremden, die Ärmsten unter uns nicht aus dem Blick zu verlieren und ihnen zu helfen, ist mit der Geschichte der Kirche eng verbunden und ist ein Markenzeichen des Glaubens, meines eigenen und das vieler Mitchristen. In dieser Zeit verbindet es uns besonders mit allen Menschen, die sich um die Geflüchteten und Asylbewerber kümmern, die dafür sorgen, dass Menschlichkeit und Gastfreundschaft in unseren Städten und in unserem Land groß geschrieben werden. Ich glaube, dass das nicht nur ein Geben ist sondern auch wir etwas zurückbekommen. Am 22. März diesen Jahres, an dem Tag, an dem die entsetzlichen Terroranschläge in Brüssel die ganze Welt berühren, kommt aus Hessen eine Nachricht, von der hinter den großen Schlagzeilen nur am Rande zu lesen ist. „Zwei syrische Flüchtlinge“, so die Meldung, „leisten dem NPD Politiker Jagsch nach einem schweren Unfall Erste Hilfe und helfen, sein Leben zu retten.“
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