Tax Compliance wird Pflicht – BMF veröffentlicht Anwendungserlass

Tax Compliance wird Pflicht –
BMF veröffentlicht Anwendungserlass zu § 153 AO
[25.05.2016]
Von: Stefan Groß
Mit der Veröffentlichung des Anwendungserlasses zu § 153 AO vom 23. Mai 2016 hat
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die endgültige Initialzündung zur Etablierung sogenannter Tax Compliance-Systeme gegeben. Das BMF beschäftigt sich dabei
insbesondere mit der für die Praxis wichtigen Abgrenzung zwischen der Berichtigung
nach § 153 AO und einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO. Dabei wird
das Vorliegen eines Innbetrieblichen Kontrollsystems für Steuern als Indiz gesehen,
welches gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann
und damit zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt. Unabhängig von den Anforderungen
im Detail, ist mithin davon auszugehen, dass im Inland zeitnah ein einheitlicher Standard für ein Internes Kontrollsystem für Steuern definiert wird. Einen validen Ausgangspunkt für ein derartiges Tax Compliance-System bilden nicht zuletzt die „Grundsätze zur
ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)” vom 14.11.2014. Die
GoBD halten spezielle Anforderungen an die Ausgestaltung IT-gestützter Rechnungslegungsprozesse fest. Diese sind einer Verfahrensdokumentation zugrunde zu legen, welche einem Sachverständigen Dritten ermöglicht, sich innerhalb einer angemessenen Zeit
einen Überblick zu den Prozessen und Verfahren im Unternehmen zu bilden. Ergänzend
wird ein korrespondierender Prüfungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW)
erwartet, welcher dezidiert zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax ComplianceSystems Stellung nimmt.
Unter dem Begriff „Tax Compliance“ wird grundsätzlich die Implementierung und Pflege
eines Systems zur Sicherstellung der Befolgung steuerlicher Gesetze und Vorgaben der
Finanzverwaltung verstanden. Für Unternehmen macht dies die Einführung entsprechender Organisationsstrukturen (Aufbau- und Ablauforganisation) erforderlich, welche
die Einhaltung der zu beachtenden Steuergesetze unter Einbeziehung der steuergestalterischen Möglichkeiten bei gleichzeitiger Vermeidung von Risiken für das Unternehmen
und dessen Organe sicherstellen.
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Mit Blick auf den Mittelstand enthält ein wirksames Tax Compliance-System zwei wesentliche Bausteine. Diese bestehen in einer hinreichenden, GoBD-konformen Verfahrensdokumentation, welche – in Abhängigkeit von der jeweiligen Steuerart – durch ein
regelbasiertes Entscheidungssystem („Expertensystem“) mit Audit Trail ergänzt wird.
Abb. 1: Elemente eines Tax Compliance-Systems
Die Zielsetzung der Verfahrensdokumentation besteht im Nachweis der Erfüllung der
vorab für steuerliche Prozesse definierten Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze. Dabei müssen die zugrunde liegenden Abläufe für einen sachverständigen Dritten hinsichtlich ihrer
formellen und sachlichen Richtigkeit in angemessener Zeit prüfbar sein. Zur Herstellung
eines klaren GoBD-Bezuges der Verfahrensdokumentation bietet es sich an, eine Verknüpfung zwischen den vorab definierten Anforderungen an ein Tax Compliance-System
bzw. dem jeweiligen Prozess und den IKS-spezifischen Kontrollen herzustellen. Entsprechend dem PSP-Ansatz sollten demnach je sachlogischem Tax-Prozess zunächst die damit einhergehenden Compliance-Anforderungen aufgeführt und spezifiziert werden. Innerhalb der einzelnen Prozessschritte sollten sich dann Ausführungen zu den Kontrollzielen nebst Kontrollen finden, welche dazu beitragen, dass insbesondere die vorab definierten Vorgaben vollumfänglich sichergestellt sind. Über eine abschließende Tabelle
lassen sich schließlich die eingangs definierten Tax Compliance-Anforderungen mit den
hierzu korrespondierenden Kontrollen verbinden.
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Abb. 2: Verfahrensdokumentation und Tax-Compliance
Neben der Verfahrensdokumentation sollte für komplexe steuerliche Entscheidungen
ergänzend ein dokumentiertes Entscheidungssystem ins Kalkül gezogen werden, aus
welchem kurzfristig und zugleich rechtssicher die steuerliche Behandlung eines Geschäftsvorfalls abgerufen werden kann. Dies kann die übliche Standard- oder auch Individual-Software im kaufmännischen Bereich jedoch nicht leisten, da sie zunächst auf
betriebswirtschaftliche Prozesse hin optimiert ist. Zwar lassen sich durch derartige Systeme einfache Steuerfälle korrekt abbilden und damit zuverlässig abwickeln. Anspruchsvolle steuerliche Konstellationen – wie vor allem etwa umsatzsteuerliche Sachverhalte –,
die sich insbesondere durch Konzernstrukturen oder internationale Waren- und Zahlungsströme ergeben, sind hiervon jedoch oftmals ausgenommen. Hier bedarf es entsprechend spezialisierter Expertensysteme, die in der Lage sind, die umsatzsteuerliche
Behandlung der jeweils relevanten Fälle unternehmensindividuell abzubilden. Aus Sicht
einer Tax-Compliance, verbunden mit der Zielsetzung einer entsprechenden Exkulpation
bei fehlerhaften Entscheidungen, sollte ein solches Entscheidungssystem zudem in der
Lage sein, sowohl die Entscheidungsfindung als auch das zugrunde liegende Regelwerk
in seiner jeweils gültigen Fassung (Historisierung) aufzuzeigen. Nur so ist es nach vielen
Jahren möglich, die steuerliche Behandlung eines Sachverhaltes exakt zu reproduzieren
und auf diese Weise die Entscheidungsfindung nachzuvollziehen.
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein funktionierendes Tax Compliance-System
durchaus als Indiz gegen das Vorliegen von Vorsatz und Leichtfertigkeit angesehen werden kann. Umso mehr müssen sich Unternehmen und deren Organe mit der Implementierung entsprechender Systeme und Strukturen auseinandersetzen. Das Fundament hierfür bildet eine den GoBD entsprechende Verfahrensdokumentation. Je nach Steuerart
bietet sich ergänzend der Einsatz eines Expertensystems mit Audit Trail an, welche dazu
geeignet sind, insbesondere komplexe steuerliche Entscheidungen zu dokumentieren
und nachvollziehbar zu halten.
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