DIE WELT - Die Onleihe

DONNERSTAG, 26. MAI 2016
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Zippert zappt
D
REUTERS/ARND WIEGMANN
THEMEN
SPORT
Schweinsteiger
meldet sich fit
für die Fußball-EM
Seite 18
WIRTSCHAFT
Griechenland bekommt
frisches Geld
Siehe Kommentar und Seite 9
FEUILLETON
Wie Adolf Hitler
zum Nazi wurde
Seite 22
PANORAMA
So sauber sind Europas
Badegewässer
Seite 24
IWF, an die
Leine gelegt
JAN DAMS
SEBASTIAN BACKHAUS
W
Sie jagen die IS-Mörder
Sanfte Gesichtszüge, entschlossener Blick: Fast sehen sie aus wie Kämpferinnen in
einem perfekt inszenierten Hollywoodfilm. Doch ihr Feldzug ist bittere Realität.
Am Fuße des Sindschar-Gebirges haben die beiden Soldatinnen der jesidischen
Fraueneinheit der YBS gerade gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ge-
kämpft. Sieben Tage dauerte die Schlacht, bei der 127 Islamisten getötet wurden –
aus Rache für 5000 ermordete Männer und mehr als 5000 verschleppte Frauen.
Jetzt haben sie erst einmal eine Pause und können sich im Hauptquartier der FrauSeite 8
en-YBS erholen – bis zum nächsten Fronteinsatz.
Jetzt geht’s los: SPD und Union
schalten auf Wahlkampf
Wirtschaftsminister Gabriel provoziert zum Abschluss der Kabinettsklausur mit der Formulierung
„Einwanderungsgesetz 1.0“. Finanzminister Schäuble will mit Steuersenkungsplänen um Wähler werben
B
is zur nächsten Bundestagswahl wird noch mehr als ein
Jahr vergehen. Doch schon
jetzt bereitet sich die große
Koalition auf den Wahlkampf vor. Dies wurde trotz demonstrativer gegenseitiger Sympathiebekundungen bei der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg offensichtlich.
So wurden strittige Themen explizit ausgeklammert. Themenschwerpunkte waren dagegen die Digitalisierung und ein
in seinen Grundzügen bereits bekanntes
Integrationsgesetz.
VON MARTIN GREIVE UND THOMAS VITZTHUM
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz
nutzte dann Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel (SPD) die Gelegenheit
für einen doppelt so langen Redebeitrag
wie Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU). Dabei betonte er vor allem die arbeitsmarktpolitischen Aspekte des neuen Integrationsgesetzes, die die Handschrift der SPD tragen. Asylbewerber
können demnach eine begonnene Ausbildung ungeachtet ihres Status abschlie-
ßen und danach ein halbes Jahr auf Jobsuche gehen. Altersbeschränkungen entfallen. Der SPD-Politiker betonte, in ein
paar Jahren werde man das Integrationsgesetz rückblickend als ersten Schritt in
Richtung eines Einwanderungsgesetzes
betrachten. Das Integrationsgesetz sei
das „Einwanderungsgesetz 1.0“. Die Formulierung war eine Provokation und
zielte in Richtung des Koalitionspartners. Die Union hat ein Einwanderungsgesetz bislang stets abgelehnt. Gerade
der in Meseberg abwesende CSU-Chef
Horst Seehofer versteht es als Einladung
für weitere Zuwanderung.
Das Integrationsgesetz soll Flüchtlingen auch einen leichteren Zugang zu Integrations- und Deutschkursen sichern.
Lehnen sie Integrationsmaßnahmen ohne wichtigen Grund ab oder verweigern
im Asylverfahren die Mitarbeit, drohen
Leistungskürzungen. Die Bundesländer
erhalten mit dem Gesetz die Möglichkeit, anerkannten Flüchtlingen einen
Wohnort zuzuweisen. Die örtlichen Arbeitsagenturen können darüber hinaus
entscheiden, ob sie die Vorrangprüfung
für deutsche Arbeitnehmer aussetzen.
Für Flüchtlinge sollen 100.000 gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten ähnlich
den Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Das Gesetz muss
nun vom Bundestag beraten werden.
Differenzen wurden auch bei der Steuerpolitik ersichtlich, die Union und SPD
Mehr Schutz für Frauen
in Flüchtlingsheimen
Die Bundesregierung will Mädchen
und Frauen besser vor Übergriffen
in Flüchtlingsheimen schützen. Ob
der Bund dafür ein Gesetz vorlegt
oder die Länder Maßnahmen beschließen, soll jetzt zügig geprüft
werden, heißt es in der „Meseberger Erklärung“. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD)
sagte: „Jeder Fall von Gewalt,
Kindesmissbrauch und Vergewaltigung ist einer zu viel.“ Die Zahl der
Anzeigen steige, aber die Dunkelziffer sei hoch.
DAX
Seite 15
Punkte
US-$
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zum Wahlkampfthema machen wollen.
Nach Informationen der „Welt“ gibt es
im Bundesfinanzministerium Überlegungen, die Steuerquote auf dem heutigen Niveau von 22 Prozent zu halten.
Laut der jüngsten Steuerschätzung werden die Steuereinnahmen, gemessen am
Bruttoinlandsprodukt, bis 2018 auf 22,5
Prozent steigen. Daraus ergebe sich ein
Spielraum für Steuersenkungen in Höhe
von 0,4 Prozent der Steuerquote, was einer Entlastung von zwölf Milliarden Euro entspreche.
Die SPD hält den Vorstoß für unseriös. „Wenn Herr Schäuble stets die
schwarze Null vor sich herträgt, wenig
Spielraum bei den Verhandlungen mit
den Ländern zeigt und jetzt gleichzeitig
Wahlkampf mit virtuellen Spielräumen
macht, finde ich das unsolide“, sagte Finanzexperte Johannes Kahrs (SPD).
Unionschefhaushälter Eckhardt Rehberg (CDU) wiederum warf SPD, Linker
und Grünen vor, nicht auf Steuereinnahmen verzichten zu wollen. „Hoffentlich kann nach der Bundestagswahl das
Kartell der Entlastungsgegner aufgelöst
Seiten 4 und 5
werden.“
olfgang Schäuble kann
nach der jüngsten Verhandlungsnacht in Brüssel
feiern. Er hat dem Internationalen
Währungsfonds (IWF) die Zusage abgerungen, sich am dritten Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen.
Im Gegenzug musste Schäuble zwar
versprechen, Schuldenerleichterungen für Athen zu prüfen – aber eben
erst ab 2018, dem Jahr nach der Bundestagswahl.
Noch vor anderthalb Tagen erschien so ein Erfolg in der Griechenland-Frage unmöglich. Schließlich
hatten wichtige IWF-Mitarbeiter seit
Wochen öffentlich viel größere Zugeständnisse beim Schuldenschnitt als
Voraussetzung für eine weitere Beteiligung an der Griechenland-Rettung
postuliert. Der Bundesfinanzminister
hat bekommen, was die Bundeskanzlerin wollte. Oder wie es ein Mitglied
dieser Bundesregierung formulierte:
„Wolfgang Schäuble mag manchmal
unbequem sein. Aber wieder einmal
hat er für Angela Merkel eine riesengroße Kuh vom Eis geholt.“ Es ist für
die Deutschen der größtmögliche Erfolg, denn die Auszahlung weiterer Finanzhilfen für Athen wollte die Kanzlerin ohnehin nie verhindern.
Was für den deutschen Finanzminister vor dem Hintergrund der innenpolitischen Gemengelage in Deutschland ein Triumph sein mag, ist für den
Westen als Ganzes ein moralisches
Desaster. Denn ursprünglich wurde
der IWF als Organisation konzipiert,
die auf der Grundlage möglichst objektiver Zahlen Rettungsprogramme für
angeschlagene Staaten durchsetzen
soll. Zumindest galt das für die Theorie. Spätestens seit der letzten Verhandlungsnacht von Brüssel kann das
keiner mehr glauben. Der IWF wurde
selten stärker öffentlich gedemütigt.
Das fällt vor allem deshalb auf, weil
der Fonds erst vor anderthalb Tagen
seine Position in der jüngsten Schuldentragfähigkeitsanalyse noch einmal
bekräftigt hatte. Ohne feste Zusagen
der Europäer zu Schuldenerleichterungen für Griechenland könne man
den Griechen nicht weiter helfen, hieß
es da. Von wegen.
Mit ihrem Kotau gegenüber den
Forderungen der Europäer und Amerikaner bestätigt die Organisation ihre Gegner, die den Fonds vor allem
als Vertreter wirtschaftspolitischer
Interessen des Westens kritisieren.
„Der IWF ist eine Organisation, deren Besitzer wir sind“, formulierte es
ein Diplomat nach der letzten Verhandlungsrunde. Soll heißen: Er
macht, was wir wollen. Im Falle Griechenlands mag Europas Politik so ein
Vorgehen gefallen. Unserer Glaubwürdigkeit gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländern dieser
Welt aber haben wir mit der Demütigung des IWF keinen Gefallen getan.
[email protected]
Rettet Rom!
Im Plus
Euro
EZB-Kurs
Nr. 121
KOMMENTAR
ie Deutschen trinken
ungeheure Mengen
Mineralwasser, dabei
sind nur die wenigsten in der
Modelbranche tätig. Im vergangenen Jahr 148 Liter pro
Kopf, während es 1970 nur 12,5
Liter waren. 1960 trank jeder
Deutsche 3,5 Liter Mineralwasser im Jahr, und 1950 war es eine
Flasche. Vor dem Krieg trank
kein Mensch freiwillig Mineralwasser. Woher kommt dieser
Wasserdurst der Deutschen, die
ja eher über Grapefruitbier, Red
Bull und holländische Tomaten
schon mehr als genug Flüssigkeit zu sich nehmen? Ist das eine
Folge der Klimakatastrophe, ist
die gefühlte Durchschnittstemperatur so hoch geworden,
dass die Menschen ständig Durst
verspüren? Oder liegt es daran,
dass der Verbrauch an Salzstangen, Fischlis und Chips
ebenfalls überdimensional stark
angestiegen ist? Die permanent
übersalzenen Speiseangebote
in Einkaufszonen und von Pizzalieferanten dürften auch eine
Rolle spielen. Essen wir uns
durstig? Welchen Einfluss haben
Trockenrasierer und Trockenhauben? Experten glauben,
dass die größte Durstgefahr
von Salzkristalllampen ausgeht,
von denen jeder Bürger 3,8
Stück besitzt.
Dax
Schluss
D 2,50 E URO B
Der Stadt fehlt das Geld, um ihr Kulturerbe zu erhalten – und bittet die Bürger um 500 Millionen Euro Spenden
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R
om ist weltberühmt für seine Sehenswürdigkeiten: Forum
Romanum und Sixtinische Kapelle, Pantheon und Palatin,
Spanische Treppe und Engelsburg. Ein reiches bauliches Erbe,
das sorgfältig gepflegt werden will. Doch die Stadt hat zwölf Milliarden Euro Schulden und damit einfach kein Geld, um dringend notwendige Reparaturen und Instandsetzungen zu bezahlen. Die Ewige
Stadt droht zu verfallen. Daher hat sich nun Francesco Paolo Tronca,
der Übergangsbürgermeister Roms, mit einem verzweifelten Appell
an die Öffentlichkeit gewendet: „Wir brauchen Hilfe, um sicherzustellen, dass Rom für die ganze Welt weiter ein Referenzpunkt in
Sachen Schönheit ist.“
Bislang haben Luxusmarken der klammen Stadt unter die Arme
gegriffen, um die historischen Stätten zu erhalten. So hatte die italienische Modefirma Fendi die Restaurierung des berühmten TreviBrunnens finanziert. Edeljuwelier Bulgari lässt die Spanische Treppe
wiederherrichten, und der Taschen- und Schuhhersteller Tod’s über-
nimmt die Renovierung des Kolosseums. Nun hat die römische Stadtverwaltung eine neue „To-do-Liste“ mit einem Umfang von fast 500
Millionen Euro zusammengestellt. Für die Renovierung von 80 Brunnen werden zehn Millionen Euro benötigt, für das zum Trevi-Brunnen führende Aquädukt sind es 600.000 Euro. Zu den teuersten Vorhaben zählt der neun Millionen Euro teure Bau eines Fußwegs entlang der Überreste der Aurelianischen Mauer aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. Eine Million Euro werden für die Beleuchtung des Circus Maximus benötigt. Neben größeren Projekten gibt es
für weniger solvente Rom-Liebhaber auch etwas auf der neuen Liste:
Unkrautjäten für 300 Euro an der Trajanssäule.
Um diese Arbeiten zu finanzieren, hat die Stadt die Bürgerinnen
und Bürger aufgerufen, für den Erhalt der Kulturgüter zu spenden.
Der Beauftragte für Roms Kulturerbe, Claudio Parisi Presicce, sagte,
die Bevölkerung der Stadt solle einen Beitrag leisten, um das Kulturerbe zu erhalten. „Wir müssen eine Verbindung herstellen zwischen
den Menschen, die oben in der modernen Stadt leben, und der alten
Stadt, die unter ihnen liegt“, sagte Presicce. Wie groß die Spendenbereitschaft sein wird, ist nach dem jüngsten Korruptionsskandal nur
schwer abzuschätzen. Bürgermeister Ignazio Marino hatte im vergangenen Herbst wegen eines Spesenskandals zurücktreten müssen.
Die neue Strategie der römischen Stadtverwaltung dürfte in Italien
schon bald Nachahmer finden. Auch die norditalienische Stadt Florenz könnte über einen solchen Spendenaufruf nachdenken. Dort
sackte am Mittwoch in der Nähe der weltberühmten Brücke Ponte
Vecchio ein Teil der Uferbefestigung am Fluss Arno meterweit ab.
Die Uferbegrenzung sei auf einer Länge von rund 200 Metern beschädigt, teilten die örtlichen Behörden mit. Verletzt wurde bei dem
Vorfall demnach niemand, die Schäden seien aber enorm. Etwa 20 am
Kai geparkte Autos rutschten in Richtung des Flussbettes, einige von
ihnen wurden überflutet. Nach Angaben der Feuerwehr wurde das
AFP
Unglück durch einen Wasserrohrbruch ausgelöst.
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ISSN 0173-8437
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ZKZ 7109