MYTHOS ARABER von Stephen Rasche-Hilpert Tatsache ist, dass das arabische Pferd unzählige Pferderassen beeinflusst hat. So ist es beispielsweise eine der Grundlagen des Englischen Vollbluts, es hat dazu beigetragen, aus Wirtschaftspferderassen Sportpferderassen zu entwickeln, es hat den Trakehnern einen guten Schuss Härte ins Blut gegeben, und es hat sogar dem großen französischen Kaltblut Percheron seinen ganz speziellen Adel verliehen. Es gibt weniger Pferde als mehr, die keine arabischen Ahnen haben – auch, wenn man im Stammbaum bisweilen recht nahe der Wurzeln suchen muss. Unübersehbares Zeugnis einer arabischen Abstammung ist jedoch immer die Schimmelfarbe, denn diese hat erst der Araber zu uns gebracht. Sehen Sie also einen Schimmel vor sich, können Sie sicher sein, dass zumindest einer seiner Ahnen ein Pferd der Wüste war. Diese Pferde wurden aufgrund ihrer körperlichen und Wesensmerkmale zur Verbesserung der vorhandenen Rassen eingesetzt, und beides vererbt sich über Generationen hinweg durchschlagend. Haben die Rassen, zu deren Entstehung oder Verbesserung sie beitrugen, die Arabischen Pferde in mancher Spezialeignung zwar mittlerweile überflügelt, in einem Punkt halten sie doch ihre führende Position: Der einzigartige Charakter und das unvergleichliche Temperament der arabischen Pferde sichert ihnen die größte Anhängerschaft und die weiteste Verbreitung aller Pferderassen dieser Welt. Worin liegt die Eigenheit des arabischen Wesens? Was ist dran an diesem Mythos? Zuvorderst ist es ganz sicher die ungewöhnliche Menschenzugewandtheit, seine deutliche Bindungsbereitschaft und seine Sanftheit. Die Kombination all dessen mit dem lebhaften Temperament ist für die große Faszination verantwortlich, die vom arabischen Pferd ausgeht. Viele Menschen haben das Gefühl, dass ein arabisches Pferd zu ihnen „spricht“, dass es etwas mitzuteilen hat, und so habe auch ich in bei meiner Arbeit als Fotograf ganz eigene Erfahrungen mit diesen Pferden gemacht. Wenn wir mit der Arbeit beginnen, schauen wir bei jedem Pferd, wo seine Besonderheiten liegen, die wir dann während der Sitzung herausarbeiten wollen. Das passiert ganz intuitiv, man muss sich dabei nur auf das Pferd einlassen. Wenn aber ein arabisches Pferd vor meiner Kamera steht, habe ich immer wieder das Gefühl, dass es mich taxiert und dann entscheidet, was es mir zeigen wird. Oft fühlt es sich an, als bekäme ich von dem Pferd eine Einladung, einige gemeinsame Momente ganz eng mit ihm zu teilen, fast so, als ließe es mich durch seine Augen sehen. Für mich ist es einfach ein Teil meiner Arbeit. Einem Künstler sieht man solche Emotionalität vermutlich noch nach, wenn er sie nutzt, um damit Bildwerke zu gestalten, doch man stößt auf ähnliche Aussagen, wo immer man auf Menschen trifft, die ganz handfest mit arabischen Pferden zu tun haben. Seien es Züchter oder Reiter, und gerade solche, die mit arabischen und anderen Rassen zu tun haben: Sie eint die Ansicht, dass gerade das Wesen die arabischen Pferde auszeichnet. Wenn Sie also das nächste mal vor einem arabischen Pferd stehen, schauen Sie genau hin und lassen Sie das Pferd auch in Ruhe sehen, wer Sie sind. Vielleicht „hören“ Sie ja etwas. Aber Vorsicht! Araberfreunde behaupten, es gäbe eine Krankheit, der sie alle erlegen seien: Die Arabitis. Und die soll hochgradig ansteckend sein.
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