Botanik.

Kaiser Joseph I I . am Pflug.
Botanik.
..Und G o t t sprach: Es lasse die Erde Gras sprossen, das aufgrünet und
das Samen trägt; und Fruchtbäume, die Frucht bringen nach ihrer Art,
deren Samen in ihnen selber ist auf der Erde! Und also ward es."
G e n e s i s 1,11.
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^ ) i e B o t a n i k ist die Wissenschaft von den ungleichartigen, freiwilliger Bewegung unfähigen Gegenständen derNatur, die wir P f l a n z e n nennen. Dieselben
sind dadurch ungleichartig, daß an jeder Wanze besondere Theile wahrgenommen
werden, die sowohl in Gestalt als auch dem Stoffe nach wesentliche Verschiedenheiten zeigen.
^
Die allereinfachste Form, in welcher uns eine Pflanze erscheint, ist die
eines kleinen dünnhäutigen Bläschens, welches Flüssigkeit und etwa einige grüne
158
Botanik; Einleitung.
Körnchen enthalt. Die Haut, der flüssige und der feste Inhalt dieser kleinen
Pflanze sind sowohl nach ihrer Bildung als auch nach ihrerchemischenZusammensetzung wesentlich verschieden. Noch auffallender tritt dieses hervor, wenn
wir eine größere Pflanze, wie einen unserer Bäume betrachten. Das Abweichende in Form und Inhalt seiner Theile ist so auffallend, daß selbst dem Kinde
das Ungleichartige in der Masse einer Pflanze leicht bemerklich zu machen ist.
Vergleichen wir hiermit ein einfaches M i n e r a l (Min. §. 3), z. B. einen
Krystall aus Quarz, so finden wir denselben gleichartig in seiner ganzen Masse
nur aus Quarztheilchen und ebenso einen Krystall von Kalkspath nur aus
Kalkspaththeilchen bestehend. Weder das Auge, noch diechemischeUntersuchung
lassen hier eine Ungleichartigkeit wahrnehmen, wie sie die Pflanze so deutlich
zeigt. Allerdings giebt es auch Minerale, die wie z. B. der Granit dem Auge
ungleichartig erscheinen. Allein es ist leicht einzusehen, daß diese sogenannten
gemengten Gesteine nichts Anderes als Gemenge aus einfachen Mineralen sind.
2
Setzen wir unsere Beobachtungen an irgend einer Pflanze unter den geeigneten Umständen fort, so entgeht uns, nicht, daß dieselbe im Verlauf der Zeit
wesentliche Veränderungen durchmacht. Zunächst ist schon die Erscheinung von
größter Wichtigkeit, daß die in den oben erwähnten einfachsten Pstanzenformen enthaltene Flüssigkeit eine Bewegung zeigt. Wir bemerken ferner, daß die Pflanze
an Umfang und Gewicht zunimmt, oder wächst, daß sie die hierzu erforderlichen
Stoffe aus ihrer Umgebung aufnimmt und aus denselben verschiedene, durch
eine unendliche Mannichfaltigkeit ausgezeichnete Gestaltungen bildet, und daß endlich ein Zeitpunkt eintritt, in welchem in jeder Pflanze dieses Bildungsvermögen aufhört und von welchem ansienach denchemischenGesetzen zerfällt und verschwindet.
Ganz besonders ist hierbei noch darauf zu achten, daß die Stoffe, welche
eine jede Pflanze, indem sie wächst, von außen aufnimmt, hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer Form und ihrer Eigenschaften gänzlich verschieden
sind von denjenigen Stoffen, die wir in dem Körper der Pflanze antreffen.
Niemals finden wir in dem Boden den Stoff, der die grüne Farbe der Blätter
ausmacht, oder das Stärkemehl, welches so häusig bald in den Samenkörnern,
bald in den Knollen vorkommt, in der Umgebung der Pflanzen. Dieselbe hat
also die Fähigkeit, die von ihr aufgenommenen Substanzen u m z u b i l d e n , und
zwar sowohl hinsichtlich ihrerchemischenZusammensetzung als auch der Form nach.
Die an einem Mineral sich zeigenden Erscheinungen bieten hiervon einen
wesentlichen Unterschied dar. Allerdings besitzt auch dieses das Vermögen, sich
neue Theile anzueignen, seine Masse zu vermehren, zu
^
kann nur dann geschehen, wenn die Umgebung des Minerals dieselbe chemische
Verbindung darbietet, aus der das Mineral besteht. Ein Kalkspathkrystall kann
nur in einer Flüssigkeit sich vergrößern, die kohlensauren Kalk enthält. Der
Krystall ist jedoch unfähig, aus diesem ihm gegebenen Stoffe weder eine andere
Gestalt, noch eine anderechemischeZusammensetzung zu bilden, als die ihm bereits eigenthümliche, er wächst, ohne seine Form und seine-Vubstanz zu verändern.
Z
Wir nennen jene Fähigkeit der Pflanze, durch Umbildung ihr unähnliche?
Stoffe ihre Masse zu vergrößern, das Leben der Pflanze, und diejenigen ihrer
Botanik; Einleitung.
159
Theile, von welchen jene Umbildung ausgeht, die O r g a n e derselben. Bei vielen Pflanzen nehmen alle Theile in gleicher Weise an jener Umbildung Theil,
sie sind höchst gleichartig und einfach orgamsirt. Bei anderen finden solche
Umbildungen in verschieden gestalteten Theilen Statt, welche dann als verschiedene Organe bezeichnet werden.
Das Mineral hat keine Organe, es ist unorganisirt.
So unverkennbar nun auch die im §. 2 angeführte lebendige Bewegung 4
im Innern der Pflanze ist, so erscheint letztere doch regungslos nach außen.
I n der That, nach dem Hervortreten der von der Pflanze neugebildeten Theile
sehen wir dieselben für sich ganz bewegungslos ihre Stelle einnehmen. Wenn
nicht der Luftzug Zweige und Halme bewegte, so würden sie uns wie leblos
entgegenstarren. Das Rauschen in den Kronen der Wälder ist die Stimme des
Windes, nicht die der Bäume. Die Pflanze ist unvermögend, ihre Stellung in
Beziehung auf ihre Umgebung zu ändern, sie erscheint da, wo der Zufall ihren
Keim ausstreute, sie geht zu Grunde, wo die Bedingungen ihres Bestehens aufhören, welche aufzusuchen sie nicht das Vermögen besitzt.
Wir sehen zwar, daß viele Blumen ihre Kelche zu bestimmten Tageszeiten
öffnen und schließen, daß die empfindliche Mimose ihre zarten Mättchen zusammenfaltet und die Zweige hängt, sobald sie unsanft berührt wird, und daß
die Staubfäden mehrerer Pflanzen sehr auffallende Bewegungen machen. Allein
stets werden diese durch äußere Einflüsse hervorgerufen. Bald ist es die Sonne
oder die Feuchtigkeit, oder eine Berührung, was jene Bewegungen, veranlaßt,
die ohne diese Einwirkungen nicht stattfinden würden.
Die Pflanze ist somit ein organisirter Körper ohne freiwillige äußereBewegung. Sie unterscheidetsichdadurch wesentlich von dem T h i e r e , denn dieses hat eine
freiwillige äußere Bewegung, es kann, wenn oft auch in sehr beschränkter Weist,
seine Stelle verändern und eine andere aufsuchen, die seinem Gedeihen förderlicher ist.
Wie befriedigend die eben ausgesprochene Unterscheidung von Pflanze und
Thier für die vollkommenen Formen derselben ist — denn Jedermann wird
leicht einen Strauch oder Baum von einem Fisch oder Vogel unterscheiden
— so ist dieselbe doch ganz ungenügend für die unvollkommensten.Pflanzen
und Thiere. Es giebt nämlich unzählige kleine, nur durch das Vergrößerungsglas
erkennbare Thierchen, die lediglich.aus einem häutigen Bläschen oder Schlauche
bestehen, mit flüssigem Inhalte, gleich den einfachsten Pfiänzchen. Unter den
letzteren hat man aber nicht wenige kennen gelernt, die im Waffer lebend die
lebhaftesten Bewegungen machen, sich strecken, dehnen, zusammenziehen, umherschwimmcn, und daher jenen kleinsten Thierchen so ähnlich sind, daß sie lange
Zeit für solche gehalten wurden. Ja bei manchen dieser Geschöpft ist es noch
unentschieden, welchem Reiche sie zugezählt werden sollen.
Weder in Stoff und B a u , noch in Thätigkeit und Verrichtung läßt sich
zwischen den unvollkommensten Gestalten des.Pflanzen- und Thierreiches eine
vollkommen scharfe Trennung vollziehen. Von den merkwürdigen Bewegung^
erscheinungm, die bei den erwähnten Pftanzengebilden vorkommen, wird bei
deren Beschreibung näher die Rede sein.
160
5
.
^.
Allgemeine Botanik.
Es genüge für jetzt im Allgemeinen angedeutet zu haben, wodurchsichdie
Pflanzen als eigenthümliche Naturkörper unterscheiden. Ein klares Verständniß
derselben kann jedoch nur aus der Kenntniß der verschiedenen Formen und
Erscheinungen hervorgehen, welche die Pflanzenwelt in so reichem Maße darbietet.
Zur leichteren Uebersicht trennen wir unsere Wissenschaft in zwei Theile,
nämlich:
^.. in die Allgemeine B o t a n i k , welche die Lehre von den Organen
der Pflanze und deren Thätigkeit enthält, und'
V. in die Besondere oder S p e c i e l l e B o t a n i k , welche von den einzelnen Pstanzenarten, deren eigenthümlichen Merkmalen, von ihrer Eintheilung,
Verbreitung und Verwendung handelt.
^. Allgemeine Botanik.
6
Die allgemeine Botanik ist eine Wissenschaft der neueren Zeit. Während
schon frühzeitig viele einzelne Pflanzen beschrieben, sowie in ihrer äußeren Erscheinung abgebildet wurden und die Benennung und Eintheilung derselben
die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Freunde der Pflanzenwelt in Anspruch nahmen, ist erst scit Beginn dieses Jahrhunderts die Einsicht in den inneren Bau der
Pflanze und diesiebelebenden Kräfte versucht und allmählich gewonnen worden.
Es darf uns dieses nicht wundern. Nur mit Hülfe der vergrößernden
Kraft des Mikroskops konnte das Auge die feinen Gebilde kennen lernen, aus
welchen die Masse der Pflanze gewebt ist; nur mit Hülfe der Chemie konnte
man dahin gelangen, die Veränderung der Stoffe richtig zu beurtheilen, welche
im Pflanzenkörper vorgeht. Es war somit die Entwickelung dieses Theiles
der Botanik wesentlich an die Fortschritte der Chemie und an die Vervollkommnung des Mikroskops gebunden.
Eigene Anschauung in der Gewebelehre kann nur vermittelst eines guten
Mikroskops erlangt werden. Glücklicherweise sind die hierfür brauchbaren I n strumente, welche früher 200 bis 300 Gulden kosteten, jetzt für 35 bis
150 Gulden zu haben. Allein der Besitz eines Solchen reicht nicht aus
ohne Kenntniß seiner Handhabung und Fertigkeit in gewissen Handgriffen
und Anleitung oder Erfahrung im Beobachten. Dem Anfänger in mikroskopischen Studien sind daher Werke zu empfehlen, welche ausführlich belehren über den Gebrauch des Mikroskops, wie Schleiden's «Die Pflanze
und ihr Leben« und Schacht's «Das Mikroskop und seine Anwendung«. .
Hier beschränken wir uns auf die Andeutung, daß man bei mikwsk^
Beobachtungen in der Regel mit einer schwächeren, etwa 80- bis ZOfachen Vergrößerung beginnt und daß eine 250- bis 300fache Vergrößerung genügt, um
die wichtigsten Erscheinungen kennen zu lernen.
»7
Die allgemeine Botanik zerfällt in drei Abtheilungen:
I . Die Gewebelehre oder Histologie, welche die Lehre von den einfachsten Organen der Pflanzen und den daraus gebildeten Geweben enthält; es
war bisher üblich, diesen Gegenstand als A n a t o m i e der Pflanzen zu bezeichnen.
I.
161
Gewebelehre.
II. Die Gestaltungslehre oder M o r p h o l o g i e . Sie unterrichtet
uns über Form und Entwickelung der mannichfachen Gestaltungen an den Pflanzen, welche aus den Geweben gebildet sind und als zusammengesetzte Organe
bezeichnet werden.
III. Die Lebenslehre oder P h y s i o l o g i e , dasievon den Lebenserscheinungen der Pflanzen, also insbesondere von der Ernährung derselben handelt.
i.
Gewebelehre oder H i s t o l o g i e .
Nicht selten hat man Gelegenheit zu beobachten, daß in dmi Wasser, wel- 8
ches längere Zeit in einer Flasche stehen blieb, grüne Flocken sich zeigen, die
dem bloßen Auge aus höchst zarten Fäden gebildet erscheinen. Unter das M i kroskop gebracht, stellen dieselben
sich ftdoch als aus kleinen, kugeligen Schläuchen bestehend dar,
welche perlenschnurartig an einander gereiht sind. Ganz ähnliche
Schnüre, die theils aus kugeligen,
theils eirunden, schön blau gefärbten Schläuchen bestehen, nimmt
man höchst deutlich bei schwacher
Vergrößerung wahr, wenn man
die Haare betrachtet, welche sich
an den Staubfäden der V i r g i nischen T r a d e s c a n t i a (Fig.1, ,
ce und b) befinden, einer Zierpflanze mit dreiblätteriger, violettblauer Blume.
Obgleich nun auf den ersten Blick andere Pflanzentheile als ein mehr oder
minder dichtes und gleichförmig zusammenhängendes Ganzes erscheinen, so sieht
man doch mit Hülfe des Vergrößerungsglases, daß dieses nicht der Fall ist.
Es stellt sich vielmehr ein jeder Pflanzentheil als eine Vereinigung von außerordentlich zahlreichen kleinen Gebilden dar, i n welche sich selbst die dichtesten
und härtesten Pstanzenkörper, z. B. das Holz und die Schalen der Früchte, zertrennen lassen. Dieselben zeigen zwar eine große Verschiedenheit in Gestalt
und Umfang, allein die genaue Beobachtung hat gezeigt, daßsienichts Anderes
als Abänderungen eines ähnlichen häutigen Schlauches sind, als der ist, aus
welchem die grünen Wasserfäden bestehen und welcher den Namen der P f l a n zenzelle oder kurz der Z e l l e erhalten hat.
M i t Recht wird daher die Zelle als E l e m e n t a r - oder G r u n d o r g a n
der Pflanze bezeichnet und die Kenntniß der Entstehung, des Baues, der Verrichtung der Zelle, sowie der Umgestaltung, welchesieim Verlaufe ihres Lebens
erleidet, macht die Grundlage der wissenschaftlichen Botanik aus.
II
11
16Z
A. Allgemeine Botanik.
Als zusammengesetzte Organe bezeichnen wir gewisse eigenthümlich
gestaltete Theile, die bei den meisten Pflanzen vorkommen und welche eine besondere Bestimmung haben. Solche find z. B. die Blätter, die Blüthe u. a. m.
9
Die Zelle stellt im entwickelten Zustande einen kleinen Schlauch vor, dessen
Form im einfachsten Falle eine kugeUge^ist. Gebildet wird der Schlauch von
einem außerordentlich dünnen farblosen und durchfichtigen Häutchen, der sogenannten I e l l h a u t oder Z e l l m e m b r a n , an welchem sonst kein weiterer Bau
oder keinerlei Gewebe, namentlich aber keine O e f f n ü n g wahrgenommen wird.
I m Uebrigen bietet die Zelle wesentliche Unterschiede dar, je nachdem wir
lebende jugendliche und altere oder abgestorbene Zellen betrachten; die letzteren
sind immer leer, oder richtiger gesagt, sie enthalten nur Luft.
Bei der lebenden jugendlichen Zelle läßt sich unter der äußeren Zellhaut
s a , Fig. 2/ein inneres, weicheres, geschlossenes Hautgebilde nachweisen, der sogenannte Primordialschlauch i>. Beide Hüllen
umschließen eine schleimige, feinkörnige Masse,
P r o t o p l a s m a genannt, welche sich mit dem
überdies in der Zelle noch enthaltenen wässerigen
Z e l l s a f t nicht vermischt. Endlich fehlt in solchen
Zellen nur selten ein stach rundliches Körperchen,
d n Z e l l k e r n 6(Nu.oi6U8)oder Cytoblast, in welchem
sich in der Regel höchst kleine durchsichtige Körperchen, die Kernkörperchen, erkennen lassen. Der
Primordialschlauch liegt so dicht an der Zellhaut
an, daß er nicht leicht von ihr sich unterscheiden
läßt; behandelt man jedoch "die Zelle mit Weingeist, ^o löst sich der Primordialschlauch ab, zieht sich zusammen und liegt nachher in Gestalt eines faltigen Sackes frei in der Zelle, wie obige Figur es zeigt.
I m weiteren Verlauf des Pstanzenlebens erleidet indessen die Mehrzahl
der Zellen eine Umänderung der eben geschilderten Verhältnisse, so daß man
ältere Zellen meist mit verdickter Zellhaut und von klarem Zellsaft, sowie von
anderen Stoffen der mannichfachsten Art erfüllt sieht.
10
Während das Vorhergehende sich auf die inneren Zustände der Zelle bezieht, haben wir in Folgendem ihre Gestaltung nach außen zu verfolgen.
Hierbei ist es von wesentlichem Einfluß, ob ein Pstanzengebilde nur aus ein- zelnen, frei in Gewässern schwimmenden Zellen besteht, in welchem Falle diese
meist eine kugelige Gestalt haben, oder ob die Pflanzen aus schnurförnnZ mreinandergereihten Zellen bestehen oder zur Fläche verbunden sind, oder endlich,
nach allen Richtungen sich entwickelnd, einen massigen Pflanzenkörper bilden.
Auch im letzten Falle behalten.in den lockeren Pftanzengebildm, wie im Mark
der Früchte, des Hollunders, die Zellen die durch Fig. 3 dargestellte rundliche
Form bei; viel häufiger nehmen sie jedoch durch gegenseitigen Druck die Gestalt
eines Vielecks, Fig. 4, an, dessen Durchschnitt meist als ein Sechseck erscheint.
I. Gewebelehre.
Die Zelle.
163
Sie lassen sich alsdann vergleichen mit den Schaumzellen, die entstehen, wenn
man durch einen Strohhalm in Seifenwasser bläst, oder versinnlichen,,indem.man
weiche Thonkugeln erst locker zusammenlegt und nachher mehr oder weniger stark
zusammendrückt. Jede Kugel erhält in
diesem Falle eine vieleckige, der ZellenD r m entsprechende Gestalt, die wie Fig. ö
in den Pflanzen oft mit größter Regel«
Mäßigkeit sich findet.
Man nennt solche Zellen, die nach
allen Richtungen ziemlich gleich ausgedehnt
sind, M a r k z e l l e n oder Parenchymzellen,
und es bestehen aus dergleichen vorzugsweise die
knolligen Theile der Pflanzen, z.B. die Kartoffeln,
die Früchte, sowie überhaupt die weicheren oder
schwammigen Theile in Mark, Rinde und Blättern
u. s. w. Der Durchmesser der Markzellen beträgt
durchschnittlich 1/100 bis 1/20 Linie; es giebt jedoch
außerordentlich kleine von ^ 0 bis 2/500 L. Durchmesser, während andererseits große Zellen vorkommen, von 1/15 bis 1/10 L. Durchmesser, die, wie
z. B. beim HollundermarT, mit bloßem Auge erkenntlich sind.
Sehr häusig findet man jedoch in die Länge gestreckte, oben
und unten zugespitzte, daher spindelförmige Zellen, wie Fig. 6,
die sehr in einander gedrängt stehen und daher auf dem Querschnitt
meist als Viereck oder Sechseck erscheinen, Fig. 7. Sie werden
H o l z z e l l e n oder Prosenchhmzellen genannt und machen die
Hauptmasse der festeren Pstanzentheile, namentlich des Holzes, aus.
Während bei den Holzzellen die Querdurchmesser in der Regel
kleiner sind, als bei den Markzellen, übertreffen sie letztere auffallend hinsichtlich
ihrer Länge, die meist ein Drittel bis eine Linie, ia mitunter bis über zwei
H.. Allgemeine Botanik.
164
Linien beträgt. Sehr lange und biegsame Zellen der Art, aus welchen z. B.
unser Flachs und Hanf bestehen, werden Bastzellen genannt und sehen unter
dem Mikroskop wie ein überall gleich dicker rundlicher Faden aus, während die
dünnwandigen 1 bis 2 Zoll Länge erreichenden Zellen der Baumwollenfaser
wie ein plattes, spiralig gedrehtes Band mit etwas rundlichen Rändern sich darstellen, wodurch die Vermischung jener Miderlei Fasern in Geweben sich leicht
erkennen läßt. Da es mitunter von Dßem praktischen Werthe ist, einerseits
Leinengewebe von Baumwollenzeug und andererseits beide von Fäden der Wolle
und Seide zu unterscheiden, so stellen wir nachfolgend die mikroskopischen Bilder dieser vier Gespinnstfäden neben einander, nämlich B a u m w o l l e n h a a r ,
Fig. 8 ; Flachsfaser, Fig. 9 (bei a zerquetscht); W o l l e n f a s e r , Fig. 10;
Seidenfadeu, Fig. 1 1 , sämmtlich bei 230facher Vergrößerung.
Mitunter nehmen jedoch die Zellen, indem sie nicht in jeder Richtung sich
vergrößern, eine ganz abweichende, z. B. sternförmige Gestalt an, und man bezeichnet dieselben als unregelmäßige Zellen. Solche finden sich ^., B. im
Blattstiele des Pisang, Fig. 12, im Mark der Binse und am Blatte der Nießwurz, Fig. 13»
11
Es ist bemerkenswerth, daß die Wände benachbarter Zellen in der Regel
sehr fest an einander hängen, als ob sie zusammengeklebt wären, und alsdann
nur mit Hülfe der Fäulniß oderstarkerchemischerMittel von einander getrennt
werden können. Sie bilden auf diese Weise das sogenannte Zellgewebe.
Allein Berührung und Zusammenhang der Zellwände findet doch nicht allerwärts statt und es bleiben daher bald mehr, bald weniger weite, meistens dreieckige Räume, die gellenzwischengange oder Int'ercellulargänge b,
Fig. 14. I n der Regel führen' dieselben bei jüngeren Geweben wässerigen
I. Gewebelehre.
Die Zelle.
165
Saft; bei älteren Luft und bei dem Holzgewebe einen eigenen Zellenzwischenstoff (siehe §. 17).
Außerdem findet man in den Stengeln
vieler Pflanzen, vorzugsweise der im Wasser
heimischen, zwischen dem Zellgewebe zahlreiche, mitunter sehr weite und regelmäßige
Canäle, welche Luft enthalten.
Solche
L u f t g ä n g e verlaufen nach der Länge des
Stammes und sind auf dem Querschnitt
des spanischen Rohres und des Stengels
der Seerose mit bloßem Auge erkennbar.
Durch Absterben und Zerreißen des
Zellgewebes entstehen nicht selten im I n nern des Stammes Lücken, welche mitun-
ter seinen ganzen mittleren Theil einnehmen, so daß derselbe, wie bei den Gräsern, hohl erscheint.. I n solche Lücken ergießt sich dann öfter der Inhalt geborstener Zellen, in Folge dessen man im Innern vieler Pflanzen sogenannte
S a f t b e h ä l t e r von unbestimmter Form antrifft, die mit Oel, Harz, Gummi
^ oder einem anderen Pflanzenstoffe angefüllt find.
Kehren wir zurück zum inneren Leben der Zelle, so begegnen wir zunächst 12
der merkwürdigen Erscheinung, daß innerhalb mancher Zellen eine eigenthümliche S a f t b e w e g u n g stattfindet. Die schleimige Masse des Protoplasmas
bildet inmitten des klaren Zellsaftes kleine, fadenartige Strömchen, welche in
verschiedenster Richtung, die öfter wechselt, den inneren Umfang der Zelle umkreisen. Während diese Erscheinung früher nur an Zellen einiger Wasserpflanzen, insbesondere der Chara beobachtet worden war, ist sie später Mch
anderwärts und besonders Deutlich in den Haaren der Pflanzen, z. B. der bereits
erwähnten T r a d e s c a n t i a , wahrgenommen worden«
166
^.
Allgemeine Botanik.
Auch die Frage über Entstehung und V e r m e h r u n g der Z e l l e n ,
lange Zeit eine schwierige Aufgabe der Forscher, gehört hierher. , Es steht fest,
daß neue gellen nur im Innern bereits vorhandener Zellen entstehen. I n der
Regel geschieht dieses durch T h e i l u n g einer sogenannten M u t t e r z c l l e , indem
ihr Primordialschlauch Cinfaltungen nach innen bildet, die sich vereinigen, wodurch zwei oder mehrere Tochterzellen entstehen, die sich allmählich mit einer
eigenen Zellhaut umkleiden, während die der Mutterzelle verschwindet Auch
beobachtet man häufig eine sofort in den Tochterzellen vor sich gehende weitere
Theilung in Enkelzellen. Selten kommt die freie Z e l l e n b i l d u n g vor,
indem sich geradezu um einen Theil des schleimigen Inhaltes einer Zelle eine
eigene Zellhaut bildet.
>Z
Von besonderem Interesse sind die Veränderungen, welche im Verlauf des
Pflanzenlebens die Zellwarch erfährt. Dieselbe verdickt sich, indem auf ihrer
inneren Fläche eine zweite Zellhaut sich anlegt, die vom Zellsast ausgeschieden
wurde. Meist folgen dieser noch weitere Ablagerungen, wodurch stets kleinere
gellen in einander geschachtelt erscheinen, so daß deren fünfzehn, wie bei Fig. 15,
ja 30 bis 50 vorhanden sein können, und hierdurch die
innere Zellhöhle fast verschwindet. Bei diesem Vorgang,
auf welchem die V e r h o l z u n g unserer Bäume beruht,
nehmen die inneren Schichten meist eine dunklere, ins
Braune, ja beim Ebenholz selbst ins Schwarze gehende
Färbung an.
Hervorzuheben ist, daß die auf der Innenwand einer
Zelle sich ablagernden Verdickungsschichten keineswegs
gleich jener einen ringsum geschlossenen Schlauch bilden.
Die Haut derselben erscheint vielmehr an vielen Stellen durchbrochen und zwar
in der mannichfachsten Weise. Oft sind es nur einzelne runde Stellen der Zellhaut, welche keine Verdickung erleiden, so daß daselbst, wie Fig. 16 im Querschnitt einer solchen Zelle zeigt, Canäle sich bilden, die von der inneren Zellhöhle zur Zellwand führD. Offenbar muß letztere hierdurch,
von außen betrachtet, ein eigenthümlich gedüpfeltes Ansehen erhalten, wie dies Fig. 17
bei b abgebildet ist. Früher hatte man diese
helleren Punkte irrthümlich für feine Oeffnungen oder Poren gehalten und daher solche
Zellen Porenzellen genannt, welchen Namen
sie beibehalten haben. Wie später gezeigt wird,
haben die unverdickten Stellen der Zellen eine,
große Bedeutung für das Saftleitungsgeschäft
derselben und es treffen in der Regel sich entsprechende unverdickte Stellen der
Wände von Nachbarzellen auf einander, wie an Fig. 18 ersichtlich. Noch
werde bemerkt, daßsichPoren von sehr verschiedener Größe finden, daß sie nicht
immer kreisrund, sondern auch länglich, mitunter selbst spaltenförmig erscheinen.
I.
Gewebelehre.
Die Zelle.
167
GW sehr eigenthümliches Ansehen gewinnen gellen, bei welchen die Verdickungsschichten sich nur in Gestalt einzelner Fäden anlegen, die entweder
ganz unregelmäßig, netzartig vertheilt find, wie bei F i g . 19, oder
die in Gestalt von ringförmigen
oder spiraligen Bändern, Fig. 20
und Fig. 2 1 , auftreten»
Endlich ist noch der eigenthümlich g e d ü p f e l t e n Z e l l e n zu gedenken, die vorzüglich als spin-
delförmige Holzzellen der Nadelhölzer sich finden und ein sehr artiges Ansehen gewähren, Fig. 22. Man erblickt
Fig. 23.
Poren, die hofartig von einem größeren Ringe umgeben sind. Diese Erscheinung beruht darauf, daß die Wandungen zweier Nachbarzellen an den Stellen, wo ihre Poren sich begegnen, nicht
unmittelbar an einander liegen, sondern
eine linsenförmige Höhlung zwischen sich
.haben, deren Umfang dann als ein die
Pore a , Fig. 2 3 , ringförmig umgebender Hof erscheint. Fig. 24 (a. f. S.)
16H
^.
Allgemeine Botanik.
ist ein erläuternder Querschnitt durch eine solche gedüpfelte Zelle aus dem Holze
der Fichte, mit der Pore a, und dem Hof i>.
Eine Verdickung der Zellwand findet nur statt,
wo diese in Berührung mit einer benachbarten Zellwand sich befindet, dagegen niemals an solchen Stellen derselben, die einen Zellenzwischenraum begränzen.
Da im Allgemeinen die Verdickungen neben einander liegender Zellen sich entsprechen, so hieten mitunter verschiedene Selten ein und derselben Zellen verschiedene Verdickungsformen
dar, je nach der Beschaffenheit ihrer Nachbarzellen.
44
Diesen wenig passenden Namen hat man einer Form her Zellen gegeben,
die niemals in den allerjüngsten, noch in der Bildung begriffenen Pflanzentheilen vorkommt, sondern die sich erst später durch Umänderung vorhandener
Zellen ausbildet. Denken wir uns eine Reihe senkrecht über einander gestellter
Zellen, deren Wände da, wo sie sich berühren, verschwinden, so entsteht eine
cylindrische Röhre, welche ein Gefäß genannt wird.
Je nachdem nun die also zu einer Röhre vereinigten Zellen porös, gedüpfelt, mit Spalten, Ringen oder Spiralen versehen waren, entstehen daraus
die verschiedenen Arten der Gefäße, nämlich die porösen, gedüpfelten und
leiterförmigen Gefäße, die Rikggefäße und S p i r a l g e f ä ß e , von welchen
wir in Fig. 25 bei ck, <^, F " einige beisammenstehend finden.
Die Spirale der Zellen entsteht, indem auf der ursprünglichen M W dünnen Zellhaut eine Ablagerung in Form eines spiralförmigen Streifens geschieht,
der meistens in der Folge sich noch verdickt und daher viel stärker als die Zellhaut wird. Daher kam es, daß man anfänglich die Spiralgefäße nur aus
einer spiralförmig gewundenen Faser bestehend ansah,.die sich wie die metallene
I. Gewebelehre.
D u Gefäße.
169
Umspinnung einer Violinsaite aufziehen läßt. Erst später entdeckte man die
zarte Wand der Gefäße und ihre Entstehungsgeschichte aus den Zellen. Besonders leicht lassen sich die Gefäße erkennen, wenn man den Stiel eines Blattes langsam zerbricht, wo alsdann Bündel von Gefäßen als feine Fäden, gleich
Spinnengeweben, an den gebrochenen Enden mit bloßem Auge sich erkennen
lassen.. Genauer läßt sich ihr Bau jedoch erst bei sehr starker Vergrößerung
erkennen. Auf dem Querschnitt erscheinen die Gefäße vorherrschend rund und
meist von bemerklich größerem Durchmesser, als die sie umgehenden Zellen. So
zeigt uns b und i / , Fig. 26, den Längsschnitt zweier Düpfelgefäße von
auffallender Weite, an welchen überdies bei F, F die Stelle erkannt wird, wo die
Querwand der Zellen durchbrochen wurde, aus welchen das Gefäß entstanden ist.
Die Zellen, aus welchen die. Gefäße nachträglich sich bilden, enthalten 15
ursprünglich Saft; derselbe verschwindet jedoch, sobald mit der Durchbrechung der
Querwände die Entstehung der Gefäße vor sich geht. Von da an führen Letztere
nur Luft und scheinen an den Lehensverrichtungen der Pflanzen keinen wesentlichen Antheil zu nehmen, wiewohl sie mitunter, z. B. bei der im Frühjahre eintretenden großen Saftfülle, Flüssigkeit enthalten. Auch begegnet man
in denselben niemals den eigenthümlichen, in §. 17 angeführten Stoffen, welche
den gewöhnlichen Inhalt der Zellen bilden.
,„ Für eine geringere Bedeutung der Gefäße spricht auch der Umstand, daß
eme große Reihe von Pflanzen gar keine Gefäße besitzt, sondern nur aus
Zellen besteht. Sie werden daher Z e l l e n p f l a n z e n genannt und es sind
solche die Schimmelbildungen, Wasserfäden, Pilze, Flechten und Algen, welche
man als die unvollkommensten Pflanzen ansieht. Die übrigen Pflanzen, welche
neben den Zellen auch Gefäße enthalten, heißen Gefäßpflanzen.
Die Gefäße erscheinen nur in ihrer ersten Entstehung einzeln, indem als-
1W
H.. Allgemeine Botanik.
bald durch Hinzutreten neuer Gefäße und Holzzellen die sogenannten Gefäßbündel entstehen. Eine Verwachsung der Gefäße unter einander, oder eine
Verzweigung eines derselben-findet nicht Statt. Niemals trifft man einen
Pftünzentheil, der ausschließlich von Gefäßen gebildet ist, vielmehr sind dieselben
» stets von Zellen umgeben.
k6
Zerreißen wir ein Blatt des Salates, des Mohns und mancher anderer
Pstanzen, so stießt aus vielen Stellen ein dicker, weißer Saft, welcher Milchsaft genannt wird und der unter anderen Bestandtheilen stets Kautschuk
(Chemie §.319) enthält und daher klebrig.ist. Bei dem Schöllkraut hat der
Milchsaft eine gelbe Farbe und wie ausnahmsweise erscheint er bei einigen
Wanzen mit röthlicher oder blauer Farbe.
Der Milchsaft ist in röhrenförmigen Canälen enthalten, die unter einander
verzweigt sind und die ganze Pflanze durchziehen. Ihre Entwickelungsgeschichte
zeigt, daß im jüngsten Zellgewebe der milchsaftführenden Pstanzen noch vor der
Entstehung der Spiralgefäße durch Verschmelzung von Zellen Gänge entstehen,
die anfangs einen farblosen, dann körnigen und endlich milchigen Saft enthalten. Diese Gänge sind anfanglich von einer höchst dünnen, mit der Zeit jedoch
stärker werdenden Haut ausgekleidet.
Die irrige Angabe, daß der Milchsaft ähnlich der Blutbewegung in den
Adern einen Kreislauf mache, ist durch die Beobachtung vollständig widerlegt.
Die eigentliche Bestimmung dieser Organe und ihres Inhalts für die Pflanze
ist nicht ermittelt, allein ihre Bedeutung erscheint als untergeordnet, da sie in
den meisten Pstanzen nicht vorkommen.
17
Wir haben bisher die Pstanzenzelle und das ihr Zugehörige nur in Hinsicht auf Form und Bildung kennen gelernt. Es bleibt übrig, dieselbe auch
nach ihrerchemischenBeschaffenheit und Zusammensetzung der Betrachtung zu
unterwerfen.
Die Zellhaut wird von demZellstoff, auch Cellulose genannt (Chemie
§. 179), gebildet, welcher aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff
(Oi2 2io 0io) besteht. Derselbe wird von Iodlösung nicht blau gefärbt; er
verändert sich iedoch durch die Einwirkung von Schwefelsäure in eine stärkemehlartige Substanz, welche durch Jod eine blaue Färbung erhalt. DaH ungleiche
Verhalten verschiedener Arten von Zellgewebe gegen Lösungsmittel, insbesondere
gegen Schwefelsäure, Kali und Kupferoxyd-Ammoniak hat zur Annahme mehrerer Arten von Zellstoff geführt. Man unterscheidet hiernach den eigentlichen
Zellstoff oder Cellulose, der löslich in Schwefelsäure und unlöslich in
Kalilauge ist, von dem Holzstoff oder Xylogen, der in letzterer sich löst, von
Schwefelsäure wenig angegriffen und nachher durch Jod nicht blau gefärbt wird.
DiechemischeZusammensetzung dieser beiden Substanzen ist jedoch gleich und
I. Die Gewebelehre.
Zellstoff.
171
dieselbe, welche auch der Zellenzwischenstoff besitzt, der häusig die Iellenzwischengänge erfüllt und die Zellen verkittet.
Als Inhalt der Zellen begegnen wir zunächst dem Primordialschlauch und
dem Protoplasma, beides schleimige Stoffe, welche Stickstoff enthalten und zur
Klasse der in t m Chemie (K. 195) beschriebenen Eiweißstofft gehören. Die
Zellen enthalten femer einen farblosen, durchsichtigen Saft, den sogenannten
Zellsaft« Derselbe besteht seiner Hauptmasse nach aus Wasser, in welchem
jedoch mehr oder weniger die löslichen Pfianzmftoffe, wie z. B. Zucker, Gummi,
Eiweiß, Schleim, Säuren, Salze u.a.m. aufgelöst sind, die wir in der Chemie
(§. 181 bis 188) als Producte des Pflanzenreichs kennen gelernt haben.
Ebenso häufig enthalten die Zellen auch feste Körperchen, z. B. kleine
regelmäßige Krystalle, die sich aus der Flüssigkeit ausgeschieden haben, oder
rundliche Körnchen, in welcher Form die S t ä r k e und das B l a t t g r ü n oder
C h l o r o p h y l l , am häusigsten vorkommen. Die Stärkekörnchen werden besonders dadurch deutlich erkennbar, wenn man sie durch etwas Iodlösung violett
gefärbt hat. Auch sieht, man runde Tröpfchen fetten oder flüchtigen Oeles
in dem Zellsaft vieler Pstanzentheile und öfter ist der Saft gefärbt durch
einen darin "gelösten Farbstoff. Endlich erscheint die L u f t häufig als Inhalt
der Zellen, nämlich wenn dieselben älter sind
und an dem Leben der Pflanzen nicht mehr
sich betheiligen.
Die in den Pstanzenzellen enthaltenen
Krystalle lassen in der Regel eine ganz regelmäßige Form erkennen, wie z. B. Rhomboeder von Kalkspath, Fig. 27. Am häufigsten begegnet man jedoch Bündeln von sehr
feinen Krystallspießm, sogenannten R a p h i d e n , Fig. 23. Die S t ä r k e körner verschiedener Pflanzen, wiewohl inchemischerHinsicht übereinstimmend,
bieten so wesentliche Unterschiede in Größe und Gestalt dar, daß die Herkunft
eines Mehles durch das Mikroskop sicher zu erkennen ist. D a es nicht sel- ten von Wichtigkeit ist, hierüber zu entscheiden, so führen wir die Hauptmerkmale der wichtigsten Stärkemehlarten an: Kartoffelstärke besteht aus
Körnern mit zwiebelartig übereinander liegenden
Schichten, Fig: 29; die Stärke von Gerste, Fig. M ,
172
^ . Allgemeine Botanik.
sowie von Roggen, Weizen und Hafer zeigt neben einigen sehr großen, linsenförmigen Körnern, viele kleine Körnchen ohne Mittelstufen; die Stärkekörner
des Hafers lassen bei sehr starker Vergrößerung eine netzartige Zeichnung erkennen und zerspringen durch Druck in scharfkantige Stücke, Fig. 3 1 ; endlich
zeichnen sich die Stärkekörner der Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Wicken, L i n sen und B o h n e n durch eine unregelmäßig sternförmige Zeichnung aus, Fig. 32.
18
Aus der Zusammenstellung von Zellen entsteht dasZellgewebe, welches
ft nach der Art der darin herrschenden Zellenformen ein sehr verschiedenes Ansehen und eine entsprechende Bezeichnung erhalt.
Gin Gewebe, das aus Parenchymzellen s§. 10) besteht, wird Parenchym,
auch wohl Füllgewebe und Nahrungsgewebe genannt, denn seine Zellen
sind es, die vorzüglich das Geschäft der Saftleitung in der Pflanze übernehmen
und in welchen jene Stoffe sich ausscheiden, die im Vorhergehenden als Zellinhalt beschrieben wurden. Stärke, Gummi, Zucker, Oele u. a. m. erscheinen
in denselben als Vorräthe oder sogenannte Reservestoffe niedergelegt, um zu
gewissen Zeiten als Nahrungsmittel zur Weiterbildung von der Pflanze wieder
aufgezehrt zu werden, ein Geschäft, das ihr freilich, der Mensch nicht selten
erspart, indem er es selbst übernimmt.
Ein aus überaus zartwandigen, dabei kleinen und rundlichen Zellen bestehendes Gewebe wird Urparenchym genannt, da aus ihm sämmtliche übrigen
Zellenformen hervorgehen. Sind seine Zellen mehr länglich, so heißt es B i l dungsgewebe oder C a m b i u m , und dieses ist es hauptsächlich, das durch die
in ihm vorgehende Mldung neuer Zellen das Wachsthum der Pflanze befördert.
I m Uebrigen unterscheidet man lockeres und dichtes, dünnwandiges und
dickwandiges Parenchym und außer den in §. 10 dargestellten Formen desselben wird später noch Veranlassung gegeben, w e M
Aus den spindelförmigen Prosenchymzellen, die dickwandig und meistens
verholzt sind, entsteht das Prosenchym oder Holzgewebe, (Fig. 7 und
Fig. 22), sowie aick den Bastzellen das Bastgewebe.
Die Gefäßbündel sind eine Zusammenstellung von Gefäßen verschiedener
Art mit Holzzellen und Bildungsgewebe und unterscheiden sich deutlich von dem
sie umgebenden Parenchym. Auch die Gefäßbündel zeigen verschiedene EigMthümlichkeiten, theils in ihrer Anordnung, theils in ihrer Weiterentwickelung,
I. Gewebelehre. Das Zellgewebe.
173
. so daß hiernach einige große Pftanzengruppen sich unterscheiden lassen. Bei einer
derselben, welcher die Farrnkräuter angehören, entsteht das ganze Gefäßbündel
ziemlich gleichzeitig, bei einer anderen Gruppe, der unter Anderm die Palmen
und Gräser angehören, vergrößert sich das Gefäßbündel noch eine gewisse Zeit
lang, während endlich bei der dritten Gruppe, die alle unsere Bäume enthält,
die Gefäßbündel sich vergrößern, so lange das Leben der Pflanze dauert. Man
nennt die erste Art simultane, die zweite Art geschlossene und die dritte ^
die ungeschlössenen Gefäßbündel.
Bei der Betrachtung des inneren Baues des Slammes werden wir Gelegenheit haben, auf die Anordnung der Gefäßbündel näher einzugehen.
Als ein Gewebe eigener Art ist die O b e r h a u t zu betrachten, welche sich 19
nur an der freien Oberfläche der verschiedenen Pstanzentheile findet. Ihre
bald länglich oder rundlichen, bald abgeplatteten Zellen scheiden nach außen
einen Stoff aus, der Aehnlichkeit mit dem Zellenzwischmstoff hat und als
äußerstes Häutchen, C u t i c u l a genannt, die Außenfläche der Zellen überseht
und die Zelle an ihrer Außenseite verdickt. Fig. 33 zeigt uns die von den
Oberhautzellen eines Blattes ablösbare Cuticula cr, und die verdickenden Cuticularschichten b.
Die Oberhaut der in der Luft befindlichen
Theile der Pflanzen wird E p i d e r m i s genannt.
Sie ist aus sehr stachen tafelförmigen Zellen
gebildet, die entweder überall eng an einander schließen, oder an einzelnen Stellen ^von
den sogenannten S p a l t ö f f n u n g e n unterbrochen find. I n Fig. 34 sehen
wir am Durchschnitt eines Blattes die großen durchsichtigen und inhaltleeren
Zellen der Oberhaut und darunter die mit grünen Körnchen erfüllten Parenchymzellen des Blattes. An zwei Stellen befinden sich Spaltöffnungen, an
deren Mündung zwei halbmondförmige Zellen, die Sckließzellen, liegen.
Wie man sieht, befindet sich unter jeder Spaltöffnung ein hohler Raum, die sogenannte Athemhöhle, welche mit den Zellenzwischengängen in Verbindung steht.
Solcher Spaltöffnungen, welche in Fig. 35 (a. f. S.) von oben gesehen dargestellt sind, trifft man vorzugsweise auf der unteren Seite der Blätter eine so
große Anzahl, daß man auf einer Quadratlinie hundert, ja tausend derselben
gezählt hat. Durch diese kleinen Organe steht das scheinbar abgeschlossene
Innere der Pflanze in vielfacher Weise mit der äußeren Luft in Berührung.
Bei Pstanzencheilm, die sich in der Erde oder in Wasser befinden, also bei den
174
^.. Allgemeine Botanik.
Wurzeln, besteht die Oberhaut aus dickwandigen, abgeplatteten gellen ohne
Spaltöffnungen und wird E p i b l e m a genannt.
M
Hausig zeigen einzelne Jellcn der Oberhaut eine auffallende abweichende
Bildung, indem sie, sehr in die Länge gezogen, als Haare erscheinen, Fig. 36.
Dieselben sind zuweilen noch verästelt, auch haben manche an der Spitze ein
Knöpfchen und, sondern einen eigenthümlichen Saft ab, in welchem Falle sie
DrüsenhaarL genannt werden; B r e n n h a a r e heißen sie, wenn sie einen
brennenden Saft enthalten, wie bei den Nesseln. Auch die Borsten, die Stacheln, die Drüsen, die Warzen und namentlich die Substanz, welche den bekannten Kork bildet, entstehen aus Umbildungen der OberhautzeUen. Indem letztere verschwinden, tritt an ihre Stelle ein Gewebe aus tafelförmigen Korkzellen
von kurzer Lebensdauer, die weder verholzen, noch Nahrungsstoffe oder Blattgrün absondern, wohl aber eine wachsartige Substanz. Auch nehmen sie alsbald eine braune Färbung an. Es entsteht auf diese Weise eine Korkschicht,
welche den Einfluß der Luft auf die von ihr bedeckten Pftanzentheile abhält.
Insbesondere bildet sich Kork auch an Wundfiächen und bewirkt deren Vernarbung. Der Kork unterscheidet sich inchemischerHinsicht von dem Zellstoff
und Holzstoff. Salpetersäure scheidet aus demselben die erwähnte wachsartige
Substanz und verwandelt ihn endlich in Korksäure,
M.
21
Gestültnngslehre'oder M o r p h o l o g i e .
Die Gestaltungslehre unterrichtet uns über Form und Entwickelung
der mannichfachen Gestaltungen an den Pflanzen, welche aus den Geweben
gebildet sind und als die Zusammengesetzten Organe derselben bezeichnet
werden.
Legen wir ein Samenkorn des L e i n s , dessen Längsschnitt in Fig. 37
achtmal vergrößert erscheint, in die feuchte Erde, so quillt dasselbe auf, es verlängert sich allmählich der T h e i l / u n d dringt mit seiner unteren Spitze in die
Erde, während die oberhalb befindlichen Theile c? und s des Samens über die
Erde gehoben werden und nach erfolgter Sprengung der Samenschalen <A
II.
Gestaltungslehre.
175
und b sich in Gestalt zweier Blättchen entfalten. I n wenig Tagen ist auf
diese Weise ein junges Pflänzchen entstanden, Fig. 38, an welchem wir W u r zel, S t e n g e l und B l ä t t e r unterscheiden. Wir sehen ferner eine zwischen
, letzterensitzendeKnospe o, die bei fernerem Wachsthum den Stengel verlängert,
aufs Neue Blätter entfaltet, endlich die
B l ü t h e erzeugt, welcher die Frucht
folgt, womit die weitere Entwickelung
abgeschlossen erscheint.
Wir haben in Vorstehendem die
Hauptorgane der Pflanze bezeichnet
und erkannt, daß diefelbm im K e i m
des Samenkorns bereits vorgebildet sind«
Wir sehen ferner, daß die Entwickelung
der Pflanze vorwiegend in einer Längsrichtung stattfindet, durch welche wir
uns eine Linie, die Achse der Pflanze,
gelegt denken können, so daß Pflanzentheile, welche von dieser Hauptachse seitlich
sich entfernen, als Nebenachsen oder S e i t e n o r g a u e bezeichnet werden, wie
z. B. die Blätter.
Es wird somit die Betrachtung der Entwickelung, der Gestalt und des
Baues der W u r z e l , des S t e n g e l s , des B l a t t e s , der B l ü t h e und der
Frucht den Hauptinhalt der Gestaltungslehre ausmachen.
Allein der soeben beschriebene Entwickelungsgang mit den dabei aufge- 22
zählten Gebilden ist bei einer sehr großen Anzahl von Pflanzen keineswegs
anzutreffen. Viele derselben bestehen nur aus ganz vereinzelten, oft mikroskopisch
kleinen, frei im Wasser schwimmenden Hellen; andere aus gellen, die zu einzelnen oder verwebten Fäden aneinander gereiht sind, während wieder andere
Pflanzen nur eine blattartige oder krustenartige Fläche bilden. Von Wurzel,
Stengel und Blatt ist bei all diesen Pstanzenformen keine Rede. Sodann begegnen wir solchen, die zwar die letztgenannten Organe befitzen, aber weder
Blüthen entfalten, noch Früchte zur Reife bringen.
Es unterscheiden sich hiernach alle Pflanzen in zwei Hauptabtheilungen:
in vollkommnere Pflanzen, welche eine Blüthe erzeugen und daher deutlich
blühende Gewächse oder Phanerogamen genannt werden, und in unvollkommene Pflanzen, bei welchen Blüthetheile gar nicht oder nur in unvollkoms
mener Weise vorhanden find, weshalb sie undeutlich blühende Gewächse
oder Kryptogamen heißen.
Die vollkommneren Gewächse machen bei Weitem den größeren und bedeu- 2 3
tenderen Theil der Pflanzenwelt aus; sie find durch ihre Erscheinung und ihre
Producte unserem Auge und Bedürfniß am nächsten gerückt. Daher werden
wir uns zunächst auf die Gestaltungslehre der Phanerogamen beschränken»
Mein auch die Kryptogamen bieten des Merkwürdigen und zum Verständniß
H.. Allgemeine Botanik.
176
des ganzen Pflanzenlebens so Wichtiges, daß hiervon bei der Beschreibung der
einzelnen Pstanzenfamilien das Erforderliche mitgetheilt werden soll.
I m Allgemeinen werde bemerkt, daß die Mehrzahl der K r y p t o g a m e n ,
nämlich die Pilze, Algen und Flechten, nur aus g e l l e n gebildet ist, dgher
gellenpflanzen genannt werden, während die höheren Kryptogamen, die
Moose, Schachtelhalme, Bärlappen und Farrnkräuter, außer Zellen auch Gefäße enthalten, gleich den Phanerogamen und mit diesen gemeinschaftlich
als Gefäßpflanzen bezeichnet werden.
24
Dehnen wir unsere Beobachtung der Entwickelung von Samen, die wir
mit der des Leins (§. 21) begonnen haben, noch auf weitere phanerogamische
Gewachse aus. Wir legen zu diesem Zwecke eine Bohne in Wasser und lassen
dieselbe aufquellen, bis ihr Keim hervorkommt und bringen sie alsdann in die
Erde. I n wenigen Tagen hat sich eine junge Pflanze, Fig. 39, entwickelt;
die Bohne erscheint in zwei
Hälften a und i> gespalten,
aus welchen sich die Wurzel
abwärts gesenkt und bereits
Seitenäste <ici getrieben hat.
Auch der Stengel hat sich beträchtlich verlängert und ist in
gewissen Abständen mit unvollkommnen Blättern A ' besetzt, während oben vollkommnere Z/i in der Ausbildung
begriffen sind. Gin etwas
älteres Pflänzchen, Fig. 40
zeigt diese Blätter sck ausgebildet und zwischen denselben
das Knöspchen s. Unterhalb
derselben hängen in Gestalt
zweier dicker und fleischiger
Lappen ab, die im Verwelken
sind, die früheren Hälften der Bohne als sogenannte S a m e n l a p p e n .
Der größere Theil der phanerogamischen Gewächse stimmt bei der Entwickelung seines Samens mit Vorstehendem Verein, indem die beiden SamenHälften in Gestalt von Samenlappen als die ersten Blätter am Stengel des
jungen Pstänzchens auftreten. Bei manchen Pflanzen, z. B. der Eiche, werden
jedoch die Samenlappen nicht aus der Erde hervorgehoben, bei anderen vertrocknen dieselben bald und fallen ab, bei anderen nehmm sie dagegHt^Farbe
und Eigenschaften der Stengelblätter an, von denen sie aber stets in ihrer
Form sich unterscheiden.
Betrachten wir dagegen ein junges Pstänzchen, das aus einem Getreidekorn, z. B. aus dem H a f e r k o r n , sich entwickelt hat, Fig. 4 1 , in sechsfacher
Vergrößerung, so sehen wir nur ein einziges Keimblatt cr als Samenlappen
II.
Gestaltungslehre.
Die Wurzel.
177
die Knospe/ans Tagslicht begleiten, während das Nürzelchen ci nahrungsuchend in die Erde eindringt. Ein gleicher Vorgang zeigt sich bei einer
großen Anzahl von Pflanzen bei ihrer Entwickelung aus
Samen.
Der S a m e n l a p p e n wird K o t y l e d o genannt und je 25
nach seinem vereinzelten oder paarweisen Auftreten unterscheidet
man sämmtliche Phanerogamen in zwei Hauptabtheilungen: in
Einsamlappige oder Monokothledonen und in Z w e i samlappige oder D i k o t y l e d o n e n . Die Angehörigen beider
Abtheilungen haben noch weitere eigenthünüiche Merkmale, woran
siesichauch später erkennen lassen, wenn ihre Samenlappen
längst verschwunden sind. Am auffallendsten zeigte sich dies im
Bau der Blätter, indem die Rippen derselben im Blatte der
Monokotyledonen neben einander herlaufen, bei den Dikotyledonen dagegen netzartig verzweigt sind. Da die kryptogamischen Wanzen keine Samen erzeugen, welche denen der
Phanerogamen vergleichbar sind, so werden bei ihrer ersten Entwickelung auch keine Samenlappen wahrgenommen und man
hat sie in Beziehung hierauf Akotyledonen, d. i. Ohnsamenlappige,
genannt.
Die Wurzel ist es, durch welche im Allgemeinen die Pflanze in der Erde 26
befestigt erscheint und aus derselben ihre Nahrung schöpft. Sie wäre demnach
als unterirdisches Ernährungsorgan der Pflanze zu bezeichnen, während der
Stengel oder S t a m m den oberirdischen Theil ausmacht. Allein bei genauerer.
Beobachtung erweist sich diese Unterscheidung als ungenügend, denn nicht allein
daß viele Pflanzen schwimmende, im Nasser befindliche Wurzeln haben,
sehen wir auch, daß manche Bäume der heißen Zone aus ihren Aesten sogenannte L u f t w u r z e l n herabsenken, die sich nach der Erde zu verlängern, diese
endlich erreichen und darin wurzeln; wir sehen ferner, wie unser bekannter
Epheu mit H a f t w u r z e l n an Bäumen, Felsen und Mauerwerk sich anklammert.
Andererseits begegnen wir unter der Erde gar manchen Gebilden, die
gemeinhin als Wurzeln angesehen werden, deren Bau und spätere Entwickelung
uns jedoch belehrt, daß wir hier einen Stamm vor uns haben, der niemals
über die Erdoberfläche sich erhebt, sondern nur seine Zweige dahin entsendet,
wie dies bei allen Zwiebel- und Knollengewächsen der Fall ist.
Zur augenfälligsten Unterscheidung von Wurzel und Stamm dient, daß
an ersterer niemals Blätter sich zeigen, während letzterer selbst unter der Erde
stets die Anlage zur künftigen Blattentwickelung erkennen läßt, wenn auch oft
nur in Gestalt kümmerlicher Schuppen. Auch hat die eigenthümliche Oberhaut
der Wurzel,-das Epiblema (§. 19), keine Spaltöffnungen und in ihrem
Zellgewebe entwickelt sich kein Blattgrün.
II.
'2
L . Allgemeine Botcnuf.
178
Ein feinerer anatomischer Unterschied zeigt sich noch darin, daß der äußerste
Punkt, an welchem die Wurzel sich verlängert, der sogenannte Sproßpunkt
oder V e g c t a t i o n s p u n k t , stets mit einer lockeren Hülle von netzartigem Zellgewebe bedeckt ist, welches dieWurzelhaube genannt wird, während der Sproßpunkt am äußersten Ende des Stammes keinerlei Bedeckung hat.
I m Uebrigen erscheint die Wurzel allerdings als ein Haupternährungsorgan, denn sie ist zur Aufnahme des bedeutendsten Theiles der Pstanzennahrung bestimmt, und zu gewissen Zeiten ist sie es ausschließlich, welche die Ernährung der Pflanze besorgt. Die Wurzelfasern saugen aus ihrer Umgebung
Wasser und die in demselben aufgelösten Stoffe auf und entwickelnsichvorzugsweise nach der Richtung, aus welcher ihnen Nahrung zukommt, so daß wir dieselben häufig ihre Nahrung gleichsam aufsuchen, ihr entgegenwachsen sehen;
mitunter durchdringen sie dabei die dichteste Erdmasse und finden ihren Weg
durch die Risse und Spalten der Gesteine.
3?
Hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung ist die Wurzel entweder einfach
oder verzweigt und hat alsdann mehr oder weniger zahlreiche und starke Aeste.
Der nach der Tiefe dringende Hauptwurzelstamm heißt die P f a h l w u r z e l , die nach
den Seiten auslaufenden Aeste werden T h a u w u r z e l n genannt; beide find in
Fig, 43 dargestellt.
Formen der einfachen Wurzel sind: die fadenförmige Wurzel, Fig. 42;
die spindelförmige Wurzel, Fig. 44; die rübenförmige Wurzel, Fig. 45;
die knotenförmige Wurzel.
Bei vielen Pflanzen gelangt jedoch eine Pfahlwurzel gar nicht zur Ausbildung; der im Samenkeim hierfür bestimmte Theil (<?, Fig. 41) stirbt ab, und
es entspringen am unteren Ende deFStengels sogenannte N e b e n w u W
Adventivwurzeln. Es ist dies bei sämmtlichen
der Fall
und es entstehen hierdurch meist büschelförmige Wurzeln, Fig. 46, wie bei
unseren Gräsern und Gctreidearten.
Nicht selten findet man die jüngeren Wurzeltheile mit feinen Haaren
besetzt.
Die Wurzeln verbreiten sich im Allgemeinen tiefer und weiter, als mau
I I . Gestaltungslehre.
Der Stamm.
I7H
gewöhnlich annimmt, da es nicht leicht gelingt, ihre feinsten Fasern ohne Zerreißung herauszunehmen» Selbst bei kleineren Gewächsen, wie z. B. dem Thymian nnd der Zuckerrübe, «reicht sie mit letzteren eine Länge von 6 bis 10
Fuß. Es ist hiervon nicht nur die Grnährungsfähigkeit derWurzel> sondern auch die Befestigung
der Pflanze wesentlich bedingt« Die Weißtanne
und die Eiche mit gesunder, tiefgründiger Pfahlwurzel widerstehen dem heftigsten S t u r m , während die Rothtanne und Pappel, deren Hauptwurzel alsbald zurückgeht, während ihre Nebenäste
sich weit aber oberflächlich verbreiten, leicht umgegestürzt werden«
Der innere B a u der Wurzel stimmt in der
Hauptsache überein mit der des Stammes, wie
bei dessen Besprechung gezeigt wird.
Der Stamm wird S t e n g e l genannt, wenn er jung und dünn, 28
auch wenn er zart und grün ist, eine Bezeichnung, die bei manchen Gewächsen
vorübergehend, für andere dagegen bleibend ist« Wir haben bereits in §. 26
als Stengel denjenigen Theil der Pflanzenachse kennen gelernt, der durch Wachsen
an der freien unbedeckten Spitze, S p r o ß p u n k t oder Vegetationspunkt genannt/sich verlängert und als seitliche Organe die Blätter entwickelt.
Der zwischen Zwei auf einander folgenden Blättern befindliche Theil des
Stengels bildet ein G l i e d oder I n t c r f o l i a r t h e i l und die Stcngelglieder
besitzen nicht nur^bei verschiedenen Pflanzen, sondern auch an verschiedenen
Stellen derselben Pflanzen oft eine sehr ungleiche Länge. Ja mitunter sind
die Glieder so verkürzt, daß mehrere Blätter ringsum in gleicher Höhe entspringen und daß ein Stengel gar nicht vorhanden zu sein scheint, wie uns
dies von der Erdbeere, der Schlüsselblume und dem Wegerich bekannt ist, wo
aus den an der Erde ausgebreiteten Blättern sofort der Blüttzenstiel sich erhebt.
Auch erscheint in ähnlichen Fällen der Stengel statt in die Länge gezogen, mitunter seitlich verdickt, scheiden- oder knollenförmig.
Die Stelle, ander ein Blatt entspringt, hat eine besondere Bedeutung.
Sie ist nicht selten durch eine wulstige Anschwellung ausgezeichnet und. heißt
alsdann Knoten. Hier ist es nämlich, wo in der Achsel des Blattes auch
die Knospe entspringt, welche später zu den^ seitlichen Achsengebilden, den
Resten und Zweigen sich ausbildet.
Wir unterscheiden den oberirdischen Stamm und den unterirdischen 29
Stamm.
Formen des oberirdischen Stammes sind:
1« Der Holzstamm. Derselbe ist als die vollkommenste aller Stammformen anzusehen und zeichnet sich durch seine feste holzige Beschaffenheit und
180
H.. Allgemeine Botanik.
Ausdauer besonders aus. Wir begegnen demselben an allen unseren bekannteren Bäumen und Sträuchern, weshalb er vorzugsweise Aufmerksamkeit verdient.
2. Der S t o ck'oder Palmstamm, ist den Palmen und größern Farrnkräutern
eigen und erscheint meist als ein einfacher, gleichmäßig dicker Stamm, derdurch sichtbare Nebenwurzeln befestigt ist (Fig. 47).
Derselbe verzweigt sich nur bei wenigen
Arten und ist an seiner Oberstäche meist in
regelmäßiger Weise durch die Narben der
abgefallenen Blätter ausgezeichnet.
3. Der Krautstcngel, auch kurz
S t e n g e l genannt, bleibt grün, saftig, verholzt nicht und hat in der Regel nur eine
einjährige Dauer, weshalb er in wenigen
Fällen beträchtliche Größe erreicht, wie bei
der Banane und dem Wunderbaum.
4. Der H a l m , ist der bekannte, meist
hohle Stengel, wie unsere Gräser und Getreidearten ihn darbieten, durch Knoten abgetheilt und beim Welschkorn ziemliche Dicke
und beim Bambusrohr baumartige Größe
erreichend.
Formen des unterirdischen S t a m mes sind:
1. Der Wurzelstock oder Rhizoma.
Von vielen Gewächsen, die eine mehrjährige Dauer haben, bekommen wir nur
den Gipfel zu Gesicht, indem der eigentliche Stamm von rvmzelähnlichem Ansehen unter der Erde verbleibt. Er ist kenntlich an blattähnlichen Schuppen,
Blattnarben und Knospen «, Fig. 48, in deren Nähe Nebcnwmzeln entspringen«
Ans derartigen Wurzelstöcken entsprießen aMhrlich u. A. das Maiblümchen,
Fig. 49, der S p a r g e l , der Hopfen und die schwer zu vertilgende Quegge.
I I . Gcstaltungslehre.
Der Stamm.
181
2. Die Zwiebel ist, wie Fig. 50 im Längsschnitt zeigt, eine scheibenförmige verkürzte Achse b, mit fleischigen Blättern, in deren Achseln als Knospenkleine Zwiebeln a<n erscheinen, die als B r u t zwiebeln zur Vermehrung der Zwiebelgewächse dienen. Die in den saftigen Deckblättern enthaltenen Stoffe gewähren der jungen Pflanze Nahrung, bis dieselbe von den
unterhalb der Zwiebelscheibe entspringenden
Nebenwurzeln in hinreichender Menge zugeführt wird.
3. Der K n o l l e n bildet sich, indem durch
massenhafte Anhäufung stärkemehlartiger Stoffe
der unterirdische Stamm, oder auch die Seitentriebe desselben sich beträchtlich verdicken, wie
dies bei dem T o p i n a m b u r , Fig. 51 der Fall
ist. Man bemerkt an den Knollen kaum die
Spur eines Blattes, wohl aber Knospen oder
Augen. Gleich den Zwiebeln sind die Knollen
sehr geeignet zur Vermehrung der Gewächse.
Legt man einen Knollen in die Erde, so entwickeln sich seine Knospen, indem
sie Stengeltriebe und Nebenwurzeln entsenden, wobei der reichliche, im Zellgewebe aufgespeicherte Stärkevorrath als erste Nahrung verwendet wird. Wir
sehen dies, an unseren bekannten Knollengewächsen, der D a h l i e , dem T o p i nambur und der K a r t o f f e l . Bei Letzteren können wir überhaupt nur an dem
aus Samen gezogenen Pstänzchen eine eigentliche Pfahlwurzel zu sehen bekommen.
Die Wmzelknollen der verschiedenen Arten von Orchis, die rund oder
handförmig sind, Fig. 52 und Fig.'53 werden wohl richtiger als knollig verdickte Wmzelsasern anzusehen sein.
182
A. Allgemeine Botanik.
M
Bei der Beschreibung aller seither genannten Stammarten berücksichtigt
man noch einige Eigenthikulichkeitcn, in welchen dieselben bei verschiedenen
Pflanzen von einander abweichen. Insbesondere sind es die Stengelformen,
bei welchen der Querschnitt oft sehr eigenthümlich ist und von der Walzenform abweicht, welche als die ursprüngliche anzusehen ist. Beispielsweise führen
wir an, den dreikantigen, vierseitigen und f ü n f r i p p i g e n Stengel,
Fig. 54, 55 und 56.
Weitere Unterschiede ergeben sich
in Betracht der Substanz, Richtung,
Lage und Dauer einer Stammform.
Von der Substanz des Stammes ist natürlich die Festigkeit, Stärke,
sowie sein äußeres und inneres Ansehen abhängig, deren Verschiedenheit durch
die folgenden Ausbrücke hinreichend genau und verständlich bezeichnet wird. Der
Stamm ist demnach entweder fest und dicht, oder locker, m a r k i g , hohl,
r ö h r i g , holzig, faserig, k r a u t a r t i g , fleischig, s a f t i g , biegsam,
zerbrechliche starr, zähe, schwank, schlaff.
Hinsichtlich seiner Richtung unterscheiden wir den Stamm als aufrecht,
oder aufsteigend, gerade, h i n - und hergebogen, übergewogen, überhängend, hängend, hingestreckt, niederliegend, kriechend, w u r z e l rankend.
Nach scinerLage istder Stamm oberirdisch oder unterirdisch, schwimmend, fluthend, klimmend, k l e t t e r n d , rechts oder links gewunden.
Die Dauer des Stammes, die in der Regel die der ganzen Pflanze mit- begreift, wird darnach beurtheilt, ob er die einmalige Hervorbringung von
Blüthe und Frucht überlebt, oder nicht, und nach der Zeit, die zur Erzeugung
jener Organe erforderlich ist.
Hiernach unterscheidet man die Pflanzen a) in einjährige oder SommerPflanzen, neben deren Namen man das Zeichen <I oder (1) setzt, b) Zweijährige Pflanzen, Zeichen <^, V , oder (2). o) Mehrjährige oder ausdauernde Pflanzen,
Bäume und Sträucher.
I n n e r e r B a u des Stammes.
31
Der innere Bau des Stammes ist unbedingt von seiner äußeren Form.
Die Verschiedenheiten, welchen wir bei Betrachtung desselben begegnen, sind abhängig von dem gegenseitigen Verhältnisse des Zellgewebes und der Gefäßbündel, welche die Masse des Stammes ausmachen, sodann von der Art und Weise,
wie die Gefäßbündel zu einander gestellt oder geordnet
sind.
^ ^ ^
Wir haben bereits in §.25 die drei Hauptgruppen kennen gelernt, in
welche alle Pflanzen je nach der Art ihrer ersten jugendlichen Entwickelung
unterschieden werden.' Aus Nachfolgendem wird sich ergeben, daß auch im
inneren Bau des Stammes bei jeder dieser Abtheilungen eine bezeichnende Eigenthümlichkeit herrscht, wodurch sie sich ebenfalls unterscheiden lassen.
I I . Gestaltnngslchrc.
Der Stamm»
183
S t a m m der A k o t y l e d o n e n .
Nur bei den vollkommnerm Pflanzen dieser Gruppe begegnen wir einem 32
Stengel oder Stamm. Es gehören hierher die Moose, bei welchen nur ein
einziges, die Mitte einnehmendes Gefäßbündel vorhanden ist, Fig. 57« Ein
gleiches Verhältniß findet bei einigen Gattungen aus den Familien der Schachtelhalme und Lykopodien Statt, die im Uebrigen einen einfachen Kreis von
Gefäßbimdeln besitzen. Aehnlich verhält es sich bei den F a r r n k r ä u t e r n , indem hier neben vereinzelten Gefäßbündeln größere
Gruppen derselben einen
mehr oder weniger regelmäßigen und geschlossenen
Ring bilden, Fig. 58. Dieselben erscheinen auf dem
Querschnitt mitunter als
artige Zeichnungen, die z.B.
bei unserem A d l e r f a r r n einigermaßen einem Doppeladler gleichen.
Das einmal ausgebildete Gefäßbündel der Akotyledonen verdickt sich nicht
weiter und setzt sein Wachsthum nur an der Spitze fort.
S t a m M der M o n o k o t y l e d o n e n .
Aus dieser Gruppe, zu der unter anderen unsere sämmtlichen Gräser und 33
Zwiebelgewächse gehören, läßt namentlich der Stamm der P a l m e n das Eigenthümliche des Wachsthums am besten erkennen. Betrachten wir den Querschnitt
eines solchen, Fig. 5 9 , so sehen wir eine große Anzahl einzelner Gefäßbündel anscheinend
ohne besondere Ordnung im Zellgewebe des
Markes vertheilt.
Man unterscheidet an den einzelnen Gefäßbündeln den äußeren B a s t t h e i l , der aus dickwandigen Holzzellen besteht, und den aus Ge- >
faßen gebildeten H o l z t h e i l , der dem Mittelpunkt des Stammes zugewendet ist« Auch bemerkt man, daß in dessen Mitte zwar größere,
aber weniger zahlreiche Gefäßbündel vochan«
den sind, während dieselben nach dem Umfang hin dicht zusammengedrängt erscheinen. Daher besitzt bei dm PalmstäTmen nur die äußere Schicht eine holzige Beschaffenheit und mitunter sehr
beträchtliche Härte, während die inneren Theile locker und die Mitte öfter mit
stärkemehlhaltigem Mark erfüllt oder hohl ist. Letzteres tritt insbesondere auch
bei den Gräsern ein. Wir finden somit an dea Palmstämmen weder ein
eigentliches Holz, noch eine davon scharf unterschiedene Rinde, noch ein genau
umschlossenes Mark.
184
H.. Allgemcim' Botanik.
Die Gefäßbündel der Monokotyledonen sind nach ihrer Ausbildung geschlossen, indem sie sich nicht verdicken und nur an der Spitze wachsen. Daher
tritt bei den meisten der hierher gehörigen Pstanzen keine spätere Verdickung
des Stengels oder Stammes ein, wie namentlich nicht bei allen einjährigen
Gräsern. Manche Palmstämme, die ein hohes Alter erreichen, nehmen dagegen
fortwährend an Umfang zu, und ein berühmtes Beispiel hierfür ist ein
Drachenbaum auf Teneriffa von 70 Fuß Höhe und 80 Fuß Umfang am
Grunde des Stammes. Die Verdickung geschieht in diesem Falle durch Theilung der im Umfange des Stammes vorhandenen Gefäßbündel.
S t a m m der Dikotyledonen.
34
Wir kommen hiermit zur Betrachtung derjenigen Stammesbildung, die
unseren heimischen Bäumen in Garten, Feld und Wald eigen ist. Bei diesen stehen die Gefäßbündel in Kreisen um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt,
der aus Markzellen besteht und M a rk genannt wird.
Bevor wir jedoch die Stellung der Gefäßbündel weiter verfolgen, ist es
nothwendig, daß wir diese selbst genauer kennen lernen. Fig. 60 zeigt den
Querschnitt eines Gefäßbündels aus einer den Dikothledonm angehörigen
Pflanze in 230facher Vergrößerung. Der M l giebt die Richtung von Innen
nach Außen an. Wir sehen hier das eigentliche Gefäßbündel umgeben von sehr
I I . Gestaltungslchre.
Der Stamm.
185
großzelligem Gewebe (« a^, b , s , / ) . Die fast quadratischen Zellen a a' bilden
die Oberhaut, worauf das lockete Zellgewebe b der Ninde folgt. Letzteres umgiebt eine halbmondförmige Gruppe von Bastzellen <?, welche den Bafitheil des
Oefäßbündels bildet, der durch eine Lage von Bildungsgewebe (ci F ci") von
dem nach innen stehenden, aus Gefäßen und langgestreckten Holzzellen bestehenden Holztheil des Gefäßbündels getrennt ist. Die Gefäße dieses letzteren find
auf dem Querschnitt theils an den dickeren Wänden (ssL), theils durch ihre
größere Weite M ) kenntlich. Z u bemerken ist noch, daß das Bildungsgewebe
(Cambium § . 1 8 ) cici" zu beiden Seiten des Gefäßbündels heraustritt und
sich bis zu den nächsten Gefäßbündeln fortsetzt und so einen ununterbrochenen
Kreis im ganzen Umfang des Stammes darstellt.
Die folgende Abbildung, Fig. 6 1 , giebt uns eine Darstellung desselben
Gefäßbündels im Längsschnitt. Auch hier erkennen wir deutlich, wie der Holz-
ig
Mark
N
1
I5
Holzkörper
i
k
ä"
c^
ä
«
Cackbium Vast
h
5
Rinde
theil aus Gefäßen und Holzzellen verschiedener Art (/l, i, A, l, w) gebildet ist
und durch das äußerst zartwandige, saftreiche Gewebe (ci,F^") der Cambiumfchicht von dem Basttheil 0 getrennt wird, dessen dickwandige gestreckte Zellen
sich mit ihren zugespitzten Enden in einander schieben. Das ganze Gefäßbündel von a bis M ist von dem lockeren Zellgewebe der Rinde (n, b) und
des Markes/ umgeben.
Eine Anzahl solcher Gefäßbündel sehen wir nun in der schematischen Fig. 62 3 5
(a.f. S.), welche den Querschnitt eines einjährigen Stammes beträchtlich vergrößert vorstellen und uns zur Erläuterung dienen soll, kreisförmig gruppirt. .
Sie sind rings umgeben von lockerem Parenchymgewebe und sammt diesem ein-
186
ä.« Allgemeine Botanik.
geschlossen von der flachzelligen Oberhaut a. Durch a<lle Gefäßbündel zieht, sich
ein RinZ von Bildungsgewebe b, der sogenannte V e r d i c k u n g s r i n g , jedes
Bündel in den kleineren, nach außen stehenden
B a s t t h e i l o und den größeren, nach Innen
liegenden H o l z t h e i l <l zerlegend. I m weiteren Verlauf wird Alles, was außerhalb des
Verdickungsringes sich befindet, zur Rinde gerechnet das innerhalb befindliche bildet das
Holz. Das mittlere, von dm Gefäßbündeln
eingeschlossene Gewebe ist das M a r k , und die
zwischen den Gefäßbündeln verlaufenden Partien desselben werden die Markstrahlen genannt. Wie man sieht, steht durch Letztere der äußere Umfang des Stammes
mit dessen mittlerem Theil in saftleitender Verbindung«
36
I n dem Vorhandensein dieses Verdickungsringes oder Cambiumringes beruht vorzüglich die bezeichnende Eigenthümlichkeit des Stammes der
Dikotyledonen, da jener den Pflanzen der beiden übrigen großen Pflanzengruppen fehlt. Den bedeutungsvollen Namen des Verdickungsringes hat er
aber erhalten, weil diese Schichte es ist, in welcher die neu entstehenden, den
Stamm verdickenden Gebilde sich später einschieben.
Das Wachsthum unserer Holzstämme geschieht nämlich in der Weise, daß
im Verlauf des zweiten Jahres innerhalb des Bildungsgewebes eines jeden
Gefäßbündels ein neues Gefaßbündel entsteht. Dieses Letztere, dem Vorhandenen in jeder Beziehung ähnlich, erscheint also eingeschoben zwischen dessen
Holz- und Basttheil, und da dieser Vorgang bei allen Gefäßbündeln stattfindet,
so sehen wir im zweijährigen Stamme das Mark umgeben von doppelten Holzund Bastringen, zwischen welchen das Bildungsgewebe der neuen Gefäßbündel sich hinzieht.
I m Bildungsgewebe vom zweiten Jahre entsteht im dritten Jahre abermals ein Kreis neuer Gefäßbündel und indem Jahr für Jahr eine solche Einschiebung in dem letztentftandenen VerdickungsrinZ sich wiederholt, nimmt der
Stamm fortwährend an Umfang zu. Zugleich verlängern sich die vorhandenen
Gefäßbündel durch fortgesetztes Wachsthum an der Spitze, welchem nur ein
Ziel gesetzt wird, wenn an dieser eine Blüthe zur Entwickelung gelangt. Wegen
dieser stetigen, aus den Gefäßbündeln der Dikotyledonen hervorgehenden Weiterbildungen werden dieselben ungeschlossene Gefäßbündel genannt.
37
Bei dieser Bildung des Holzstammes findet noch die Eigenthümllchkeit
statt, daß die im Frühjahre im Verdickungsringe entstehenden Holzzellen weiter
und lockerer sind, als die später nachfolgenden, welche fortwährend enger und
dickwandiger erscheinen, bis endlich mit Eintritt des Winters völliger Stillstand
erfolgt und somit die Ausbildung der Gefäßbündel des Jahres zum Abschluß
gekommen ist. Es entsteht hierdurch eine Ungleichheit in der Dichte des Holzes,
die sich auf dessen Querschnitt schon dem bloßen Auge durch jene bekannten
concentrischen Kreise zu erkennen giebt, welche J a h r r i n g e genannt werden, da
I I . Gestaltungslehre.' Der Stamm.
18?
zur Bildung eines solchen jedesmal em Jahr erforderlich ist« Die Kiefer hat
besonders deutlich erkennbare Jahrringe, indem hellere und dunklere Streifen,
a, Fig. 63, mit einander abwechseln, wie an diesem in natürlicher Größe abgebildeten Querschnitt aus ihrem Holze ersichtlich ist. Unterwirft man jedoch das kleine Stückchen ^ desselben einer
angemessenen Vergrößerung, Fig, 6 4 , so sehen wir die
anfänglich weiten Zellen mehr und mehr sich verengen und
verdicken, bis plötzlich wieder eine Lage ganz weiter Zellen
austritt« Es ist somit zwischen a und i> die Gränze, wo an
die engen gellen des früheren Jahrringes die weiten des
nachfolgenden sich anreihen«
-Der Stamm vieler Dikotyledonen der heißen
Länder zeigt keine Jahrringe, weil dort eine ununterbrochene und gleichmäßige Bildung neuer Zellen vor
sich geht; wo jedoch mit Eintritt der Regenzeit oder
einer andern Ursache ein Stillstand in der Entwickelung stattfindet, läßt sich auch bei tropischen Bäumen
die Bildung von Jahrringen erkennen und es sind
dort wie bei uns die Jahrringe ein sicheres Merkmal
für das Alter derselben.
Nicht alle Jahrringe haben gleiche Breite. Ein
dem Wachsthum günstigeres Jahr erzeugt einen stärkeren Holzring. Ja der Ring eines und desselben
Jahres erreicht häufig eine größere Breite auf derjenigen Seite, wo zufällig
der Wurzel eine reichlichere Nahrung geboten oder eine günstigere Verbreitung
gestattet wird.
Da der Basttheil ungleich kleiner ist als der Holztheil des Gefaßbündels, 38
und das Zellgewebe der Rinde nur unbedeutend sich vermehrt, so nimmt die
Rinde nicht in demselben Maße an Stärke .zu, wie das Holz, und es lassen
sich an -ihr die Jahrringe weniger deutlich unterscheiden.
Das M a r k und die M a r k s t r a h l e n erhalten keinen oder nur höchst
geringen Zuwachs, und so kommt es, daß beide mehr
zurücktreten, wassichschon bei dem fünfjährigen Stamme
Fig. 65 zu erkennen giebt. Die Markstrahlen lassen sich
jedoch auch in den vieljährigen Stämmen noch erkennen,
indem in der Richtung, wo sie zwischen den Gefäßbündeln
hinziehen, das Holz der Länge nach vorzugsweise leicht
sich spalten läßt und alsdann reine glänzende Spaltungsflächen, die sogenannten S p i e g e l , zeigt.
Dem Auge erscheinen die Markstrahlen als feine Linien, die vom Mittelpunkte des Stammes strahlig nach seiner Rinde verlaufen. Bei genauerer
Untersuchung erkennt man jedoch außer solchen ursprünglichen oder p r i m ä r e n
Markstrahlen noch kürzere oder secundäre. Letztere gehen nicht vom Mittelpunkte des Stammes aus, sondern sie entstehen in den von Jahr zu Jahr
188
^.
Allgemeine Botanik.
eintretenden Gefäßbündeln, welche hierdurch getheilt werden, und reichen bis
zur Rinde.
Mit'dem Mikroskop verfolgen wir die Markstrahlen im Holze der Kiefer
nach drei Richtungen. Fig. 66 zeigt einen Markstrahl, s, auf dem Querschnitt
als schmalen Streifen; bei Fig. 67
sehen wir an einem von Außen
nach dem Mittelpunkt geführten
Längsschnitt (Radialschnitt) das
Gewebe eines Markstrahles «sich
hinziehen; auf dem senkrecht zur
Richtung eines Markstrahles geführten Längsschnitt (Tangentialschnitt), Fig. 6 8 , erkennen wir,
daß die zwischen den Holzzelkn
eingeschlossenen Markftrahlen nur
aus einer oder zwei Zellenreihen
bestehen.^
Wir heben bei Gelegenheit
dieser Abbildungen hervor, daß die Gefäßbündel sämmtlicher Nadelhölzer nur aus gedüpfelten Holzzellen,
Fig. 67, bestehen und keine ächten Gefäße enthalten. Es
finden sich in dem Holze derselben dagegen häufig die von
zartwandigen Zellen begränzten Harzgänge <H, Fig. 66.
An diesen,„ anatomischen Eigenthümlichkeiten läßt sich jedes
Nadelholz, im kleinsten Splitterchen, ja selbst im fossilen
Zustande sicher von anderem Holze unterscheiden.
39
Durchschneiden wir einen Holzstamm der Quere nach, so zeigt es sich,
daß die äußeren oder jüngeren Holzringe eine geringere Härte besitzen als die
älteren, die den inneren Theil des Stammes bilden. Auch unterscheidet sich
das jüngere Holz, das S p l i n t genannt wird, in der'Regel durch eine hellere
Farbe von dem alteren, welches von den Holzarbeitern als reifes Holz oder
Kernholz wohl unterschieden wird. Dieselben vermeiden die Verwendung des
Splintes, da dieses junge Holz in hohem Grade die Verbreitung des Holzschwammes und der Vermoderung begünstigt und überdies den Angriffen von
Insectenlarven vorzugsweise ausgesetzt ist.
Der Farbenunterschied tritt namentlich bei der Rothbuche hervor, wo der
weißliche Splint auffallend gegen das braunröthliche Kernholz a W M ^ b e m
Ebenholz findet man das schwarze Holz von einer scharf abgegränzten, weißen
Splintlage umgeben.
Das Verholzen geschieht dadurch, daß die HolzzeUen, welche den größten
Theil der Gefäßbündel ausmachen, durch die innere Ablagerung neuer Schichten
ihre Wände allmälig verdicken. Eine Folge hiervon ist, daß sie mit zunehmendem Alter ungeeigneter für die Saftleitung werden und bald gänzlich austrocknen.
I I . Gestaltungslehre. . Der S t a m m .
'
189
Auch die Rinde erleidet im Verlauf der Zeiten nicht unwesentliche Veränderungen. Die Oberhaut zerreißt und verschwindet bald gänzlich, wenn der
Stengel durch Wachsthum an Umfang zunimmt. Die nun folgende Zellschicht
erhält nur selten einen der Verdickung des Baumes entsprechenden Zuwachs, in
welchem Falle der Baum bis ins höchste Alter eine ganze und glatte Kinde behält, wie die Buche und der Orangenbaum. Bei der Korkeiche und dem jungen
Maßholder (^osr oampS3tr6) findet eine besonders starke Vermehrung der
äußeren Zellenschicht der Rinde durch flaches Zellgewebe Statt, welches den
Kork bildet. Der gewöhnliche Fall ist der, daß das Rindenzellgewebe noch
einigen Zuwachs erhält, jedoch bald abstirbt und die sogenannte Borke bildet.
Da aber der Holzstamm bei weitem stärker zunimmt als die Borke, so wird diese entweder zerrissen, wie bei der Eiche, Ulme u« a. m., oder in plattenförmigen Stücken abgestoßen, wie bei dem Apfelbaum und der Platane.
Der jetzt folgende Theil der Rinde, der Bast, gehört eigentlich zu den
Gefäßbündeln des Stammes. Wie jedoch §. 35 gezeigt wurde, ist er von
diesen durch das zarte und saftreiche Bildungsgewcbe getrennt, so daß er sich
mit der Rinde zugleich ablöst und daher dieser zugerechnet wird. Besonders
leicht geschieht diese Ablösung zur Zeit der großen Saftfülle im Frühjahr, und
unsere Knaben, die alsdann ihre Weidenflöten schneiden, und die Lohrindenschäler wissen diesen Umstand wohl zu benutzen. Wegen seiner zähen, faserigen
Beschaffenheit wird der Bast zu Flechtwerk, Seilen :c. und vom Papier-Maulbeerbaum zur Anfertigung deschinesischenPapieres verwendet.
Gehen wir daher im älteren Holzstamme von außen nach innen, so begegnen wir der Reihe nach folgenden Theilen desselben: der Rinde, bestehend aus
Korkschicht, Borke und Bast, sodann dem Bildungsgewebe oder Cambium, dem
jüngeren Holz oder Splint, dem älteren oder Kernholz und endlich dem Mark.
Der Stamm ist der Vermittler der von den äußersten Theilen der Pflanze, 40
nämlich von der Wurzel und den Blättern ausgehenden Lebensthätigkeit. Durch
ihn steigt die von den feinsten Verzweigungen der Wurzel aufgesaugte Flüssigkeit
empor nach den Knospen, aus welchen Blätter, Blüthen und Früchtesichentwickeln.
Dieses Geschäft der Saftleitung kommt jedoch nicht allen Theilen des
Stammes zu« Daß die Borke damit nichts zu thun haben kann, fällt leicht
in die Augen. Allein auch das altere Holz und das Mark find unwesentlich für die Saftleitung, wie der Umstand beweist, daß wir uralte Eichen,
Ulmen und Weiden sehen, welchen der ganze innere Holzkörper sammt Mark
fehlen und welche dennoch fortfahren, in jedem Frühjahre sich reichlich zu belauben und neues Holz zu bilden.
Wir haben daher als saftleitende Theile des Stammes die jüngsten, also
innersten Bastschichten, sodann das Bildungsgewebe und endlich das jüngste
Holz oder den Splint anzusehen. Hieraus erklärt sich auch der Nacktheil,
wenn zufällig oder absichtlich größere Theile der Rinde eines Baumes abgeschalt werden, da alsdann diese saftführenden Schichten unmittelbar dem Einfluß von Sonne und Luft ausgesetzt, leicht austrocknen und unfähig zur Saftleitung werden.
190
H.. Allgemeine Botanik.
Die verderbliche Thätigkeit mehrerer Insectenlarven, namentlich der Borkenkäfer (Vo3tr^cku8 t)^0Arapkäou8 und N^iS8inu8 xinipGräa), beruht eben
darauf, daß sie in jenen zarten saftreichen Schichten ihren Sitz haben, dieselb,
oft ringsum vollständig zerstören und so durch Unterbrechung der Saftleituna
mitunter ganze Nadelhölzer zu Grunde richten.
Andererseits psiegt man den frisch gehauenen Neidenpfählen ringsum ettt^a
singerbreit die Rinde abzuschälen, bevor man sie in den Boden setzte weil sie
sonst sich bewurzeln und beblätt«rn würden.
Wenn jedoch nicht allzugroße Stellen von der Rinde entblößt werden, ft
stellt sich dieselbe durch eine von den Markstrahlen ausgehende Zellenbildung
wieder her, besonders dann, wenn durch Bedeckung der verwundeten Stelle, z. B.
durch Bestreichung derselben mit Lehm, Kuhmist oder durch Umwickeln der Einstuß von Sonne und Luft abgehalten wird.
' DZ.S
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AN.0LPG.
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Was wir Knospe oder Auge nennen, erweist sich sowohl durch seine
künftige Entwickelung als auch bei einem sofort hindurch gemachten Schnitt
als ein Stamm im jüngsten Entwickelungszustand als eine verkürzte Pflanzenachse.
An dem Stamme treten dreierlei K n o s p e n auf, nämlich Endknospen,
Achselknospen und Nebenknospen.
Die Endknospe «, Fig. 69, bildet die Spitze des Stammes und verlängert denselben bei ihrer weiteren Entwickelung» Die Achselknospen, auch
S e i t e n k n o s p e n genannt, i>, bilöen sich immer in der Achsel
eines Blattes. Die Nebenknospen oder Adventivknospe.n
erscheinen wie zufällig am Stamme, ja sie können fast an allen
Pstanzentheilen, insbesondere auch an Blättern entstehen. Die
Achsel- und Nebenknospen sind es, die in xhrer weiteren Entwickelung die Zweige des Gewächses bilden.
Jeder Zweig trägt alle wesentlichen Merkmale seines Stammes. Er zeigt im Inneren dieselben anatomischen Verhältnisse, er
verdickt sich in gleicher Weise und erzeugt gleich jenem wieder
Blätter und Knospen. An der Spitze des Zweiges begegnen wir
daher auch einer Endknospe — die secundäre Endknospe genannt. Zur Bildung der Achselknospe werden aus dem Swmme
Gefäßbündelzweige entsendet, welche in dieselbe übertreten, während
die Nebenknospe selbst neue Gefäßbündel erzeugt.
_'.^ —
Fig. 79 giebt uüs den Längsschnitt einer Zweigspitze der Roßkastanie.
Wir sehen in der Mitte die größere Endknospe, zu beiden Seiten eine Achfelknospe und an allen unterscheidet man bereits die Zahl und Stellung der
künftigen Blätter, die hier zusammengedrängt und in einander geschoben erscheinen, wie die Glieder eines Fernrohrs. Es läßt sich ferner erkennen, daß
die Endknospe eine Blüthe entwickeln werde, wodurch ihr Wachsthum beendigt
ist? und in welchem Falle die Knospe den Namen der B l ü t h e n k n O s p e öder
I l ^ GMltnngslcbre. Die Knospe.
191
des Fruchtauges erhält; oder man findet wie bei vorliegenden Achselknospen
die Anlage eines beblätterten Zweiges, welche B l a t t k n o s p e oder Holzauge
heißt.
Noch belehrender über die Blattstellung am künstigen Zweige ist ein durch,
die Knospe geführter Querschnitt und nicht
selten erblickt man hierbei dieVlättchm auf
das Zierlichste zusammengefaltet.
Auch der Entwickelung von Wurzelzweigen geht die Bildung einer Knospe
voran, welche Wurzelknospe genannt
wird und von der beschriebenen Stammknospe, durch das Fehlen der Deckblätter
sich unterscheidet.
Die weitere Entwickelung der Knospe 42
findet entweder alsbald nach ihrem Erscheinen Statt, oder sie verharret, nachdem sie
hervorgetreten ist, längere Zeit im Zustande
der Ruhe, was bei unseren Bäumen der
Fall ist, deren im Frühjahre sich entwickelnde
Knospen bereits im vorhergehenden Sommer gebildet worden sind. Diese überwinternden Knospen find daher durch lederartige, wollige oder harzige Schuppen bedeckt
und geschützt, was bei den fortwachsenden
nicht der Fall ist, die unbedeckt sind und die Farbe der Blätter haben.
^Die Stammknospe trägt zur Vermehrung der Mutterpflanze auf verschiedene Weise bei. Entweder entwickeln sich aus den Knospen der seitlichen
A u s l ä u f e r neue Pflänzchen, wovon die Erdbeere ein bekanntes Beispiel ist,
oder die Vermehrung geschieht auf künstlichem Wege durch Ableger oder
Stecklinge. Das erste Verfahren, besonders bei unserer Gartennelke und der
Rebe üblich, besteht darin, daß ein dem Boden nahestehender Zweig theilweise
durchschnitten und mit Erde bedeckt wird, bis er sich bewurzelt. Zu Stecklingen
eignen sich vorzüglich saftrciche Pflanzen, wie die Cactus, Fettpstanzen und die
weichen Hölzer, wie Weide, Pappel u. a« m. I n diesem Falle werden kleine
Zweige, die ftdoch wenigstens ein Auge haben muffen, in den Boden gesteckt.
Feuchtigkeit und Wärme begünstigen dann vorzüglich die Bewurzelung. Auf
solche Weise werden von den Kunstgärtnern die meisten Zierpflanzen vermehrt.
Alle unsere Trauerweiden sollen als Stecklinge von einem noch grünen Zweige
herrühren, welchen der englische Dichter Pope an einem aus Smyrna gekom«
menen Feigenkorbe vorfand und in den Boden steckte.
Merkwürdiger Weise behält die Knospe die Fähigkeit der Neiterentwicke- 43
lung, auch wenn sie von ihrer Mutterpflanze abgetrennt und in die geeignete
Lage versetzt wird, die erforderliche Nahrung sich anzueignen. Dies geschieht,
192
^.
Allgemeine Botanik.
indem man die Knospe von einer Pflanze auf cine andere überträgt in der
Weise, daß ihr Verhältniß zu dieser dem früheren möglichst gleichkommt. Diese
Übertragung von Knospen bezeichnet man mit dem Namen des O c u l i r e n s
oder Aeugelns, wenn nur eine einzelne Knospe, und des P f r o p f e n s , wenn
gleichzeitig mehrere versetzt werden, sammt dem Zweige. an welchem sie fitzen.
Da hierbei die übertragene Knospe bei ihrer Entwickelung einen Zweig erzeugt,
der alle Eigenschaften ihrer Mutterpflanze beibehält, so giebtHieses Verfahren
ein unschätzbares Mittel, um die Blüthen und Früchte der durch den Anbau
veredelten Gewachse auf die im Naturzustande befindlichen Wildlinge derselben
Art zu übertragen.
Dg.»
44
Oonlirsn.
Man wendet das Oculiren hauptsächlich zur Veredelung der Wildlinge
der Rose an, die man zu diesem Zwecke in den Garten versetzt, und erst nachdem sie kräftiges Wachsthum zeigen, schreitet man zum Werke. Zu diesem
Zwecke macht man in die Rinde eines Wildlings einen I'förmigen Einschnitt
Fig. 7 1 , bis auf den Splint und löst alsdann die Knospe eines edlen Zweiges sammt dem Blatt, in dessen Achsel sie sitzt, und einem Stückchen Rinde ab,
welches etwa in der Form
von Fig. 72 das S c h i l d chen genannt wird. Man
hebt jetzt die Rinde am
Einschnitt des Wildlings
ein wenig auf und schiebt
das Schildchen ein, drückt
es ein wenig abwärts und
umbindet es mit Bast oder
Wollenfaden, Fig. 73. Geschieht dies im Frühjahr, so schneidet man über der eingesetzten Knospe den
Wildling quer ab und bricht die unterhalb stehenden Knospen aus, damit der
Saft vorzugsweise der edlen Knospe zugeleitet wird.- Zn diesem Falle treibt
die Knospe alsbald und erzeugt noch im Laufe des Sommers eine Achse, die
nicht selten schon Blüthen hervorbringt. Man nennt dies das Oculiren aufs
treibende Auge. I m Spätsommer oculirt man auf das schlafende Auge,
indem man sich mit dem Einsetzen der Knospe begnügt, die dann anwächst
und erst im Frühjahr, nachdem man den Wildling oberhalb
det, in's Treiben gelangt.
D a s X»5ropksn.
45
' /
'
Hier wird nicht eine einzelne Knospe, sondern ein kleiner Zweig mit drei
bis vier Knospen, das sogenannte P f r o p f r e i s , übertragen. Ist der Wildling
ein junges Stämmchen, so wird dieses selbst, ist er ein größerer Baum, so werden dessen Hauptäste quer abgesägt. Ans dem Querschnitt wird, wie bei Fig.
74, mit einem starken Messer ein Spalt eingetrieben, d^as edle RciZ von beiden
I I . Gestaltungslehre.
Die Knospe.
193
Seiten keilförmig zugeschnitten, Fig. 75, und in den Spalt des Wildlings
eingeschoben, Fig. 76. Der Spalt wird zur Abhaltung von Licht, Luft und
Waffer mit Wachs verklebt oder mit Lehm
überstrichen und mit Moos und Ieug umbunden, worauf die Rinde des Reises, deren
Schnittfläche die des Wildlings unmittelbar
berührt, seitwärts mit dieser verwachst.
Man setzt wohl auch ein ganzes Reis mit
einem anhängenden Rindenstück in die Rinde
eines jungen Stammes, ähnlich wie wir beim Oculiren gezeigt haben. Es gewährt dies den Vortheil, daß, im Falle das Reis nicht angeht oder treibt, der
Stamm dadurch nicht leidet, während er fast immer zu Grunde geht, wenn seine
Krone abgeworfen wird und keines der aufgepfropften Reiser angeht.
Das C o p u l i r e n besteht darin, daß man ein edles Reis von beiden Seiten zuspitzt, es in den entsprechenden Einschnitt eines Wildlings von gleicher
Stärke einsetzt und ringsum verklebt und verbindet.
Diese Verrichtungen werden übrigens auf mannichfaltige Weise abgeändert,
mehr oder weniger umständlich ausgeführt. Das Wesentliche dabei bleibt jedoch
immer die unmittelbare B e r ü h r u n g der Schnittfläche der Rinde des edlen
Reifes oder Auges mit der des Wildlings. Denn aus der Beschreibung des
Oculirens und' des Pfropfens geht hervor, daß hierbei die Verschmelzung des
beiderseitigen zarten, saftreichen Bildungsgewebes innerhalb des Verdickungsringes (s.§. 35) des zu veredelnden Stammes stattfindet. Das Pfropfen wird meist
im Anfange des Frühjahrs, wo der lebhafteste Safttrieb stattfindet, vorgenommen.
II.
13
194
H.. Allgemeine Botanik.
Die Knospe verwächst jedoch nicht mit einem jeden beliebigen Stamm,
auf den man sie übertragen wollte, sondern sie läßt sich nur auf Pflanzen derselben Gattung übertragen, so daß man bekanntlich Rosen und Aprikosen nicht
auf Eichbäume zu verpflanzen im Stande ist.
46
Aus dem Umfange des Stammes treten zahlreiche Seitenorgane hervor,
die im Gegensatz zu dessen Walzenform zu einer Fläche ausgebreitet erscheinen
und B l ä t t e r genannt werden. Dieselben bedürfen zur Entwickelung nothwendig des Lichtes und der Lust und werden deshalb niemals an den unterirdischen Theilen der Pflanze vollkommen ausgebildet angetroffen.
Die äußere Gestalt würde jedoch nicht immer zur Unterscheidung des
Blattes von Theilen des Stengels genügen, denn es giebt flache, blattähnliche
Zweige und walzenförmige Blattgebilde, die wie Stengelglieder aussehen.
Allein das Blatt wächst nicht gleichwie der Stamm an seiner Spitze, sondern
an seinem Grunde, wo es in Verbindung mit dem Stamme sich befindet. Auch
stirbt es zuerst an seiner Spitze ab. Sein anatomischer Bau ist im Wesentlichen
bereits in §. 19 beschrieben worden. Ein vom Stamme abgezweigtes Gefäßbündel verbreitet sich in dem Blatte, das hauptsächlich ays chlorophyllhaltigen
Parenchymzellen besteht und daher vorherrschend von grüner Farbe ist. Seine
ganze Oberstäche ist überzogen von der flachzelligen O b e r h a u t mit ihren
Spaltöffnungen und Athemhöhlen (s. Fig. 34 u. 35), wodurch die Blätter die
Eigenschaft luftathmender Organe erhalten. Nicht selten führen kleine Infectenlarven, die im Parenchym des Blattes leben, eine Anatomie desselben aus,
indem sie das grüne Zellgewebe herausfressen und so Gange zwischen der unverletzten Oberhaut der obern und untern Blattstäche erzeugen, welche deutlich
sichtbar werden, wenn man das Blatt gegen das Licht hält»
47
Je nach Stellung und Bestimmung unterscheidet man verschiedene Arten
von Blättern:
1. Die Keimblätter (Oot^isäousZ). Sie entwickeln sich, wie in §.24
gezeigt wurde, beim Keimen der Samen als sogenannte Samenlappen, fallen
meistens bald ab, erreichen jedoch auch bei manchen Pflanzen die Ausbildung
und Verrichtung eigentlicher Blätter mit Spaltöffnungen.
2. Die Knospenschuppen sind nur verkümmerte, blätterige Gebilde,
deren Bestimmung im Schutze der Knospen beruht, nach deren Erfüllung sie
abfallen.
3. Die L a u b b l ä t t e r oder S t e n g e l b l ä t t e r , die gewöhnlichste-nnv
wesentlichste Art, die daher immer gemeint wird, wenn einfach vom Blatt die
Rede ist.
4. Die B l ü t h e n b l ä t t e r , welche jedoch in ihrer Weiterentwicklung und
Endbestimmung so eigenthümlich sind, daß sie unter dem Namen der B l ü t h e
als besondere Organe beschrieben werden.
48
Das Blatt erscheint an seinem Grunde (Basis), d. i. an der Stelle, wo
es am Stamme festsitzt, als eine halbrunde Hülle, die den Stamm theilweise
I I . Gestaltungslehre.
Die Blätter.
195
oder ganz umgicbt und daher Vlattfcheide genannt wird, wie dies z. V. die
Blätter der Gräser deutlich erkennen lassen.
Gewohnlich ist jedoch das Blatt an seinem Grunde als B l a t t s t i e l zusammengezogen, worauf es sich in eine Fläche, als eigentliches Blatt ausbreitet.
Die Blattscheide gestaltet sich häusig zu den am GrundesitzendenNebenblättern,
und der Blattstiel ist nicht selten so verkürzt, daß er fehlend erscheint und in
diesem Falle wird das Blatt ein stielloses oder sitzendes genannt. Den
Winkel, welchen das Blatt mit dem Stamme bildet, nennt man seine Achsel.
Auch dem flüchtigsten Beobachter kann die große Mannichfaltigkeit der 49
verschiedenen Blattformen nicht entgehen, und in der That gehören die Blätter durch ihre eigenthümliche Bildung mit zu den wichtigsten äußeren Merkmalen
nicht nur der einzelnen Pflanzen, sondern ganzer Geschlechter und Familien.
Der Botaniker hat daher sehr auf die Blattformen zu achten und an lebendigen
Beispielensicheinzuprägen, was hier nur im Allgemeinen angedeutet werden kann.
Bei der Beschreibung des Blattes haben wir Rücksicht zu nehmen auf die
Art der Vertheilung seiner Gefäßbündel, auf seine Form, auf die Beschaffenheit
seines Randes, der Spitze und "des Grundes, d. h. der Stelle, wo es am Blattstiel oder Stamm aufsitzt, sowie endlich auf seine Stärke, Bedeckung und einige
mehr ausnahmsweise auftretende Eigenschaften.
Die vom Stamm in das Blatt ausbiegenden Gefäßbündel bilden die
B l a t t n e r v e n oder Rippen und unterscheiden sich deutlich durch hellere Farbe
und dichtere Masse vom übrigen Blatt; die Art ihrer Vertheilung im Blatt ist
im Wesentlichen zweierlei: im ersten Falle treten gleichzeitig mehrere Blatt13*
196
H. Allgemeine Botanik.
nerven in das Blatt ein, durchlaufen dasselbe ziemlich parallel der Länge nach
und vereinigen sich wieder an dessen Spitze. Solche Blätter heißen krummner-
vige oder p a r a l l e l n e r vig e undsindensichnur bei
den Monokothlcdonen,
z. B. bei den Gräsern, Lilien u. a. m. (Fig. 77
(a. vorig. S.) zeigt uns ein
Mittelstück aus dem Blatte des Hafers und Fig. 78 (a. vorig. S.), die Spitze
desselben; Fig. 79 ist ein Abdruck vom Blatte der M a i b l u m e . An beiden
lassen sich stärkere und schwächere Nerven wahrnehmen, die neben einander
laufen, jedoch niemals sich seitlich verzweigen.
Bei der zweiten Art der Ncrventheilung tritt ein Hauptnerv in das Blatt
und theilt sich in die Seitennerven. Letztere theilen und verzweigen' sich abcrmals in vielfacher Weise, so daß das ganze Blatt von einem aderigen Netzwerk
durchzogen erscheint. Diese Vertheilung der Blattncrven ist nur den D i k o t y ledonen eigen und ein leicht aufzufassendes Kennzeichen derselben. Geht in
diesem Falle ein starker Mittelnerv durch's ganze Blatt, der parallele Seitennerven abgiebt, so wird dieses ein fiedernerviges B l a t t genannt. Beispiele zeigen uns die Blatter der Weißbuche Fig. 80 und der Eiche,
I I . Gestaltungslehre.
Die Blätter.
,
197
Fig. 81. Theilt sich dagegen der Hauptnerv alsbald strahlig in mehrere Neste,
so bilden sie das handnervige B l a t t , das je nach der Zahl derstärkerhervor-
tretenden Nerven drei-, vier- oder
fünfnervig genannt wird, wovon wir
am Wiesen-Storchschnabel (Fig. 82)
und dem spitz blättrigen Ahorn Beispiele vor uns haben. Das Blatt des Letzteren ist besonders ausgezeichnet durch sein
überausfeinadrigesNervennetz(s.S.295).
Eigenthümlich ist die Nerventheilung
beim spitzen Wegerich. Es laufen
hier wie bei den Nonokothledonen mehrere Nerven parallel durch das Blatt (Fig.
83), welche jedoch seitwärts ein feines
Netzwerk zeigen.
198
^.
Allgemeine Botanik.
Beiden seither erwähnten Blättern liegen der Blattstiel und dessen Fortsetzung
dieHaupt-und Seltennerven, in einerEbene. DasfchildnervigeBlattunterscheidetsichhiervon, indem die Blattnerven einen Winkel mit dem Blattstiel bilden.
Deutlich wird dies Jedem sein, der sich eines Blattes der bekannten Capucinerkrefse (i'ropÄsolum) erinnert.
3tt
Die Form des Blattes läßtsichin der Regel durch das Längenverhältniß des Hauptnervs zu den Seitennerven ausdrücken. Als Hauptformen
bemerken wir: l i n i e n f ö r m i g , Fig. 84; lanzettförmig, Fig. 85; spateloder zungenförmig, Fig. 86; ei-lanzettförmig, Fig. 87; länglichrund (elliptisch), Fig. 88; eiförmig (oval), Fig. 89; spitz-eiförmig, Fig.
90; zugespitzt-eiförmig, Fig. 9 1 ; verkehrt-eiförmig, Fig. 92; rund,
kreisrund, Fig. 93; viereckig, Fig.94; verkehrt-herzförmig, Fig. 95;
mondförmig, Fig. 96.
Als seltenere, jedoch leicht verständliche Blattformen sind noch die nadelförmigen, walzenförmigen, schwert- undsichelförmigen,sowie die röhrenförmigen
Blätter anzuführen.
51
Die Spitze oder das obere Ende des Blattes erscheint entweder stumpf
oder zugerundet, abgestutzt, eingedrückt, ausgerandet, spitzig, zugespitzt,stachelspitzig,stechend.
Am Grunde oder unteren Ends P das Blatt
nicht selten eingeschnitten,
eingebogen oder getheilt,
wodurch besondere Formen
entstehen, wie z. B. herzförmig, Fig. 97; pfeilförmig,Fig.98;lanzenoder spießförmig, Fig.
99;nierenförmigu.s.w.
I I . Gestaltungslehre. Die Blätter.
199
Der Rand des Blattes ist entweder gleichmäßig und ohne die geringste 52
Einbiegung oder Einschneidung, in welchem Falle dasselbe g a n z r a n d i g , Fig.
100, genannt wird, oder der Rand ist
gekerbt, Fig. 1 0 1 ; g e z a h n t , Fig.^
1 0 2 ; g e s ä g t , Fig. 103; wobei wie-"
der manche Abänderungen und Nebenformen vorkommen, wie wellenförmig,
bnchtig, doppelt gesägt u. a. m.
Gehen die Einschnitte am Rande
tiefer, so wird das Blatt, je nach der Stärke des Einschnittes und nach der
Breite der dadurch entstehenden Theile g e l a p p t , g e s p a l t e n , g e t h e i l t
oder z e r s c h n i t t e n genannt.
So ist z. B. Fig. 104 ein handförmig gelapptes, Fig. 105 ein handförmig gespaltenes und Fig. 106 ein fußförmig getheiltes Blatt.
Das ganze oder einfache Blatt ist, wie die seither betrachteten Blatt- 33
formen, auch bei der stärksten Theilung immerhin zu unterscheiden von dem
zusammengesetzten Blatt, bei welchem an beiden Seiten eines Hauptblattstieles wieder Blattstiele mit besonderen Blättern fitzen.
Am häufigsten findet man als zusammengesetzte Form das g e f i e d e r t e
200
^.Allgemeine Botanik.
f i n g e r f ö r m i g e , bei welchem man die Anzahl der Blätter zählt, als drei-,
vier-, f ü n f f i n g e r i g e s Blatt, wie Fig. 110.
Auch die Beschaffenheit der Oberfläche des Blattes und die Art seiner Bedeckung gehören mit zu den bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten desselben,
denn entweder ist es g l a t t , glänzend, eben sder gestreift, gefaltet,
kraus, mehr oder weniger behaart, steif, lederartig, verdickt u. s. w.
Als besondere, von der gewöhnlichen Form abweichende Eigenthümlichkeiten
sind das h e r a b l a u f e n d e , das verwachsene und durchwachsene Blatt
zu bemerken, so wie die r a n k e n t r a g e n d e n und die d o r n i g e n Blätter.
Eine der merkwürdigsten Blattbildungen findet sich bei dem ostindischen K a n nenkraut (X6p6iitk68 äsätiiiatoi-ia), indem aus einer Verlängerung der Mittelrippe des Blattes ein krugförmiges Gebilde hervorgeht (Fig. 111), das mit
einem Deckel versehen ist und reines Wasser enthält.
D i e S t e l l u n g der B l ä t t e r .
34
Wir haben bereits in §. 47 einige der Eigenthümlichkeiten und die denselben entsprechenden Benennungen kennen gelernt, die hinsichtlich der Stellung
der Blätter am Stamme stattfinden.
Manche andere, die Blattstellung betreffende Ausdrücke, wie zerstreute,
gedrängte, büschelige, wechselständige, sind schon an sich ziemlich verständlich. Q u i r l - oder wirtelständig sind die Blätter, wenn drei, vier
I I . Gestaltungslehre. Die Blätter.
201
oder noch mehr derselben in gleicher Höhe am Umfange des Stammes stehen.
Ist dies nur bei zwei Blättern der Fall, so heißen sie gegenüberstehend.
Der Blattstellung überhaupt, auch der scheinbar ganz regellos zerstreuten,
liegt eine bestimmte Gesetzmäßigkeit zu Grunde. Verfolgt man, von dem unteren
Blatte eines Stammes ausgehend, eine nach Oben, von Blatt zu Blatt gezogene
Linie, so windet sich diese als Spirale aufwärts. Der seitliche Abstand der dabei nach einander folgenden Blätter bleibt sich stets gleich und ist von bestimmter Größe. Derselbe beträgt entweder die Hälfte, oder ein Drittel, oder zwei
Fünftel vom Kreisumfang des Stammes und es erscheinen an diesem die Blätter im ersten Falle in zwei Längsreihen oder Zeilen, im zweiten in drei und im
letzten Falle in fünf Zeilen geordnet. I m ersten Falle, der bei Gräsern und
Lilien anzutreffen ist, steht nach einmaligem Umlauf der Spirale, das dritte
Blatt wieder über dem ersten; bei der Drittelstellung findet man nach einmaligem Umlauf das vierte Blatt über dem ersten stehend, wovon die Birke und
die Riedgräser Beispiele bieten; endlich bei der Zweifünftelstellung trifft man
nach zweimaligem Umlauf der Spirale erst das sechste Blatt ^wieder über dem
ersten, das siebente über dem zweiten u. s. f., was bei der Pappel und den
Obstbäumen der Fall ist. Außer diesen einfacheren und bekannteren Verhältnissen, giebt es noch manche von mehr verwickelter Art, die jedoch in gesetzmäßiger
Weise sich ableiten lassen. Man bezeichnet die Blattstellung durch einen Bruch,
z. B. in den vorstehenden Fallen durch 1/2, V ^ Vö- Der Zahler giebt an, wie
oft die Spirale um den Stamm geht, bis wieder ein Blatt über dem ersten .
steht, somit ein W i r b e l oder Cyclus vollendet ist und ein neuer beginnt; der
Nenner zeigt die Zahl der Blätter a n , welche einen Cyclus ausmachen, sowie
die ihrer Längszeilen am Stamme.
Auch die ganz gedrängt stehenden Deckblätter an Blüthen und an den
Zapfen der Nadelhölzer entsprechen dm Gesetzen der Blattstellung.
Die Blätter nehmen einen wichtigen Antheil an den Lebenserscheinungen 35
der Pflanze. Es geht dies schon daraus hervor, daß fast jede Pflanze, zu einer
gewissen Zeit ihrer Blätter beraubt, in ihrer Entwickelung wesentlich zurückgesetzt wird oder selbst zu Grunde geht. ^
Die Verrichtung der Blätter ist zweierlei, nämlich: 1. Verdunstung von
Wasserdampf; 2. Aufnahme und Ausscheidung von Gasarten.
Die Pflanze verwendet bei weitem nicht die ganze Menge des von ihrer
Wurzel eingesaugten Wassers, sondern dunstet 2/g und mehr desselben durch die
Blätter wieder aus. Die Verdunstung geschieht durch die §. 19 beschriebenen Spaltöffnungen, deren durchschnittlich 300 auf einer Quadratlinie der
gewöhnlichen Laubblätter vorhanden sind. Der in den Zellen der Blätter
zurückbleibende Saft muß dadurch nothwendig concentrirter werden und nach
den Gesehen der Endosmose (siehe §. 89) den Eintritt von verdünnterer
Flüssigkeit aus den benachbarten Zellen und hierdurch die ganze Saftbewegung bewirken. Dagegen werden in den Blattzellen die nicht flüchtigen mineralischen Stoffe, die das Wasser dem Boden entzogen hatte, zurückbleiben,
und in der That liefern die Blätter beim Verbrennen vorzugsweise viel Asche.
202
H.. Allgemeine Botanik.
Durch die an ihrer Oberstäche reichlich stattfindende Verdunstung tragen die
Pflanzen bedeutend zur Erniedrigung der Temperatur bei, und der Einfluß
ausgedehnter Wälder und bebauter Felder auf das Klima eines Landes ist in
die Augen fallend. Man hat beobachtet, daß ein Baum von geringer Größe
in 24 Stunden 18 Pfd. Waffer, und daß ein Quadratfuß Rasen in derselben
Zeit 5/4 Pfund Wasser verdunstet. Unsere Felder find durchschnittlich vier
Monate oder 120 Tage lang mit den gewöhnlichen Culturpstanzen bestellt und
ein Morgen derselben von 40,000 Quadratfuß verdunstet während dieser Zeit
etwa I V2 bis 2 Millionen Pfund Wasser, der Rasen von einem Morgen Wiesen«
land dagegen 6 Millionen Pfund.
56
Unter dem Einfluß des Sonnenlichts scheiden die Blätter Sauerstoff aus,
während sie im Gegentheil des Nachts den Sauerstoffgehalt der sie umgebenden Luft vermindern und Kohlensäure an dieselbe abgeben. Auch steht die Thatsache fest, daß die Blätter im Stande sind, geradezu aus der Luft Kohlensäure
und Wasserdampf aufzunehmen und so zur Ernährung der Pflanze mit beizutragen, die im Uebrigen jedoch als fast ausschließlich von der Wurzel ausgehend
angesehen werden kann.
Zu bemerken ist noch, daß die in diesem Abschnitte beschriebenen Verrichtungen der Blätter auch allen übrigen grünen und mit Spaltöffnungen versehenen Theilen der Pflanze zukommen. Die nicht grün gefärbten Theile der
Pflanze, wie namentlich die Blüthe und am stärksten die Staubgefäße, nehmen
dagegen aus der Luft Sauerstoff auf und geben Kohlensäure an dieselbe
zurück.
D5s
57
Nlütks.
Bei dem ungeheuren Vernichtungswerk, welches der zersetzende Einfluß der
Elemente, die Thierwelt und der Mensch mit Feuer, Axt und Zahn fortwährend
gegen die Pflanzenwelt ausüben, würde dieselbe längst von der Oberfläche der
Erde verschwunden sein, wenn ihr nicht selbst die Fähigkeit verliehen wäre, ihre
fortwährende Verjüngung und Wiedergeburt zu bewirken. So aber erzeugt
eine jede Pflanze während ihres Lebens eine meist außerordentlich große Anzahl
von Gebilden, welche die Fähigkeit besitzen, unter günstigen Umständen zu neuen
Pflanzen derselben Art sich zu entwickeln. Als solche "haben wir bereits die
Knospen kennen gelernt, welche bestimmt sind, das Leben ihrer Mutterpflanze
gleichsam fortzusetzen und die insbesondere bei den Zwiebeln und Knollen eine
ausgezeichnete Lebens- und Entwickelungsfähigkeit besitzen.
Hiervon abgesehen erscheint als Negel du Hervorbringung-und Weiterentwickelung einer neuen Pflanze an das Vorhandensein ganz eigenthümlich
gebauter und vor den übrigen Pflanzentheilen sehr ausgezeichneter Gebilde gebunden, die man B l ü t h e n nennt. An gewissen Stellen der Blüthe entstehen
kleine Samenknospen, gewöhnlicher Ei'chen genannt, welche bestimmt sind,
durch den Blüthenstaub befruchtet zu werden, und sich nachher zu einem sehr
kleinen, aber*vollständigen Pfiänzchen, E m b r y o genannt, auszubilden. Nachdem dieses geschehen ist, tritt ein Stillstand ein, das ganze Gebilde fällt von
I I . Geftaltungslehre.
Die Blüthe.
203
der Mutterpflanze ab und wird nun als S a m e n bezeichnet. Es ist hinlänglich bekannt, daß dieser Samen unter günstigen Verhältnissen sein Leben beginnt
und zu einer Pflanze sich entwickelt, auch wenn er mitunter sehr lange Zeit
gleichsam schlummernd ohne LebenstMgkeit zugebracht hatte.
Wir haben bereits in §. 23 diejenigen Gewächse, bei welchen die eben
erwähnten Verhältnisse in leicht erkenntlicher Weise sich beobachten lassen, als
deutlich blühende P f l a n z e n oder Phanerogamen bezeichnet und erwähnt,
daß hierher sämmtliche Monokotyledonen und Dikotyledonen gehören. Bei den
Akotyledonen findet man dagegen die der Fortpflanzung dienenden Organe
nur in sehr dürftiger Weise ausgebildet, weshalb sie K r y p t o g a m e n , d. i.
undeutlich oder verborgen blühende P f l a n z e n , genannt wurden. Hier
hatte man anfanglich nur staubartige, der Fortpflanzung dienende Keimzellen
oder S p o r e n entdeckt, und unvermittelt schien eine große Kluft diese Abtheilung des Pflanzenreichs von der vorhergehenden zu trennen. Es gehört aber
zu den merkwürdigsten Ergebnissen neuerer Forschung der Nachweis, daß auch
bei den unvollkommneren Pflanzen die Hervorbringung eines neuen Individuums von der Zusammenwirkung zweier verschiedener Organe abhangig ist,
daß auch bei ihnen eine Befruchtung Statt findet. Diese Annäherung an die
Phanerogamen ist bereits für alle Kryptogamen mit Ausnahme der Pilze und
Flechten aufgefunden worden. Indem das Wesentliche über die Fortpflanzung
Letzterer der Einzelbeschreibung ihrer Familie vorbehalten bleibt, fassen wir hier als
Blüthe diejenigen Pftanzentheile auf, die allgemein als solche bezeichnet werden.
Möge es dem Botaniker nicht verargt werden, wenn er bei Betrachtung 58
der Blüthe zunächst weniger Werth auf deren Pracht, Anmuth, Duft und Farbenschmelz zu legen scheint^ als auf manches andere weniger in die Sinne Fallende. Es entgeht ihm bei dor Betrachtung der kleinen Einzelheiten ebenso
wenig der Eindruck des Ganzen, als irgend ein Kunstwerk dadurch verlieren
würde, daß wir uns vorher mit den Mitteln feiner Hervorbringung bekannt gemacht haben. Gin Anderes ist es, ein Kunstwerk oder einen Naturgegenstand
ansehen und anstaunen, als denselben verstehen und genießen.
Unter B l ü t h e verstehen wir eigenthümlich gestaltete Blätter, B l ü t h e n b l ä t t e r , welche zur Hervorbringung des Samens bestimmt sind. Diese Blätter unterscheiden sich in ihrer äußeren Form sichtlich von den übrigen Blättern
der Pflanze und bilden bei der vollständigenVlüthe vier unter einander verschiedene Blüthenblattkreise.
Die beiden äußeren Kreise nehmen an der Samenbildung keinen Antheil, sie
sind der unwesentliche Theil der Blüthe und fehlen nicht selten theilweise oder gänzlich, ohne daß dadurch die Bestimmung jener vereitelt wird. Man bezeichnet
daher im Allgemeinen die äußeren Blätter als Blüthendecke. Das Vorhandensein der beiden inneren Kreise der Blüthenblätter ist dagegen nothwendig,
und sie sind deshalb als die wesentlichen B l ü t h e n t h e i l e zu betrachten.
Von außen nach innen oder, richtiger gesagt, von unten nach oben gehend,
haben wir bei der vollständigen Blüthe die folgenden vier verschiedenen Blattkreise: 1. Die Kelchblätter. 2. Die Kronenblätter. 3. Die S t a u b -
204
H.. Allgemeine Botanik.
blätter. 4. Die Fruchtblätter, welche wir unter den gewöhnlicheren Namen
von Kelch, Krone, Staubfäden und Stempel betrachten werden.
So auffallende Verschiedenheiten die eben genannten Blüthentheile auf
den ersten Blick auch-darbieten, so läßt V>ch*die vergleichende Peobachtung ihre
gemeinsame Natur als Blattgebilde nicht verkennen. Die Aehnlichkeit vieler
Kelchblatter mit den Stengelblättern fällt leicht in die Augen; andererseits aber
lassen sich häusig die Kelchblätter nicht unterscheiden von den Kronblättern und
diese bilden wieder Uebergänge in Staubfäden, während endlich die Stempel
bei der Fruchtentwickelung eine große Blattähnlichkeit annehmen oder mitunter
gar in völlige Blätter sich umbilden. Es ist das Verdienst Göthe's, das
Einheitliche in diesen Umgestaltungen oder Metamorphosen der Pflanzentheile
nachgewiesen zu haben. Dasselbe bestätigt sich auch in anatomischer Hinsicht;
wir finden in all diesen Blüthentheilen Spiralgefäße und Parenchymgewebe,
letzteres oft von äußerster Zartheit«
59
1. D e r K e l c h (Oai^x).
Die Kelchblätter nähern sich durch ihre grüne Farbe und derbere Beschaffenheit noch sehr den Stengelblättern. Bei manchen Pflanzen hat der Kelch
jedoch eine von diesen abweichende Farbe, wie z.B. bei derFuchsia eine schone
fcharlachrothe. Nicht selten ist der Kelch fehlend oder abfallend, wenn er,
wie beim Mohn und der Rebenblüthe, bei dem Aufblühen abfällt. Wenn die
inneren Blüthentheile nur von einem Blattkreise umgeben sind, oder wettn
deren zwei vorhanden, aber von gleicher Farbe sind, wie z. B. bei der Tulpe,
so bezeichnet man diese äußeren Vlüthentheile als B l ü t h e n h ü l l e (Pcrigonium).
Der Kelch ist entweder m e h r b l ä t t r i g , oder einblättrig.
Am mehrblättrigen Kelch zählt man die einzelnen Blättchen und beschreibt
ihre Form und Stellung. Beim einblättrigen Kelch nimmt man auf den Rand
oder Saum Rücksicht, der gewöhnlich gezahnt ist, und auf seine Form. Der
verengerte untere Theil desselben heißt der Schlund.
Hinsichtlich der Form ist der Kelch: röhren-oderwalzenförmig, Fig.112;
keulenförmig, Fig. 113; kreiselförmig, Fig. 114; glockig, Fig. 115;
trichterförmig, Fig. 116; k r u g f ö r M i g , Fig. 117; kugelig, Fig. 118;
aufgeblasen u. a. m.
I I . Gestaltungslehre. Die Blüthe.
205
Der Schlund des Kelches ist entweder nackt oder behaart und durch die
Haare bisweilen verschlossen.
Regelmäßig heißt der Kelch, wenn alle seine einzelnen Blättchen einander vollkommen gleich sind; im entgegengesetzten Falle ist er unregelmäßig.
Ein häusig vorkommendes Beispiel des unregelmäßigen einblättrigen Kelches ist
der zweilippige Kelch, der durch einen Einschnitt in zwei sogenannte Lippen
getheilt ist. Er findet sich unter anderen beim Salbei.
2. D i e Krone (Ooroiia.).
Bei weitem auffallender weichen die Kronblätter i n ihrer Bildung von den 6N
Stengelblättern ab. Durch ihre Zartheit und Farbenpracht verleihensieder
Pflanze den herrlichsten Schmuck, die ja so häusig nur um dessen willen gepflegt
wird, denn zu.allen Zeiten sind Blumen die Lieblinge des Menschen;sieschmücken seine Feste und sein Grab.
Das weiche, sammtartige Ansehen, welches vielen Blumenblättern eigen ist,
rührtdavonher,daß die Zellen ihrer Oberhaut, P u p i l l e n genannt, eine eigenthümliche, kegelförmige Gestalt, Fig. 119 a, haben. Die Farbe selbst rührt bei den
blauen, violetten und karminrothm Blumenblättern von einem in den Zellen
enthaltenen, entsprechend gefärbten Safte
- her, bei den gelben und gelbrothen aber
von chlorophyllartigen Körnern. Weiße
Blumenblätter haben lufthaltige Zellen.
Ein weiterer Reiz der Blüthe besteht i n ihrem lieblichen Duft. Sie verdankt
denselben theils flüchtigen Oelen, theils ätherartigen Flüssigkeiten, welche in
den Zellen gebildet werden.
I m Uebrigen zeigt die Krone viel Übereinstimmendes mit dem Kelche.
Sie ist wie dieser mehrblättrig oder einblättrig, regelmäßig oder unregelmäßig.
An den einzelnen Kronblättern unterscheidet man die Blattfläche und
den unteren, zuweilen stielartigen Theil, der N a g e l heißt und welcher mitunter ziemlich lang ist, wie z. V . bei der Nelke.
Viele Formen der einblättrigen Krone stimmen mit den in §. 59 abgebildeten des Kelches überein und erhalten daher auch dieselben Benennungen.
Als besondere Formen führen wir die folgenden an: kugelförmig, Fig. 120;
eiförmig, Fig. 121;länglich oder kegelförmig, Fig. 122; glockenförmig
206
H.. Allgemeine Botanik.
^
Fig. 123; r ö h r e n f ö r m i g , Fig. 124; trichterförmig, Fig. 125; prasen-'!
t i r t e l l e r f ö r m i g , Fig. 126; r a d f ö r m i g , Fig. 127.
61
Als unregelmäßige Vlumenkronen kommen zwei Formen besonders
häusig vor, wovon die erste mehrblättrig und die zweite einblättrig ist.
128) besteht aus fünf Blättern, von welchen das obere
einzelnstehendeund meist größere die Fahne heißt.
Zu beiden Seiten befinden sich die F l ü g e l , und die
zwei übrigen Vlättchen bilden zusammengeneigt einen
spitzen Schnabel, das sogenannte Schiffchen. Solche
Blüthen findet man bei der Bohne, der Erbse und vielen anderen Wanzen, welche die große Familie der Schmetterlingsblumen
ausmachen.
DielippenförmigeVlumenkrone (Fig. 129) ist
durch einen Einschnitt in die Oberlippe und Unterlippe getheilt. Erstcrc ist zuweilen stark gewölbt und
wird alsdann Helm genannt. Die Unterlippe ist
in der Regel in drei Lappen oder Abschnitte getheilt.
Der untere, röhrenförmige Theil der Lippenblume
heißt Schlund. Kann M a n d e n s e l ben hineinsehen, so ist dieKrone rachenförm'ig oder
offenstehend, ist der Schlund aber durch eine wulstige
Auftreibung der Unterlippe geschlossen, wie dies bei
dem bekannten Löwenmäulchen der Fall ist, so nennt
man die Krone maskirt.
Die Lippenblumen sind zahlreich und bilden eine große Familie, wohin
unter anderen der S a l b e i und die Taubnessel gehören.
I I . Gestaltungslehre.
Die Bliche.
207
3. D i e S t a u b f ä d e n Mainina,).
D m dritten Blattkreis der Blüthe bilden die S t a u b b l ä t t e r , die in 62
ihrer Gestalt von der gewöhnlichen Blattform so bedeutend abweichen, daß sie
als Fäden bezeichnet werden. I n der That
erscheinen dieselben meistens so zusammengezogen, daßsieNiemand als Blätter ansehen und
bezeichnen würde, wenn nicht bei vielen Blüthen der Uebergang aus den Kronblättern in
Staubfäden deutlich nachweisbar wäre.
Untersuchen wir z. B. die Kronblätter einer
weißen Seerose, einer gewöhnlichen gefüllten
Rose und Nelke, so finden wir die nach der
Mitte zustehendenKronblätter immer schmäler
werdend, alsbald mit einem gelben Köpfchen
versehen, sodann schon theilweise fadenförmig, wieFig. 130, und endlich erscheinen vollständig ausgebildete Staubfäden. I m Uebrigen finden wir die Staubfäden mehr oder weniger dünn, Fig. 131, mitunter breit, Fig. 132, und ebenso
von sehr verschiedener Länge.
Man unterscheidet an den Staubfäden den unteren, meist fadenförmigen, 63
daher vorzugsweise als Faden oder Träger(^iiainSutnia) bezeichneten Theil,
und den oberen, der als kugeliger oder länglicher Schlauch mitstaubartigcmI n halt erscheint, und S t a u b b e h ä l t e r (^.rMsrÄ.) genannt wird. Der letztere ist
der wesentliche Theil, und der Faden fehlt nicht selten oder ist vielmehr so verkürzt oder mit anderen Vlüthentheilen verwachsen, daß der Staubbehälter ungestielt oder sitzend genannt wird.
Die Staubfäden gehören zu den wichtigsten Merkmalen für die Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen, und man nimmt dabei Rückficht auf ihre
Anzahl, Länge und Stellung, sowie darauf, ob sie unter einander oder mit
anderen Theilen der Blüthen verwachsen sind. Unter sich verwachsene Staubfäden werden v e r b r ü d e r t Genannt.
Indem der Staubfaden, ähnlich wie der Blattstiel als Mittelrippe eines 64
Blattes fortläuft, durch den ßtaubbetzälter sich verlängert, theilt er denselben
in zwei Fächer« Manche Pflanzen haben jedoch einfächerige oder vierfächenge
Staubbchältcr. Als Inhalt derselben finden wir den P o l l e n oder B l ü t h e n staub, einen meistens gelb, zuweilen auch roth, braun, violett, blau oder grün
gefärbten Staub, dessen Körnchen einen Durchmesser von V20 bis VZoo Linie
haben. Betrachtet man dieselben mittelst starker Vergrößerung, sostellensichdiese
winzige Stäubchm als rundli5)e Schläuche dar, die oft sehr zierlich mit kleinen
Stacheln, Warzen
oder Leisten besetzt
sind, Fig. 133,
134,135 u. 136,
und an manchen
208
H.. Allgemeine Botanik.
Stellen freie, oder mit einem Deckel verschlossene Oeffnungen oder Poren zeigen.
An solchen Oeffnungen erkennt man das Vorhandensein einer zweiten oder
inneren Pollenhaut, welche eine schleimige, körnige Flüssigkeit, F o V i l l a genannt, einschließt, die mitunter Oeltröpfchen enthält.
Wenn das Pollenkorn mit Wasser befeuchtet wird, so saugt es dieses kraftig ein, schwillt beträchtlich, die innere Haut wird an den Poren hervorgetrieben
und endlich zerplatzt das Pollenkorn. Bei allmählicher Einwirkung von Feuchtigkeit sieht man dagegen dünne Röhren, die sogenannten Pollenschläuche,
Fig. 137 und 136 aus den Körnchen hervortrciben, die bei der Befruchtung der
Pflanze eine wichtige Rolle spielen.
Denn die Pollenkörner dienen diesem Zwecke, indem jene schlauchartigen
Fadensichverlängern und eine Samenknospe
aufsuchen, um mit derselben in Verbindung zu
treten. Letzere finden wir aber im vierten
Blattkreis der Blüthe, in den Fruchtblättern
oder Stempeln, und die von hier ausgehende
Entwickelung werden wir bei der Beschreibung
des Samens näher betrachten.
Zu einer bestimmten Zeit springt daher der
Staubbehälter der Länge nach oder an einzelnen Punkten auf und schüttelt als kleines Wölkchen seine Pollenkörner aus, von welchen dann
einzelne an den Ort ihrer Bestimmung gelangen. I n der Regel ist die Stellung der Staubfäden zu den Fruchtblättern von
der Art, daß diese den Staub leicht aufnehmen können. Mitunter ist dies jedoch nicht der Fall, indem die Fäden entweder zu kurz sind, oder in anderen
Blüthen, ja auf anderen Pflanzen sitzen. I n diesem Falle übernehmen der
Wind und die Insecten, namentlich die Bienen, das Geschäft der Übertragung
des Staubes auf das Fruchtblatt.
Entfernt man die Staubbehälter vor ihrem Aufspringen aus einer Blüthe,
so entwickelt diese keine Frucht. Die künstliche Bestaubung geschieht, indem
man einer Blüthe die eigenen Staubfäden nimmt und die einer anderen Blüthe
auf dieselbe ausstauben läßt. Man bezweckt hierdurch die Hervorbringung gemischter oder sogenannter S p i e l a r t e n (Sorten) und befolgt dies namentlich
bei Levkojen und Nelken.
H. D e r S t e m p e l
63
(Visbiiinru.),
Die Fruchtblätter oder S t e m p e l bilden endlich den vierten und letzten
Blattkreis der Blüthe, und stehen in der Mitte derselben und an der Spitze
der Achse, deren Wachsthum mit der Hervorbringung der Frucht abgeschlossen ist.
Merkwürdiger Weise nähern sich die Fruchtblätter in ihrer Bildung wieder mehr den Stengelblattern, theils in der ihnen eigenen grünen Farbe, theils
durch ihren Bau, der namentlich bei ihrem Heranwachsen zur Frucht oft die
entschiedenste Blattähnlichkeit zeigt. Die Entstehung des Stempels aus einem
I I . Gchaltnngslchre.
Die Blüthe.
209
.Blatte hat man sich nach Fig. 139 in der Weise vorzustellen, daß dessen Ränder sich einwärts biegen und mit einander verwachsen, während der Mittelnerv
zu einem längeren Theile fortmachst. Die Stelle, wo die
Ränder des Fruchtblattes verwachsen, heißt N a h t , und an
dieser entwickelt sich in der Regel die Anlage der künftigen
Frucht, welche das Eichen (Ovniuni) oder die S a m e n knospe (AOWNnIg) genannt und später einer besonderen
Betrachtung unterworfen wird.
Man unterscheidet an dem ausgebildeten Stempel drei
Theile, den unteren, meist etwas dickeren, welcher die Fruchtanlagen einschließt und daher Fruchtknoten (Ovarium
oder (3-6i'N6n) heißt (Fig. 140 a), und in einen hohlen fadenförmigen Theil ö, G r i f f e l oder S t a u b w e g (ät^ins) genannt, übergeht, der an seinem Ende die Narbe (ZtiFms.)
6 trägt, die bald die Form eines Federchens hat, bald die
einer Vertiefung, mit einem klebrigen Safte bedeckt. Der
Griffel ist nicht selten so verkürzt, daß die Narbe als eine
unmittelbar auf dem Fruchtknoten sitzende erscheint.
Die Blüthe enthält entweder nur ein einziges Fruchtblatt, oder sie enthält deren mehrere. I n letzterem Falle
ist entweder jedes einzelne Fruchtblatt für sich zu einem
Stempel ausgebildet, oder dieselben find unter einander
verwachsen. Dem Anscheine nach ist alsdann nur ein Stempel vorhanden,
allein meist läßt sich aus der Anzahl der Griffel oder, wenn auch diese verwachsen find, aus der der Narben bestimmen, wie viel Fruchtblätter vorhanden Maren. Die Art des VerWachsens dieser bietet mehrere Abänderungen
dar, die namentlich von Einfluß auf die Form der Frucht sind.
Gleichwie die Staubfäden gehören die Stempel zu den für die Beschreibung und Einteilung der Pflanzen wichtigsten Merkmalen. Es muß jedoch
bemerkt werden, daß bei manchen Pflanzen, z. B. bei den Nadelhölzern, die
Stempel gänzlich fehlen, obgleich Samenknospen vorhanden sind.
G e g e n s e i t i g e s V e r h a l t e n der B l ü t h e n t h e i l e .
Abgesehen von den bisher angeführten Werkmalen der-emzelnm Blüthen« 66
theile bieten dieselben noch manche Eigenthümlichkeiten in ihrem gegenseitigen
Verhalten dar, was bei der Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen sehr
zu berücksichtigen ist. Hierher gehört zunächst die gegenseitige Stellung der
Blüthentheile. Wir haben die Blüthen als eine Reihenfolge von eigenthümlichen Blattgebilden bezeichnet, welche übereinander stehend am Ende einer Hauptoder Seitenachse deren Wachsthum abschließt. Das blüthetragende Ende heißt
der B l ü t h e n s t i e l (^etiolus). Die Abstände (Interfoliartheile, s. §. 28)
der an ihm austretenden Blätter sind jedoch so verkürzt, daß mit seltenen Ausnahmen die vier Blattkreise der Blüthe dicht aneinander gedrängt stehen. Es
hat somit der Stempel den obersten Theil, die Spitze der Blüthe, einzunehmen.
H.. Allgemeine Botanik.
210
unterhalb welcher die Staubfäden und die Vlüthendecken (§. 58) folgen. Dich
der Regel gemäße Stellung findet jedoch nicht immer Statt. Oefter erheben
sich die unteren Blüthetheile über den Stempel und überragen denselben gänzlich. Dieses Verhältniß des Stempels ^— oder seines wesentlichen Theiles des
F r u c h t k n o t e n s — zu den übrigen Blüthentheilen verdient besondere Beachtung, weil es bei der Eintheilung der Pflanzen mehrfach benutzt worden ist.
Folgen der Regel gemäß alle Vlattkreise frei nach einander, so nehmen
Staubfäden und Blüthendecken die ihnen zukommende Stellung unterhalb des
Stempels wirklich ein; sie sind alsdann u n t e r s t ä n d i g st^o^ua.), Fig. 141.
Pflanzen, bei welchen dies Statt findet, werden bod e n b l ü t h i g e (iii^Iamiüoi'aO) genannt. Andere
heißen k e l c h b l ü t h i g e Pflanzen ( ( ^ I ^ M o i ^ s ) ,
weil ihre Staubfäden am Grunde mit Krone und
Kelch derart verschmolzen sind, daß sie aufletzterem zu
stehen scheinen. Umgeben hierbei die genannten Blüthentheile den in der Mitte frei verbleibenden Stempel, wie bei Fig. 142, so sind
sie umständig ( p s r i ^ ua); während dieselben
ob erstlind i g ( 6 ^ M I . )
genannt werden, wenn sie
wie Fig. 1.43 u. 144 zeigt,
M t den Fruchtblättern verschmolzen sind und oberhalb der Fruchtknoten stehen
Auch begegnet man häusig einer Verschmelzung der
Staubfäden mit der Krone,
so daß die Staubbehälter
an den Kronblättcrn angehestet erscheinen, wie dies
derFall ist bei den sogenannten K r o n b l ü t h l e r n ( O o rolMoinS), Endlich trifft man bei manchen Pflanzen
eine Verwachsung der Staubfäden mit den Stempeln,
so daß die Staubbehälter auf letzteren sitzend erscheinen.
67
Blüthen, in welchen der Regel gemäß alle vier BlattMse
werden vollständige Blüthen genannt; unvollständig sind sie, wenn eins
oder mehrere dieser Organe fehlen. Z w i t t e r b l ü t h e n heißen solche, in welchen
man Staubbehälter und Stempel findet. Enthält dagegen eine Blüthe nur
Staubfäden, so wird sie eine m ä n n l i c h e , enthält sie nur Fruchtblätter,
dann wird sie eine weibliche Blüthe genannt. Als geschlechtslos bezeichnet man Blüthen, denen beide innere Blattkreise fehlen.
Es giebt Pflanzen, bei welchen männliche und weibliche Blüthen auf
einem und demselben Stamme vorkommen, wie bei der Haselnuß und der Eiche,
I I . Geswltungslehre.
Die Blüthe.
211
weshalb dieselben einhäusig sind, während bei den zwcihäusigen Pflanzen
die männlichen und weiblichen Blüthen auf verschiedenen Stämmen derselben
Art angetroffen werden, was z. B. bei der Neide, dem Hanf und dem Hopfen
der Fall ist.
Zufällige Blüthentheile.
Wir bezeichnen hiermit verschiedene Bildungen, die nur an manchen Blü- 68
then angetroffen werden, und daher als unwesentlich anzusehen sind, wie der
K r a n z , eine Mittelbildung zwischen Krone und Staubblatt, besonders kenntlich bei der weißen Narcisse (Sternblume) als rother Ring. Aehnlich ist die
Schuppe oder das Schüppchen, das man z. B. unten an den Kronblättchen
des Vergißmemnichts findet. Beide Bildungen mögen als Nebenblätter der
Kronblätter anzusehen sein. Sehr häufig finden sich drüsige Bildungen, die
einen zuckerigen Saft absondern und Nektarien genannt werden.
N1u.^d.6rl8taQä.
Nachdem wir die Blüthe in ihren einzelnen Theilen kennen gelernt haben, 69
bleibt uns noch übrig, ihre Stellung als Ganzes zu anderen Blüthen und zum
Stamme zu betrachten. Man bezeichnet dieses Verhältniß durch den Ausdruck
Blüthenstand.
Bei manchen Pflanzen ist der Stengel einfach, ohne Verzweigung und erzeugt daher nur eine einzige Endblüthe, wie z. B. bei der Tulpe. Ein solch
einblüthiger Stengel wird S c h a f t (Ica^us) genannt. Der verzweigte
Stengel ist dagegen mehrblüthig.
Die Blüthen sind entweder gestielt, oder ungestielt, in letzterem Falle
auch fitzend genannt. Beschließt die Blüthe das Wachsthum einer Achse, so
heißtsieEndblüthe, im anderen Falle Seitenblüthe. Die achselständige
Blüthe entspringt aus der Achsel eines Blattes, welches Deckblatt (6rNot6a)
genannt wird. Dasselbe hat entweder eine besondere Gestalt, oder es hat die
der übrigen Stengelblätter. Auch findet man ganz allmähliche Uebergänge von
Stengelblättern in abweichend gestaltete Deckblätter, ja, es ssiebt Beispiele, wo
letztere eine eigenthümliche Färbung annehmen, wie bei den schön purpurrothen
Deckblättern des Ackerkuhweizen.
gerstreut sind die Blüthen, wennsieeinzeln, ohne besonders ins Auge
,
fallende Ordnung an verschiedenen Stellen der Wanze auftreten; genäherte
oder gedrängte Blüthen bilden dagegen Gruppen von eigenthümlicher Form
und entsprechender Benennung.
Bei dem gedrängten Blüthenflande bemerken wir den gemeinschaftlichen 7l)
Blüthenstiel, der S p i n d e l (Rackis) genannt wird. Dieser gemeinsame Träger
vieler Blüthen ist an seinem Grunde zuweilen von einem einzigen großen
Blatte umschlossen, welches Blumenscheide (8xMa,) genannt wird; hat sich
jedoch ein Kreis von Deckblättern um den Blüthenstand gereiht, so bilden diese
die Blumenhülle (Involuornin). Die Scheide finden wir z. B. bei Calla,
14*
N2
H.. Allgemeine Botanik.
Aron und den Palmen; die H ü l l e bei der Sonnenblume und den übrigen
Kompositen. S . Fig. 151, bi>.
71
Von der Länge, Dicke und Breite der Spindel, von der Länge der Stiele
der einzelnen Blüthen und von der Form und Beschaffenheit der Deckblätter
hängt nun hauptsächlich die äußere Erscheinung des Blüthenstandes ab, von
dem wir folgende Hauptformen unterscheiden:
1. Die A ehre (Ioioch Fig. 145; ungestielte oder kurzgestielteVlüthchen
sitzen längs der Spindel in den Achseln der Deckblättchen. Die Aehre ist zusammengesetzt, wenn aus den Blattachseln wieder kleine Aehrchen hervorkommen. 2. Das Kätzchen (^.mEntuui), Fig. 146, eine gewöhnlich herabhängende Aehre, deren ganze Spindel nach dem Verblühen abfällt (Haselnuß).
3. Der Kolben ( 8 ^ ä i x ) , eine Aehre mit sehr dicker,fleischigerSpindel (Kalmus).
4. Der Zapfen (Vtrodiins), ein Kätzchen mit holzigen, schindelartigen Deckblättern (Nadelhölzer). 5. Die Traube oder das Träubchen (Rao6uin8),
Fig. 147, eine Aehre, deren Blüthchen etwas länger gestielt sind (Johannisbeere). 6) Die Rispe (?anioula) ist eine Traube mit verästelten, blüthetragenden Nebenachsen (Schilfrohr). 7.
DerStrauMk^r»
ans), eine stark vcrästelt-e Rispe, deren
untere und obere
Seiten ästchen kürzer
sind, als die mittleren, so daß der ganze
Blüthenstand eine
eiförmige (straußförmige) Gestalt erhält (Flieder oder
Synnga, Hartriegel). 8. Die Doldentraube (Ooi^uibnZ), Fig. 148, eine
Traube mit verkürzter Spindel und verlängerten Nebenachsen (Bauernsenf).
9. Die Schelndolde oder Trugdolde (O^uia.), eine Doldentraube mit ver-
I I . Gestaltungslehre.
Die Blüthe.
'
21Z
ästelten Nebenachsen (Hollunder, Schneeball). 10. Die D o l d e oder der
S c h i r m (Ilmdsiia), Fig. 149, ein Vlüthenstand mit verschwindend kurzer
Spindel, so daß alle blüthetragenden Nebenachsen an einer gemeinschaftlichen
Stelle zu entspringen scheinen, an welcher alle Deckblätter in einen Quirl (§. 54)
gestellt erscheinen und eine gemeinschaftliche Hülle bilden. Bei der zusammengesetzten Dolde tragen die einzelnen Nebcnachsen abermals kleine Döldchen,
mit oder ohne Hüllchen« Dieser sehrcharakteristischeBlüthenstand findet sich
namentlich bei der großen Familie der Doldenträger (vNdsIliksi'aS), zu
welcher u. a. der Kümmel und die gelbe Rübe oder Möhre gehören.
11. Das Köpfchen (O^ituiuui) Fig. 150, besteht aus kleinen, kurzoder ungestielten Blüthchen, die auf einer sehr verkürzten Spindel dicht neben
einander und über einander sitzen (Klee). 12. Wenn sich hierbei die Spin-
del beträchtlich verdickt und zu einer Scheibe ausbreitet, so entsteht ein ganz
eigenthümlicher, einer großen Anzahl von Pflanzen zukommender Blüthenstand,
den uns die Durchschnittszeichnung, Fig. 151, erläutert.
Wir sehen hier die verdickte Spindel oder Scheibe a, umgeben von mehreren Kreisen von Deckblättern, bi>, die zusammen eine gemeinschaftliche Hülle
bilden. Die kleinen Deckblättchen, b ^ , die auf der Scheibe stehen und die
wegen ihrer häutigen Beschaffenheit auch S p r e u b l a t t e r heißen, tragen i n
ihren Achseln die kleinen ganz ungestillten Blüthen o und ei, die entweder einen
Kelch (s) haben, oder desselben entbehren. Die auf der ScheibestehendenBlüthchen sind entweder alle von gleicher Form, oder sie sind theils r ö h r e n f ö r m i g
(ck), theils zungen- oder bandförmig (o).
Die Scheibe ist jedoch nicht immer stach, sondern häusig halbkugelig, kegelförmig, vertieft u. s. w. Nackt erscheint sie, wenn keine Spreublättchen vorhanden sind. Die in ihrem Umfange stehenden Blüthen heißen Rand- oder
S t r a h l e n b l ü t h e n und umgeben die Scheibenblüthen.
Man bezeichnet diesen Vlüthenstand als zusammengesetzte B l ü t h e
(Ü08 conix08iw8) oder Blüthenkörbchen und findet diese als Merkmal einer gro-
214
^.. Allgemeine Botanik.
ßen Familie (OoinVositas), zu der u. a. die Sonnenblume, die Gänseblume,
der Löwenzahn und der Rainfarn gehören.
72
Die Bestimmung der Blüthe ist erfüllt, nachdem die Übertragung des
Blüthenstaubes auf die Fruchtanlage stattgefunden hat. Von diesem Augenblicke an geht die Blüthe in ihrem Wachsthum nicht mehr vorwärts, sie welkt
und vertrocknet. Nur die Samenknospe mit ihrer Umgebung, mithin die Fruchtblätter gehen ihrer weiteren Entwickelung oder Reift entgegen und werden dadurch wesentlich verändert. Nicht selten nehmen jedoch auch der Kelch und
zuweilen selbst die Deckblatter im Verlauf dex Ausbildung der Frucht eine neue
Form an.
Als wesentlichen Theil der Frucht müssen wir natürlich die entwickelte
Samenknospe, den S a m e n , ansehen, während die denselben umgebenden Gebilde
als Fruchthülle und Fruchtdecke zu bezeichnen sind. Die Form der letzteren
bedingt das äußere Ansehen und die Benennung der Frucht.
Die innere Anordnung der verschiedenen Fruchttheile ergiebt sich in der
Regel als eine Folge der Anzahl, der Stellung und der Verwachsung der Stempel,
weshalb wir nochmals zur Betrachtung derselben unter diesem Gesichtspunkte
zurückkehren.
73
Die Fruchtblätter oder Stempel nehmen bekanntlich den obersten Theil
der blüthetragenden Achse ein. Dieselbe endigt entweder in ein einziges Fruchtblatt, in welchem Falle derFruchtknoten (§.65) einfächerig ist, oder essindmehrere
Fruchtblätter vorhanden, wo es dann von der Art ihrer Verwachsung abhängt,
ob der Fruchtknoten einfächerig oder mehrfächerig erscheint.
Die folgenden Abbildungen stellen Querschnitte verschiedener Fruchtknoten
vor, wovon einige aus einem eingeschlagenen und mit den Rändern verwachsenen Fruchtblatt, andere aus mehreren Fruchtblättern bestehen.
I n Fig. 152 erblicken wir den Querschnitt des aus e i n e m Fruchtblatte
gebildeten einfächerigen Fruchtknotens, bei welchem « den Mittelnerv des
Blattes und b die verwachsenen
Ränder bezeichnet. Bei Fig. 153
ist durch die stärkere Einschlagung
ein u n v o l l s t ä n d i g zweifächer i g e r Fruchtknoten entstanden.
Der einfächerige Fruchtknoten, Fig. 154, ist durch seitliche Verwachsung von fünf Fruchtblättern entstanden. Wenn hierbei die Fruchtblätter zu-
I I . Gestaltungslehre.
Die Frucht.
215
gleich sich einwärts schlagen und verwachsen, so entstehen, je nach der Anzahl der vorhandene^ Blätter zwei-, drei-, fünffächerige u. f. w. Fruchtknoten
Gig. 155 und Fig. 156). Endlich kann durch ein nach außen gehendes Wachsen
der Achse ein mehrfächeriger Fruchtknoten entstehen (Fig. 157).
So liegt denn schon im Fruchtknoten die Andeutung der Form der künftigen Frucht, wobei jedoch zu beachten ist, daß in vielen Fällen nicht alle im
Fruchtknoten vorhandenen Samenknospen zur Ausbildung gelangen und alsdann auch die entsprechenden Fächer gar nicht oder nur unvollkommen sich entwickeln. Der Fruchtknoten der Eiche z. B. zeigt ursprünglich im Querschnitt
drei Fächer, jeder mit zwei Samenknospen. Aber nur eine einzige der letzteren
bildet sich zur Frucht aus, die daher stets einfächeng und einsamig ist.
Die zur Fruchthülle ausgewachsenen Fruchtblätter springen bei der Samenreife häufig ganz oder theilweise auf, und zwar meist an denjenigen Stellen,
welche der durch das Verwachsen entstandenen Naht entsprechen. Dieses ist
nicht dcrFall bei Samen, die von emer fleischigen oder steinigen Hülle umgeben fmd.
Aeußere
Fruchtformen.
Je nachdem die früheren Blüthentheile während der Fruchtreife eine beson- 74
dere Bildung annehmen, entstehen eigenthümliche äußere Fruchtformen. Wir
finden dieselben bald blattarlig, bald lederartig oder steinhart, markig, fleischig
u. s. w. Nicht selten begegnen wir in den äußeren Fruchttheilen einer Anhäufung
von Zellgewebe, welches Stärkemehl, Zucker, Schleim, Fette oder Säuren u.s.w.
enthält, wodurch jene unwesentlichen Theile der Frucht für unsere Lebenszwecke
allerdings oft wesentlicher werden als ihr Samen.
Die wichtigeren Fruchtformen, in deren Auffassung, Gintheilung und Benennung übrigens durchaus nicht die wünsch enswerthe Uebereinstimmung herrscht,
sind die folgenden:
1. Die O f f e n f r u c h t ; die Samen liegen frei in der Achsel der verholzten Deckblätter und bilden den Japsen (OonuZ) der Nadelhölzer (OonilsraO).
2. Die Hülse AsAnniGn); sie besteht aus "einem einzigen Fruchtblatt, an dessen
Naht die Samen angeheftet find ( H ü l f e n f r ü c h t e ; Bohnen). 3. Die B a l g frucht (^<Mou1n8); mehrere kleine Hülfen stehen meist paarweise beisammen
(Rittersporn, Sturmhut, Immergrün). 4. Die Kapselfrucht (OgSZula);
zwei oder mehrere Fruchtblätter sind mit einander verwachsen, und zwar entweder nur mit den Randern (einfächerige Kapsel, Fig. 154), oder mittheilweiser (Mohn) oder gänzlicher Einschlagung der Ränder und Verwachsung mit
der Fruchtachse (mehrfächerige Kapsel, Fig. 156 und 157) (Veilchen, Reseda,
Balsaminc). 5. Die Schote ( M i ^ n a ) ; zwei Fruchtblätter sind mit einander
verwachsen und durch eine dünne Scheidewand in zwei Längsfächer getheilt
(Levkoje, Kohl); das Schötchen hat denselben B a u , ist aber kürzer und wenig-samig (Hirtentasche, Baucrusenf). 6. Die Schalfrucht (Oa^oxsis); die
einsamige Frucht ist von einer fest anliegenden oder mit dem Samen verwachsenen Fmchthülle umgeben, welche nicht aufspringt (Gräser, Ranunkeln, Lippen-
21ß
^.
Allgemeine Botanik.
blumen). 7. Die Schließfrucht (^HHninni); eine einsamige Kapsel mit trockner, nicht aufspringender Fruchthülle (Sonnenblume, Distel, Kümmel). 8. Die
Nuß (Nnx); ist eine Schließfrucht mit fester, lederartiger oder holziger Fruchthülle (Haselnuß, Eichel). Dieselbe fitzt in der mehr oder weniger geschlossenen
Becherhülle (Ouxula), welche aus Deckblättern entstanden ist. Das Nüßchen ist eine Schalftucht mit lederartiger fester Hülle (Sauerampfer, Hanf,
Heidekorn, Buchweizen)« 9« Die Beere <ZWca); die Häute der Fruchthülle
sind weich und der mittlere Theil derselben fleischig und sehr saftreich (Traube,
Johannisbeere, Citrone). Als besondere Abänderung der Beere sind die sogenannten Kürbisfrüchte (Gurke, Melone) zu bemerken. 10. Die Steinfrucht
(vruxa.); die äußere Haut der Fruchthülle ist fleischig, die innere steinhart
(Pflaume, Mandel, Olive). 11° Die Apfelfrucht (^onmin); das lederartige
Samengehäuse, G r ö p s genannt, ist von den während der Fruchtreift außerordentlich dick und fleischig gewordenen Fruchtdecken umgeben (Apfel, Birne).
Als zusammengesetzte Früchte oder Sammelfrüchte sind die Erdbeere,
Himbeere, Maulbeere n. a. m. zu betrachten.
73
So wie die Knospen in den Blattachseln aus dem Stamme heraustreten
und zu einer kleinen Scitenachse sich ausbilden und entweder sogleich oder erst
nach längerer Zeit weiter wachsen, ebenso entstehen an anderen Stellen der vollkommnerm Pflanzen Knospen, die eine eigenthümliche Entwickelung durchmachen,
als deren Endergebniß der Samen erscheint und die daher Samenknospen
genannt werden.
Wir finden die Samenknospe stets an dem Ende einer Pstanzenachse, deren
weiteres Wachsthum mit der Entwickelung der Samenknospe abgeschloffen ist.
Verfolgen wir ihre Entstehungsgeschichte, so erscheint dieselbe zuerst in Gestalt
eines sehr kleinen, weißen, aus Zellgewebe bestehenden Knöpfchens, das früher
unpassender Weist Eichen genannt worden ist. I m Innern der Samenknospe
bildet eine Zelle von beträchtlicher Größe eine kleine Höhlung, den KeimsqckFig. 158 o.
Die Samenknospe an und für sich ist unfähig, zum Samen sich auszubilden, und es gehen eine Menge von Samenknospen zu Grunde, ohne ihre
vollständige Entwickelung erreicht zu haben. Diese tritt nur alsdann ein, wenn
ein von den Pollenkörnern der Blüthe ausgehender Pollenschlauch in die Samenknospe eindringt.
76
Bei manchen Pflanzen, wie z . B . bei den Nadelhölzern, hat die Stellung
der Samenknospe eine große AehnliäMt mit der einer gewöhnlichen Knospe,
indem sie in den Achseln vieler, dicht am Ende der Pflanzenachse zusammengedrängter, schuppenartiger Blätter hervorbricht, ohne alle Bedeckung und deshalb als nackte Samenknospe bezeichnet wird. Alsdann finden wir den
später entwickelten Samen ebenfalls nackt unter den Schuppen der Tannenzapfen liegen, wie uns dies am deutlichsten an den großen, wohlschmeckenden
Samen der P i n i e <?inu5 I>in63.) wird.
II«
Gestaltungslehre.
Der Samen.
21?
Allein bei weitem die Mehrzahl der Pflanzen erzeugt ihre Samenknospen
in besonders gebauten blattartigen Gebilden, die bereits unter dem Namen dcr
Stempel oder Fruchtblätter beschrieben wurden. Wir haben gesehen, daß diese
Organe im Allgemeinen aus einem am Grunde dickeren Theile, dem Fruchtknoten, bestehen, in dessen Fruchtknotenhöhle eine oder mehrere Samenknospen sich
zeigen, zu welchen durch eine Oeffnung, bald unmittelbar, bald durch den röhrenartig verlängerten S t a u b w e g oder G r i f f e l der Pollenschlauch gelangt.
Die Samenknospe bietet bei den verschiedenen Pflanzen mehrere so eigen- 77
thümliche Abweichungen in ihrem Bau dar, daß eine Beachtung derselben nothwendig ist. So bildet sich um die eigentliche Knospe, die wir als K n o s p e n kern näher bezeichnen wollen, bald eine einfache, bald eine doppelte K n o s p e n h ü l l e , die jedoch an der Spitze des Knospenkerns sich nicht schließt, sondern
als K n o s p e n m u n d geöffnet bleibt. Sowohl durch Krümmungen der Samenknospe selbst, als auch durch die Umbiegung ihres unteren verlängerten und
in diesem Falle K n o s p e n t r ä g e r genannten Theilcs entstehen diejenigen Formen, welche man als umgekehrte, halb umgekehrte und gekrümmte Samenknospe
bezeichnet und die sich von der geraden oder aufrechten Knospe dadurch unterscheiden, daß bei jenen der Knospenmund nicht dem Anheftungspunkt der Knospe
gegenüber, sondern neben demselben'liegt. Zur Erläuterung der im Vorhergehenden gebrauchten Ausdrücke diene der in geeigneter Vergrößerung gegebene
Durchschnitt einer geraden Samenknospe, Fig. 158«
Knosp engrund.
b. Knospenkern.
o. Keimsack.
Innere Knosftenhülle.
s. Aeußere Knospenhülle.
/ . Knospenmund.
- Wird ein nach der Ausstreuung des Blüthenstaubes auf die Narbe ge- 7 8
fallenes'Pollmkorn in seiner weiteren Entwickelung verfolgt, so bemerkt man,
daß dasselbe zuerst etwas anschwillt und allmählich an einer Stelle zu einer fadenförmigen Zelle, dem sogenannten Pollenschlauch, auswächst. Dieser letzte
dringt dann, indem er fortwächst, beim Vorhandensein eines Staubweges durch
diesen in den Fruchtknoten ein und gelangt endlich durch den Knospenmund
in den Keimsack des Knospcnkerns einer daselbst befindlichen Samenknospe.
Er tritt daselbst in Berührung mit eigenthümlichen, sogenannten Keimkörperchen, welchen kleine Kugeln von schleimiger Masse beigesellt sind und es scheint
nun eine Vermischung der beiderseitigen Flüssigkeiten stattzufinden. Die Befruchtung, ist hierdurch vollendet und es beginnt sofort die Entwickelung von
neuem Zellgewebe an der Stelle, wo der Psllenschlauch eingetreten ist. Das
anfangs rundliche Häufchen von Zellen nimmt alsbald eine bestimmte Form an
und erscheint endlich als ein kleines selbstständiges Pflcmzchen, das Keim oder
218
^.
Allgemeine Botanik.
Embryo genannt wird und mit einer beblätterten Knospe und einem Wurzelchen versehen ist.
Fig. 159 zeigt uns vergrößert den Durchschnitt eines Stempels (von Ü61iant1i6iQNN äsntioulawm), wo von den auf der Narbe o liegenden Pollenkörnernck,die fadenförmigen Pollenschläuche durch den Staubweg t>, in die Höhle'
des Fruchtknotens a zu den daselbst zahlreich vorhandenen Samenknospen dringen und in diese eintreten.
79
Mit der Ausbildung des Keimes verändern sich jedoch auch seine nächsten
Umgebungen, indem durch Vermehrung des Zellgewebes der sogenannte Eiweißkörper entsteht, der den Keim vei manchen Pflanzen gänzlich, bei anderen
theilweise einschließt. Das Zellgewebe des Eiweißkörpers enthält am gewöhnlichsten Eiweiß, Stärke oder Oel, Zucker u. a. m., Stosse, die abgesehen von^
dem Nutzen, den sie uns darbieten, dazu bestimmt sind, dem Keime die zu seiner
ersten Weiterentwickelung erforderliche Nahrung zu liefern. Nicht selten sind
jedoch diejenigen Pflanzen, deren Samen gar keinen Eiweißkörper enthalten,
fondern nur au? dem Keim bestehen. Die Hüllen der Samenknospen erkennen
wir am gereiften Samen wieder als Samenhäute in vielfach veränderter Form.
Betrachten wir eine B o h n e , Fig. 160 und Fig. 161, so läßt sich Vieles
I I I . Lebenslchre oder Physiologie. ,
219
des seither Gesagten deutlich erkennen. Wir sehen bei a die Stelle, an welcher
die ursprüngliche Samenknospe angehestet war, und beim Theilen der Bohne
der Länge nach finden wir bei o dm Keim mit seinem Würzelchen b, und mit
der von Blättchen umgebenen Knospenspitze, die wohl auch Federchen genannt
wird; ferner den Samenlappen ci von beträchtlicher Größe. Ein Eiweißkörper
ist hier nicht vorhanden. Derselbe fehlt ebenfalls im Samen des Nepses
(Vi-kiHLioa), Fig. 162, achtmal vergrößert. Auf dem Längsschnitt, Fig. 163, sehen
wir von der Samenhaüt cr eingeschlossen das Keimpstänzchen, welches hier ganz
gekrümmt ist; es besteht aus dem Würzelchen b und den zusammengefalteten
Samenlappen s und ci. Dagegen erkennen wir beim Leinsamen, Fig. 164,
achtmal vergrößert, unter der Samenschale a eine dünne Schicht von Eiweißkörper b, ferner das Keimpstänzchen mit den Samenlappen o und ci, dem
Knöspchen s und dem Würzelchen/. Auf dem Längsschnitt des H a f e r k o r n s
M g . 165), in sechsfacher Vergrößerung (Fig. 166) finden wir unter der Samenschale einen großen Eiweißkörper i> und den Keim oci.
" Der Keim unterscheidet sich von der gewöhnlichen, am Stamm auftretenden
Knospe hauptsächlich dadurch, daß ersterer eine zwar sehr verkürzte, aber doch
vollkommene, mit einer Wurzel versehene selbstständige Pflanzenachse ist, während
die Ernährung der Knospe stets durch andere Pstanzentheile geschieht, so lange
bis der kräftig gewordene Trieb im Stande ist, Wurzeln zu entwickeln und durch .
diese Nahrung aus dem Boden aufzunehmen.
Indem nun der Keim sich entwickelt, wie dies bereits früher ls- 24) geschildert worden ist, beginnt er ein neues selbstständiges Pflanzenleben, das
wieder jene ganze Reihe mannichfacher Gebilde hervorzubringen im Stande ist,
deren Betrachtung wir erschöpft haben, und so trägt die Pflanze, obgleich in
ihrer Einzelheit ein vergängliches Wesen, dennoch in sich die Bedingung der
ewigen Dauer.
III.
D i e Lebenslehre oder P h y s i o l o g i e .
V o n den Lebenserscheinungen i m A l l g e m e i n e n .
Bei Betrachtung der Pflanzen- und Thierschöpfung begegnen wir einer 80
Fülle eigenthümlicher Erscheinungen. Es ist der Odem des Lebens, der uns
hier entgcgenweht, des Lebens, das in Stoff und Form, in Bewegung und
Empfindung Gebilde uns vorführt, wie das Mineralreich sie nicht zu bieten
vermag. Unendlich näher gerückt sind dieselben dem menschlichen Sinn und
Gefühl, als die starren Formen und regungslosen Massen des todten Gesteins.
Scheint es doch, als müßten hier durchaus andere Kräfte »und Gesetze
walten, als diejenigen, welche wir als allgemein herrschende Naturkräfte im
Bereich der Physik und Chemie bereits kennen gelernt haben. Denn während
die unbelebte Materie einer Anziehungskraft unterliegt, die ihre kleinsten Theilchen zu festen Körpern vereinigt und anordnet zu regelmäßigen Krystallen, welche
von ebenen Flächen und geradlinigen Kanten bcgränzt sind, finden wir alle
220
^.
Allgemeine Botanik.
Pflanzen- und Thiergebilde ursprünglich als kugelförmige Zelle zum Vorschein
kommend, aus nachgiebiger, der Umbildung fähiger Masse bestehend und selbst
in der Weiterentwickelung und Vollendung Formen annehmend, die sich nicht
auf einige geometrische Grundgestalten und ihre Combinationen zurückführen
lassen, wie wir dies in der Mineralogie und Cheme bei den natürlichen und
künstlichenchemischenVerbindungen gefunden haben.
81
Wir sehen bei Pflanzen und Thieren die verschiedenen Lebensthätigkeiten
an gewisse Theile derselben gebunden, die Organe genannt werden, während
die Masse des Minerals niemals Theile unterscheiden läßt, die besonderen
Zwecken dienen. Ersten sind daher o r g a n i s i r t e Körper; die letzteren sind
unorganisirt.
Die Aeußerungen der Lebensthätigkeit haben wir zu verfolgen sowohl
hinsichtlich des Stoffes, der ihr unterworfen ist, als auch in Hinsicht auf die
Form, welche dem letzteren dabei gegeben wird. Ein jeder O r g a n i s m u s
(d. i. lebendes Wesen) hat das Vermögen, aus seiner Umgebung fremde Stoffe
in seinem Körper aufzunehmen, dieselbenchemischumzuändern und umzugestalten, so daß sie jetzt dem Stoff des eigenen Körpers ähnlich geworden, assimil i r t / s i n d und dessen Masse vermehren.
Es sind dies die bekannten Erscheinungen der E r n ä h r u n g und des
Wachsthums an organischen Körpern, welche diese so wesentlich von den
unorganischen trennen. Denn ein Mineral nimmt keine Nahrung in sich auf
und wächst nicht, und wenn wir bildlich von dem Wachsen eines Krystalles
sprechen, so ist der Vorgang dabei ein ganz anderer. Es nimmt z. B. ein
Alaunkrhstall, den wir in eine Alaunlösung legen, allerdings an Umfang zu.
Allein dies geschieht, indem er die in der Flüssigkeit befindlichen Alauntheilchen,
welche seiner eigenen Masse bereits vollkommen gleich sind, anzieht und auswendig an seine Oberstäche anlegt. EinechemischeUmbildung oder eine Umgestaltung des Stoffes findet hierbei nicht statt.
82
Eine weitere Aeußerung der Lebensthätigkeit ist die F o r t p f l a n z u n g .
Pflanzen und Thiere erzeugen Gebilde, die sich vom mütterlichen Körper trennen
und ein selbständiges Leben beginnen und weiter führen, indem sich an den
Kindern alle Lebenserscheinungen der Aeltern wiederholen. Daher sehen wir
trotz der außerordentlichen Mannichfaltigkeit belebter Wesen doch stets dasselbe
Geschlecht, dieselbe Art in v e r M
Oft schon ist die Frage aufgeworfen worden: Können neue Arten von
Thieren und Pflanzen entstehen? Soweit geschichtliche Aufzeichnung und eine
genauere Beobachtung der Natur reicht, hat man keine
stehen sehen. Dagegen erfahren unsere Kulturpflanzen und Hausthiere im
Verlaufe der Zeit sehr auffallende Aenderungen an Umfang und Gestalt ihres
Körpers und nehmen gewisse Eigenschaften an, die sich von Geschlecht auf Geschlecht vererben.
Diese und andere Beobachtungen führen zu dem Schlüsse, daß in der
organischen Welt dasjenige entsteht, was unter den gegebenen Verhältnissen bestehen kann. So lange letztere sich gleich bleiben, werden auch die Pflanzen-
I I I . Lcbenslehre oder Physiologie»
.
221
und Thierformen keine Veränderung erfahren. Einer jeden wesentlichen Aenderung der allgemeinen Lebensbedingungen wird auch eine entsprechende Umgestaltung der lebenden Wesen nachfolgen. Hierfür sprechen insbesondere die
sich folgenden und von einander so abweichenden Formen der vorweltlichen
Wanzen und Thiere, welche im mineralogischen Theile beschrieben worden sind.
Nach Gesetzen, die uns unbekannt sind, ist ferner die Z a h l , der Umfang 83
und die D a u e r der organischen Wesen bestimmt. Die Ausbreitung der unzähligen Einzelwesen der Pflanzenwelt ist beschränkt durch den auf der Erdoberfläche ihr gebotenen Raum; das Wasser, das wafferleere Gestein und der trockene Wüstensand setzen ihr, wenn auch keine vollkommene Gränzen, doch eine
wesentliche Beschränkung.
Die bewegliche Thierwclt ist nicht minder mancher Beschränkung unterworfen. Während diese den Pflanzen mehr durch die Naturgewalten gezogen
ist, trägt die Thierwelt selbst durch gegenseitigen Kampf und Vernichtung zur
Herstellung des Gesetzes bei.
Der Umfang lebender Wesen hat für jede Art ein bestimmtes Maß. Ist
dieses erreicht, so nimmt ein solches nicht mehr zu, auch bei der reichsten Nahrung und unter der günstigsten Bedingung. Wie hoch sie auch ihre Gipfel in
der Luft erheben —- >,es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht i n
den H i m m e l wachsen« — wie treffend das Sprichwort sagt.
Aehnlich' verhält es sich mit der Lebensdauer. Auch hier ist jeder Art
em Ziel gesteckt, wiewohl in höchst ungleicher Entfernung. Denn während bei
manchen Pflanzen und Thieren die Lebensdauer nur nach wenigen Stunden
oder Tagen bemessen ist, bei anderen nach Monaten, Jahren, und selbst nach
Jahrhunderten, erreichen manche Bäume ein Alter von Jahrtausenden.
So lange die Organe in regelmäßiger Weise, in normaler Thätigkeit 84
sind, ist auch der Verlauf der Lebenserscheinungen ein solcher. Der Organismus ist gesund. Mancherlei Einflüsse wirken jedoch im Verlauf der Zeit hemmend und störend ein auf die Verrichtung der Organe. Dieselbe wird alsdann
regelwidrig oder abnorm und als Folge hiervon treten regelwidrige Erscheinungen auf, die wir als K r a n k h e i t bezeichnen. Der Organismus erzeugt
alsdann mancherlei Krankheitsproducte, die im gefunden Körper nicht vorkommen; es entstehen Mißbildungen, Verkrüppelungen und Auswüchse der seltsamsten Art. Endlich nehmen die Folgen der regelwidrigen Thätigkeit so überHand,
daß ein Stillstand aller Lebensthätigkeit eintritt, den wir als Tod bezeichnen.
Die Pflanze oder das Thier ist jetzt eine Leiche. Zwar die Organe sind
noch vorhanden, aber jede Thätigkeit ist erloschen;'die Aufnahme der Nahrung,
die Umbildung derselben, das Wachsthum — Alles steht still. Neue Erscheinungen treten an die Stelle der bisherigen; die Leiche unterliegt der chemischen
Zersetzung, der Fäulniß, der Verwesung.
Aber noch die kleinsten Ueberreste organischer Körper verrathen ihren Ursprung. Das Mikroskop läßt uns die Form-Elemente erkennen, jene Zellen,
Fasern und Gewebe, welche das organische Gebilde vom unorganischen unter-
232
^.
Allgemeine Botanik.
scheiden, und so ist selbst der Steinkohle ihre pflanzliche Abkunft nachgewiesen
worden.
83
I n dem Körper der Pflanzen und Thiere begegnet man einer Menge von
eigenthümlichen Stoffen, wie dem Zucker, dem Oel, dem Fett, verschiedenen
Sauren u. a. m. Obgleich man diechemischenNestandtheile derselben ausgemittelt und gefunden hatte, daß sie nur wenige Elemente enthalten, so war doch
die künstliche Zusammensetzung derselben bisher nicht gelungen; ja man hielt
ihre Erzeugung als nothwendig an die Mitwirkung organischer Thätigkeit gebunden. Daher nannten die Chemiker solche Stoffe: organische V e r b i n dungen. Die neuesten Entdeckungen der Chemie haben jedoch dahin geführt,
daß man die Mehrzähl dieser organischen Producte aus ihren Elementen zusammensetzen kann und es ist zu erwarten, daß dies für alle gelingen wird.
Anders Verhaltes sich jedoch mit den organischen F o r m - E l e m e n t e n , z . B .
mit der Zelle und ihren Abänderungen.^ Kein Erfolg spricht auch nur entfernt
dafm, daß durch Menschenhand jene zarten Gewebe entstehen werden, die unmerklich aus den organischen Säften wie von selbst hervorgehen.
86
Wir kommen endlich zu der Frage nach dem Grund der Lebenserscheinungen, nach der Kraft, die da waltet, und die Thätigkeit der einzelnen Organe
und die Entwickelung des Ganzen anregt und weiter führt.
Bei der Eigenthümlichkeit der hier auftretenden Erscheinungen und Stoffe
glaubte man auch als Grund derselben die Wirkung einer eigenthümlichen
Kraft annehmen zu müssen welche man Lebenskraft nannte. Die fortschreitende Naturbeobachtung zeigte jedoch, daß die Wirkung der allgemeinen Naturkräfte, wie Schwere undchemischeVerwandtschaft, sowie der Wärme, des Lichtes
und der Elektricität auch auf den lebenden Organismus sich erstreckt und daß
eine nicht geringe Anzahl von Lebenserscheinungen sich auf den Einfluß derselben zurückführen läßt. Freilich treten diese Kräfte in den Pflanzen- und
Thierkörpern in einer oft verwickelten und höchst schwierig festzustellenden Weise
auf. Allein man ist der Ansicht geworden, daß sie wohl die meisten, wenn
nicht alle Lebenserscheinungen bedingen und daß man die Annahme einer eigenthümlichen Lebenskraft gänzlich aufzugeben, oder sie nur für gewisse besondere
Falle, wie z. B. als formbildende Kraft, beizubehalten habe.
D i e Lebenserscheinungen der Pflanze.
I m Vorhergehenden haben wir die allgemeinsten Grundsätze kennen gelernt, die für das Leben sowohl der Pflanze als auch des Thieres gelten. Von
den besonderen Lebenserscheinungen der Pflanzen haben wir im Verlauf der
Darstellung ihrer Organe bereits Vieles mitgetheilt.
^ ^^^^^^ ^
87
" Einer weiteren Ausführung bedarf jedoch vorzüglich die E r n ä h r u n g der
Pflanze, denn ein Verständniß dieser ist von der größten Wichtigkeit für den
Ackerbau und die Pstanzencultur überhaupt, durch welche das Bestehen vieler
Millionen von Menschen und Thieren bedingt wird.
III.
Lebenslehre oder Physiologie.
223
Zur richtigen Vorstellung über die Ernährung der Pflanzen gelangen wir: 88
l . durch die Betrachtung ihrer Organe und deren Verrichtungen. 2. Durch
Untersuchung der von außen aufgenommenen Nahrungsmittel und ihrer Veränderung in Psianzenkörper.
Ueber den ersten dieser Punkte ertheilt uns die Gewebelehre Auskunft;
in Betreff des zweiten haben wir uns an die Ch emie zu wenden.
Verrichtung des Zellgewebes.
So wie eine jede Pflanze, gleichgültig welches ihre Größe sei, nichts au- 89
deres <M die Summe vieler einzelnen Zellen ist, so ist auch ihr Gesammtleben
die Summe der Thätigkeit aller Zellen, aus welchen sie besteht. Die ganz besondere Aufgabe des Zellgewebes ist die S a f t l e i t u n g . Letztere besteht darin,
daß das für die Pflanze erforderliche Waffer sammt den darin aufgelösten Nahrungsstoffen aus ihrer Umgebung aufgenommen und in dem ganzen Pstanzenkörper verbreitet wird. Die Saftverbreitung innerhalb einer Pflanze findet
keineswegs durch röhrenartige Canäle statt, sondern dadurch, daß der Saft
von einer Zelle in die ihr benachbarten nach allen Richtungen übertritt.
Da die Zellen keine Oeffnungen haben, so sieht man auf den ersten Blick
nicht ein, auf welche Weise die Flüssigkeit von außen in die Pflanze und innerhalb dieser von Zelle zu Zelle gelangt. Es beruht dieses jedoch auf der besonderen Eigenthümlichkeit sowohl der pflanzlichen als thierischen Haut, daß sie
von manchen Flüssigkeiten durchdrungen wird. Wie die Beobachtung zeigt,
geschieht dieses mit einer bestimmten Gesetzmäßigkeit. Wenn nämlich zwei
Flüssigkeiten von verschiedener Dichte, z.B. reines Nasser und eine Zuckerlösung, durch eine Scheidewand aus Schweinsblase von einander getrennt sind,
so sehen wir alsbald das Bestreben thätig werden, auf beiden Seiten ein Gleichgewicht in der Dichte der Flüssigkeiten herzustellen. Ein Theil des Wassers
durchdringt die Haut und begiebt sich zur Zuckerlösung, und ein Theil der
letzteren macht den umgekehrten Weg. I n obigem Beispiel begiebt sich mehr
Waffer durch die Haut zur Iuckerlösung, als von dieser zum Wasser übertritt.
Man bezeichnet diese eigenthümliche Art des Durchgangs von Flüssigkeiten durch
pflanzliche oder thierische Häute mit dem Namen der Endosmose oder D i o s mose. Die Art des Durchgangs, insbesondere ob die dünnere Flüssigkeit zur
dichteren wandert oder umgekehrt, hängt einestheils von der Beschaffenheit der
Flüssigkeiten, anderntheils von der Natur der Haut ab. Thierische Haut zeigt
in manchen Fällen ein anderes Verhalten als pflanzliche. Es ist femer gewiß,
daß letztere gegen verschiedene ihr dargebotene Auflösungen eine ungleiche Anziehung ausübt, daß sie manche vorzugsweise, andere gar nicht hindurchläßt,
daß sie gleichsam eine Wahl hierin ausübt. Mitunter findet man für diese
Erscheinungen auch den Ausdruck D i f f u s i o n gebraucht, der jedoch mehr für
die Durchdringung gasförmiger Körper gilt. Man vergleiche Physik §. 3 1 :
Der flüssige Zellemnhalt ist dichter, als das mit der Pflanze von außen
224
^.
Allgemeine Botanik'
in Berührung kommende Nasser. Ein Theil des letzteren tritt daher in die
zunächst liegenden Zellen und von da in die folgenden und gelangt so immer
weiter. Bald würde jedoch auf diese Weise ein Zustand des Gleichgewichtes
zwischen der in und außer der Pflanze befindlichen Flüssigkeit eintreten und die
weitere Aufsaugung ein Ende nehmen, wenn nicht die durch die Blätter bewirkte
Verdunstung von Wasser den Zellenwhalt wieder verdichtete. Allein nicht nur
durch Verdunstung entsteht eine Saftströmung innerhalb der Pflanze/sondern
auch durch die fortwährende Neubildung fester Theile. Denn sobald aus dem
Saft einer Zelle feste Theile sich ausscheiden, so wird er verdünnter und veranlaßt einen Austausch mit dem dichteren Safte benachbarter Zellen. Das
Grundwesen der Saftbewegung überhaupt kann man als das Bestreben nach
Herstellung eines Gleichgewichtes in der Dichte des Inhalts aller Zellen und
der Flüssigkeit ihrer Umgebung bezeichnen.
Die Bewegung des Zellsaftes kann demzufolge nach allen Richtungen stattfinden. Vorherrschend unterscheidet man jedoch eine von unten nach oben
gehende Saftströmung, welche ihren Weg durch das Bildungsgewebe und den
Splint nimmt; sodann eine abwärtsgehende durch den Bast und eine dritte
zwischen Rinde und dem Innern des Stammes, welche durch das Gewebe der
Markstrahlen vermittelt wird. Eine besonders vorherrschende Längsrichtung
einer Zellform scheint zugleich auch die Richtung zu bezeichnen, in der sie vorherrschend den Saft leitet. Von dem Vorhandensein des abwärtsgehenden
Saftstromes überzeugt man sich durch Abschälung eines um einen Zweig gehenden ringförmigen Stückes der Rinde. Hierdurch wird die Vastschicht entfernt
und die Leitung des absteigenden Saftes unterbrochen, die nun oberhalb des
Ringes zur Zellbildung in Verwendung kommt und eine Anschwellung bewirkt.
Ja es tritt eine merkliche Steigerung der ganzen Entwickelung oberhalb des
Schnittes ein, der daher Z a u b e r r i n g genannt wurde.
99
Die Zellen haben, wie erwähnt, das Geschäft, den Saft durch die ganze
Pflanze zu verbreiten; sie haben jedoch auch die weitere Aufgabe, den Zelleninhalt wesentlich zu verändern, so daß wir sowohl in verschiedenen Pflanzen,
als auch in verschiedenen Theilen derselben Pflanze, ja in denselben Theilen
zu verschiedenen Zeiten, Stosse von wesentlich anderer Beschaffenheit antreffen. So ist das Bildungsgewebe (Cambium) reich an stickstoffhaltigen Verbindungen; es bildet kein Stärkemehl, wohl aber neue Zellen. Das P a r e n chymgewebe bildet vorzugsweise die
servestoffe genannt, weil dieselben häufig wieder verflüssigt und von der
Pflanze verwendet werden, wie Zellstoff, Stärke, Zucker, Oele. I m Vastgewebe trifft man vorzugsweise Kautschuk und Alkaloide an. Beachtenswerth
ist ferner die sogenannte Resorption oder Wiederauflösung vorhandener fester
Theile durch den Saftstrom. Diese ist es, welche die Querscheidewände der
Gefätzzellen und das Mark aus dem hohlen Stengel so mancher Pflanzen hinweggenommen hat und die Verschmelzung der Schmarotzerpstanzen mit dem Gewebe ihrer Nährpstanzen bewirkt«
H I . Lebenslchre.
Ernährung der Pflanze.
225
Die Verbreitung des Saftes durch die gellen geschieht mit ziemlicher 91
Schnelligkeit. Man beurtheilt diese aus der Zeit, welche im Frühjahr der Saft
braucht, um zu den Einschnitten zu gelangen, die in verschiedenen Höhen an
Baumstämmen gemacht werden, oder aus der Zeit, die eine welke Pflanze beim
Begießen oder Einstellung in Wasser zur Aufrichtung nöthig hat.
Die Kraft, mit welcher die Zellen Flüssigkeiten aufzunehmen und zu verbreiten im Stande sind, ist sehr beträchtlich und läßt sich nach folgendem Versuche beurtheilen. I m Frühjahr wird das frisch angeschnittene Ende eines
Rebenzweiges in eine senkrecht gestellte Glasröhre gesteckt und mittelst Blase
oder Kautschuk dicht mit derselben verbunden. Das aus der Schnittstäche des
Rebschosses tretende Wasser steigt nun in der Glasröhre zu der beträchtlichen
Hohe von 30 bis 40 Fuß, woraus hervorgeht, daß die weitere Aufsaugung
durch die Zellen noch unter einem Drucke vor sich geht, der größer ist als der
Druck der Atmosphäre (Physik §. 103).
D i e N a h r u n g s m i t t e ! der Pflanze«
Welche S t o f f e s i n d N a h r u n g s m i t t e l der P f l a n z e ? Diese 92
Frage können wir nur mit Bestimmtheit dadurch beantworten, daß wir untersuchen, aus welchen chemisch einfachen Stoffen der Körper der Pflanze besteht.
Da die Chemie festgestellt hat, daß Letztere nicht das kleinste Theilchen ihrer
Masse selbst zu erzeugen, ebenso wenig einchemischesElement in ein anderes umzuwandeln vermag, so muß Alles, woraus sie besteht, von außen aufgenommen worden sein.
Die Hauptmasse einer jeden Pflanze besteht aus Zellgewebe, das als I n halt theils feste Substanzen, wie Stärke, Blattgrün, Harze, Salze, theils eine
wässerige Lösung von Zucker, Gummi, Eiweiß, Säuren, verbunden mit Metalloxyden, enthält, wozu in manchen P stanzentheilen noch flüchtige und fette Oele
hinzutreten.
Eine tägliche Erfahrung lehrt uns ferner, daß die Hauptmasse der Pflanze
beim Verbrennen verschwindet, indem sie in luftförmige Verbindungen übergeht
und daß nur die nicht flüchtigen Metalloxyde und Salze als sogenanteAsche
einen dem Gewichte nach höchst unbeträchtlichen Rückstand bilden.
Sind demnach Zellstoff, Stärke, Zucker, Fette, Eiweiß u. s. w. die Nahrungsmittel der Pflanzen?
I n der T h a t , wäre dieses der Fall, dann müßten die Erde, das Wasser und die Luft, worin die Pflanze ihr Leben zubringt, jene Körper enthalten,
so daß die Pflanze dieselben einfach daraus nur aufzunehmen und am gehörigen Orte zu verwenden hätte. Allein nirgends treffen wir Zellstoff, Stärke,
Zucker, Eiweiß u. s. w. an, als in der Pflanze selbst, und diese muß daher
das Vermögen befitzen, dieselben zu bilden, sie aus einfachen chemischen Siosfen zusammenzusetzen.
. N a h r u n g s m i t t e l der Pflanze sind daher diejenigen einfachen
chemischen S t o f f e , woraus alle die verschiedenen Gebilde bestehen,
welche die Gesammtmasse einer Pflanze ausmachen.
II.
"
15
Z26
93
^.. Allgemeine Botanik.
'
Die Chemie lehrt uns aber in §. 145 u. a. m. die einfachen Stoffe kennen, aus welchen die Pslanzenftoffe gebildet sind. Es bestehen demnach aus:
Kohlenstoff und Wasserstoff, . . die flüchtigen Oele, Kautschuk;
Kohlenstoff, Wasserstoff und
Sauerstoff, .
die Pflanzensäuren, Zellstoff, Stärke,
Gummi, Zucker, Schleim. Fette, Harze,
Farbstoffe;
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, .
die organischen Basen, das Blattgrün,
der Indigo;
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel, die Niweißstoffe.
Alle diese Stoffe verbrennen bekanntlich vollständig, und wir nennen daher den Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel
die verHrennlichen Bestandtheile der Pflanze im Gegensatz zu denjenigen,
welche als Asche zurückbleiben und als die u n v e r b r e n n l i c h e n oder mineralischen Bestandtheile der Pflanze bezeichnet werden.
94
Untersuchen wir die Asche der verschiedensten Pflanzen, so finden wir
darin folgende
.Säuren
und
Kohlensäure,
Kieselsaure (Kieselerde),
Phosphorsäure,
Schwefelsäure,
Metalloxyde:
Kali,
Natron,
Kalk,
Bittererde (Magnesia).
Diese Metalloxyde und Säuren fehlen in keiner Asche und sind daher als
wesentliche Bestandtheile der Pflanzen anzusehen. Dasselbe gilt von dem
C h l o r n a t r i u m (Kochsalz), das wohl in keiner Asche gänzlich fehlt. Außerdem
finden sich meist in sehr geringer Menge, oft nur Spuren, das Eisenoxyd,
M a n g a n o x y d , Kupferoxhd und die Thonerde; ferner J o d , an Natrium
gebunden, vorzüglich reichlich in den Seepflanzen.
Die letztgenannten Stoffe kommen entweder nur in gewissen Pstanzenarten,
oder in so geringer Menge vor, daßsiefür das Bestehen der Pflanzen im Allgemeinen als nothwendig nicht anzusehen sind. Wenn der Saft mancher Pflanzen salpetersaure Salze enthält (z. B. beim Borasch), so kann die Salpetersäure
in der Asche sich nicht vorfinden, dasiebeim Verbrennen der
wird.
Die mineralischen Stoffe machen nicht ein bestimmtes Organ der Pflanze
aus, sondern sie sind entweder aufgelöst in dem Safte der Zellen enthalten
oder in Krystallform darin abgelagert. Auch betheiligen sich dieselben an der
verdickenden Schicht der Zellwand und verleihen letzterer eine große Festigkeit.
Es enthalten manche Theile des Bambusrohres eine solche Menge von Kieselsäure, daß sie am Stahle Funken geben. I n den Zellen der 3licdgräser,
I I I . Lebeuslehre.
Ernährung der Pflanze.
' 227
an deren Blatträndern findet sich eine Menge von kleinen harten Kieselerdekrystallen, so daß sie schneiden wie ein Messer. Aehnlich verhält es sich bei
dem Schachtelhalm, welcher daher zum Poliren des Holzes dient.
Kohlensaure MctaÜoxyde sind in der lebenden Pflanze nicht vorhanden;
die Kohlensaure entsteht beim Verbrennen derselben durch Zerstörung der organischen Säuren (Klcesäure, Weinsäure ?c.). Auch ein Theil der Schwefelsäure
und Phosphorsäure bildet sich erst während der Verbrennung.
Eine jede Pflanze stellt demnach ein abgeschlossenes Magazin oder ein 93
Inventarium vor, das verschiedene einfache Stoffe in ungleichen Gcwichtsverhältnisscn enthält. Keiner dieser Stoffe kann innerhalb der Pflanze erzeugt
werden; die ganze Menge derselben muß von außen aufgenommen werden.
Neberall bietet die Natur das zur Entwickelung von Pflanzen Erforderliche,
allein in ^ungleicher Weise vertheilt. Die steilsten Felsen, die Sümpfe, der
Flugsand, die Tiefe des Meeres, der Ackerboden, die Schutthaufen und das
Gartenland, sie alle ernähren Pflanzen und bedecken sich damit. Allein diese
Pflanzen sind nicht dieselben, sie sind so verschieden wie ihre Standorte.
Die künstliche Ernährung der Pflanzen, der Ackerbau (Agricultur), besteht
nun darin, die äußeren Bedingungen zu erfüllen, damit eine gewisse Menge von
Pflanzen, die für die Zwecke der Menschen vonWerth sind, in ihrer Umgebung
die zu ihrer Entwickelung nothwendigen Stoffe hinreichend vorfinden.
Es ist unmöglich, über diese äußeren Bedingungen des Pflanzenlebens
eine klare Vorstellung zu haben, wenn man nicht aufs Genaueste die Bestandtheile der Pflanze und die Wege verfolgt und kennen gelernt hat, auf welche
sie in dieselbe gelangen.
Wir werden in dem Folgenden zuerst die Aufnahme ( A s s i m i l a t i o n ) der
verbrennlichen Pstanzenbestandtheile und nachher die der mineralischen betrachten.
A u f n a h m e der v e r b r e n n l i c h e n
Pflanzenbeftandtheile.
Der Kohlenstoff ist an und für sich ein im Wasser unlöslicher Körper 96
und kann daher als solcher nicht von der Pflanze aufgenommen werden, da nach
§. 89 die Zelle nur lösliche Stoffe aufzunehmen vermag. Aller Kohlenstoff,
den wir in der Pflanze antreffen, ist in Form einer in Wasser austöslichen Verbindung in die Pflanze getreten, und diese ist unter allen Umständen die K o h lensäure, welche aus Kohlenstoss und Sauerstoff besteht (Chemie §. 58).
Wir betrachten daher die Kohlensäure als ein Hauptnahrungsmittel der
Pflanze.
Wir haben uns nun die folgenden Fragen zur Beantwortung vorzulegen:
Woher nimmt die Pflanze die ihr nothwendige Kohlensäure — auf welcheWeisc
wird dieselbe aufgenommen — und wie wird sie in der Pflanze selbst verwendet?
Die Beantwortung des ersten Punktes scheint nicht schwierig. I n §. 211
der Chemie wurde gezeigt, daß der bewachsene Boden eine Menge in Zersetzung
begriffener Pflanzen- und Thierstoffe enthält, die als H u m u s bezeichnet wer15"
2Z8
"
H.. Allgemeine Botanik.
den. Das Hauptzerschungsftroduct dieses Humus ist die Kohlensäure, welche
in hohem Grade in Wasser löslich ist und daher mit dem von den Wurzeln aufgesaugten Waffer in die Pflanze gelangen kann. Diese Erklärung erscheint um
so wahrscheinlicher, als wir in der Regel da, wo wir ein üppiges Pstanzenwachsthum antreffen, den Boden mit einer beträchtlichen Humusschicht bedeckt
oder durch seinen Humusgehalt ganz schwarz gefärbt sehen. Auf Grund dieser
Beobachtungen war der Humus selbst als der Haupternährer der Pflanzenwelt
erklärt worden.
Eine, genauere und allgemeinere Betrachtung wird uns jedoch leicht die
Ueberzeugung gewähren, daß diese Ansicht nicht die richtige ist, daß der Humus
nicht die Ursache, sondern die Folge der Vegetation ist.
Die Bildungsgeschichte der Erde (Mineralogie §. 130) zeigt, daß dieselbe
aus dem feurig flüssigen Zustande sich gestaltete, woraus folgt, daß die zuerst
erhärtete Erdkruste unmöglich eine Humusschicht enthalten konnte. Woher nahm
nun die erste Pflanzenwelt ihre Nahrung? Ja noch heutigen Tages kommt der
Fall vor, daß ein durch vulkanische Thätigkeit aus dem Meere gehobener nackter
Fels alsbald mit einer Vegetation sich überzieht, daß auf der glühend ausgeworfenen Lava, nachdem sie verwittert ist, ein üppiges Pflanzenwachsthum entsteht, daß auf Sandböden, die einen äußerst geringen Gehalt an organischen
Stoffen enthalten, Wald und Wiesen mit dem besten Erfolg sich anlegen lassen,
daß endlich Cactus und Hauswurz auf humusfreiem Gestein wachsen, und daß
wir Vergißmeinnicht, Kresse und Hyacinthen in reinem Wasser ziehen.
Noch auffallender erscheinen aber die folgenden Thatsachen: Wir sehen,
daß Pflanzungen jeder Art, die auf humusarmem Boden angelegt werden, den
Gehalt an Humus fortwährend vermehren. Es werden aus manchen Zucker«
und Kaffeepstanzungen, sowie von Bananenfeldern jährlich viele Millionen
Pfunde von Kohlenstoff in den Producten der Ernte hinwegführt, ohne daß
der Boden hierfür den mindesten Ersatz, etwa durch Dünger, erhält, und dennoch nimmt sein Humusgehalt nicht ab, sondern es findet eine Vermehrung
desselben Statt. I n dem Heu, das ein Morgen fruchtbarer Rieselwiese liefert,
werden 2000 Pfund Kohlenstoff hinweggeführt, und obgleich dieses Jahr für
Jahr geschieht, so macht sich doch keineswegs die Nothwendigkeit fühlbar, durch
irgend eine Zufuhr diesen Kohlenstoff wieder zu ersetzen. Ebenso nimmt in
unseren Wäldern die Humusdecke fortwährend zu durch die Zersetzung der abfallenden Blätter, falls diese nicht theilweise oder gänzlich hinweggenommen werden.
Aus dem seither Angeführten geht unwiderleglich hervor, daß der Humus
unmöglich die ursprüngliche Quelle der Kohlensäure sein kann, wodurch d i ^ P M n zen ernährt werden. Wir haben vielmehr als das Magazin, aus welchem diese
ihr Hauptnahrungsmittel beziehen, die Atmosphäre zu betrachten. Dieselbe
enthält zwar in 5000 Maaßtheilen nur zwei Maaß Kohlensäure, allein bei
ihrem ungeheuren Umfang berechnet man ihren mittleren Gesammtgehalt an
Kohlensäure auf 8440 Billionen Pfund, ein Vorrath, der mehr als ausreichend
erscheint, um eine Vegetation zu ernähren, die sich über die ganze Oberstäche
der Erde verbreitet.
I I I . Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
229
Aus der Luft kann die Kohlensäure direct durch die Spaltöffnungen der
Blätter aufgenommen werden und Versuche haben gezeigt, daßeinerkohlensäurehaltigen Luft Kohlensäure entzogen wurde, als man sie durch einen Ballon leitete,
der grüne Blätter oder Zweige enthielt. Der Hauptbedarf von Kohlensäure
wird jedoch, in Wasser gelöst, durch die Wurzeln der Pflanze zugeführt.
Die fortwährende Hinwegnahme von Kohlensäure aus der Luft müßte jedoch den Gehalt derselben alsbald merklich vermindern. Allein wenn wir bedenken, daß durch das Athmen der Thiere, durch die Processe der Verbrennung
und der Verwesung, und endlich durch die vulkanischen Ausströmungen fortwährend große Mengen von Kohlensäure der Atmosphäre wieder übergeben werden, so erklärt sich hieraus, daß ihr Gehalt an. diesem Gas, soweit unsere
Beobachtungen reichen, sich vollkommen gleich bleibt.
I n der That sehen wir den Kohlenstoff in einem ewigen Kreislauf begriffen, bald durch die bildende Lebensthätigkeit zu den Gestaltungen derPsianzenund Thierkörper verwendet, bald wieder der formlosen Luftmasse zurückgegeben.
Gehen wir nun zur Beantwortung der Frage über die Verwendung der 97
Kohlensäure in der Pflanze selbst über, so herrscht die Ansicht, daß erstere eine
Zersetzung erleidet, indem ihr Kohlenstoff von der Pflanze aufgenommen und ihr
Sauerstoff durch die Blätter ausgeschieden wird.
Thatsache ist, daß die Blätter und die übrigen grünen, mit Spaltöffnungen versehenen Pflanzentheile, so lange sie der Einwirkung des Sonnenlichtes
ausgesetzt sind, Sauerstoff entwickeln. Dies geschieht ganz besonders rasch und
reichlich, wenn grüne Pstanzentheile unter Wasser gebracht werden, welches Kohlensäure enthält, wie z. B. Selterser Wasser (Chemie §. 26).
Es wäre jedoch auch möglich, daß die Kohlensäure unverändert aufgenommen wird. Der ausgeschiedene Sauerstoff würde alsdann daher rühren, daß
die Pflanze einen Theil des von ihr aufgesaugten Wassers zersetzt, so daß, sie
den Wasserstoff assimilirt und den Sauerstoff ausscheidet. Jedenfalls erscheint
die Gesammtwirkung der Pflanzen in Beziehung auf ihre Nahrungsmittel als
eine desoxydirende, d. h. sie scheidet aus denselben Sauerstoff und bildet
aus dem Rest ihre Gebilde. Hierfür spricht auch diechemischeZusammensetzung
letzterer (Chemie §. 179).
Obgleich oben gezeigt worden ist, daß der Humus das Product der Vege- 9 8
tation ist, so läßt sich doch andererseits nicht leugnen, daß das Vorhandensein
desselben in einem Boden auf das Wachsthum der Pflanzen einen ungemein begünstigenden Einfluß äußert. Gerade daher ist die Ansicht entstanden und lange
vertheidigt worden, daß der Humus das Hauptnahrungsmittel der^Pflanzen sei»
Allein dagegen spricht die oben erwähnte Thatsache, daß es ganz humusarme
Böden giebt, die außerordentlich reiche Ernten liefern, und daß der fast nur
aus Humus bestehende Torf- und Moorboden eine ganz dürftige Vegetation zeigt.
Der Humus ist im Wasser ebenso unlöslich, als die Kohle, und kann daher als solcher von der Pflanze gar nicht aufgenommen werden. Wir haben
seine unverkennbar günstige Wirkung auf das Pflanzenwachsthum in anderen
Verhältnissen zu suchen. Erinnern wir uns daß der Humus aus organischen,
Z30
H.. Allgemeine Botanik.
in Zersetzung begriffenen Resten besteht, so finden wir unter den durch seine
Zersetzung gebildeten Productcn mehrere, die für sich oder in Verbindung mit
Ammoniak im Wasser löslich sind, wie die Humussäure, Ulminsäure und Quellsäure, und auf diese Weise der Pflanze zugänglich werden. Endlich ist das
letzte Zcrsetzungsproduct alles Organischen, also auch des Humus, die Kohlensäure. Daher wird ein humusreicher Boden stets eine große Menge von Kohlensäure enthalten und das in ihn eindringende Wasser mit derselben gesättigt
den Wurzeln der Pflanzen sich darbieten.
Noch wichtiger sind aber einige weitere Eigenschaften des Humus und erhöhen dessen Werth für die Bodencultur. Er besitzt nämlich das Vermögen,
Wasser aus der Luft anzuziehen und dasselbe zurückzuhalten, in höherem Grade,
als, mit Ausnahme der Thonerde, alle übrigen im Boden gewöhnlich vorkommenden Bestandtheile desselben. Die schwarze Farbe, die er dem Boden ertheilt,
macht diesen für die Wärmestrahlen der Sonne bei weitem empfänglicher, als
die Heller gefärbten Bodenarten (Physik §. 154), und außerdem trägt er zur
Auflockerung der Ackerkrume bei, so daß sie dem Zutritt und Einfluß des atmosphärischen Sauerstoffs zugänglicher und der Verbreitung der Wnrzelfasern
günstiger wird. Neberdies ist die in humusreichem Boden überall vorgehende
Verwesung von einer Wärmeentwickelung begleitet, ähnlich wie dieses in so
merklichem Grade der Dünger zeigt, der ja deshalb zur Anlegung der warmen
Mistbeete angewendet wird.
So sehen wir den Humus als einen Vermittler der Pflanzen-Ernährung
auftreten, indem er den Boden reicher macht an Wasser und Wärme, zweien für
»das Pflanzenleben so wichtigen Elementen. M i t Recht legt daher der Landwirth
dem Humus großen Werth bei, und obwohl seine Menge im Boden schon einigermaßen durch die schwärzere Farbe desselben sich beurtheilen läßt, so erhält
man doch ein genaueres Resultat, wenn man eine Probe der ausgetrockneten
Erde ausglüht, wodurch der verbrennliche Humus zerstört wird und die mineralischen Bestandtheile zurückbleiben.
99
Während der Nacht und im Dunkeln (in Kellern) findet keine Aufnahme
und keine Ausscheidung von Sauerstoff durch die Blätter Statt. Durch den
Abschluß des Lichtes erscheint überhaupt die ganze Lebensthätigkeit der Pflanze
verändert. Sie kann in diesem Falle zwar neue Theile bilden, aber sie nimmt
den Stoff dazu nicht von außen, sondern aus ihrer eigenen Masse, wie dies am
deutlichsten bei den M Finstern Schößlinge treibenden Kartoffeln sich nachweisen
' läßt. Manche Pflanzenbeftandtheile, wie das Blattgrün, der bittere Milchsaft
und das reizende Oel der Cruciferen, bilden sich nur unter de-m Einfluß des
Lichtes.
ter des Salates, der Endivie, des Weißkrautes sind gelblich oder weiß, und erstere haben keinen bitteren und letztere keinen beißenden Geschmack. Dagegen
bilden sich bei mangelndem Lichte andere Stoffe in den Pflanzen, wie z. B.
Zucker in dem Weißkraut und Solanin in den Keimlingen der Kartoffel.
Ueberdeckt man während der Nacht eine Pflanze mit einer Glasglocke, so
enthält die dadurch abgeschlossene Lust am Morgen eine größere Menge von
I I I . Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
231
Kohlensäure als vorher. Es beruht dies theilweise darauf, daß der Sauerstoff der
die Pflanze umgebenden Luft einen oxydirenden Einfluß auf die Oberstäche
derselben ausübt und so die Bildung von einer gewissen Menge von Kohlen«
säure veranlaßt, die bei verschiedenen Pflanzen höchst ungleich ist. Am größten ist sie bei solchen, welche in ihren Drüsen leicht oxydirbares flüchtiges Oel
enthalten.
'
Anders verhält es sich mit der Aufnahme von Sauerstoff durch diejenigen
Theile der Pflanze, welche nicht grün gefärbt sind, wie die inneren Blüthenthetle und die Keimlinge. Hier nimmt der Saunstoff wesentlichen Antheil an
der Ausbildung dieser Organe, welche von einer merklichen Entwickelung von
Wärme begleitet ist, wie wir diese überall
auftreten sehen, wo Sauerstoff gebunden
wird. So findet man innerhalb der
Blüthenscheide des A r o n s (Fig. 167)
in der Nähe des mit zahlreichen Fruchtorganen besetzten Blüthenkolbens a, eine
Temperatur, welchen bis 12« C. höher
ist, als die der äußeren Luft. Wir bemerkenferner eine beträchtliche Erhöhung
der Temperatur, wenn keimende Samen
in Menge zusammengehäuft sind, wie
dies bei der Bereitung des Malzes der
Fall ist. Letzteres erhitzt sich so beträchtlich, daß es öfter umgeschaufelt werden
muß, damit die der Malzbereitung zuträgliche Temperatur von 18 bis 20<> E.
nicht überschritten wird.
Es folgt hieraus, daß für das Leben
der Pflanze die Gegenwart von Sauerstoff nothwendig ist. Bringt man eine
Pflanze in Luft, die keinen Sauerstoff enthält, so steht ihre Entwickelung still,
sie stirbt ab und dasselbe findet Statt im luftleeren Raum.
Bei den meisten Pstanzentheilen, welche Wasserstoff und Sauerstoff enthal- 1 W
ten, stehen die Gewichtsmengen dieser beiden Körper zu einander im Verhältniß
Hon 1Hu 8 , wie dasselbe auch in der Zusammensetzung des Wassers stattfindet
(Chemie §. 32). Daraus schließen wir, daß diese beiden Stoffe fast ausschließlich durch die Wurzel aufgenommen werden und zwar in der Form von Wasser.
Da jedoch manche Pflanzenstoffe, wie namentlich die flüchtigen Oele und die
Harze, zwar Wasserstoff, aber entweder gar keinen Sauerstoff oder weniger enthalten, als obigem Verhältniß entspricht, so muß die Pflanze die Fähigkeit befitzen, auch einen Theil des von ihr aufgenommenen Wassers in seine Bestandtheile zu zerlegen. Der Wasserstoff wird in diesem Falle verwendet, der Sauer-
232
^ . Allgemeine Botanik.
stoff durch die Blätter ausgeschieden. Ueberdies macht das Wasser selbst einen
beträchtlichen Theil des Pflanzenkörpers aus. Denn der gellsaft besteht größtentheils aus Wasser, in welchem, andere Stoffe gelöst find; dasselbe durchdringt
und erfüllt mehr oder, weniger alle die Pflanzentheile, welche Biegsamkeit zeigen,
die mit dem Verluste des Wasser§ abnimmt. Insbesondere wasserhaltig erweisen
sich jüngere, krautartige Gebilde, deren Wassergehalt oft 70. ja bis 90 Procent
beträgt. Inmitten der tropischen Wälder hatte H u m b o l d t mitunter die größte
Noth bei Anzündung eines Feuers wegen der außerordentlichen Saftfülle der
Gewächse. I n frischem Zustande enthalten unsere schweren Hölzer, wie Eichenund Buchenholz, 20 bis 30 Procent Wasser; die leichten, wie das von Pappeln
und Weiden, 40 bis 50 Procent.
Die Gegenwart von Wasser ist daher unumgänglich nothwendig zur Entwickelung der Pflanze; dieselbe nimmt jedoch noch bei weitem mehr auf, als sie
i n obiger Weise verwendet. Dieser Uebcrschuß wird durch die Blätter wieder
verdunstet. Letztere besitzen übrigens auch die Fähigkeit, dampfförmiges Nasser
aufzunehmen, ohne welche der Thau nicht den vortheilhaften Einfluß haben
würde, welchen er hervorbringt.
Auf das Verhältniß des Wassers zur Pflanze kommen wir bei der Aufnahme ihrer mineralischen Bestandtheile nochmals zurück.
3. K.UMNWH6 6.63 Ktiokstoü'L.
INI
Die Pflanzen enthalten im Vergleich mit ihren übrigen Bestandtheilen nur
eine geringe Menge von Stickstoff. Derselbe findet sich hauptsächlich in dem
Zellsast, besonders der jüngsten Theile und in den Samen. I n 2500 Pfund
Heu sind 984 Pfund Kohlenstoff, aber nur 32 Pfund Stickstoff enthalten.
Obgleich die Blätter der Pflanze beständig von dem Stickstoff umgeben
sind, welcher vier Fünftel der Luft ausmacht, so wird er doch nicht durch dieselben aufgenommen. Die Pflanze erhält denselben in Form derchemischenVerbindung des Stickstoffs mit Wasserstoff, die A m m o n i a k genannt wird (Chemie
§. 84). Dieser durch seinen eigenthümlichen durchdringenden Geruch ausgezeichnete
Körper ist in hohem Grade in Wasser löslich und gelangt mit dkm durch die
Wurzeln aufgesaugten Wasser in die Pflanze. Die Atmosphäre ist ebenso die
ursprüngliche Quelle des in den Pflanzen- und Thierkörpern enthaltenen Stickstoffs, wie dies bereits für den Kohlenstoff angeführt worden ist. I n dem rein
mineralischen Boden gehören stickstoffhaltige Minerale zu den SeltenhMm^^die^
wie z. B. der Chilisalpeter u m auf einzelne Gegenden beschränkt find (Chemie
§.30).
Die Atmosphäre enthält dagegen überall eine gewisse Menge von Ammoniak, die zwar so gering ist, daßsienicht durch den Geruch bemerklich und auch
dem Gewicht nach nicht bestimmbar ist, deren Anwesenheit sich jedoch in jedem
Regen- und Vachwasser nachweisen läßt. Die Ackererde, besonders die ihonund humusreiche, absorbirt begierig das Ammoniakgas, so daß dieser stickstoffhaltige Körper überall verbreitet und der Pflanze zugänglich ist.
Allerdings würde durch eine mächtige Vegetation und die von dieser er-
III.
Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
233
nährte Thierwelt der Ammoniakgehalt der Luft mit der Zeit eine Erschöpfung
erleiden müssen. Allein gleich wie beim Verwesen der organischen Körper der
Kohlenstoff wieder als Kohlensäure der Atmosphäre zurückgegeben wird, so ist
auch W Ammoniak ein niemals fehlendes Zersttzungsproduct der Verwesung
und besonders reichlich liefern denselben die faulenden Thierstoffe aus dem einfachen Grunde, weil diese sehr viel Stickstoff enthalten. Einen weiteren Zuwachs
an Ammoniak erhält die Atmosphäre überdies durch die Vulkane, welche jenes
Gas in großer Menge ausströmen.
Aus dem Vorhergehenden erklärt sich die vortheilhafte Wirkung, welche auf
das Pflanzenwachsthum durch solche Stoffe hervorgebracht wird, die entweder
schon Ammoniak enthalten, wie Mist, Pfuhl, Gaswasser, Ruß und Ammoniaksalze, oder die, in den Boden gebracht, allmählich sich zersetzen und dabei die
Bildung von Ammoniak veranlassen, wie alle thierischen Abfälle, z. B.
Hornspäne, Knochenmehl u. a. m.
Der Stickstoff wird der Pflanze auch in der Form von Salpetersaure
geboten, welche aus Stickstoff und Sauerstoff besteht (Chemie §. 39) und an
Alkalien gebunden, wiewohl in geringer Menge, im Boden sich findet. Thatsache ist es, daß salpetersaure Salze als vorzügliche Dungmittel sich erweisen.
4. H.Ä.Qia,d.N1G 6.63 IoV^SksiZ«
Der Schwefel ist in noch geringerer Menge i n der Pflanze enthalten als l l ) 2
der Stickstoff. Er fehlt jedoch niemals in den eiweißartigen Stoffen, die nach
§. 195 der Chemie 1/2 bis 2 Procent Schwefel enthalten.
Aller Schwefel gelangt durch die Wurzel in die Pflanze, und zwar in
Form von Schwefelsäure, die wir daher als ein Nahrungsmittel der Pflanze
zu betrachten haben. Diese Säure wird in kleinen Mengen fast in jedem Boden
angetroffen, und zwar vorzugsweise in Verbindung mit Kalk, als sogenannter
Gyps, ein Salz, das in Wasser löslich und dadurch zur Aufnahme mit diesem
geeignet ist. Es enthält ferner aller Stalldünger schwefelsaures Ammoniak, das wegen seines Gehaltes an Stickstoff und an Schwefel als ein vorzügliches Beförderungsmittel der Entwickelung derjenigen Pflanzentheile angesehen werden muß, welche diese Stoffe enthalten.
A u f n a h m e der m i n e r a l i s c h e n P f l a n z e n b e s i a n d t h e i l e .
Als die gewöhnlichen mineralischen Bestandtheile der Pflanzen sind die M Z
Verbindungen der Kieselsäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure mit Kali,
Natron, Kalk und Bittererde anzusehen, und außerdem noch Chlornatrium und
Chlorkalium. Seltenere Stoffe sind Thonerde, Eisen- und Manganoxyd, Kupferoxhd, sowie Verbindungen von Jod, Brom oder Fluor mit Metallen.
Die Summe der unverbrennlichen Stoffe macht nur einen sehr geringen
Theil vom Gewicht der Pflanze aus. 100 Pfund der folgenden Pflanzenstoffe
geben an Asche- Tannenholz s / ^ Pfd.; Eichenholz 2 ^ Pfd.; Weizenstroh
5 bis 6 Pfd.; Lmdenholz 5 Pfd.; Kartoffelkraut 15 bis 17 Pfd.
234
^ . Allgemeine Botanik.
Die verschiedenen Theile einer und derselben Pflanze enthalten ungleiche
Mengen mineralischer Stoffe. I n der Regel sind die Blätter und die Rinde
daran bei weitem reicher, als Stamm und Wurzel. Es geben Asche:
100 Pfd. Runkelrüben
6,2 P f d .
Kartoffeln
3,9 »
Erbsen
. 3,1 »
Weizenkörner . . . . 2,4 » ^
Eichenholz..... .2,5 »
Blätter derselben
21,5
Kartoffelkraut . . . . . . . 17,3
Erbsmstroh
11.3
Weizenstroh
. 6,9
Eichenblätter
9,8
Pfd.
»
»
»
«
Schwefelsäure.
Kieselerde.
Talkerde.
Kalk erde.
Kochsalz.
Natron.
Giscnmyd.
23,7
Phosphorsäure,
8,2
Klee ^ l i l o i l u r a ;>rut6N3s),
ganze Pflanze
. . . .
>
Raygras (I^oÜum pei-enns),
ganze'Pflanze
. . . .
!
Kali.
Von allen Pstanzentheilen haben die Samen und die Wurzeln stets den
geringsten Aschengehalt.
Aber nicht allein die Menge der von verschiedenen Pflanzen gelieferten
Asche ist ungleich, sondern auch die Zusammensetzung dieser selbst, wie die Analysen einiger Aschen zeigen:
13.3
1,8
a,3
0,3
Esparsette (Onodr^cdi» 8ü.t,ivll.j,
ganze Pflanze .
Eichenholz
Tannenholz
...
5,4
5,6
3,7
7,1
0,0
50,5
6,3
0,8
25,9
0,4
—
Weizenstroh
9,0
—
Buchweizen ( k o i ^ o n n m ?«.^op/rnm), Körner. . -
8,4
20,1
39,2
. . . .
Runkelrüben, Wurzel . . .
Weizen (Körner)
Erbsen, Samen
. . . . .
. . . . .
Kartoffel, Knollen
21,5
1,1
2,3
0,3
2.0
3,0
2,3
—
60.3
1,3
1,0
3,1
1,0
2,1
50,0
1,0
4,8
34,2
1,0
7,1,
11.3
0,5
1.6
6,6
2,5
3,0
0,5
0,7
31,5
9,1
5.7
1,9
6,2
3,3
0,5
8,5
5,0
67,6
^
6,6
10,3
0,6
3,9
3,6
5,8
6,4
—
47,9
—
__
1,8
5,4
5,6
39,0
1,4
8,5
7,0
4,4
8,0
Die vorstehende Tafel läßt aufs Deutlichste erkennen,
schiede i n den Aschen verschiedener Pflanzen und selbst bei einer und derselben Pflanze i n ihren verschiedenen Theilen stattfindet. W i r schließen
daraus, daß jede Pflanze zu ihrer Ausbildung bestimmte mineralische
Stoffe in gewisser Menge nöthig hat. Diese Menge ist aber weder nach oben
noch nach unten mit Sicherheit festgestellt, indem dieselbe bei einzelnen Pflanzen
oft bedeutend wechselt. Die i n vorstehender Tafel gegebenen Zahlen haben
daher nur einen beschränkten Werth; es ist möglich, daß die Aschen derselben
Pflanzen, sobald letztere einem anderen Standorte öder Jahrgange entnommen
m.
Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
235
werden, eine hiervon sehr verschiedene Zusammensetzung ergeben. Man glaubt
jcdoch, daß das Verhältniß der Säuren zu den Basen für jede Gattung ein
ziemlich feststehendes sei; ebenso, daß einerseits Kali und Natron, andererseits
Kalk und Talkerde sich gegenseitig zu vertreten vermögen. Auch hat man gesetzmäßige Bezeichnungen aufzustellen gesucht zwischen dem Gehalt der Asche an
Kalk- und Talkerdesalzen und dem Gehalt der Psianzentheile an Eiweißstoffen;
ferner zwischen dem Alkaligehalt der Asche und der Menge von Kohlenstoffhydraten (Chem. §. 178) in den betreffenden Pstanzentheilen/ Es bedarf jedoch
zu völliger Aufklärung dieser Verhältnisse noch zahlreicher und ausgedehnter Untersuchungen.
Immerhin steht fest, daß die Natur der unorganischen Stoffe, welche wir
in der Asche einer Pflanze vorfinden, für dieselbe eine Lebensbedingung bildet.
Enthält der Boden dieselben gar nicht, oder in unzureichender Menge, so werden diejenigen Pflanzen oder.Pflanzentheile, welche derselben bedürfen, gar nicht
oder nur unvollkommen ausgebildet. Genaue Versuche haben dieses vollkommen
bestätigt. I n reinem Quarzsande keimen und wachsen zwar Erbsenpflanzen, '
allein sie entwickeln keine Samen, was der Fall ist, wenn man jenem Sande
Kalk- und Kalisalze zusetzt.
.
Während wir die Kohlensäure, das Waffer und das Ammoniak, welche dm 194
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff der Pflanze liefern, überall in
hinreichender Menge verbreitet.finden, herrscht eine bei weitem größere Ungleichmäßigkeit hinsichtlich der mineralischen Bestandtheile.
Aller Boden ist, wie wir aus der Mineralogie ersehen, nichts Anderes als
verwittertes Gestein. Es hängt daher ganz von dessen Natur ab, welche Bestandtheile der Boden enthält. Neiner Kalkstein oder Sandstein würden beim
Verwittern Böden liefern, die nur Kalk oder Kieselerde enthalten und daher
keiner Pflanze das erforderliche Kali geben könnten. Die gemengten Felsarten
dagegen, wie namentlich der Granit, Basalt, Porphyr, Thonschiefer, die Grauwacke, Lava und andere mehr, enthalten alle die in der Pftanzenasche vorkommenden Metalloxyde und geben daher vorzugsweise fruchtbare Bodenarten
(vergl. Mineralogie Z. 98 bis 118). Man unterscheidet den w i l d e n Boden,
wie er aus dem verwitterten Gestein hervorgegangen ist und ohne menschliches
Zuthun mit Gewächsen sich bedeckt hat, von der Ackererde oder Ackerkrume,
welche durch den Anbau gelöchert, geebnet, gleichförmiger zertheilt und meist
auch reichlicher mit organischen Neberresten vermischt ist.
I n den Körnern der Getreidearten und in den meisten anderen Samen 1 W
sind der Kalk und die Bittererde stets verbunden mit Phosphorsäure. Es
enthalten 100 Pfd. der Asche von Weizenkörnern 60 Pfd.; von gelben Kocherbsen 34 Pfund Phosphorsäure. Dieselbe findet sich ursprünglich im Mineralreich, am häufigsten in Verbindung mit Kalk den A p a t i t (Min. §. 53)
bildend. Durch die Pflanzen wird der phosphorsame Kalk in ihre Samen aufgenommen, und indem der Mensch und die Thiere dieselben verzehren, erhalten
sie die zur Bildung der Knochen (Chemie §. 49) erforderliche Masse.
236
186
^.
Allgemeine Botanik.
I n vielen Pflanzen herrscht einer der mineralischen Bestandtheile gegen
die übrigen besonders vor. So nach §. 103 die Kieselsäure im Weizenftroh, der
Kalk in dem Klee, das Kali in den Wurzelgewächsen und man kann hiernach
die Pflanzen in Kali-, Kalk- und Kieselpstanzen unterscheiden.
Zu den K a l i p f l a n z e n gehören der Nermuth, die Melde, die Runkelrübe,
die weiße Rübe, der Mais, die Kartoffel, der Taback.
Kalkpflanzen sind die Flechten, der Cactus, der Klee, die Bohnen, die
Erbsen, die meisten "unserer einheimischen Orchideen.
Kieselpflanzen sind der Weizen, Hafer, Roggen, Gerste, überhaupt Getreide und Gräser, sodann Heidekraut, Pftiemenkraut oder Ginster, das Heidekorn, die Akazie.
Bei weitem die meisten Pflanzen gehören jedoch nach den Bestandtheilen
ihres Samens zu der einen, und nach denen ihres Stengels oder ihrer Blätter
zu einer anderen Abtheilung, so daß eine Eintheilung derselben in dieser Beziehung nicht durchzuführen ist»
Nachdem wir die Bedeutung der mineralischen Bestandtheile für die Pflanze
kennen gelernt haben, wird auch das vereinzelte Auftreten mancher Pflanzen an
bestimmten Orten erklärlich sein. So z. B. trifft man den wilden S e l l e r i e
und die sogenannten S a l z p f l a n z e n (82.IL0I3.) nur in der Nähe des Meeres
oder von Salinen, weil sie eine beträchtliche Menge von Natron bedürfen, die
sie anderwärts nicht finden. Der Borasch und der Stechapfel erscheinen in
der Nähe der bewohnten Orte, denn beide Pflanzen haben Salpeter nöthig, der
sich aus den verwesenden Abfällen der Menschen und Thiere bildet.
Ebenso fehlen einzelne Pflanzen in manchen Gegenden gänzlich, die dicht
neben diesen in anderem Boden in Menge vorkommen. I n dem Mergelboden
und Moorgrund des Rheinthales sucht man vergeblich das homgreiche Heidekraut und die gelbe Ginster, die in dem benachbarten Haardtgcbirge und Odenwalde den Boden des Waldes und der Bergabhänge bedecken.
Für den mit« diesen Verhältnissen Vertrauten giebt das Erscheinen und
Fehlen solchercharakteristischerPflanzen häufig Aufschluß über die Beschaffenheit
des Bodens, ohne daß er eine Untersuchung desselben zu machen hat. Das
Bestehen einer Pflanzengattung hängt jedoch nicht allein von den Bestandtheilen
des Bodens, sondern auch wesentlich von anderen Bedingungen ab, was hierbei
wohl zu berücksichtigen ist.
107
Das Wasser ist den Pflanzen nothwendig, nicht allein weil es selbst ein
Hauptnahmngsmittel derselben bildet, sondern auch als LösunFsmitte! der
Kohlensäure, des Ammoniaks, sowie der mineralischen Stoffe. O^ne die hinreichende-Wassermenge ist daher kein Pftanzenwachsthum denkbar. Ein Boden
mag Ueberfluß haben an Humus, Ammoniak und Salzen, alles dies ist ein
verschlossener Schatz ohne die lösende Kraft des Wassers.
Die Einwirkung des Wassers aus die mineralischen Bestandtheile des Bodens ist nicht bloß eine auflösende, sondern auch einechemischzersetzende. Denn
vorherrschend wird der Ackerboden gebildet von Verbindungen der Kieselerde
mit Thonerde, Kalkerde, Talkerde und Alkalien, welche in Wasser für sich un-
I I I . Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
237
löslich find. Dasselbe gilt für die Kieselerde selbst, welche die Hauptmasse der
Sandböden ausmacht. Indem jedoch das Wasser zunächst 'die im Boden befindliche Kohlensäure und das vorhandene Ammoniak aufnimmt, äußert es jetzt
unter Mitwirkung dieser Stoffe eine aufschließende, d. i. chemisch zersetzende
Einwirkung auf die unlöslichen Silicate (Min. §. 46). Während einerseits in
kohlensäurehaltigem Wasser lösliche kohlensaure Erden und Alkalien entstehen, wird
andererseits die Kieselerde in löslichem Zustande (Chem. §. 67) abgeschieden und
es ist somit diesen Mineralstoffen der Gintritt in die Zellhaut ermöglicht.
Aber hier drängt sich die Frage auf: werden denn nicht solche in aufgelöstem Zustande befindliche Mineralstoffe sofort durch das Regenwaffer hinweggespült und der Pflanze entzogen? Wir sehen doch wochenlange Regengüsse
die Felder durchdringen und wir begießen fortwährend die Kulturpflanzen unserer Gärten und Blumentöpfe mit stets erneuertem Wasser. Wird in beiden
Fällen die Erde nicht förmlich ausgewaschen und ihrer löslichen Nahmngs-^
Mittel beraubt?
Allerdings sollte man dieses erwarten. Allein die Ackerkrume befitzt die
höchst merkwürdige Eigenschaft, lösliche Salze anzuziehen und in der Art zurückzuhalten, daß dieselben von Wasser nicht ausgewaschen, wohl aber von den
Wurzelfasern aufgesaugt werden können. Ein einfacher Versuch zeigt dies Vermögen der Ackerkrume sehr deutlich. Man füllt einen Trichter mit Ackererde
und übergießt dieselbe mit der Auflösung irgend eines Salzes, deren Gehalt
bekannt ist. Es zeigt sich alsdann, daß die ablaufende Flüssigkeit weniger von
dem^Salze enthalt, als die aufgegossene. Nicht alle Salze verhalten sich hierin
gleich; von dem Einen wird mehr zurückgehalten als von dem Anderen. Es
scheinen gerade die als Nahrung der Pflanzen wichtigeren Stoffe, das Kali,
das Ammoniak, die Phosphorsäure und Kieselsäure in höherem Grade festge' halten zn werden als Natron, Kalk, Schwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure. Die ablaufenden Gewässer können somit dem Boden nur den Ueberschuß
seiner löslichen Bestandtheile entziehen.
Durch längere Einwirkung der Sonnenstrahlen kann, der Boden endlich 198
eine solche Erwärmung annehmen, daß er völlig austrocknet und alles Pstanzenleben abstirbt. Es verhalten sich jedoch die verschiedenen Bodenarten hierin
sehr ungleich, indem der eine das Wasser stärker zurückhält und weniger rasch
austrocknet als der andere. Die Wasserhaltigkeit des Bodens ist daher eine
höchst wichtige Eigenschaft desselben und wird bedingt durch seine Bestandtheile.
Während Quarzsand eine außerordentlich geringe Wasserhaltigkeit besitzt, daher
leicht ausdörrt, erweisen sich feinpulveriger Kalk, Humus und T h o n (Min.
§. 115) bei weitem wasserhaltender. Insbesondere ist es der Letztere, welcher
die Feuchtigkeit unserer Ackerböden bedingt.
Allzuviel Thon ist jedoch dem Boden nicht minder nachtheilig, als der
Mangel desselben. I n diesem Falle ist der Boden beständig naß, zusammenhängend und der Luft unzugänglich und beim Austrocknen hart und undurchdringlich für die Wurzeln. Nur schneidende Riedgräser und Nmsen kommen
auf solchem Thonboden kümmerlich fort.
233
H.. Allgemeine Botanik.
ViQÜu.38 Hsr Mäi?ru.S, ÄS3 I l i o ^ s s U.NÄ 6.61' Vicktrioität.
199
Das Leben der Pflanzen wird nicht allein von den Nahrungsmitteln der.selben bedingt, es ist nicht bloß einchemischerUmsetzungsproccß, vermittelt durch
die Thätigkeit der Zellen. Auch die physikalischen Kräfte, die Wärme, das Licht
und die Elektricität haben daran ihren Antheil und es ist bereits (§. 99) der
Einfluß des Lichtes auf die Bildung gewisser Pflanzenstoffe hervorgehoben
worden.
I n welcher Weise jedoch in diesem Falle und überhaupt das Licht auf die
Pflanze wirkt, ist näher nicht nachzuweisen und noch weniger wissen wir über
die Wirkung der Elektricität zu sagen. Auffallender und daher bekannter ist
der Einfluß der Wärme. W i r wissen, daß derselbe im Allgemeinen ein dem
Pflanzenleben günstiger ist, welches mit der abnehmenden Temperatur allmälig
erlischt.
Doch verhalten sich die Pflanzen hierin sehr ungleich. Denn es erfrieren
zum Beispiel:
Bohnen bei .
.
.
. . .
.
Gurken und Kartoffeln bei . .
.
.
Mhrthen, Orangen und Citronen bei. . .
Lorbeeren, Cypressen und Feigen bei . . °
Kirschlorbeer und Pinien bei : . . . .
Buxbaum b e i . . .
Weinstock bei . . . . .
. . . .
Mandeln, Pfirsich, Aprikosen, Centifolien und
Mispeln bei . . . .
. . .
Wallnuß und Kastanien bei .
. .
Pflaumen und Kirschen bei. .
. . .
Aepfcl und Birnen bei ° . .
. .
Wachholder bei .
. . .
.
'
—
—
—
—
—
2
7
8
16
20
- s - . 1<>N
— 0<>N.
bis — 4 " R .
hjs -_ 90R.
bis — 1 1 " R.
bis — 200R.
bis — 21«R.
— 2 1 bis — 2 4 " N.
— 24 bis — 2 6 " R .
— 2 5 bis — 2 6 " R.
— 25 bis — 2 7 " R.
— 30 bis —- 400R.
Es bedürfen ferner um zu reifen einer mittleren Sommcrwärme:
Weizen von . . .
. . «
. . 13«C.
Wem von .
«
18o C.
Baumwolle und Zuckerrohr von . . . . 1 9 ^ C .
Oelbaum von .
. . . . . .
230C.
Dattelpalme von
.
. . .
260C.
11l>
V o n der Wärme ist ferner die V e g e t a t i o n s z e i t abhängig, nämlich Qie
Anzahl der Tage, welche eine Pflanze vom Beginn ihrer Entwickelung bis zur
Fruchtreife bedarf. Dieselbe ist geringer für wärmere Gegenden als für kältere.
S o z. B . betrug i m gleichen Jahre die Vegetationszeit der Gerste im Elsaß 92
Tage, bei Kopenhagen 1 2 0 Tage.' Multiplicirt man jedoch die mittlere Temperatm verschiedener Orte mit der Anzahl ihrer Vegetationstage für dieselbe
Pflanze, so erhält man als Product sehr nahezu übereinstimmende Zahlen. Es
geht hieraus hervor, daß zur Fruchtreife bei jedem Gewächse eine gewisse sich
III.
Lebenslehre.
Ernährung der Pflanze.
239
gleich bleibende Menge von Wärme erforderlich ist, die jedoch auf ungleiche Zeiten Vertheilt sein kann.
Für tausend Fuß Erhebung über den Meeresspiegel verspätet sich die
Blüthezeit für Getreide und Kartoffel ungefähr um 20 Tage; das Ausschlagen
und die Blüthezeit tritt für jeden Grad höherer Breite etwa um 4 Tage später ein.
Allzuhohe Temperaturen setzen jedoch ebenfalls der Fruchtreife mancher
Gewächse eine Gränze. I n den eigentlichen Tropenländem reifen weder Birnen
und Aepfel noch Weizen.
Wir haben im Vorhergehenden gesehen, in welcher Weise die Pflanze die I N
unorganischen Stoffe der Natur als Nahrung aufnimmt und sich aneignet.
Merkwürdiger Weise begegnen wir jedoch einer nicht geringen Anzahl von Gewächsen, welche nicht in der Erde, sondern auf anderen Pflanzen wachsen. Dieselben sind in der Regel mit dem Basttheil der Rinde desjenigen Stammes verwachsen, auf welchem sie angetroffen werden. Offenbar nehmen die Schmarotzer
einen Theil der Säfte ihrer Ernährer hinweg und beeinträchtigen dadurch dessen
Wachsthum, ja führen häufig seinen Untergang herbei. Ihre Ernährungsweise
läßt sich mit der der blntsaugenden Thiere vergleichen, die ebenfalls bereits
assimilirte Stoffe verspeisen. Der bekannteste Schmarotzer ist der M i s t e l (Visouin), der auf Obst- und Waldbäumen häufig vorkommt, und aus dessen weißen, schleimigen Beeren der Vogelleim bereitet wird. Manche Schmarotzer entwickeln sich auch auf
den Wurzeln anderer Pflanzen, wie
namentlich die
Schuppenwurz
(I^tkrg.63.) und das
Fichten-Ohnblatt
(NonotropÄ.),
die
Sommerwurz,
auch Hanfwürger
genann t(0i-0ka.iiH6
rauivM), Fig. 168,
weil sie, wie F i g .
169 ^ zeigt, aus
der Wurzel des Hanfes S hervorwächst
und diesem schädlich
wird. Auf dem Lein,
Thymian und Klee
erscheint in manchen
Jahren besonders
240
H. Allgemeine Botanik.
häusig die^Flachsseide (Onscuw), Fig. 170 und Fig. 171, als ein zierlicher,
aber höchst schädlicher Schmarotzer.
112
Wir schließen unsere Betrachtung der Aebenserschcinungen der. Pflanzen
mit einem Blick auf ihr Alter und auf den Umfang, welchen sie erreichen. Während die zum Theil nur durch Vergrößerung sichtbaren Pilz- und'Schimmelgebilde kaum einige Stunden zu ihrer Entwickelung brauchen und dann absterben, sind für manche Schwämme hierzu mehrere Tage oder Wochen erforderlich. Es ist bekannt, daß die Lebensdauer bei den vollkommneren Pflanzen
eine größere ist. Abgesehen von den ein- und zweijährigen erreichen die
ausdauernden Pflanzen ein merkwürdig hohes Alter.
Aus den Jahrringen mehrerer Bäume hat man mit Bestimmtheit nachgewiesen, daß dieselben mehr als 2000 Jahre alt waren und dennoch fortwährend
neue Zweige entwickelten; ja man schätzt das W e r der an den Ufern des Senegal angetroffenen A f f e n b r o t b ä u m e (ManLonia) auf 6000 Jahre!
Einem hohen Alter entspricht in der Regel auch ein bedeutender Umfang
der Pflanze. Während unsere Edeltanne eine Höhe von 160 bis 180 Fuß
und einen Durchmesser von 6 Fuß erreicht, giebt es Palmen, die, ohne"'"N3er
zu sein, 250 Fuß hoch werden. Auf dem Aetna stehen einige alte Kastanienbäume, deren Umsang 60 bis 80 Fuß beträgt. Der Lutherbaum bei Worms,
eine Rüster, ist 116 Fuß hoch und hat 35 Fuß im Umfang. Sein Alter mag
wohl 600 bis 800 Jahre betragen. Als Berühmtheit ist ein Drachenbaum
(Dr2.Q3.6Q2.) bei Orotava auf Teneriffa anzuführen, der bei einer Höhe von nm
60 bis 80 Fuß eine Dicke von 27 Fuß im Durchmesser hat und bereits im
Ackerbau.
241
Jahre 1402 bei der Eroberung der Insel wegen seines Umfanges bewundert
und beschützt wurde. Als Riesen der Baume sind jedoch die M a m m u t h b ä u m e
CsssiliuStonig. AiSantsa) anzusehen, mächtige Tannen Califormms, die eine
Höhe von 400 und mehr Fuß erreichen und somit den höchsten Gebäuden der
Erde nur wenig nachstehen und dabei am. Fuße einen Umfang von 60 bis 80
Fuß haben.
Freilich besitzen einige Schlinggewächse der tropischen Urwalder eine noch
beträchtlichere, wohl 500 Fuß erreichende Länge, indem ihr nur zoUdicker
Stamm an Bäumen emporklettert, Von Ast zu Ast und zu benachbarten Bäumen
sich schlingt, herabhängt und von Neuem eine Stütze gewinnend wieder aufsteigt« E i n derartiges Wachsthum hat die R o t a n g p a l m e , deren Schöffe
unter dem Namen von spanischem Rohr bekannt sind.
Auch die Lebensdauer und Keimfähigkeit der Samen ist höchst ungleich.
Sei vielen ist sie schon im ersten Jahre erloschen. Man hat jedoch Gerste zum
Keimen gebracht, die zur Zeit der Einfälle der Araber in Frankreich, also vor
etwa 600 Jahren, vergraben wurde, ja solche, die aus den Gräbern der Pyramiden Aegyptens genommen und folglich mindestens 2000 Jahre alt war«
Ackerbau.
Eine ausführlichere Darstellung dieses für das Bestehen des menschlichen 113
Geschlechtes allerwichtigsten Culturzweiges würde die Gränzen dieses Buches
weit überschreiten. Allein das, was seither über den Bau und die Verrichtung
der Organe, sowie über die Bestandtheile und die Ernährung der Pflanze mitgetheilt worden ist, wird dazu dienen, die hohe Bedeutung der wissenschaftlichen
Betrachtung und Behandlung des Ackerbaues hervorzuheben.
Wenn es als die Aufgabe des Ackerbaues erscheint, von einem Grundstück
den höchsten Ertrag nutzbarer Pstanzenstoffe zu erzielen, so wird der Gewinn
um so größer sein, je geringer hierbei der Aufwand an Arbeit und sonstigen
Cultmmitteln ist«
Das Gedeihen der Pflanzen hängt aber einesteils vom Vorhandensein
ihrer Nahrungsmittel, anderntheils von den Bedingungen ihrer Aufnahme, insbesondere von Wärme, Luftzutritt und Lockerheit des Bodens ab. I n Beziehung auf letztere ist nun die mechanische Bearbeitung des Ackerlandes, das
Graben. Pflügen, Walzen u. s. w. desselben, von größter Bedeutung. Es wird
hierdurch nicht nur das Erdreich für die Wurzelverbreitung geeigneter gemacht,
sondern auch der Zutritt der Luft befördert, welche die erforderliche zersetzende
Einwirkung auf seine Bestandtheile ausübt»
Wie wesentlich letzterer ist, erweist sich recht augenfällig bei nassem Boden,
der, von Wasser durchtränkt, der Luft weder Zutritt noch Einwirkung gestattet
und somit auch der Erwärmung nicht fähig ist. Hier bewirkt die Entwässerung
Wunder. Sie geschieht, indem nach tieferen Stellen Gräben gezogen werden,
sogenannte D o l e n . Man füllt dieselben theilweise mit Steingerölle, auch mit
Reisern aus und wirft sie nachher mit Erde zu« Dem Wasser ist hierdurch ein
Abzug gestattet» Auch stellt man zu gleichem Zwecke unterirdische Canale m s
51°
,
,.
16,,
242
H.. Allgemeine Botanik.
Hohlziegeln oder aus besonders geformten Thonröhren dar, welche das Waffer einlassen und fortführen« Die Bodenentwässerung wird gewöhnlich D r a i n a g e genannt«
Dünger.
114
Eine andere Seite der landwirtschaftlichen Thätigkeit bezieht sich dagegen
auf die Zufuhr der Nahrungsmittel für die Culturgewächse.
Nach angestellten Versuchen werden einem Felde von 4 Morgen (—30,000
ll Meter, Physik §. 7) durch eine Wchenemte entzogen: 130 Pfd. Kalisalze,
67 Pfund Kalksalze und 260 Pfund Kieselerde, zusammen 357 Pfund mineralische Bestandtheile. Darunter sind 112 Pfund phosphorsaurer Salze« Wiederholen wir auf einem und demselben Felde eine Reihe von Iahreu hinter
einander dieselbe Ernte, so ist es offenbar, daß demselben sehr bedeutende
Mengen jener mineralischen Stoffe entzogen werden, daß die Oberstäche des
Bodens an denselben fortwährend ärmer werden muß.
I n der That, nach wenig Jahren nimmt der Ertrag unserer Ernten
mehr und mehr ab und lohnt alsbald nicht mehr die Aussaat. Die Ursache
hiervon liegt darin, daß die Wanze jene mineralischen Stoffe, die sie zu ihrer
vollkommenen Ausbildung bedarf, entweder nicht in hinreichender Menge oder
nicht in löslichem Zustande vorfindet.
Wollen wir fortwahrend ernten, so müssen wir Sorge tragen, dem Boden
wieder so viel an mineralischen Stoffen zurückzugeben, als wir demselben nehmen. Dies geschieht durch den Dünger« Wir verstehen hierunter alle Stoffe,
welche auf das Ackerland gebracht dessen Ertragsfähigkeit für irgend ein gewünschtes Pflanzenproduct herstellen.
Der gewöhnlichste und althergebrachte Dünger ist der M i s t , bestehend aus
den Absonderungen der Menschen und Thiere, vermengt mit allen möglichen
Abgängen der Haushaltung und Landwirthschaft. Es ist klar, daß darin sich
alle jene organischen und mineralischen Stoffe zusammenfinden muffen, welche
wir mit den Ernten vom Acker hinweggenommen hatten und die wir daher
im Miste demselben wieder zurückgeben.
Die kohlenstoffhaltigen Theils des Mistes, vorzüglich das Stroh, dienen
zur Lockerung des Bodens, zur Vermehrung seines Gehaltes an Humus und
an Kohlensäure; die stickstoffhaltigen Substanzen liefern Ammoniak. Diese im '
Boden vorgehende Zersetzung der genannten Stoffs ist zugleich eine Quelle von
Wärme. Gedüngtes Land ist stets etwas wärmer als ungedüngtes, und es kann
eine reichliche Düngung die Ungunst des Klimas theilweise ersetzen.
Die flüssigen Absonderunzen sind vorzüglich reich an Salzen, insbesondere
an phosphorsauren. Daher hat auch der flüssige Theil des Mistes, der P f u h l ,
einen ganz besondern Werth als Dünger« Die sorgfaltigste Aufsammlung und
Verwendung dieser unappetitlichen Flüssigkeit ist eine Hauptaufgabe für den
Landwirth.
Es ist begreiflich, daß eine Menge von Substanzen als Dünger verwendbar sind, auch wenn sie nicht in der Form thierischer Abfälle uns zu Geböte stehen.
Ackerlau« Dünger.
243
Gyps, gemahlene Knochen, Holzasche, Torf- und Steinkohlenasche, ausgelaugte Asche, gebrannter Kalk, ammoniakhaltige Abfälle aus verschiedenen'
Fabriken, alle diese Substanzen sind als Dünger von großem Werth zu betrachten« Zahlreiche Fabriken, welche sogenannten künstlichen oder M i n e r a l dünger bereiten, erfüllen die Aufgabe, derartige Stoffe zu sammeln und sie in
die geeignetste Form zu bringen, in der sie als Dünger wirksam sind. Es ist
für den Gesammthaushalt eines Landes von größter Wichtigkeit, daß keine
Substanz unbeachtet und unbenutzt verloren wird, welche, dem Ackerboden zugeführt, das Wachsthum nützlicher Gewächse befördert.
Je genauer wir die Bestandtheile des Bodens kennen, desto zweckmäßiger
wird die Wahl des Düngers ausfallen. Man wird sich begnügen, jedem Boden
nur das Fehlende zu ertheilen, und oft mit einigen Säcken voll düngender
Substanz dasselbe ausrichten, wozu ebenso viele Wagen voll unpassenden Düngers nöthig waren«
I n dieser Beziehung haben sich mehrere Stoffe von auffallend günstiger
Wirkung erwiesen, indem sie, in verhältnismäßig geringer Menge auf den Acker
gestreut, die Ertragsfähigkeit desselben ungemein erhöhen. — Diese sind: der
Gyps, das Knochenmehl und der G u a n o .
Die Wirkung des Gypses ist so auffallend, daß F r a n k l i n , der das Verfahren, die Felder und Wiesen mit Gyps zu bestreuen, in Europa kennen lernte,
dasselbe nach Amerika zu verbreiten suchte. Er fand jedoch bei seinen Landsleuten wenig Bereitwilligkeit, denn Niemand glaubte an die versprochenen Wunder, welche ein Sack voll Gyps auf ein Feld ausüben sollte. Da streute denn
FMnklin in großen Buchstaben auf ein Feld am Verzabhcmge die Worte hin:
» W i r k u n g des Gypses«« Das üppige Wachsthum der Pflanzen an den
bestreuten Stellen machte bald den Werth dieses neuen Düngemittels jedem Vorübergehenden ins Auge fallend, und es bedurfte nun zu semer Anwendung
leiner weiteren Empfehlung.
Der Gyps besteht aus Schwefelsäure und Kalk (Chemie §. 87). Er enthält demnach Schwefel und Kalk, zwei Stoffe, die als wesentliche Bestandtheile
vieler Pflanzen angeführt worden sind.
Ueber die Wirkung des Gypses herrschen verschiedene Ansichten; theils
schreibt man sie seinem Gehalt an Schwefel zu, theils seinem Verhalten gegen
das im Boden befindliche kohlensaure Ammoniak« Er zersetzt sich mit diesem
in schwefelsaures Ammoniak und in kohlensauren Kalk; ersteres ist wenig flüchtig und wird daher mehr im Boden zurückgehalten, als dies bei dem sonst leicht
in die Atmosphäre entweichenden Ammoniak der Fall ist. Der kohlensaure
Kalk kann i n kohlensäurehaltigem Wasser gelöst in die Pflanzen übergehen.
Endlich wird die Wirksamkeit des Gypses einfach aus seinem Kalkgehalt hergeleitet, da er sich den Kalkpstanzen und insbesondere dem Klee so förderlich
erweist. Seiner leichten Vertheilbarkeit als feines Pulver, seiner Löslichkeit im
Wasser wird sein Vorzug vor anderen im Boden vorkommenden Kalkverbindungen zugeschrieben. Es ist möglich, daß alle diese Ursachen zusammenwirken.
Der Einfluß der Düngung mit Knochenmehl, besonders auf den höheren
16*
244
H.. Allgemeine Botanik«
Ertrag der Weizenernten, ist außerordentlich günstig. Der Stickstoffgehalt der
Knochcngallerte, die Anwesenheit der Phosphorsäure und des Kalkes, diesen Bestandtheilen der Weizenasche machen die Wirkung der Knocben erklärlich. Dieselbe ist um so vortheilhafter, je feiner die Knochen zermahlen sind. Noch
gesteigert wird die Wirkung, wenn das Knochenmehl mit Schwefelsäure angerührt verwendet wird. Es entsteht in diesem Falle schwefelsaurer Kalk und löslicher phosphorsaurer Kalk« I n dem Handel kommt dieses Präparat unter dem
Namen S u p e r P h o s p h a t vor. Es ist in hohem Grade zu bedauern, daß die
deutsche Landwirthschaft dem Werthe der Knochen als Dünger noch lange nicht
die gehörige Beachtung beilegt. Wäre dieses der Fall, so würden nicht viele
Tausende Centner von Knochen in ganzen Schiffsladungen nach Holland und
England jährlich ausgeführt werden. Der Ertrag der Felder in England hat
sich seit der Einfuhr der Knochen und Oelkuchen auf das Doppelte erhöht.
Der Guano ist eine bräunliche, zerreibliche oder pulverige Masse von
scharfem, ammoniakalischem Geruch. Er wird von einigen Inseln und Punkten
des Festlandes des östlichen Amerika eingeführt, die einer fast regenlosen Region angehören. Daselbst hat -sich seit Jahrtausenden der Mist von MeeresVögeln angesammelt, die in ungeheuren Schwärmen jene Niederlassungen oft
ganz bedecken. Theilweise in Zersetzung übergegangen bildet derselbe den
Guano des Handels (Chemie §. 404), Ein reicher Gehalt an Ammoniak
und Phosphorsäure verleihen diesem Dünger seine überraschende Wirkung.
Als ein Düngemittel von vorzüglichem Werthe wegen seines Gehaltes an
Stickstoff und Phorphorsäme werden auch die Oelkuchen verwendet« ,
P r a ch e.
115
Ein durch Ernten erschöpfter Boden erreicht auch ohne Dünger seine
Ertragsfähigkeit wieder, wenn wir ihn mehr oder weniger lange Zeit unbebaut
sich selbst überlassen. Dieses Verfahren, die Brache genannt, ist in manchen
weniger bevölkerten Gegenden so üblich, daß dort niemals gedüngt wird.
Diese auffallende Erscheinung erklärt sich daraus, daß während der Brachzeit die Luft und das Wasser unausgescht auf den Boden einwirken und fortwährend eine weitere Verwitterung desselben verursachen. Dadurch werden
dessen lösliche mineralische Bestandtheile wieder in hinreichender Menge für eine
künftige Ernte den Pflanzenwurzeln zugänglich« Zur besseren Verständigung
dessen muß man sich an das in §. 107 Gesagte erinnern, wonach die meisten
der von der Pflanze aufgenommenen Mineralstoffe erst in Folge einer Zersetzung
löslich werden und daher eine ziemliche Zeit erfordert wird, bis das in den
Boden gedrungene Wasser damit sich gesättigt hat. Ein brachlieKM
bedeckt sich bald mit Unkraut, wodurch die Feuchtigkeit mehr in demselben zurückgehalten und der Humusgehalt vermehrt wird.
Nur die hinsichtlich ihrerchemischenZusammensetzung allergünstigsten Bodenarten, wie z. B. die verwitterte Lava, erträgt unausgesetzte Ernten ohne
Dünger und Brache,
Ackerbau. Wechfelwlrthschaft.
24b
Wechselwirthschaft«
Wir haben gesehen, daß verschiedene Pflanzengattuugen dem Boden N 6
nicht allein verschiedene mineralische Stoffe, sondern auch, daß sie dieselben
Stoffe in höchst ungleicher Menge entziehen« Während einem Felde von vier
Morgen durch eine Weizenernte 112 Pfund phosphorsaurer Salze entzogen
werden, nimmt eine Rübenernte nur 38 Pfund derselben hinweg. Drei Rübenernten werden demnach einem Felde weniger phosphorsaure Salze entziehen,
als eine einzige Weizenernte.
Hieraus erklärt sich, daß ein Boden, der für eine gewisse Pflanzengattung
erschöpft ist, für eine zweite und dritte noch ertragsfähig sein kann. Nach Weizen
können ohne frische Düngung ganz vortheilhaft Klee oder Kartoffeln gebaut werden,
denn diese erfordern nur sehr wenig phosphorsaure Salze zu ihrer Ausbildung.
Welche Reihenfolge hierin einzuhalten fei, läßt sich im Allgemeinen nicht
bestimmen, sondern richtet sich durchaus nach der Bodenart eines jeden Ortes.
Eine gut geregelte Wechselwirthschaft erträgt nach einmaliger Düngung fünf bis
sieben Ernten und macht die Brache unnöthig, die ohnehin bei unserer dicht
gedrängten Bevölkerung ganz unausführbar wäre. Die Erfahrung hat für verschiedene Gegenden die ihr am besten zusagende Fruchtfolge festgestellt, d. h.
in welcher Reihe verschiedene Gewächse auf demselben Felde am vortheilhaftesten
gebaut werden. Beispielsweise geben wir hier eine am Mittelrhein ziemlich
übliche Fruchtfolge mit fünfjährigem Umlauf, wobei stets im Anfang des ersten,
folglich alle fünf Jahre gedüngt wird: Erstes Jahr: Kartoffeln oder Runkelrüben
(Kalipflanze); zweites Jahr: Weizen (Kieselpstanze); drittes Jahr: Klee (Kalkpflanze); viertes Jahr: Weizen und Stoppelrüben (Kiesel- und Kalipflanzen);
fünftes Jahr: Hafer, Roggen oder Gerste (Kiesel-und Kalkpstanzen); im sechsten
Jahre beginnt die Reihe aufs Neue.
So sehen wir, wie die wissenschaftliche Botanik, indem sie die Lebens- 117
erscheimmgen erforscht und darlegt, berufen ist. der Landwirthschaft die wichtigsten Dienste zu leisten und somit das allgemeine Wohl zu befördern, denn
dasselbe ist m dem ergiebigen Ackerbau sicherer gegründet, als durch die Blüthe
eines jeden anderen Gewerbes. Wenn erzählt wird, daß der Kaiser von China
jährlich einmal die Hand an den Pflug legt, sowie daß einst der Kaiser Joseph
auf seiner Reise durch Böhmen eigenhändig eine Furche zog, so sind diese Handlungen nur ein Ausdruck der Anerkennung der hohen Wichtigkeit des Ackerbaues«
Nicht minder bezeichnend für die culturgeschichtliche Bedeutung des Ackerbaues erscheint im Alterthum als mythische Gottheit zugleich des Ackerbaues und
der Gesittung die Ceres —
»Die Bezähmerin wilder Sitten,
Die den Menschen zum Menschen gesellt.«
Einfach und rührend endlich sind die trefflichen Worte, mit welchen ein
Häuptling der nordamerikanischen Rothhäute seinem Stamm den Ackerbau als
einziges Mittel der Erhaltung gegenüber dem Vordringen der weißen BevölksF
rung anempfiehlt 3
246
L . Besondere Botanik.
«Seht ihr nicht, daß die Weißen von Körnern/ wir aber von Fleisch leben?
Daß das Fleisch mehr als 30 Monden braucht, um heranzuwachsen, und oft
selten ist. Daß jedes der wunderbaren Körner, die sie in die Erde streuen, ihnen
mehr als tausendfältig zurückgiebt? Daß das Fleisch, wovon wir leben, vier
Beine hat zum Fortlaufen, wir aber deren nur zwei besitzen, um es zu haschen?
Daß die Körner da, wo die weißen Männer sie hinsaen, bleiben und wachsen?
Daß der Winter, der für uns die Zeit unserer mühsamen Jagden, ihnen die
Zeit der Ruhe ist? Darum haben sie so viele Kinder und leben länger als wir.
Ich sage also Jedem, der mich hören will, bevor die Cedern unseres Dorfes
vor Alter werden abgestorben sein und die Ahornbämne des Thales aufhören
uns Zucker zu geben, wird das Geschlecht der kleinen Kornsäer das Geschlecht
der Fleischeffer vertilgt haben, wofern diese Jägersichnicht entschließen, zu säen!«
118
Die Pflanze belohnt auf das Entsprechendste jede ihr gewidmete Aufmerksamkeit, jedes ihr gebrachte Opfer. Man vergleiche die erbsengroßen Knöllchen
der wilden Kartoffel in den Gebirgen Mexicos mit den Riesenknollen unseres
Culturlandes, die federkieldicke wilde gelbe Rübe und Cichorie mit den zuckerreichen saftigen angebauten Wurzeln derselben, den kleinen sauren Holzapfel mit
dem Reichthum köstlicher, durch die Cultur veredelter Apfelsorten.
Wir können uns nicht versagen, in dem Folgenden einen Beweis der Vortheile mitzutheilen, welche namentlich die Obstbäume ihren Pflegern erweisen.
I n Wallerstädten, einem kleinen Dorfe bei Darmstadt, blieb im siebenjährigen Kriege ein französischer Soldat krank und elend liegen. Menschenfreundliche Bauern pflegten ihn, er gesundete, und aus Anhänglichkeit an seine
Wohlthäter entschloß er sich, bei denselben zu bleiben und mit seiner Hände
Arbeit sich zu ernähren. D a man ihm die Obhut der Hcerde anvertraute, so
bemerkte er bald, daß auf der großen Trift, welche das Viel) beweidete, Raum
genug sei für manchen nützlichen Baum. Dies bestimmte ihn, zur Zeit, wo die
Heerde eingestellt war, eine Wanderung in seine Heimath anzutreten, und auf
seinem Rücken trug er von dort eine Anzahl junger Stämmchen von edlen Obstsorten heraus. Mehrmals wiederholte er diese Reise und bepflanzte nach und
nach die ganze Trift mit Bäumen, die jetzt einen herrlichen Obstwald bilden,
jedes Jahr eine bedeutende Summe eintragen und eine Quelle des Wohlstandes
für die ganze Gemeinde sind.
L« Besondere oder specielle Botanik.' ^ ^ ^ ^
119
Nachdem in der ersten Abtheilung, die als allgemeine B o t a n i k bezeichnet wurde, die Lehre von den Organen der Pflanze und deren Thätigkeit
abgehandelt worden ist, haben wir nun in dieser zweiten Abtheilung, die wir
als die besondere oder specielle B o t a n i k bezeichnen, die einzelnen
Pflanzenarten, ihre Merkmale, Emtheilung, Verbreitung und Verwendung
kennen zu lernen.
Verbreitung der Pflanzen«
247
V e r b r e i t u n g der Pflanzen«
Die Oberflache der Erde ist in sehr ungleicher Weise mit Pflanzen bedeckt. I M
Während nach den Polen hin die Mannichfaltigkeit und die Stärke der Pflanzen fortwährend abnimmt, so daß Tannen und Birken nnr noch verkrüppelt,
und die Weide als krautartiger Strauch sich finden, dann nur noch Moose und
Flechten sich erhalten und endlich im ewigen Schnee und Eis alles Leben erstarrt,
sehen wir nach dem Aequator hin die Pflanzenwelt in größtem Reichthum und
in der vollkommensten Entwickelung prachtvoller Blüthen, ungeheurer Blatter
und gewürzreicher Früchte austreten. I n diesen tropischen Gegenden finden
wir nicht nur die größte Anzahl verschiedener Pflanzen beisammen, sondern es
walten hier auch die Dikotyledonen gegen die übrigen Pflanzen vor.
Bei weitem die meisten Pflanzen sind an bestimmte Gränzen gebunden,
innerhalb welcher die Bedingungen ihres Gedeihens gegeben sind, und es lassen
sich Linien um die Erde gelegt denken, welche die Gränze für den Oelbaum,
für den Weinstock, die Getreidearten und andere mehr bezeichnen. Dieselben
sind durchaus nicht parallel mit dem Aequator verlaufend, denn schon in der
Physik (§. 224) habm wir gesehen, welche örtliche Einflüsse die mittlere Temperatur einer Gegend verändern können. So dauern in dem gleichmäßigeren
Klima Englands manche Pflanzen im Freien aus, z.V. der Kirschlorbeer, die in
Deutschland erfrieren, während die Trauben in England nicht reifen, dasieeine
Hitze verlangen, die jenes vom Meere gekühlte Inselland nicht erreicht.
Hohe Gebirge der warmen Länder vereinigen in ihren verschiedenen Höhen
die Pflanzen der ungleichsten Klimate« Während ihr Fuß in Palmen- oder
Orangenhainen steht, ist der kahle Scheitel mit Flechten und mit ewigem
Eise bedeckt. I n Verfolgung dieser Verhältnisse, vorzüglich durch H u m b o l d t ,
haben sich als besondere wissenschaftliche Zweige die Pflanzengeographie und
die Pflanzenstatistik ausgebildet und es wird hiernach die Erde in 8 verschiedene Zonen und in 25 Reiche der Pflanzenwelt eingetheilt. Bei ersteren ist
es die mittlere Temperatur, bei letzteren das Vorwalten gewisser Pflanzenfamilien,
welche die Gränze bestimmen« So hat die Aequatorialzone, auch Zone der
Palmen oder Pisange genannt, 15 Grad beiderseits vom Aequator, 28^ bis
360C« mittlere Iahreswärme; in Nebergängen folgen die tropischen, subtropischen und die wärmeren gemäßigten Zonen» worauf unsere kältere
gemäßigte, vom 45sten bis bssten Grade, mit 12o bis 6^C. mittlerer Temperatur folgt, welche auch als die Zone der blattwechselttden Laubhölzer bezeichnet wird« Es folgen dann nach den P s l m : die subarktischen, arktischen
und die Polarzonen« I n letztgenannten ist die mittlere Temperatur unter
dem Gefrierpunkt.
Ein pftanzengeo graphisch es Reich bilden zusammen diejenigen Erdstriche, welche gemeinsam mindestens die Halste der ihnen eigenthümlichen Arten,
mindestens ein Viertel der Gattungen und einzelne Familien ausschließlich oder
vorwaltend haben. M s Beispiel führen wir an; das Reich der D s l d e n pflanzen oder Coniferen, auch Lin,ns's Reich genannt, welches N o r d -
248
V . Besondere Botanik.
und M i t t e l e u r o p a bis zum Nordabhang der Pyrenäen, Alpen, des Balkan
und Kaukasus und einen in gleicher Breite durch das nördliche Asien laufenden
Gürtel umfaßt«
Als statistisches Beispiel werde bemerkt, daß die Anzahl der Arten der
Monokotyledonen sich zu denen der Dikothledomn verhält wie 1 zu 4.
121
Für die Verbreitung der Pflanze innerhalb ihrer natürlichen Gränzen hat
die Natur auf mannichfache Weise Sorge getragen. Sie hat die Samen theils
mit Federkrönchen versehen, daß der Wind weithin sie fortträgt, oder mit Häkchen, daß sie an den Thieren hängend verbreitet werden. Die Vögel, die pflanzenfressenden Thicre, die Bäche und Flüsse, ja selbst das Meer verpflanzen vielfach den Samen weiter«
Nichtsdestoweniger ist uns die Pflanzenwelt Amerikas und Australiens
erst durch die kühnen Entdecker jener Länder aufgeschlossen worden, und noch
jedes Jahr bringt uns neue Pflanzen, von welchen manche, die anfänglich nur
Mit besonderem Schutze zu erhalten sind, allmälig an unser Klima sich gewöhnen
und selbst verwildern. Die schone gelbe Nachtkerze (OsNotkGrN), die im Jahre
1614 zuerst nach Europa kam, blüht jetzt an allen Rainen und das kanadische F l o h k r a u t (NriAsron), welches erst nach der Entdeckung Amerikas
zufällig mit Roggen herüberkam, ist jetzt das gemeinste Unkraut unserer Felder.
122
Unter der F l o r a eines Landes oder einer Gegend versteht man den I n begriff der daselbst wild wachsenden Pftanzenarten. Dieselbe bedingt mehr
oder weniger den Charakter der Landschaft, je nachdem der Anbau darauf eingewirkt oder die Verwüstung zerstört hat. Immer seltener werden jedoch reine
Vegetations-Ansichten — Blicke in eine von Menschenhand unberührte oder
unverändert belassene Pflanzenwelt«. Beispiele solcher bieten der tropische und
der böhmische Urwald, die nordischen Nadelgehölze, die Matten der Alpen, die
Grassteppen, die Haiden und Moore.
Eigenthümlich ist es, daß manche Pflanzen vorzugsweise als gesellige
auftreten, wie die Buche, die Kiefer, das Heidekraut, und dadurch den landschaftlichen Charakter besonders ausprägen.
Aber nicht allein durch den malerischen Reiz und die Stimmung, welche
die Pflanzenwelt der Landschaft ertheilt und die so vielfach dichterisch ausgesprochen worden ist, macht sich uns dieselbe werth und wichtig; auch auf die Beschaffenheit des Landes, auf sein Klima, auf seine Gewässer und hierdurch auf
die Landesbewohner erstreckt die Pfianzenbedeckung ihren weitgehenden Einfluß.
Rasch rinnen, von den freventlich entblößten Gebirgen die niederfallenden Regengüsse und bilden schnell anschwellende Ströme, die in den NiedOUUgen
verheerende Ueberschwemmungen herbeiführen Dem übereilten Ablauf der Gewässer folgt Trockmh und Dürre; waldloses, ausgewaschenes, ödes Gebirge und
Hochland erblickt dann weithin das Auge.
Wohlthuend sticht hiervon ab der sorgsam gehaltene Gebirgswald. Wie
mit liebenden Armen empfangen feine Bäume den niederthauenden Regen, den
sie zurückhaltend, und langsam nährend den tausend Quellen abgeben, die in
dm Thälern hervorsprudeln»
Eintheilung der Pflanzen.
249
G i n t h e i l n n g her Pflanzen«
Daß man sich bei Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen an sehr 123
bestimmte und bleibende Merkmale halten muß, leuchtet von selbst ein. Denn
wollte man dieselben etwa nach ihrer Größe in Kräuter, Sträucher und Bäume
eintheilen, so müßte man z. B. die Weide zu jeder dieser Abtheilungen rechnen,
da sie auf Gebirgen krautartig erscheint, und in der Ebene bald als Strauch,
bald als Baum«
Eine jede Eintheilung setzt eine vorhergehende genaue Untersuchung
und Beschreibung ihrer Gegenstände voraus. Je nach Art dieser letzteren hat sich
in allen Wissenschaften eine besondere beschreibende Sprache oderTerminologie
ausgebildet, welche den Theilen, Formen und Eigenschaften der Dinge bestimmte
Namen giebt. Zur Erlernung dieser Sprache ist empfehlenswerth: das Handbuch der botanischen Terminologie und Systemkunde von G. W. Bisch off.
Die gegenwärtig allgemein geltende Eintheilung der Pflanzen verdanken
wir LinNG, einem Schweden, der 1707 geboren wurde, und der stets eine der
ersten Stellen unter den ausgezeichnetsten Naturforschern einnehmen wird.
Bei der Betrachtung der Pflanzen verfolgte L i n n ö zwei verschiedene
Wege. Einmal nahm er nur auf gewisse Unterschiede in Einzelnheiten Rücksicht, namentlich auf die der Vlüthentheile, und bildete danach verschiedene
Klaffen und Ordnungen.
Da diese Eintheilung etwas Künstliches hat, so wurde sie das künstliche
oder Linns'sche System genannt.
Außerdem stellte jedoch L i n n s die Pflanzen auch nach ihrer Gesammterscheinung, nach gewissen allgemeinen Aehnlichkeiten, in natürliche Familien
zusammen. Dieses Verfahren ist später von I u s s i e u , einem Genfer, weiter
ausgebildet worden und führte zur Aufstellung der sogenannten natürlichen
Systeme von Decandolle und von Endlicher»
Diejenigen Pflanzen, welche in allen wesentlichen und unveränderlichen 124
Merkmalen übereinstimmen, gehören zu einer A r t .
Pflanzmarten, die eine gewisse Uebereinstimmung, namentlich in ihren
Fruchtbildungstheilen Zeigen, bilden eine G a t t u n g oder ein Geschlecht.
Alle zu einem Geschlecht gehörigen Pflanzen erhalten dessen allgemeinen
Gcschlechtsnamen und sodann einen Beinamen, welcher die Art bestimmt. So
haben wir das Geschlecht Viola, Veilchen — welches die Arten: Viola oäo»
Ma,, wohlriechendes Veilchen — Viola, trioolor, das dreifarbige Veilchen oder
Stiefmütterchen — Viola oauinA., das Hundsveilchen und andere mehr enthält.
Eine Mittheilung der lateinischen Namen bei der Beschreibung der Pflanzen
ist darum nothwendig, weil dieselbe Pflanze nicht nur in verschiedenen Ländern,
sondern selbst in jedem Lande/ ja in jeder Provinz oft die verschiedensten Namen
hat, so daß eine allgemeine Verständigung unmöglich wäre«
Gattungen von gewisser Aehnlichkeit stellen die F a m i l i e n dar« Man
nennt die Pflanzen derselben verwandt, eben wegen ihrer Aehnlichkeit, und
Z50
V . Besondere Botanik.
verwechselt dies nicht mit der Verwandtschaft der Chemie, die gerade zwischen
denjenigen Körpern am größten ist, welche die geringste Ähnlichkeit haben.'
Die Sonnenblume, das Gänseblümchen, die Aster und die Dahlie sind
z. B. Pflanzen verschiedener Gattungen, welche jedoch einer und derselben Familie angehören.
Daß endlich alle Pflanzen wieder i n drei Hauptgruftpen, in Akotyledonen,
Monokotyledonen und Dykolyledonen zerfallen, wurde bereits im §. 23 gezeigt.
Am lebendigsten werden diese Begriffe nur durch die Anschauung sowie durch
das fleißige Sammeln, Bestimmen und Ordnen der Pflanzen«
125
Sämmtliche Pflanzen werden in 2 4 Klassen getheilt. Die 23 ersten
Klaffen enthalten vermischt die Msnokotyledonen und Dikotyledonen. Die 24ste
Klasse enthält nur die Akotyledonen.
Die Klassen werden nach der Anzahl, Stellung und Länge der Staubfäden,
nach dem Verwachsen derselben unter sich oder mit anderen Blüthentheilen und
endlich nach dem Fehlen derselben gebildet.
Jede Klasse zerfällt in mehrere O r d n u n g e n , die in verschiedener Weise
gebildet werden, wie z. B« in den dreizehn ersten Klassen mach der Anzahl der
Stempel oder Griffel. Es sind also hauptsächlich die zur Fortpflanzung dienenden Blüthentheile, welche diesem System zu Grunde gelegt werden«
Uebersicht der Klassenbildung.
l
'
Zahl . .
Klaffen«
1. N(ML.näri»«
2. viQnäri«..
3. Ilmuäria.
4. Fstranäria.
5. Ventanäria.
6. HSXÄnärm.
^ UN8. Ootanärw.
""halt9. N^eanäria.
Freie ? A " ^
10. Dsoünäria.
Staub- ^stimmt
11. vaäeoanärm,
Staubbesth^.
Zahlu.Ve-si2. loosauäria.
M e r v.
festigung l13. I>o^anäria.
FruchtLangmvertzaltniß be-s14. vichmamia.
knoten
bestimmt 1 i S . l e t r ^ n k i m a .
' Zwitter- getrennt
16. Nx>NÄ^iMia.
.
Staubfaden ^ g ^ ^ ^ . ^
an den )
Staubbe- >19. Z^ügsnsLia.
Haltern )
PstauM
Stanhbch. mit dem Fmchtk. verwachsen 20. ^ n a u ä r i g .
l""'
l 2 1 . Nouoooia.
Eingeschlechtigen B l ü t h e n ° « « « « . « « . . < 2 2 . v i o e o m .
l.23. V o i ^ s a m l a .
Verborgenen M ü t h e n t M e n . . . . . « « . , , . . .
24. Or/ptoFamiN.
Sichtbaren
Blüthentheilen
Verwachsene
Stauborgane
Das künstliche ober Anns'sche Wanzenspftem.
251
Uebersicht der Klassen und Ordnungen.
Klassen:
Ordnungen:
I. UouQnäria: 1 Staub-site: 1 Griffel: Nono^ni»..
behältcr.
i2te: 2
Beispiele:
OaliitrioAs.
Griffel: NonoF^nia.
^,NtIi0X2.A.tAUW
»
Tri^MM.
Griffel: NonoZ^ni».
behält«.
ße- 2
Iris.
Noräsum.
IV. ?etranäria: 4 Staub-^^' 5 Griffel: NonoFMi».
bchälter.
ß<°- 2
Ite:
2te:
V. Vont«l.näria: 5 Staub- 3te:
behälter.
4te:
5te:
6te:
VI.
Hex.
1 Griffel: NlonoF^uia.
2
3
4
5
6 und mehr Griffel: Voi^g^ni».
Ite: 1 Griffel:
»
»
4te: 4
»
Nvxakäriü'. 6 Staub- 2te: 2
3te: 3
bchalter.
NlonoF^inQ.
vi^^nia.
^liFMi».
1«traFMia.
Zte: Mehr Griffel: k o i ^ M i a .
1 Griffel: NlouoF/nia.
2
3
7
Ite: 1 G r i M : NouoZ^ma.
VIII. OotLnäria: 8 Staub- 2te: 2
3te: 3
behälter.
»
Lstr»FMia.
4te: 4
/Ite:
VII. A e x t a n ä r i a : 7Staub->2te:
behaltet.
<3te:
l4te:
IX. Nuubanäria: 9 Staub-- y!^! «
behälter.
^ ' ^
Vorr«,Fo.
I'osniouium.
Oaiubuous.
^ürnassia.
I^iunm.
N/08UrU3.
Rumox.
H-esouIus.
NtoekriQ^iH.
I*oI^g0Qurü.
Griffel: NonoFM».
Ite: 1 Griffel: NIanoZMiN.
2te: 2
X. Vetzauäria; 10 Staub- 3te: 3
betzälter.
4te: 5
5te:10
Ite: 1 Griffel: NouogMa.
XI. voäsoanäria; 12 bis 2te: 3
»
LriLMia.
3te: 3
19 Staubbchalter.
4te: ö
5te:12
Butoinus.
Moduls.
V. Besondere Botanik.
252
Klassen:
Ordnungen:
Ite:
XII. looLänäria: 20 und 2tc:
mehr Staubbebälter auf dem 3te:
4tc:
Kelche eingefügt.
öte:
1 Griffel: NonoF^nia.
2 »
viFMia.
3 »
Iri^ma.
5
»
?enta^)siiia.
Viele Griffel: Voi^^üi».
'Ite: 1 Griffel: K<moA^ni».
l2te: 2
»
Di^nia.
Irig^ia.
XIII. V o i ^ a Q ä r i a : viele 13 te: 3 »
»
iLtraF^nia.
Staubbehälter im Vlüthen- /4te: 4
wte: 5 »
?6ntNFMi2..
bodcn eingefügt.
föte: 6 »
NexQ^niQ.
^7te: Viele Griffel: k o i ^ ^ l l i » .
XIV. Diä^naiüis.: 2 lange
und 2 kurze Staubbehäl- Ite: 4 nackte Samen: ^ m n o s p y r w w .
ter (Lippen- und Rachen^2te: Samen m Kapseln: H-u^iosVormia.
blumen).
Beispiele!
?runu8. ^
OrQtas§U8.
8ordu3.
?^ru.8.
?Nxav^r.
^.oonituin.
'Wilitsra.
RanunculuL.
I^vanHuI».
I^iiiNri«..
XV. i ' s t r a ä ^ Q s . m i n . : 4 Ite: breites Schd'tchen und j « - i . ^ ^ ^
lange und 2 kurze Staubdeutlicher Griffel:
j 3^u1o^.
2te: lange Schoten ohne Griffel: 8i1iHN05a. LrasLics«
behältcr (Kreuzblumige).
Ite: 3 Staubbehälter: Irianäria.
XVI.
UoN2ä«Ixkill:
2te: 5
»
^entauäriN«
Staubfäden i n 1 Bündel 3te: 10
»
D«o2.QÜria.
verwachsen.
4te: 11 bis 19Staubbeh.: Voäecaiiäria.
5te: Viele Staubbehälter: ?o1^anäria.
laniNrinäug.
<3sr2,niuln.
Naiva.
Ite: 6 Staubbehälter: Nsxanäiia. (3 V'umariü«
rechts, 3 links; oder 3 oben, 3 unten.)
X V I I . V i a ä e i p k i « . : Staub2te: 8 Staubbeh.: Qowuärin. (4 oben,
fäden in 2 Bündel verwach4 unten, am Grunde alle verwachsen.)
sen (wovon meist 9 i n einer Röhre und 1 frei) 3te: 10 Staubbeh.: vsoanäria. (1 oben, Visum.
3 unten in eine den Fruchtknoten um- Iriloiwm.
(SchmetterlmaMumen).
gebende, oben gespaltene Röhre ver- (Houista.
wachsen.)
Ite:
10 Staubfädenbündel: Deoünäri»,
lüsodrornN.
2te: 12 Staubfädenbündel: Ooäsoanäri»« MromN.
(JederVündel 3 Antheren— 36 Staubbehälter.)
X V I I I . V o 1 ? 2 ä e l x k i 2.: 3te: Viele Staubbehälter i n Bündeln, Oitrug«
Staubfäden i n mehr als
im Kelche eingefügt: looLanäria. (20
Staubbehälter i n Bündeln von un2 Vündel verwachsen.
gleicher Anthermzahl.)
4te: Viele Staubbehälter i n 8 bis 5 bis 9
Bündeln im Vlüthenboden eingefügt:
koi^klläri».
253
Das künstliche oder Linns'sche Pflanzmfystem.
Klassen:
Beispiele:
Ordnungen:
1t°- Lau.« Zwltterblü.hen: f ° ^ '
I^aetnoa»
2te: Zwitterblüthen in dcr>
Scheibe, fruchtbare weib-! ^ol^airüs.
liche Blüthen im Strahle! LnpsrMa ^.stsr.
(d. h. am Rande):
)
XIX. 8 ^ n g o u e » i N : Staubbehälter 5: die Staubfäden 3te: Zwitterblüthchen in der
Scheibe, geschlechtslose (d.h.
frei, die Antherm unter sich
ohne Staubbehälter und
verwachsen. Vlume Iblätterig; Blüthen meist i n / Griffel) im Strahle:
einen Knopf vereinigt. ()ouipositi.
Bei der ersten bis ^4te: Scheibenblüthch. Zwitter
mit undeutlichem Griffel,
vierten Ordnung bloß ein
gemeinschaftlicher Kelch (siehe Randblüthen sind fruchtbare weibliche (d. h. ihnen
S. 7 1 , Fig. 151).
fehlen die Staubbehälter,
aber der Griffel ist stark):
'koi^a.nna
frustr^n-sa I'I<2llNNtIlU3.
rol^anüa
nsoeggarm
ONleuäuIa.
5te:
Gin gemeinschaftlicher
Kelch für alle Vlüthchen, ^ o i ^ a m i a
und ein besonderer für je- LV^rs^Htl».
des einzelne Vlüthchen:
OrHis.
Ite:
2 Staubbehälter: via.no.ria.
2te:
3
»
Irlanäria.
»
Lytranäria.
XX. y ^ u a n ä r i » , : Staub- 3te:. 4
5
»
?6utaii<1ria.
fäden und Glifftl »erwssch» 4te:
5te:
6
»
ÜSxg.Qärla.
^riütolocünH.
6te: 10
»
Veaanärla.
7te: 11 bis 19Staubbeh.: voäscanäria.
8te: 20und mehr Staubbeh.: ^oi^anäria.
sm.
3X1.
NonoooiN: Blüthen
getrennten Geschlechts auf
einer Pflanze. .,
Ite:
2te:
3te:
4te:
5te:
6te:
7te:
8te:
9te:
1 Staubbeh älter: Nonanäria.
2
»
vianäria.
3
H
Lrianäria.
4
»
^stranäria.
5
»
^entanäris..
6
»
HsxaMria.
7
»
N6ptll.näria.
Mehr als 7 Staubbeh.: r o l ^ M r w .
Staubfäden verwachsen: Nonaäsi'
H.IUM.
I^einnn.
Oarsx.
H.m2,rantnu8.
Oooo3.
<^u,srclU3.
10te: Staubbehalter verwachsen: 8?aFy.
nssi».
Ute: Staubfäden und Griffel verwach^ fen: 6MauärM.
Ite:
XXII. v i 0 O o i »: Vlüth en2te:
getrennten Geschlechts auf 3te:
4te:
zwei Pflanzen.
öte:
1 Staubbehälter: Nonnnäria.
2
»
Vianäria.
3
»
^ril!.näri2.
4
»
i'strHQävia.
b
»
^VQtanclria.
?8>nä2QUg«
8aUx.
Viscnm.
OannNdig,
254
L.
Besondere Botanik.
Klassen:
Beispiele:
Ordnungen:
6te: 6 Staubbehälter: Hexanäria.
7te: 8
»
Ootauäria.
8te: 9
»
Nnnsauäria.
9te: 3.0
»
Veellnäi-Ia.
10te: 11 bis 19 Staudbehälter: voäe-
8milax.
?0pu1u5.
Nsrc:u.ria1ig.
Darios..
8trü.tiftteg.
XXII. vioecia, Blüthen
getrennten Geschlechts auf U t e : Viele Staubbehälter: Vol^anärm. 2n.raia.
zwei Pflanzen.
12te: Staubfäden in einen Bündel ver- ^UQiVLrug.
wachsen: UoimäelrMg..
13te: Staubbehälter
verwachsen: s / n - ^.ntsnnk!.ria.
14te: Staubfaden und Griffel verwachsen:
<3/QÄnäria.
Ite: Zwitterblüthen und eingeschlechtige
Blüthen auf einer Pstanze: Nlonosoia.
X X I I I . I»o1?gn.m!2: Zwitterblüthen und eingeschlech- 2te: Zwitterblüthen und eingeschlechtige FraxinuF.
Blüthen auf zwei Psianzen: viosoia.
tige Blüthen in einer Art.
Zte: Zwitter und eingeschlechtige Blüthen Ooratoul».
auf drei Pflanzen: Irioeoia.
Ite: Farne, Mlioss.
?tsrig.
XXIV. Or^toßaraia: mit 2te: MooseMu3lli.
unkenntlichenVlltthentheilen.! 3te: Algen, ^ a s .
4te: Pilze, VunFi«
M
Das künstliche System gewährt den großen Vortheil, daß sich die Pflanzen
nach seinen einzelnen, i n der Negel nicht schwierig aufzufindenden Merkmalen
leicht bestimmen lassen. Es wird daher von dem Anfänger benutzt, um eine
möglichst große Anzahl von Pflanzen kennen zu lernen, aus welchen sich bei
gehöriger Aufmerksamkeit die natürlichen Familien ziemlich von selbst ergeben.
l27
D a s natürliche System nach Iusfieu«
Klassen.
H.. H.oot^Ioäonou«
Ordnungen«
,
1 . Staubbehälter hppogynisch
l3. Uouooot/Isäcmou
3. Staubbehalter
sa.
2. ohne Krönend.
so.
2.
2. mit ein- b.
0. DlootF-isäonen
Coh orten.
Sippschaft.
I.
I I . Norloti^oZMiV.
m. Non6ViZ^Qi«l.
e p i g y n i s c h . . . . . . . IV.
Staubbehälter epigynisch . V.
Staubbehälter pengynisch . VI.
Staubbehalter hypogynisch VQ.
hypogynisch« Krone» . « VIH.
perigynischer Krone . . . IXI
/ «. Untheren)
blätteriger
o. epigynifcher) i n eine Nöhre > X.
Krone:
^verwachsen)
^F. Antherenftei XI.
3. mit mehr- la. Staubbehälter epigynisch . XII.
blätteriger <d. Staubbehälter hypogynisch XIII.
Krone
( c Staubbehälter perigynifch . XIV.
Dikllmsch irreguläre . . . . . . . . . . XV.
NVigtaminio.
kyristaniiiii«!.
N/p08taminis.
H^paooroMs,,^,
VeMorolÜs.
sMantborio.
OariLNQtbsris.
Vpii)6tl>.lis.
N?poxstkUs.
^sripytMy.
vioiwis.
Das natürliche System.
255
Wie maT sieht, ist auch diese Eintheilung theilweise auf einzelne Orgaue
gegründet und daher gewissermaßen künstlich. Ueberdies erwiesen sich die unterscheidenden Merkmale der Unterabtheilungen nicht bestimmt genug, so daß dieses
System aufgegeben worden ist.
Decandolle versuchte ein natürliches System i n den Hauptabtheilungen
auf den inneren anatomischen Bau zu begründen. Er Heilte hiernach alle
Pflanzen ein in Gefäßpflanzen und Zellenpflanzen. Erstere unterschied
er in Außenwachsende oder Exogenen (Dikotyledonen) und in I n n e n wachsende oder Endogenen (Monokotyledonen), Die zahlreichen Exogenen
werden nach den Seite 210 erläuterten Verhältnissen der Blüthe eingetheilt i n :
1. Bodenblüchler; 2. Kelchblüthler; 3. Kronblüthler; 4. Hüllblüthler. Spätere
anatomische Untersuchungen haben die diesem System zu Grunde gelegten Ansichten über das Wachsthum als theilweise unrichtig befunden.
E n d l i c h e r in Wien unterschied sämmtliche Gewächse in zwei Reiche:
1. in Lagerpflanzen ( I ^ a H o ^ ^ t a ) , welche, wie z . B . die Flechten, aus
einem Lager von Zellgewebe bestehen ohne Wurzel und S t a m m ; — 2. in Achsenpflanzen ( O o i - m o ^ M ) , mit Stengel und Wurzel. Die Letzten werden
zuerst nach der Art ihres Wachsthums und dann nach Beschaffenheit der Blüthe
in weitere Hauptabtheilungen gebracht, deren im Ganzen 1 0 vorhanden sind.
I n diese vertheilen sich 61 Klassen oder Hauptfamilien, welche nochmals in
275 Ordnungen oder Familien zerfallen. Dieses System hat eine vorherrschende Geltung gewonnen und liegt im Wesentlichen auch der nachfolgenden
Anordnung zu Grunde, nach welcher wir die Pflanzen überblicken werden:
l Erste Klasse: Thallophyten ober Lagnpslanzen.
< Zweite Klasse: Laubkryptogamen.
B. Norwoot^isäoQOQ « ° Dritte Klasse; Monocotyledonen oder einsamenlappige
Pflanzen.
Vierte Klasse: Npetalen, Pflanzen mit Vlüthenhüllen.
0, DiootMsäonen
« .<
Fünfte Klaffe: Monopetalen, Pflanzen mit einblätteriger
Vlummkrone.
Sechste Klasse 5 Polypetalen, Pflanzen mit mehrblattmger
Vlummkrvne.
Beschreibung der Pflanzen.
!
'
!
!
!
!
Welche erstaunliche Mannichfaltigkeit die Pflanzenwelt in ihrer Form und 128
Bildung zeigt, geht daraus hervor, daß man die Zahl der bis jetzt beschriebenen
Pflanzen auf etwa 150,000 Arten schätzt und daß man fortwährend noch neue
auffindet. Dieselben sind jedoch über die ganze Erde verbreitet, und man trifft
daher in den einzelnen Landern bei weitem nicht alle Pstanzenarten. I n Deutschland zählt man deren nur ungefähr 7000.
Die Beschreibung der Pflanzen geschieht eben wegen ihrer bedeutenden An-
256
V . Besondere Botanik.
l
Zahl in besonderen Werken, die entweder alle Pflanzen umfassen, oder nur die^
eines größeren oder kleineren Landes oder die einer besonderen Gegend« Die.
ersteren sind der allgemeinen Verständlichkeit wegen in lateinischer Sprache ge-!
schrieben.
^
Deutschlands Flora ist mehrfach beschrieben worden, und wir erwähnen von den vielen Werken: W. V. I . Koch's Synopsis der deutschen und
schweizer Flora und dessen Taschenbuch der Flora Deutschlands, sowie das von
K i t t e l . Auch die Pflanzen einzelner Theile sind von vielen Seiten her zusaw
mengestellt worden, wie z. B. die von Frankfurt am Main durch Fresenius,
von Baden durch G m e l i n , von Würtemberg durch Schübler und auch Mariens, von Hessen durch Schnittspahn, die rheinische Flora durch D ö l l , von
Oesterreich durch Schultes, von Schlesien durch Wimmer, von Berlin durch
Schlechtendahl, von Preußen durch Ruthe, von Braunschweig durch Lachmann und Andere mehr.
Irgend eines dieser Werke, in welchen die Pflanzen nach einem der genannten Systeme geordnet und beschrieben sind, ist dem Botaniker unentbehrlich, um nach demselben die Pflanzen zu bestimmen» Das einzige Mittel,
die Pflanzen kennen zu lernen, ist das Sammeln derselben, die genaue und
sorgfältige Vergleichung mit ihrer Beschreibung und den zunächst ähnlichen
Pflanzen. Ohne diese, die Beobachtungsgabe i n hohem Grade befördernde
Uebung ist es unmöglich, die mannigfaltigen Formen dem Gedächtniß einzuprägen und auch nur einigen Ueberblick der Pstanzenfamiüen zu erlangen.
I n dem Folgenden ist mehr eine Aufzahlung der wegen ihrer Anwendung
in den Gewerben oder in der Medicin und der in anderer Hinsicht merkwürdigen Pflanzen gegeben, als eine Beschreibung derselben.
H.,
129
^
H.kOt2sIsH0NGQ«
Wir haben als Akotyledonen oder Kryptogamen diejenigen Pflanzen
bezeichnet, welche keine fichtbaren Blüthentheile und daher auch keine eigentliche Frucht haben. Ihre Fortpflanzung geschieht durch sogenannte S p o ren oder Keimkörner, die einen höchst feinen Staub darstellen. Viele derselben
verbreiten sich durch ihre Leichtigkeit überall, wo wir der Lust Zutritt gestatten,
so daß man sich nicht wundern darf, manche dieser Pflanzen scheinbar von selbst
entstehen zu sehen. Besonders merkwürdig ist es, daß die Sporen der meisten
dieser Pflanzen bewegliche feine Fäden oder Wimpern haben, mit welchen sie,
gleich lebendigen Thieren, im Wasser umherschwimmen. Dergleichen Sporen,
werden Schwärmsporen genannt und find lange für Infusionstierchen gehalten worden. Die Sporen bilden sich i n besonderen Zellen, S p o r a n g i e n
genannt, welche sich auf den Sporenträgern oder Sporenftüchtm oft in großer
Anzahl beisammen finden, z« B. auf der Rückseite der Blätter der Farnkräuter,
kleine Wärzchen bildend, oder sie sind in kleine Behälter eingeschlossen. Bei
den höher entwickelten Akotyledonen sind Bsfruchtungsorgane vorhanden, welche
den Stempeln und Staubfäden der vollkommenen Pflanzen entsprechen»
Akotyledonen: Klasse I. Algen.
257
I. Klasse:
Es gehören hierher die niedersten Pstanzengebilde, welche nur aus Zellen 13U
bestehen, die entweder vereinzelt oder fadenförmig an einander gereiht oder zu
einem ausgebreiteten Gewebe vereinigt sind. Die meisten derselben leben im
Waffer oder in feuchter Umgebung.
l. ? a n i M S 6.6? H.1FGD. <MAN6). Zu diesen, im Wasser oder i n ganz 131
feuchter Luft vorkommenden Pflanzen gehören eine Anzahl mikroskopisch kleiner
Formen, die nur aus einer einzigen Zelle bestehen und theils einzeln, theils
in Menge zusammenhangend im Waffer schwimmen. Bei vielen derselben ist
die Zellhaut durch einen großen Gehalt an Kieselerde so starr, daßsiemit
geradliniger Umgränzung krystallähnlich erscheinen. Sie bilden unter dem
Namen der Stückelalgen (DiatoiaaoOHs) eine besondere Unterabtheilung,
sind häufig in Sumpfwassern und ihre Kieselhüllen finden sich wohlerhalten
nicht selten in ganzen Erdschichten als Niederschläge der Gewässer früherer Zeit.
Betrachtet man den Staub des K i e f e l g u h r s oder des Polirschiefers von
Bilin in Böhmen durch das Mikroskop, so erkennt man die zierlichen Gestalten
dieser Kieselpstänzchen, die stabförmig, uachenförmig,
spindelförmig, halbmondförmig oder rundlich und mit
zarten Querstreifen gezeichnet sind. I h r Entdecker, E h renberg, berechnete, daß 500 Millionen derselben nur
den Raum einer Kubiklinie einnehmen. Diese Pslanzcngebilde wurden irrthümlich für Thiere gehalten und
als Infusorien beschrieben, welche in Kieselpanzern stecken.
Am gewöhnlichsten vorkommend sind die gemeine S t ü ckelalge (Diatoma), die S p i n d e l a l g e (Mvioula,
Fig. 172) und die S t a b a l g e (Vaeiiiaris,).
Zu den Algen gehören ferner allerlei bald schleimige, baldstockige,fadenförmige
oder netzförmige Gebilde, instehendenundstießendenGewässern, wie die in ungereinigten Wasserflaschen allmälig entstehende sogenannte Priestley'sche M a terie; die am Holzwerk unter Wasser sich anhängenden grünen Wasserfäden (Oonlsrva. und Vanokoria); die Schwingfädcn (Os^iiiatoria); das
Wassernetz (H^äroäiot^on) u. a. m. Beim Austrocknen stehender Gewässer
filzen sich dergleichen Algen zu dem sogenannten Meteorpapier in einander.
Die grünliche, schleimige Masse des Z i t t e r t a n g s (Nostoo) erscheint nach Gewitterregen in Menge, oft plötzlich, wie vom Himmel gefallen., daher auch
Sternschnuppen genannt. Die kleine rothe Schneealge (?r0tooooou8) ertheilt zuweilen ganzen Schncestächen der Alpen und der Polarzonen eine lebhaft
rothe Färhung. Die Gattung Okara., Armleuchter genannt, von der Stellung
ihrer Aestchen, ist eine äußerst kalkhaltige Alge der Torf- und Salzwasser. An ihren
Zellen läßt sich die lebhafte Bewegung des Zellsaftes vorzüglich gut' beobachten.
Von größerer Bedeutung sind jedoch die Algen des Meeres, die sogmannten T a n g e , größere Gewächse, zum Theil mit Stengeln und Blättern. Alle
Z58
b.
Besondere Botanik.
hinterlassen beim Verbrennen eine reichliche Asche, die unter dem Namen von
Kelp nnd Varek zur Gewinnung von Soda und von Jod (Chemie §^ 47 und
79) benutzt wird.
Die Abtheilung der Ledertange (^nooiäsks) hat olivengrnne bis braune, lederartige Blätter, wie der B l a s e n t a n g (^uens), häufig
an Küsten, und der B e e r e n t a n g (8arFN88nm), der frei schwimmend auf
hoher See Tausende von Quadratmeilen derselben bedeckt; der im Südpolarmeere vorkommende Riesentang (Naoroc^LtiZ), welcher eine Länge von 700
Fuß erreicht. Einige Ledertange find eßbar; auch dienen sie unzähligen Mceresthieren als Aufenthalt und Nahrung. Die B l ü t h e n t a n g e ^MoriHsas) haben
vorherrschend eine rothe Färbung und es giebt darunter ungemein zierliche
Formen, wie z. B. die schön purpurrothe D e l e s s e r i a M g . 173). Als Nahrung
und schleimiges Vrustmittel dient das irländische P e r l m o o s oder C a r r a g h e n
(3-pk3.6roo0oon8 orispns); gegen Würmer wird der W u r m t a n g (8^1i. IisiiräntooKoi-HoK) gebraucht.
132
2. V a m i l i S d s r V i s o k t s u . (Iäok6U68). Sie überziehen theils als trockene,
lederartige Gebilde von gelber und weißer Farbe die Ninde der Bäume, die Bretterwände, Felsen und Mauern, theils sind sie mehr ausgebreitet und fast blattartig.
Von Ersteren ist am bekanntesten die gelbe Schüsselflechte (I^rinslia) mit
schüfselförmigen Sporenbehältern; von Letzteren ist bemerkenswerth die M o o s flechte (Ostrava), gewöhnlich isländisches Moos genannt, da sie auf I s land häusig ist. Diese als Brustmittel sehr geschätzte Flechte findet sich häusig
auf fast allen Gebirgen Deutschlands. Die Rennthicrflechte (Olaäomli)
Akotyledoneu: Klasse I. Pilze.
259
überzieht im hohen Norden deu Boden und dient als Nahrung des Nennthiers. Aus der in Schweden und im nördlichen Deutschland die Felsen überziehenden Lackmus flechte AeoNnorg) wird das Lackmusblau (Chemie §. 187)
bereitet, und die zum Violett- und Nothfärben dienende O r s e i l l e wird aus der
Färberflechte (Koocsila) der cananschen Inseln gewonnen. Die Flechten
ziehen ihre Nahrung aus der Luft und besitzen von allen Pflanzen die größte
Genügsamkeit und Unempstndlichkeit, daher wir denselben noch auf den äußersten
Felsspitzen der höchsten Gebirg- und Polarregionen begegnen. Sie bilden stets
1>en ersten Anfang des auf Gesteinen sich einstellenden Pftanzenlebens, indem sie
sich festsetzen, die Feuchtigkeit zurückhalten, wodurch die Verwitterung des Gesteins begünstigt wird und eine Humusschicht entsteht, in welcher alsbald höhere
Pflanzen ihr Fortkommen finden.
3. VNmiliS Ä s r ? i i 2 s (I^uuZi). Wir begegnen hier einer Familie von 133
besonderer Eigenthümlichkeit, deren Glieder in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme vom Verhalten aller übrigen Pflanzen machen. Dieselben ernähren
sich von den Zersetzungsprodukten anderer organischer Körper sowohl des
Pflanzen- als Thierreichs, und enthalten in ihrem Zellgewebe niemals Chlorophyll. Hierauf mag es beruhen> daß dieselben zu ihrer Entwickelung des Lichtes
entbehren können, und daß sie keinen Sauerstoff ausscheiden, sondern Kohlensäure.
Pilze sind daher nicht allein die fast nie fehlenden Begleiter verwesender organischer Stoffe, sondern sie treten auch häufig an lebenden Pflanzen- und Thierkörpern, ja selbst im Inneren derselben auf. Indem sie überhand nehmen, beschleunigen sie einestheils diechemischeZersetzung organischer Stoffe, anderntheils
führen sie bei lebenden Organismen Krankheiten herbei oder fördern dieselben
in verderblichster Weise.
Man kennt gegen 8000 Arten von Pilzen, von denen viele nur aus einzelnen oder zu Schnüren und Fäden gereihten Zellschläuchen bestehen, oder
aus einem feinzelligen Lagergewebe, M i c e l i u m . Aus Letzterem erheben sich
dann die Sporenträger, oft von beträchtlichem Umfang in Gestalt der wohlbekannten Schwämme.
Wir bemerken: Von den S t a u b p i l z e n , den schwarzen F l u g b r a n d
und rothen Rostbrand (Hrsäo) am Getreide; den Hefenpilz (Or^toooocus
l6rni6nti), der bei der Nahrung zuckeriger Flüssigkeiten auftritt, insbesondere
bei der Biergährung. Die ganze Masse der Hefe besteht aus solchen Hefenzellen, welche, zu einer zuckerhaltigen Flüssigkeit gebracht, sich vermehren, indem
gleichzeitig Gährung eintritt. Auch die sogenannte Essigmutter (Illvina
ao6ti) besteht aus Staubpilzen. Zu den Fadcnpilzen gehören die unter dem
Mikroskop sehr zierliche und mannich.faltige Formen darbietenden Arten des
Schimmels, wie der Obstschimmel (Oiäinrü), worunter der gefährliche
T r a u b e n p i l z . ( 0 . luoksri). Nicht minder zu fürchten sind: der K a r t o f f e l pilz (Voti'^ws), welcher bei der Kartoffelkrankheit auftritt, und der Muscard i n p i l z , der die verderbliche Krankheit der Seidenraupen erzeugt. Von den
Bauchpilzen find bemerkenswerth: die Boviste (VoviLtg), eirund, weiß,
später mit braunem Sporenstaub angefüllt, häusig auf Triften; der Riesen17'
260
L. Besondere Botanik.
bovist (I^ooxsi'äou), kopfgroß werdend; die T r ü f f e l n (IndSr), schwarze
rundliche Knollen, die bis 1^/2 Fuß tief unter der Erde liegen und da sie als
Speise hoch geschätzt sind, mit abgerichteten Hunden aufgesucht werden.
Die wichtigste Abtheilung der Pilze bilden jedoch die H a u t p i l z e , zu
welchen die wie ein Hirschgeweih verzweigten Keulenpilze (Olavaria), wie der
gelbe Hirsch schwamm, der Ziegenbart und die Morchel (Noi-ok-sHa.),
sämmtlich eßbar, gehören; endlich die eigentlichen Schwämme oder H u t p i l z e ,
welche auf einem Stiel oder Strunk einen Hut oder eine Scheibe tragen. Dieselben erscheinen besonders reichlich in feuchten Waldungen, und ihr schnell aufschießendes Wachsthum ist sprichwörtlich geworden. Man unterscheidet zunächst
die Vlätterschw ämme(^Ärion8) mit zarten Blättchen auf der unteren Seite,
wobin der gelbe Eierschwamm (0g.Qtkar6iw8), und der weiße, unten mit
blaßrothen bis braunen Blättchen versehene Champignon (^.A2.rion8 o^inxsLtris), beide eßbar, gehören. Dagegen sind giftig: der scharlachrothe, weißgesteckte Fliegenschwamm (^.. nni.809.i'inL) und der scharlachrothe T ä u b l i n g .
Die Löcherschwämme (Voisws) sind auf der unteren Seite von größeren und kleineren Löchern durchbohrt. Man findet häufig den wohlschmeckenden
S t e i n - oder Herrenpilz (V. sänUs); ein großer Pilz mit braunem Hut und sehr
dickem Strünke, der blaßröthlich und mit netzförmigen Adern gezeichnet ist, wodurch er sich von ähnlichen giftigen Löcherpilzen (V. 1uriän8 und 8a.t3.n«.8) unterscheidet; letztere laufen blau an, wenn man sie drückt oder zerbricht. Der
Feuerschwamm ( k o i ^ o r n s lomentarins) wächst an Buchen oder Eichen und
wird durch wiederholtes Klopfen, Einweichen in Wasser und schwacher Lauge
zu dem bekannten Zunder verarbeitet; der weiße und außerordentlich bittere
Lärchenschwamm (?o1vp0ru8 olüoluaUL) wird als Thierarzneimittel gebraucht. Der Holzschwamm oder H a u s s c h w a m m (MsnäiuL) entsteht
in feuchtem Holze und wird durch die große Schnelligkeit, womit er wächst und
dadurch das Holz zerstört, wahrhaft gefährlich. Man hindert seine Verbreitung
durch Bestreichen des kranken Holzes mit verdünnter Schwefelsäure und seine
«Entstehung durch Tränken des Holzes in einer Auflösung von Sublimat.
Die eßbaren Schwämme, von welchen wir nur die bekanntesten erwähnt
haben, sind eine ebenso wohlschmeckende als nahrhafte Speise. Oefter werden
sie jedoch mit giftigen Schwämmen verwechselt, wodurch Unglücksfälle entstehen;
der Genuß von Schwämmen ist daher nur bei genauer Kenntniß derselben räthlich. Zur Erlangung letzterer sind zu empfehlen: Lenz, die nützlichen und
schädlichen Schwämme, mit 46 Abbildungen; B ü c h n e r , Schwammkunde, mit
plastischen Nachbildungen.
I n kälteren Ländern mindert sich die Wirkung giftiger S W ä N e o ^
verliert sich gänzlich. Reisende erzählen, daß die Bewohner der Ukräne ohne
Unterschied die Schwämme verzehren, welche den Boden der Wälder bedecken,
und daß der Fliegenschwamm ein Leckerbissen der Kirgisen ist.
Akotyledonen: Klaffe I I . Moose.
261
I I . Klasse: L a u b k r y p t o g a m e n ; L r ^ p t o Z N m a G t o 1 i 0 8 ä 6 .
Wir begegnen in dieser Klasse, wie ihr Name andeutet, höher entwickelten
Pflanzen mit Wurzeln, Stengeln und grünen Blattern. Dieselben sind indessen noch K r y p t o g a m e n , d. h. Pflanzen mit verborgenen Befruchtungsorganen. I n der That sind letztere zum Theil so verhüllt, daß sie erst durch
die Forschungen der neuesten Zeit bekannt wurden. Diese führten zu dem überraschenden Ergebniß, daß auch hier zweierlei Organe zur Befruchtung vorhanden
sind, ähnlich wie bei den vollkommenen Pflanzen.
Es finden sich erstlich S p o r e n , welche in den Sporenzellen oderSporangien enthalten find. Letztere trifft man bei jeder Familie an eigenthümlich
gestalteten Sporenträgern gehäuft. Die Sporen selbst sind theils ruhende, theils
Schwärmsporen (Zoosporen), von denen bereits in §. 129 die Rede w a r . —
Zweitens finden sich die A n t h e r i d i e n , zellige Gebilde, welche die Samenkörper oder Spermatozoi'den enthalten. Diese sind theils kleine, mit
Wimpern besetzte, eiförmige oder stabförMge Körperchen, theils sind sie fadenförmig , oft an einem Ende verdickt
und spiralig gedreht (Fig. 174). I m
Wasser bewegen sie sich auf das Lebhafteste hin und her, als ob sie die
Sporen aufsuchten, in welche sie endlich
eindringen und hierdurch, den aus der
Anthere getretenen Pollenkörnern höherer Pflanzen entsprechen, deren verlängerte Pollenschläuche dir Keimzelle aufsuchen und befruchten (§. 64).
4. F'NiniliO ä6r Mooss Mn8oi). Die Moose sind Zellenpflanzen mit 134
kleinen, abwechselnd am Stengelsitzenden,ganzrandigen Blättchen ohne Spaltöffnungen. Dieselben werden nicht über einige Zoll hoch,stehenin Masse zusammengedrängt auf dem Boden, auf Bäumen, Brettern, Felsen und Mauern, weiche
Nasen und Polster bildend. Aus diesen erheben sich borstenartige Träger mit
den Sporenbehältern, welche die Gestalt einer kleinen Büchse haben, mit einem
Deckelchen verschlossen, worüber noch ein schleierartiges Häubchen gestülpt,
ist. Nach dem Aufspringen des Deckels zeigen sich am Nande der Büchse kleine
Zähnchen, nach deren Zahl und Zeichnung die zahlreichen Moosarten hauptsächlich unterschieden werden. Dieselben gewähren bei ihrer großen Verbreitung
mannichfachen Nutzen, namentlich getrocknet, zu Streu, Lager und Polster. Am
häusigsten begegnet man den vielen Arten des Astmsoses (U^xunN); der
W i d e r t h o n (poi^tr^oknin) iit das größte Moos; goldglänzende Borsten hat
das Goldhaarmoos (Ortlioti'^oku.m). Besonders merkwürdig ist^dasTorfmoos (ZxKaSQurQ), das, wie wir (Chemie §. 212) erwähnt haben, hauptsächlich die Bildung der Torflager veranlaßt.
Die Lebermoose (N6xktiog.6) bilden eine besondere Familie und erinnern
mit ihrem flach ausgebreiteten Laub an die Flechten, wie namentlich das Leber<
262
L.
Besondere Botanik.
kraut (Narokantia); zur Gattung der I u n g e r m a n n i a gehören zahlreiche,
sehr zierliche Arten.
135
5. V a n i M s <3.sr äoliaczKtslIiNiNS (VgräLOwosas). Diese Pflanzen
zeichnen sich durch einen solchen Reichthum an Kieselerde aus, daß ste bei vorsichtigem Verbrennen in ihrer ganzen Form sich erhalten, da gleichsam ein Ekelet
von weißer Kieselerde übrig bleibt. Sie erhalten hierdurch die Eigenschaft einer
Feile und der große Schachtelhalm <MniZ6wN. kiGn^is) dient daher zum
Poliren des Holzes; er wächst in Gräben und Sümpfen; der Ackerschachtelhalm (N. arv6Q86) ist ein auf sandigen Aeckern gemeines, nachtheiliges Unkraut. Die Sporenträger der Schachtelhalme bilden an der Spitze der Zweige
stehende, ährenartige Zapfen. Baumartige Schachtelhalme finden sich häusig versteinert (Mineralogie §. 155).
136
s. V a u M i s Hsr VNnrHrä-u.tsX (VÄioss). Wir begegnen hier einer bedeutenden Familie, die in ihrem Aeußeren den vollkommenen: Pflanzen sehr genähert
erscheint. Auch haben sie, gleich diesen, Gefäßbündel. Die meisten zeichnen sich
durch große Blätter, sogenannte Wedel aus, die am Nande sehr zierlich eingeschnitten, fast gefiedert und vor der Entfaltung spiralförmig eingerollt find.
Auf ihrer Rückseite tragen sie in braunen Wärzchen ihre Sporen. Die Entwickelungsgeschichte dieser letzteren ist besonders merkwürdig. Aus der keimenden Spore entsteht ein blattartiges Gebilde, Vorkeim (?rot1ia11iiiN) geWnnt,
auf welchemsichKeimsporen (Archegonien) und Anthendien ausbilden« Nachdem
eine Spore befruchtet worden ist, entwickelt sich aus ihr, während der Vorkeim
abstirbt, ein regelmäßiges Farnkraut. Letzteres erzeugt nur Sporen, aber keine
Anthcridien.
I n unsern Wäldern findet sich häufig der A d l e r f a r n (?t6ri8), der
W u r m f a r n (^Zpiämui), gegen den Bandwurm gebraucht, sodann an Mauern
und Felsen das schöne F r a u e n h a a r , auch Krullfarn (^HiemtnW) genannt,
mit dünnem, schwarza/änzendem Blattstiel, und die M a u e r r a u t e ( ^ Z ^ i s n i u i n ) .
Ausgezeichnet sind die Farne der feuchten Tropenländer, insbesondere der
Südsee-Inseln, welche die Größe von Bäumen erreichen und palmenartige Wälder bilden. Daß die untergegangene Flora der früheren Zeiten ebenfalls reich
an großen Farnen war, ist.in der Mineralogie (§. 155) bereits angeführt
worden.
137
7. Fg.Mi1is Hsr VäriapVON. (I^o0poäiaos3.6). I n Oebirgswäldern
wächst der B ä r l a p p (I^ooxoäiuin), deffen Sporangien in Aehren stehen und
einen schwefelgelben, außerordentlich feinen Staub liefern, der unter dburNamen
von Streupulver oder Hexenmehl bekannt ist und zur Nachahmung dös Blitzens
auf Theatern dient, indem man ihn durch die Flamme eines Lichtes bläst.
N.
138
M o n O K o b ^ 16
ckonSQ.
Als gemeinsames Merkmal der Pflanzen dieser Abtheilung finden wir den
vereinzelten Samenlappen, unregelmäßig im Stamm vertheilte Oefäßbündel und
parallele Blattnerven. Dieselben bilden für M
Mouokotyledonm: Klasse I I I . Gräser.
263
I I I . Klasse: Ginsamenlaftpigc P f l a n z e n ; N o n o o o t ^ i b ä o n S L .
8. F a i n i l i s Äor G-eässr (^raiuinsas). Die Gräser bilden eine der groß- 139
tcn Pflanzenfamilien mit etwa 5000 Arten, wovon 250 in Deutschland vorkommen.
Sie sind gesellige, meist krautartige
Pflanzen, in ihrer äußern Erscheinung
sehr übereinstimmend und wohl charakterisirt; ihr Stengel ist ein hohler, durch
Knoten abgetheilter Halm. Nur beim
Welschkorn und Zuckerrohr ist der
Stengel von saftigem Mark ausgefüllt.
Die Blätter sind schmal und umfassen
am Grunde den «Stengel scheidenartig.
Nur wenige Graser sind verästelt. Ihre
Blüthen sind unscheinbar, fast immer in
einfachen oder zusammengesetzten Aehren
beisammenstehend. Fast alle haben drei
Staubfäden und zwei Pistille oder
Narben und gehören somit zur zweiten
Ordnung der dritten Klasse von Linnä.
Dieselben sind von zwei häutigen
Schüppchen und von den beiden B l ü thenspelzen (palsas) eingeschlossen,
deren äußere meist in eine borstenartige
Spitze, Granne genannt, endigt. Die
Blüthenährchen werden in der Regel
von zwei sogenannten Kelchspelzen
(AluMas) umgeben.
Zugleich ist diese Familie aber
auch die wichtigste, denn sie enthält
die Futtergräser und die Getreidearten
und liefert somit unser HauptnahmngsMittel.
Die Futtergräser bilden vorherrschend' den herrlichen Nasen der Wiesen des Tieflandes und der Matten im
Alpenlande. Als die werthvollsten führen wir an:
Die D r a h t schm i e l e (^.ira. Ü6xuo
89.); die Rispengräser (?0Hprat6N8i8,
Fig. 1 7 5 , und ?. HUQU9.); der W i e senschwingel (V'sLtu.CH prg.tSN813),
264
L. Besondere Botanik.
Fig. 176; das Lieschgras oder Timothygras (?1Ü6um xi-at6ii86), Fig. 177;
der Wiesenfuchsschwanz (^i0x6ouru3^i-^6Q3i8); das Ruchgras s^ntkox-
Nntlinlli oäoratiiM); der ausdauernde Lolch oder das englische Rahgras
(I^Unm xsi-suns), Fig.178; das PerlgrasMslioH); die Trespen(Zl0MU8
rao6M08U8 und V. moiiis); das Straußgras (^roätig vni^ariL), Fig. 179;
das F i o r i n g r a s (^.. ZtolonilOra.); das Knäuelgras (vact^iis AloNOrata);
das zierliche Zittergras (Vri^a msäia), Fig. 180; der Goldhafer (^.V6na
Äav68osn8) und der Wiesenhafer (^. xi>s.t6U8i8); die Qnegge (Iritioum
Monokotyledonen: Klaffe I I I . Gräser,
265
r«3P6N8), aufÄeckem ein lästiges Nnkraut, deren süße Wurzel unter dem Namen
G r a s w u r z e l in der Medicin angewendet wird, auch als Viehfutter dient.
Die Futtergräser sind Kiesel- und Kalipstanzen, und reichliche Zuleitung
von Wasser zur Auflösung der Kieselerde sowie Zufuhr von Kali (Asche)
erweisen sich als Hauptbeförderungsnuttel ihres Wachsthums.
Die Getreidearten zeichnen sich durch den Reichthum ihrer Körner an
Stärkemehl, Fibrin und an phosphorsaurem Kalk aus. Sie sind dadurch zu
Nahrungsmitteln des Menschen vorzüglich geeignet, und der Anbau hat nicht
266
V. Besondere Botanik.
allein ihre Samen außerordentlich vervollkommnet, sondern auch eine Menge
von Spielarten erzeugt. Der Anbau der Getreide ist so alt als die Geschichte,
und von keiner Art läßt sich die ursprüngliche Heimath mit voller Sicherheit
angeben, noch findet man eine derselben irgendwo wild wachsend.
Als vorzüglichste Brotfrucht gilt von jeher
der Weizen (Iritiouin vulFars), von welchem
der gegrannte Bartweizen, Fig. 181, und der ungenannte Kolbenweizen, Fig. 182, vorwaltend im
südlichen und südwestlichen Europa angebaut werden; ein gleich feines Mehl liefert der D i n k e l
oder Spelz (1?. spsita), Fig. 183; Roggen oder K o r n (Zsoals), Fig. 184,
sowie Gerste (Noräsnm), Fig. 185, werden mehr im mittleren und nördlichen
Monokotyledonm: Klasse I I I . Gräser.
267
Europa gebaut; der Hafer (^vsuI. 8g.tiva), Fig. 186, wird meist als Pferdefutter verwendet.
'
Neben den Getreidearten ist der Reis (Or^a), Fig. 187, die verbreitere
Körnerfrucht, welche im warmen Sumpftande des Michen Europas und ebenso
in Asien, Afrika und Südamerika angebaut wird. Noch einige weitere grasartige Gewächse liefern ernährende Körner, wie der gemeine Hirsen (?9,uiouni
uii1i3.o6nm), Fig. 188, der Kolbenhirsen (sswi-ia, italiog.) und der Moor-
W8
L. Besondere Botanik.
Hirsen oder D u r r h a ( I o r ^ u i n vul^ars), Fig. 189; der Schwaden ( G ^ LLi'i^ üuitaus), in Sumpfgegenden des östlichen Europas wachsend, liefert die
sogenannte Mannagrütze; vom K a n a r i engras (kka»
lai'iä oHuarisusiL) dient der Samen als Vogelfutter.
Endlich ist der Taumellolch (1^olium tsinulOntuia) anzuführen, eine Grasart, dessen Körnern
eine betäubende Wirkung zugeschrieben wird.
Amerika, in welchem man zur Zeit seiner Entdeckung keine einzige europäische Getreideart fand,
ist dagegen das Mutterland des M a i s oder Welschkorns (26a), welches damals bereits angebaut wurde
und jetzt besonders im südlichen Europa eingebürgert
ist. Die Körner seiner prächtigen gelben Kolben
liefern ein süßliches Mehl, woraus die in Oberitalien so beliebte P o l e n t a , ein dicker Brei, bereitet
wird.
Als letzte Gruppe dieser Familie betrachten ckir
die rohrartigen Gräser. Hierher gehört unser einheimisches, 12 bis 18 Fuß hoch werdendes Schilfrohr (^rnnäo pki-ÄAuiät6L), aus welchem die Hirtenflöten geschnitten werden und das zum Verrohren
der Wände dient. Das Bambusrohr (LaNdusa)
wird 50 Fuß hoch und über armesdick und ist wegen
seiner Leichtigkeit und Festigkeit zum Bauen sehr
geeignet. Auch sonst findet es mannichfache Verwendung, wie namentlich zu Wassergefäßen; es ist sehr
verbreitet in den Tropenländern und bildet in
Indien die schwer durchdringlichen Rohrdickichte,
Dschungels genannt*. Das Zuckerrohr (Zaookarum) ist von seinem Vaterlande Ostindien nach Westindien verpflanzt worden und man gewinnt von
demselben den Zucker, den Shrup und den Rum.
Der Anbau des Zuckers in den sumpfigen Niederungen der heißen Länder ist eine der beschwerlichsten
und der Gesundheit verderblichsten Arbeiten, die sich
besonders den Europäern nachtheilig erwies und die
Veranlassung zur Negersklaverei wurde. I n das Gebiet des Zollvereins, mit einer Bevölkerung von 29
Millionen, werden jährlich im Durchschnitt 1,480,000
Centner Rohrzucker im Werthe von 14 Millionen
Thaler eingeführt.
140
9. T a u n u s ÄV? 8otwiu.F2Ä8637 ((!^x6r2.o6as). Man rechnet hierher die
Seggen oder Riedgräser (0a.r6x), deren zahlreiche Arten sich durch ihren
Mouokotpledonen: Klasse I I I . Rohrkolben.
269
dreikantigen schneidenden Stengel, der nicht hohl und gegliedert ist, sowie durch
ihre einhäusigen Blüthen auszeichnen. Sie sind als Viehfutter nicht geeignet
und werden als saure Gräser bezeichnet, die verschwinden, wenn die Wiesen
etwas trockner gelegt und mit Asche gedüngt werden. Die Sandsegge (Oa.r6x
arsuaria) kommt auf dem trockensten Flugsande fort und wird deshalb benutzt,
um denselben zu befestigen; ihre Wurzel wird als Heilmittel angewendet. Auch
liefert eine Seggenart (0. drisoiäss) das sogenannte W a l d h a a r , welches
zum Polstern benutzt wird. Aus dem Marke der Papyrusstaude (O^xsruZ
? 3 ^ r u 8 ) , welche in den Sümpfen Egyptens wächst, wurde das erste Papier
bereitet. Die Wurzelknollen des Cypergrases (0. sgouisutuZ) sind eßbar
und werden Erdmandeln genannt. Die verschiedenen Arten der Binsen
(8oirxu8), deren Anwendung bekannt ist, sowie das W o l l g r a s ( N r i o ^ o r o n )
gehören ebenfalls dieser Familie an.
10. VamiliV d s r A o l i ^ o i d G i i ( i ^ k a c s Ä s ) . I n Gräben und sumpft- 141
> gm Gewässern finden wir häufig den auf schlankem, markigem Halme stehenden
! braunen Rohrkolben ( I ^ i m ) , und den Igelkopf(8x>3.rAÄnium) mit seinen
stachlichen Früchten. Die breiten Blätter des Rohrkolbens werden unter dem
Namen Liesch von den Faßbindern zwischen die Dauben gelegt.
11. VarailiO 6.6? ^.roidsu. (^.roläsas). Zu diesen Pflanzen, die sich 142
durch einen Blüthenkolben auszeichnen, gehören der A r o n (^rnm, s. S . 231),
innerhalb dessen großer Blüthenscheide bemerkbare Wärme sich entwickelt, mit
scharfen Wurzelknollen, und der K a l m u s (^.oorug), dessen bitter-aromatische
Wurzel ein gebräuchliches Arzneimittel ist. Als beliebte Zierpflanze wird die
durch ihre große weiße Blüthe ausgezeichnete, aus Afrika stammende C a l l a in
Töpfen gezogen. I n reicher Mannichfaltigkeit begegnet man den Aroiden in
den Tropenländern, mit ungemein kräftig entwickelten Blättern, wie insbesondere
bei der Gattung Caladium. Sie bilden daher in den Gewächshäusern, mit
anderen Blattformen zusammengestellt, prachtvolle Gruppen. Mehrere Aroiden (OolooNZia) werden auf den Südsee-Inseln angebaut, indem ihre knolligen
Wurzeln, T a r o genannt, als Nahrung dienen.
12. V a i n i l i s cl.sr?NiiQSN. (Valrnas). Diese riefenmäßigen Monokotyledo- 143
nen, mit ihren schlanken, mitunter mehrere Hundert Fuß hoch werdenden, oben mit
einem Blätterschirm geschmückten Stämme verleihen den Tropenländern einen
eigenthümlichen Reiz und Charakter. Die Eigenthümlichkeiten ihres Baues und
Wachsthums haben wir bereits S . 180 geschildert. Die herrliche Blatterkrone
der Palmen wird entweder von fächerförmigen oder gefiederten Blättern gebildet,
aus welchen in großen Trauben die Blüthen und Früchte herabhängen. Erstere
sind getrennten Geschlechtes, öfter zweihäusig, die männlichen mit sechs Staubfäden. Vor dem Aufblühen sind sie von einer lederigen Scheide eingeschlossen.
Die jungen Vlattknospen mancher Palmen werden unter dem Namcn P a l m k o h l als Gemüse verzehrt; auch liefern manche beim Einschneiden der Blüthmscheide große Mengen eines zuckerigen Saftes, aus welchem der Palmwein
oder Toddi bereitet wird.
Wir verehren die Palmen nicht Kur als Sinnbild des Friedens, sondern
270
L.
Besondere Botanik.
schätzen sie auch als höchst nützliche Pflanzen. Besonders bemerkenswert!) ist
die D a t t e l p a l m e (?^06nix), «eine Hauptnahrungspflanze Afrikas, die mit
Sorgfalt gepflanzt und bewässert wird; sie. kommtauch im südlichen Europa fort,
jedoch ohne Früchte zu reifen. Die Cocospalme (O0003) ist bekannt durch
ihre großen Nüsse, deren wohlschmeckender Kern im Innern eine milchartige
Flüssigkeit, Co cos milch, enthält. Durch Auspressen liefern die Kerne ein festes
Fett, Cocostalg genannt, welches zur Fabrikation von Seife dient. Gleiche
Verwendung hat das butterartige P a l m ö l ; es ist gelbroth, von veilchenähnlichem Geruch und kommt aus Afrika von der O e l p a l m e (Mais Anin66Q8i8),
Von beiden Fetten zusammen wurden 1855 ins Zollvereinsgebiet eingeführt
350,000 Centner. Aus dem Markzellgewcbe der S a g o p a l m e n (IsAus), das
ein vorzügliches Stärkemehl enthält, wird der S a g o bereitet. Der Stamm der
Wachspalmeslüsi-ox^i011), sowie die Blätter der C o r y p h a p a l m e (Ooi-^xka
osr-iisi-a) sind mit dem Palmwachs überzogen, das gleich dem Bicnenwachs
verwendbar ist. Die Fächelpalme, auchZwergpalme genannt sOkaMHsi-o-pZ
kurailis), mitstachelspihigenFächerblättern, die sehr verbreitet ist und oft große
Gebiete überwuchert, hat sich an den Küsten des Mittelmeers eingebürgert. Die
von der Arecapalme (^.r-Soa cntsokn) kommenden gerbstoffhaltigen Nüsse liefern das in der Gerberei verwendete Catcchu; auch werden sie in Indien mit
den Bctelblättcrn und etwas gebranntem Kalk gekaut. Die R o t a n g p a l m e ^
(OaiarnnZ), welche ganz die Form eines Schlinggewächses hat und eine Länge
von 300 bis 500 Fuß erreicht, liefert das sogenannte spanische Rohr.
144
13. V a N l I i s Äsr I l i l i S i i (I^i1ig.o6Ä6). Eine sechsblättrige Blumcnkrone,
sechs Staubfäden, sowie eine zwiebeiförmige Wurzel finden sich bei allen Pflanzen dieser Familie, unter welchen sich die Gattung Lauch (^Iiinui)
durch ihren Gehalt an Schleim und an einem flüchtigen, schwefelhaltigen Oel auszeichnet, das reizend und von durchdringendem
Geruch ist. Bekanntlich sind die Z wie bei M i u m osxa), Fig. 190,
der Knoblauch (^. porrniu.), der S c h n i t t tauch (^.. 8o1w6N0Prg.8n.rQ) vortreffliche und
vielfach benutzte Küchengewächse. Die im südlichen Europa gebaute Zwiebel wird roh gegessen. Durch schöne B l ü t h e n machen sich
Vlüche.
Frucht, dagegen bemerklich: die Vogelmilch (OimiHoANiniu.); die Meerzwiebel (8oi11g.); die T r a u b e n h y a c i n t h e
Musoari) und die woylduftende, aus dem Morgcnlande stammende gemeine H y a c i n t h e , eine unserer beliebtesten
zen.
Einen unvergleichlichen Anblick gewähren im Frühling die
mit Hyacinthen bedeckten Wiesen in Algerien, in der Krim und
auf dem Caplande. Noch sind zu erwähnen: die Z a u n l i l i e
(^ut^OrionM), die T u l p e (Inlixg.), die aus Palästina zu uns
gekommene weiße L i l i e (I^iliuiri oNnäiäurQ), die F e u e r l i l i e
(1^. kulkitsrnw), der T ü r k e n b u n d ( I , . ruHi-t^on) und die
stattliche aber giftige Kaiserkrone (I^ritiiiaria irüpOriaiis). —
Monokotylchouen: Klasse I I I . Zeitlosen.
271
Es gehören ferner hierher die verschiedenen Arten von Aloe (^.los), stachelige
Pflanzen mit bitterem, als Abführungsmittel gebräuchlichem Safte. Sie haben
sich von Amerika nach den wärmeren Ländern verbreitet und erscheinen verwildert
im südlichen Europa. Der neuseeländische F l achs (?korniium tsnax) enthält in seinen Blättern sehr zähe, zu Flechtwerkon benutzte Fasern.
14. V'NNI.ilis Ä6e2siti0S6n(()0io1iioao6H6). Pflanzen mit giftigen Wurzeln 143
und Samen, die übrigens in der Medmn gebraucht werden. Am bekanntesten
ist die Herbstzeitlose (Oolokiouw), deren zarte, blaßrothe Blumen noch im
Spätherbste die Wiesen schmücken, während die Blätter und Samen erst im nachfolgenden Sommer zum Vorschein kommen. Die Nießwürze (V6rg.tru.iii)
wachsen auf Waldgebirgen.
15. V a m i l i s Äsr 8mii3.os6u. (3ini1g.otj2.6). Die Familie hat ihren Namen 146
von der südamerikanischen Gattung S m i l a x , welche die als Heilmittel gebräuchliche S a s s a p a r i l l w u r z e l liefert. I h r gehören die tropischen Drachenbäumc (Di-acaLua) an, bei uns wegen ihrer schönen, palmähnlichen Blätterkronc beliebte Topfgewächse mit lilicnartigen Blüthen. Der D r a c h e n b l u t bäum (D. Hi'Hco s. S . 240) schwitzt eine blutrothe, harzige Masse aus, die
Drachenblut genannt und als Farbe verwendet wird. Von einheimischen Gewächsen bemerken wir den bekannten S p a r g e l (^paraAns), der im Sandboden wild wächst; aus seinem unterirdischen Wurzelstock treibt er im Frühjahr
als Sprossen die Spargeln, das beste und nahrhafteste Gemüse, das jedoch zu
kräftiger Entwickelung eines reichlich stickstoffhaltigen Düngers bedarf. I n den
Wäldern finden wir die liebliche M a i b l u m e (Oonvaiiaria) und die giftige
Einbeere (^arig). Aus einer nahverwandten Familie stammt die Mutterpflanze der mehlreichen U a m s w u r z e l (DioLoorsa), die in
Ostindien gleich der Kartoffel angebaut und benutzt wird.
16. V a m M G Äsr UaroisäSU. (MroiLLsas). Hier be- 147
merken wir ihrer schönen Blüthen wegen die gemeine N a r cisse oder S t e r n b l u m e (Mroissnä postionZ) und die unter dem Schnee aufsprießenden Schneeglöckchen (Oklantkn8 und I^noHnrn).
"
17. V a n u l i s 6.61' L o k ^ o r t i M G U . (Iriäsas). Sumpf- 148
gewachst mit knolligen Wurzeln, von welchen als Zierpflanzen in unseren Gärten die gelbe und blaue Schwertl i l i e (Iris xLOnäaooriiL nnd I . A6r>iu.3.nio3.) und die Z w e r g l i l i e ( I . pniniia.) aufgenommen worden sind. Die V e i l chenwurz (I. ÜorSnting.) kommt von einer im südlichen
Europa wachsenden Schwertlilie und wird wegen ihres veilchenähnlichen Geruchs zu Zahnpulver und Parfümerie verwendet. Von der S a f r a n pflanze (Ooous), Fig. 1 9 1 ,
werden die Narben eingesammelt, welche unter dem Namen S a f r a n sowohl als gelbe Farbe, als auch in der
Medicin Anwendung finden und deren 20,000 auf ein
Pfund gehen.
Z72
Z. Besondere Botanik.
149
18. ? N l l M l 6 ÄST» VrOTMSilSN (Ll>0N16iia<;63.6). Aus Südamerika ist in
unsere Treibhäuser die A n a n a s (VroniMg. ^.NNNN8) gewandert, deren durch
die Cultur vergrößerte Früchte wegen ihres feinen, erdbeerähnlichen Geschmackes
ungemein geschätzt sind. Einer nahverwandten Familie und demselben Vatcrlande angehörig ist die Agave ( ^ a v s amorieHna), welche uns häufig in Gärten aus großen Kübeln mit ihrett langen, stacheligen Blättern entgcgenstarrt.
Diese Pflanze bedarf bei uns, um zu blühen, eines sehr beträchtlichen Alters —
man sagt gewöhnlich 100 Jahre — und treibt alsdann schnell einen 28 bis
30 Fuß hohen Schaft mit Tausenden von Blüthen geschmückt, worauf sie abstirbt. Sie hat daher fälschlicher Weise den Namen der h u n d e r t j ä h r i g e n
A l o e erhalten. I n ihrer Heimath wird sie in großer Ausdehnung gebaut, weil
in der Blüthenscheide ein reichlich zuckerhaltiger Saft sich bildet, der zur Bereitung der P ulque dient, eines allgemein gebräuchlichen Getränkes.
I5N
19. VN.MÜIG ÄS3> NNQNNSN (Nu.3a.o6a6). Richt selten erblicken wir in
Treibhäusern einen palmeyartigen Schaft mit riesigen Blättern. Es ist der P i sang oder P a r a d i e s f e i g e n b a u m M n 8 a PWaäimaoa), auch Banane genannt, der für die Bewohner der Tropenländer dieselbe Bedeutung hat, wie für
. andere Länder das Getreide, die Kartoffeln oder die Dattelpalme. Außer seinen
wohlschmeckenden Früchten werden auch die 8 bis 10 Fuß lang werdenden Blätter benutzt.
181
20. V N N i l i s Ä s r G-SMürMUsQ (Zoitamiusas). Pflanzen der heißen
Länder mit scharf aromatischen Wurzeln und Samen, wie der I n g b e r ( N u ^ i dsr), die gelbfärbende K u r k u m a Wurzel (Ourou.iu.MH), die Kardamomen
(^nomum). Z u einer nahverwandten Familie gehören die P f e i l w u r z
( N ^ a n t a ) , welche zerrieben das unter dem Namen A r r o w - r o o t bekannte
Stärkemehl liefert, und das indische B l u m e n r o h r (Oarma), eine schöne Zier-
Pflanze.
152
21. VNMiliG ÄSi» OroMcksSN. (OrokiHOHs). Sämmtliche Pflanzen dieser
Familie gehören in die zwanzigste Klaffe von L i n n s , weil sie Blüthen haben,
deren Staubbchälter mit dem Stengel verwachsen sind. Die sechstheiligcn Blüthen erregen die Aufmerksamkeit und das Staunen des Beschauers theils durch
ihre höchst eigenthümliche Bildung, indemsiemitunter verschiedenen Insekten, wie
. Fliegen, Spinnen, Schmetterlingen, täuschend ähnlich sind, theils durch prachtvolle Farbe und Zeichnung. Es ist dies besonders bei den Orchideen der
feuchten Tropenlander der Fall, die, auf Baumstämmen lebend, durch Lustwurzeln
ihre Nahrung aufnehmen und zu welchen auch die feingewürzige V a n i l l e
(Vanilia Äroünatica) gehört.
.
Unsere einheimischen Orchideen, auch Knabenkräuter genannt^ schmücken
besonders reichlich die kalkigen Gründe;siehaben knollige und handförmige Wurzeln (s. Fig. 52 und 5 3 ) , die getrocknet unter dem Namen S a l e p als schleimiges Mittel gebräuchlich sind und hauptsächlich von Orokis niasoula., 0 . morio
und 0. nMtariL gesammelt werden. Eine zierliche Blüthe hat der F r a u e n schuh (^pi-ipsäium).
D i k o t M o n e n : Klasse I V . Zapftnträger.
273
22. PainiliS äsr ^ l i s n i G n (Misuiaosas). Eine kleine Familie, welche 153
von der Gattung Froschlöffel (^lisma.) und dem P f e i l k r a u t (8aZitwri«.)
gebildet wird, das nach seinen großen pfeilförmigen Blättern benannt ist.
Aus nahverwandten Familien führen wir an: die schöne Wasserviole
(Lutomug) und den Wasserriemen (Aostsra), eine schmalblättrige Wasserpflanze, häufig an den Küsten der nördlichen Meere; dient getrocknet als sogenanntes Seegras zum Polstern. Die bekannte Wasserlinse (I^uma), deren
kleine, runde Blättchen oft ganze Teiche bedecken, bildet die einzige Gattung
einer besondern Familie.
0.
DiKot^iGÄOHSN.
Das Reich der Dikotyledonen enthält die meisten und wichtigsten Pflanzen, 154
welche mit zwei oder mehr Samenlappen keimen, ringförmig gestellte Gefäßbündel und netzförmig verbreitete Blattnerven haben. Sie werden nach Beschaffenheit der Blumenkrone in drei Klassen abgetheilt.
I V . Klasse: A p e t a l e n ; H.p6t9,1k6.
Pflanzen mit einer Vlüthenhülle.
23. P a r n i l i s äsr 2a.pk6Qträ3Si7 (Ooinksi-Hy). Diese Pflanzen werden auch 155
Naktsannge (O^MuosxSrinHs) genannt, weil in der weiblichen Blüthe die
Samenknospen ohne alle Bedeckung in der Achsel schuppiger Deckblätter
stehen, die als gemeinschaftlichen Fruchtstand einen Zapfen bilden. Die Eigenthümlichkeit ihres innern Baues ist §. 38 beschrieben worden. Wegen ihrer
immergrünen, nadelförmigen Blätter heißensieauch Nadelhölzer. Sie enthalten in allen Theilen flüchtiges Oel und Harz und bilden somit eine sehr
wohl charakterisirte Familie, die in Bau-, Nutz- und Brennholz, sowie durch
mannichfache Producte großen Nutzen gewährt. Zu letzteren gehören der Terpentin, das Terpentinöl, Kolophonium, das Fichtenharz, Pech, Theer. Auch
wird aus den Nadeln, nachdemsiegeröstet und gebrochen wordensind,die
zum Polstern verwendbare W a l d w o l l e bereitet. Wir bemerken: die Kiefer
oder Föhre (?iuu8 8?1v68ti-i8), mit zwei Zoll langen, zu ZweistehendenNadeln, im nördlichen Europa ausgedehnte Wälder bildend; die Rothtanne oder
Fichte (?. Ndieg), Nadeln einen halben Zoll lang, rings um die Zweige stehend, Rinde röthlich; die Weißtanne (?. pioes.), Nadeln einen Zoll lang,
platt, unten mit zwei weißen Streifen, kammförmig an die Zweige gereiht,
Rinde grauweiß, im Schwarzwalde vorherrschend. Die beiden letzten liefern
das vorzüglichste Schiffbauholz. Die Samen der italienischen Pinie (?. pinsa.),
P i g n o l e n genannt, werden gegessen; ebenso die Zirbelnüsse, von der in
Tyrol wachsenden Arve (I>. Oencki-g.). Büschelständige Nadeln haben die
Ceder des Libanon (?. csärus) und die Lärche (?. lar^x). Die Nadeln
der letzteren werden im Herbste gelb und fallen ab.
II.
13
274
L.
Besondere Botanik.
Ein bekanntes heimisches Gewürz sind die Beeren des W a c h h o l d e r s .
^uni^sriiZ o0in!nu.ni8); das rothe, wohlriechende Holz des virginischen
Wachholders (5. vir^iniana.) wird als sogenanntes Cedernholz zu Bleistiften
und Cigarrenkisten verwendet; in Anlagen und Friedhöfen wird häufig der
L e b e n s b a u m ( N u . ^ ) gepflanzt, wie i n südlichen Ländern die Cypresse
(LuxrsLLQZ). Der E i b e n b a u m (L'axrlL) eignet sich vorzüglich zu geschnittenen
Hecken; sein Laub ist giftig, seine rothen Beeren sind es nicht«
136
24. V a n M i s Hsr V56O9rMNH26ii (I>ip6raos2.6). Aus dieser nur Ostindien
angehörigen gewürzreichen Familie liefert der Pfeffer strauch (?i^6r niZrum)
kleine Beeren, die unreif abgepflückt und getrocknet als schwarzer P f e f f e r bekannt sind. Der weiße P f e f f e r ist der geschälte reife Samen. Auch die §.143
erwähnten Vetelblätter kommen von einem Strauch dieser Familie (?i^6r dstis).
157
25. V a M l i o H s r ' M s i Ä s u . (ZaUoinOHe). Sträucher und Bäume mit zweihäusigen Blüthenkätzchen, welche besonders in feuchtem Boden gedeihen, schnell
wachsen, aber Holz von geringem Werth erzeugen. Die Weidenrinde wird wegen
ihres Gehaltes an Bitterstoff Galicin) in der Medicin verwendet. Wir bemerken: Die Bruchweide (8a1ix AsSilik); P u r p u r w e i d e (8. xni-xnrsa.);
Korbweide (3.viiniuaU8);dieTrauerweide (8.'kad^ioniog.); dieSchwarzp a p p e l (?0Miu,s n i ^ r a ) ; die S t r a ß e n p a p p e l ( ? . italiog.); die S i l b e r p a p p e l ( ? . alba.); die Z i t t e r p a p p e l ( ? . trsinnlg.).
138
26. VaniiliG 6.63? N i i ' ^ S n (LstniaoSHe.). Von den hierher gehörigen Binomen mit einhäusigen Plätzchen find anzuführen: Die E r l e (^.Iniis), die in
Sumpfland vorzüglich gedeiht und ein unter Waffer sehr dauerhaftes Holz
liefert; die B i r k e (Lstula.), ausgezeichnet durch ihre weiße Rinde, kommt im
höchsten Norden noch als Strauch fort. Der in Nußland aus der Rinde gewonnene Theer dient zur Bereitung des Iuchtenleders.
139
27. Pg,nii1is 6.6r Ni.'U.Iätr'äZsr ((Xixniilsra.6). Sie haben nußartige
Früchte, die i n einer Hülle sitzen: die männlichen Blüthen bilden Kätzchen. Wir
finden darunter die stattlichsten Laubhölzcr wie unsere deutsche Eiche, ein
Sinnbild der Hoheit und Kraft. Man unterscheidet die S t ein ei 5) e (Husrous
robur) und die Stieleiche (tz. p6HnQcniI.ta) mit gestielten Früchten, beide
mit gerbstoffreicher Rinde.
Die G a l l e ich c (H. iickctoi-ia.), im östlichen
Europa und Kleinasien, liefert, von der Gallwespe angestochen, die G a l l ä p f e l .
Von der immergrünen Korkeiche (<H. Lu.IiLi') Südeuropas wird dcr Kork abgeschält; die Rinde der Färbereiche (H. tinotorig.) dient unter dem Namen
Q u e r c i t r o n zum Geldfärben. Die Buche (^gAiiL) giebt das beste Brennholz und ihre dreikantigen Nüßchen enthalten ein wohlschmeckendes O e l ; die
Weißbuche oder Hainbuche (lüarxinns) hat gefältelte Blätter. Geschätzt
sind die mehlreichen Früchte der in Süddeutschland häufig vorkommenden Ka<
stanie (0a.Lt3.n63.), und die Nüffe des Haselstrauchs (Oor^ins).
Wir reihen hier einige Baume an, welche für sich allein stehen, indem sie
verschiedenen kleinen Familien angehören, die theils den vorhergehenden, theils den
275
Dikotyledoueu: Klasse I V . Nesseln.
nachfolgenden verwandt sind: Der amerikanische Wachsbaum (N^i-ioa.) hat mit
brauchbarem Wachs überzogene Früchte; die aus Amerika eingewandertePlatane
(?1ataQN8); derWallnußbaum (^ugiaus), aus Persienstammend,der außer den
bekannten Nüssen ein vorzügliches Möbelholz liefert; die Ulme oder Rüst er (U1wog), vereinzelt in Wäldern und angepflanzt an Straßen, giebt ein vorzügliches
Nutz- und Brennholz.
28. Vg.ini1i6 6.or Nss38Gin (Ui-tioÄQ0N6). Männliche und weibliche Blüthen 16l)
finden sich getrennt auf den verschiedenen Pflanzen derselben Gattung. Auch
zeichnen sich die meisten aus durch starke Entwickelung der Pflanzenfaser, die
aus langgestreckten Bastzellen besteht und zu Gespinnsten benutzbar ist. Wir
finden dies besonders beim H a n f (Oauna'diL), Fig. 1 9 2 , dessen Samen zugleich ein grünes Oel geben, sodann bei der B r e n n - Nessel (Urtioa.), die zu
Nesseltuch verarbeitet wird. Unbedeutend erscheint der durch die Vrennhaare
unserer Nesseln erzeugte Schmerz gegen die fürchterlichen Wirkungen mehrerer
Nesselarten Ostindiens. Die weibliche Blüthe des Hopfens (Ulimulns),Fig. 193,
enthalt einen aromatisch - bitteren Stoff und wird bei der Bierbereitung verwendet; der Hopfen ist deshalb Gegenstand eines ausgedehnten Anbaues
und man halt die böhmischen (von Saaz) und die bayerischen Hopfen (von
S p a l t ) für die besten. Auch der Hanf hat etwas Aromatisches, das jedoch
18*
276
L . Besondere Botanik.
betäubend ist, und ein daraus bereitetes, Haschisch genanntes Extract wird
wie Opium als Berauschungsmittel verwendet.
161
29. V a i n i l i s Äsr ^ r t o o g ^ p o n (^.rtooÄi-xsas). Mehrere Arten dieser
Familie werden durch ihre fleischigen und genießbaren Früchte sehr nützlich, wie namentlich der auf den Südseeinseln einheimische Vrotbaum
(^.rtooarxuL). Auch der Feigenbaum (^ious) und der Maulbeerbaum
Morus) sind ihrer köstlichen Früchte wegen geschätzt. Von weit größerer Bedeutung ist jedocb der letztere als Ernährer der Seidenraupe. Die Hindu der,
ehren den heiligen Feigenbaum oderBaniane (V'iouI i-eiiZioZa.), aus dessen
Frone Luftwurzeln sich herabsenken und den Baum zu einem Walde ausbreiten;
aus seinen Zweigen stießt durch die Stiche der Lackschildlaus das zu Schellack
verwendete Harz. DieMaulbeerfeige oder Shkomore ( I ' . I^eouwruZ) wird
in Egypten angepflanzt. Eigenthümlich ist ferner vielen dieser Pflanzen ein
Milchsaft, der bei einigen scharf und giftig ist, wie bei dem Upas- oder A n tiarbaume (^.ntiaris toxioaria.), aus welchem die Javaner das furchtbare
Gift für ihre tödtlichen Pfeile gewinnen. Der Milchsaft mehrerer Feigenarten,
insbesondere des bei uns als Topfgewächs häufig gezogenen Gummibaums
' <M<mß Olastiaa) u. s. w., liefert dagegen beim Eintrocknen das wohlbekannte
Kautschuk. Merkwürdig ist der Kuhbaum (^alaotoHOnäroN) Venezuelas,
dessen Saft der Kuhmilch so ähnlich ist, daß er gleich jener genossen wird.
162
30. VamiUs Äs? M n s k s n (N^iLtiooas). Der auf den Molukken einheimische Moschusbaum (N^ristioa. moLokata.) liefert die bekannten Muscatnüsse, welche von der sogenannten Müscatblüthe umgeben sind und die Muscatbutter enthalten.
163
31. Vä.ikMS Äsr N n M o r d i s Q (Nn^kordiaosas). Mit wenig Ausnahmen
enthalten die zahlreichen Pflanzen dieser
Familie einen Saft, der äußerlich als
scharfes Reizmittel, innerlich als heftiges
Gift wirkt. Sie gehören größtentheils
den wärmeren Klimaten an. Am be«
kanntesten ist uns die Wolfsmilch
(NuxKoMg) als Nährpstanze der schönen Raupe des Wolfmilchschwärmers.
Einige Euphorbien Afrikas, deren Form
dem Cactus sehr ähnlich ist, liefern
ein scharfes, in der Medicin gebräuchliches Harz. Giftig sind die Früchte, des
Mansche nillenbaumes(NiprwrQ9.Q6)
und des indischen Purgirstrauchs
(Oroton), aus dessen Samenkörnern
das heftig Purgirende Crotonöl gewonnen wird. Dagegen liefert der W u n derbaum(Kioum3)das mild eröffnende
Ricinusöl. I n Südeuropa wird der
Dikotyledlmen: Klasse I V . Knöteriche.
277
Turnesol (Oro^oxiioi'a.), Fig. 194, angebaut wegen seines Farbstoffs, der zum
Vlau- und Rothfärbcn dient. Merkwürdig verhält sich die Wurzel der M a niokpflanze (^atropkN Nanikot), die in rohem Zustande höchst giftig ist, diese
Eigenschaft durchs Kochen jedoch gänzlich verliert und ein Satzmehl liefert, das
unter den Namen von M a n i o k , Cassawa und Tapioka in Südamerika ein
allgemeines Nahrungsmittel ist. Den Buxbaum (Vuxu.8) dürfen wir nicht
vergessen, da er in seinem harten, dichten Holze ein vortreffliches Material zu
den Holzschnitten liefert. Er wächst im südöstlichen Europa und wird bei uns
meist nur als kleiner Strauch zum Einfassen der Blumenbeete gezogen. Der
Milchsaft mehrerer amerikanischer Bäume, besonders der Z^xlionia ei^tioa,
wird zur Gewinnung von Kautschuk eingetrocknet.
32. VaniiliS ÄSr XnötGriczliS (koi^AousHS). Die Pflanzen dieser Familien
haben als Samen kleine, meist dreikantige Nüßchen, die bei dem Heidekorn
s?o1^A<Mnni iaAop^i-nm), Fig. 195, hinreichend groß und mehlreich sind, um
als Grütze eine nahrhafte Speise abzugeben, die von dem schlechtesten Boden
in rauher Gegend gewonnen werden kann. Der Vogelknöterich (?. 3.viouig.i-6), ein verbreitetes Unkraut, und der Färberknöierich (?. tinotoi-iuin),
Fig. 196, enthalten Indigo und werden zu dessen Gewinnung angebaut. —
Die Gattung Ampfer (Kninsx) enthalt Kleesäure, die dem bekannten
Sauerampfer (Rumex aostosI.) seinen Geschmack verleiht. Von den
Steppen des nördlichen Asiens kommt, vorzüglich durch den russischen Handel,
zu uns die Wurzel verschiedener Rhabarberpflanzen (Rdsnui) als eins der
werthvollsten Arzneimittel. Diese stattlichen Pflanzen findet man öfter als
^.
278
V.
Besondere Botanik.
Ziergewächse in Anlagen, doch erreicht ihre Wurzel bei uns nicht die erforderliche Heilkraft. I n England werden die Blattstiele und Blüthenknospen der
Rhabarber gegessen.
165
33. I ' a i n M S ÄSI» OkSQOpoäisQ (0k6Q0poä63,6). Am Meeresstrande, in
der Nähe der Salinen des Binnenlandes finden wir die Salzkräuter (Valsola
und Iaiioornia), deren Bedeutung größer war, als noch aus ihrer Asche alle
Soda (Chemie §. 79) gewonnen wurde. Auf Schutthaufen gemein sind die
verschiedenen Arten von Gänsefuß (t)Ii6Q0V0äiuin), also benannt nach der
Gestalt ihrer Blätter. Nichtige Küchen - und Oekonomiepstanzen enthält die
Gattung M a n g o l d (Vsta.); als Futtergewächs wird angebaut die Runkelrübe (Vota, vul^aris), auch Dickwurzel genannt, von der eine Art wegen ihres
Zuckergehaltes denNamen derZuckerrübe erhalten hat und ein Culturgewächs
von größter Bedeutung geworden ist, da sie z. B . in Frankreich und im-Zollvereinsgebiete mehr als «den halben Bedarf an Zucker liefert. Auch die zu Salat verwendete rothe Rübe ist eine Spielart des Mangold. Als Gemüse sind
noch der S p i n a t (Ixinacig.) und die Melde (^.trixiox) anzuführen. Einer
nahverwandten Familie gehört der rothe Fuchsschwanz (^uiaranwä) an.
166
34. V'Nlu.iIiS clsr ZsiÄsidasts (I)ap1m6N6). Nur die Gattung S e i d e l bast oder K e l l e r h a l s (DgFkns) bildet diese Familie. Die schöne, pfirsichrothe
Blüthe desselben erscheint schon im März; er ist giftig und seine Rinde enthält
eine solche Schärfe, daß sie zum Blasenziehen dient.
167
35. V'Nm.ilis cl.sr I.Ordssr'Oii Akmrinsas). Wir haben hier eine sehr aromatische Familie vor uns, die vorzüglich Ostindien angehört. D a finden wir
den Z i m m t l o r b e e r (I^aurnZ oinnainoianui), der den feinen Ceyloner Zimmt,
und den Cassienbaum (I<. oa.L8ig), der die gemeine Zimmtrinde liefert, von
welchen beiden Zimmtol gewonnen wird. Der immergrüne Lorbeer ( I ^ u r n g
nodilis) verleiht nicht allein Kränze und Zweige für Dichter und Künstler,
sondern auch gewürzrciche Blätter zu unseren Braten. Die Beeren geben ein
dickes, grünes Oel, das in der Medicin gebraucht wird. Endlich erhalten wir
vom Kamp Herbaum ( L . oainxlioi'a) den vielfach verwendeten, stark riechenden Kampher.
168
36.1'aniQiS Ä s r OstOrintnSQ (^i-iFtoloMas). Diese kleinere Familie hat
meist scharfe Schlingpflanzen, deren einige als Zierpflanzen verwendet werden,
wie der Pfeifenstrauch (^riätolookiN Zipko) mit großen herzförmigen Blättern und pfeifenkopfförmigen Blüthen, beliebt zu Lauben. I n der Medicin
benutzt man die Schlangenwurz (ZsrxsntÄi-ia) und Haselwurz (^ai-uin).
Merkwürdig ist die einer nahverwandten Familie angehörige R a f f l e sie ( l i ^
Ü6813.), eine Schmarotzerpstanze auf Sumatra, durch ihre große, nach faulem
Fleische riechende Blüthe, welche drei Fuß im Durchmesser hat und zehn Pfund
wiegt.
Dikotylcdonm; Klasse V. Compositen.
279
V. K l a s s e : M o n o p e t a l e n ; N 0 N 0 Z ) 6 t I . 1 a 6 .
Pflanzen mit einblättriger Blumenkrone.
37. V'g.uiMs ä s r (Donipositsn (OoinxoZitas) oder P f l a n z e n mit zu- 169
sammengesetzten B l ü t h e n hat man diese Familie genannt, weil man bei
denselben auf einem verdickten oder scheibenartigen Blumenstiel eine Menge
kleiner Blüthchen zusammengchäuft findet, die umgeben sind von einer gemeinsamen DeckblätterhüUe (siehe §. 71). Die kleinen Blüthchcn sind entweder
zungenförmig oder röhrenförmig und haben fünf Staubbehälter, welche seitlich
mit einander zu einer Röhre verwachsen sind. L i n n ö bildete aus sämmtlichen
hierher gehörigen Gewächsen seine 19. Klasse. Dieselben sind meist krautartig
und in ihrer ganzen Erscheinung von wohl ausgeprägter, ins Auge fallender
Eigenthümlichkeit.
Die Compositen bilden die größte Familie der Phanerogamen mit mehr
als 9000 Arten, und werden daher nochmals in drei Unterfannüen getheilt:
1. OiokoriGu. (OiHoriH06a6).
Sie haben lauter zungenförmige
Blüthchen und enthalten einen bitteren Milchsaft, wie unser bekannter Salat, der Lattich (I^owoa), der G i f t lattich (I<. viro8a)
die E n d i v i e
(Oiokoriuiu. 6uäivia), der als Medicin
gebräuchliche Löwenzahn (I^ontoäon
taraxaoan) und die als Gemüse geschätzte Schwarzwurzel (Ioo^onsrH).
Die an Wegen häufig anzutreffende
Wegwarte hat blaue Blumen und
wird unter dem Namen Cichorie (Oiokorium Mt^duL), Fig. 197, angebaut
und ihre Wurzeln werden zur Fabrikation des Cichorieu-Kaffees verwendet.
2. D i s t s i n (<ü)?n9,r6H6). Wir begegnen in dieser Abtheilung einem
kopfförmigen Blüthenstand, der aus lauter röhrenförmigen Blümchen zusam-
280
L . Besondere Botanik.
mengesetzt ist; bei vielen sind die Blätter der gemeinschaftlichen KelchMe
stachelig. Dies ist namentlich der Fall bei der Distel (OarännZ) und der
Kratzdistel (^irswm). Wegen ihres bitteren Stoffs sind gebräuchlich die
Cardobenedicte (0uion8 bsusäictg.) und die Eberwurz (OaMus). Die
Kornblume (OsutaiirGa o^auus) ist durch ihre herrliche blaue Farbe bekannt,
jedoch als Unkraut im Getreide beim Landmann nicht beliebt, während die auf
Wiesen gemeine Flockblume (OGQtkmr^a. jN06g.), Fig. 198, ein gutes Futterkraut ist; die Klette (^rotimn) macht sich durch ihre Anhänglichkeit selbst bemerklich. Die Artischocke (OM^rs.), Fig. 199, wird wegen ihrer fleischigen
eßbaren Deckblätter angebaut, und der S a f f l o r (Oartka.uin8), Fig. 200, wegen seines schön rothen, aber nicht haltbaren Farbestoffs.
3. 8trg,k1d1ü.tki6r (KNäiNtH6). Sie bilden die größte Abtheilung der ^
Compositen und haben diesen Namen, weil ihre auf dem scheibenförmigen
Blüthenboden stehenden Röhrenblümchen strahlig von am Nande stehenden
zungenformigen Blümchen umgeben sind, wie dies die Sonnenblume am auffallendsten zeigt. Als werthvolle Arzneipflanzen sind anzuführen: die bittere
Schafgarbe (^okiHes. nMskoliniri), Fig. 2 0 1 , der Wohlverleih (^r-nioa),
der A l a n t (Innig.) und die heilsame Chamille iM^tricHria.), die durch
eine hohle kegelförmige Vlüthenscheibe von der Hundschamille (^Qtk.6,
uns) sich unterscheidet, deren Blüthenkegel nicht hohl und deren Geruch
Dikotpledonen: Klasse V . Compositen.
281
unangenehm ist. Einen reichen Schmuck gewähren unseren Gärten die. aus
China gekommenen Astern (^Lwr), die D a l i e n (AsorAing,), welche aus
Mexico stammen, beide durch die Cultur in unzähligen Spielarten vorhanden, und
die stattliche Sonnenblume (H6iia.QtIin8). Die Knollen des Topinambur
stl. tudsroLus), Fig. 202, sind der Kartoffel sehr ähnlich und werden angebaut als Viehfutter. Der Mad
(Naäia) liefert in seinem Samen ein wohlschmeckendes
Oel.
liebchen ( M M ) darf hier nicht ungenannt bleiben.
Bei vielen Radiaten sind die Strahlblümchen schmal und kurz, daher die
ganze Blume unscheinbar bleibt, wie bei dem Kreuzkraut (Zsnsoio), das man
dem Canarienoogel als Futter reicht, bei der I m m o r t elle ((3-ua^IiNiiu.M), deren
Kränze wir den Hingeschiedenen weihen, und bei dem sogenannten schottischen
Epheu (Nikania. LoanäsuF), einem beliebten Gewächs für schwebende Töpfe.
I n der Medicin gebräuchlich
sind:
dessen gelbe
Blüthen im Frühjahr erscheinen, während die Blätter erst spät im Sommer
nachkommen; der Rainfarn (lanacSwin), der ebenso wie der von ^.rtsmiÄN
oontra Mittelasiens kommende Wurmsamen ein starkriechendes wurmwidriges Oel hat; der Wermuth (^i-tsinisig. adsMtiänW) ist durch seine Bitterkeit ausgezeichnet.
38. ?3,ini1is Äsr Q-iooksndiniQsn (0Hin^ailu1ac6ao). Wenn wix, 17l)
durch Flur und Wiese wandelnd, einen Strauß von Feldblumen pflücken, so
282
L. Besondere Botanik.
gereichen demselben zu besonderer Zier die blauen Glöckchen der Glockenblume (OarQ^nnia.). Es giebt deren viele Arten mit größeren und kleineren
Glocken und einige haben in den Blumengärten Aufnahme gefunden. Als
Salat verspeist man Blätter und Wurzel der R a p u n z e l ( k k ^ k s u r n a ) und
der Glocken-Rapunzel (OaM^annia Ra.xunoulu8).
171
39. I'a.miliG Ä s r OaprikOiisn (Oa^riloli^osas). Wir finden in dieser
Familie bekannte Sträucher. Besonders beliebt zu Lauben ist das G e i s b l a t t
(I^oiliosra caxi-ikolium), von welchem man mehrere Arten hat. Als ein schweißtreibendes Mittel verwendet man die Blüthen und die Beeren des H o l l u n ders (8Hllcku.on8 ni^ea), auch Flieder genannt; den Schneeball sVidnrnmn) und die Schneebeere (Z^m^orioai-ML) trifft man häusig als Ziersträucher angepflanzt. Merkwürdig ist der M a n g l e - B a u m (Misopkora.),
aus dessen Zweigen Wurzeln sich herabsenken und so an den Küsten und Flußufern der Tropenländer jene undurchdringlichen Wälder bilden, die als Heimath
der Muskito's und des gelben Fiebers den Europäern verderblich sind.
172
40- Waiuilio ä s r X a r ä s N (vip83.o6I.6). Die wichtigste Pflanze dieser
kleinen Familie ist die Weberkarde (DipLaous kulionnin), Fig. 203, wegen
der mit stacheligen Häkchen
versehenen Blüthenköpfe,die
zu Tuchkratzen benutzt werden, weshalb man die
Pflanze anbaut. Als Wiesen- und Zierpflanzen sind
dieScabiosen ( I o M o s a )
anzuführen.
41. V a m i U s Hsr
173
Aus dieser kleinen Familie
istunsimWinterderFeldsalat st'GäiN), der eine
Menge verschiedener Namen
hat, wie z. B. Mauseöhrchen, Sonnenwirbel u.a.m.,
sehr willkommen. Als eines der vortrefflichsten iw
ländischen Arzneimittel bemerke man den B a l d r i a n
(Valsriana) mit stark aromatischer Wurzel, welche die Katzen sehr lieben.
174
4 2 / J a m i l i o Äsr O i n o k o n s i i (Oinokoiiaosas). I n einer Höhe von 5000
bis 9000 Fuß wachsen auf den Cordilleren von Bolivia die F i e b e r r i n d e n Bäume (Oinokoua), stattliche Bäume mit großen, glänzenden Blättern und
schönen Blüthen, deren verschiedene Arten die Sorten der C h i n a - oder F i c -
Dikotyledonen: Klaffe V . Sternkräuter.
283
berrinde liefern. Dieselbe wurde gegen das Ende des 17. Jahrhunderts nach
Europa gebracht und wegen ihrer Seltenheit anfänglich fast mit Gold aufgewogen.' Man gewinnt aus ihr das C h i n i n (Chemie §. 174), das wirksamste
Mittel gegen das Wechselsieber. Eine andere amerikanische Pflanze, die Brechwurz (O^KaNis), liefert die als Brechmittel angewendete IpecacuanhaDer Kaffeestrauch gehört zur Familie der Cinchonen.
43. VaniiliG 6.sr 8tsrrckrZ,u.tsr (ZtOiiatao), Beiden meisten der hierher 175
gehörigen Kräuter stehen die Blätter sternförmig in Wirteln um den Stengel,
wie der Familiennamen andeutet. So findet man es bei dem zierlichen Waldmeister (^8M'nIk), dessen Kraut in versüßten Wein gelegt den "Maitrank«
liefert, der besonders am
Rhein beliebt ist; ferner bei
dem Klebkraut (Oa.Unin
Karins), dessen Blätter,
mit Häkchen versehen, leicht
an die Kleider sich heften;
dem Labkraut (A. vsr n u i ) , mit gelber, honigduftender Blüthe; endlich
bei dem Krapp (Rnbia.
tinotoi-Nin), Fig. 204,
dessen Wurzel eine ebenso
schöne als dauerhafte rothe
Farbe liefert und deshalb
angebaut wird. AIs die
bedeutendste Pflanze dieser
Familie wird aber Jedermann den Kaffeestrauch
(lDoOsa Nradiaa) anerkennen, dessen kirschenähnliche
Frucht zwei harte Samen,
die Kaffeebohnen, enthält.
Seine eigentliche Heimath
ist Afrika, von wo er, nach
Arabien, Ost- und Westindien verpflanzt, einen höchst
bedeutenden Einfuhrartikel nach Europa liefert. Die ersten Kaffeehäuser wurden
errichtet in Konstantinopel (1554), in London (1652), in Marseille (1671). Man
schätzt jetzt die jährliche Production an Kaffee auf etwa 500 Millionen Pfund,
wovon im Zollverein 1 Million Centner im Werth von 15 Millionen Thaler
verbraucht werden. Der Kaffee enthält einen krystallisirbaren Stoff (Caffei'n),
der auch in dem Thee und in dem Cacao gefunden worden ist, also merkwürdiger Weise in denselben Pstanzenstossen, die in so bedeutendem Maße Genußmittel des Menschen geworden sind (Chemie §. 174).
284
L . Besondere Botanik.
176
44. Va.uii1is ä s r N s i Ä s i l . (Nrioaosas). Außer dem gemeinen Heidekraut
(Og.11nng, oder Nrioa vul^aris) giebt es no5) eine Menge von Heidearten, die
größtentheils aus Afrika stammen und durch ihre zierlichen, meist röthlichen
Blumenglöckchen sich auszeichnen, wie insbesondere die schöne Gattung Ep acris.
Häusig bildet das Heidekraut die fast einzige Bekleidung unfruchtbarer Sandstächen; den Bienen liefert es reichlich Honig. Aus der Verwitterung der
abfallenden, nadelförmigen Blättchen geht ^die zur Blumenzucht sehr geschätzte
Heide-Erde hervor. Als Schmuck der Hochgebirge berühmt ist die Alpenrose
(Moäoäsnäi'oii), während in Gärten und Töpfen die reichen Blüthen ausländischer Rhododendren und Azalien (^aisg.) prangen. Aus nahverwandten
Familien bemerken wir die den Boden der Bergwaldungen bedeckenden Sträucher der schwarzen Heidelbeere (Va.ooiQiri.iQ m^rtiHus) und die rothe Preis, selbeere (V. viti8 iäasa), welch letztere jedoch nur mit Zucker eingemacht
genießbar ist; ferner die P y r o l e n (I^rola), zierliche Waldpstänzchen, und das
Hichten-Ohnblatt (Nonoti-oxa), ein gelblich weißes, blattloses Schmarotzergewächs, das vorzüglich aus den Wurzeln der Nadelhölzer seine Nahrung zieht.
177
45. Vg.iu.i1i6 6sr 3ok1i5.88s1d1n.msii (?rimni9.o6Ä6). Wer freut sich nicht
beim Anblick der Frühlings-Schlüsselblume (?riinn1a V6i-i8), die gleichsam den winterlichen Boden aufschließt, worauf Tausende von Blumen nachfolgen. Noch gar manche niedliche Pstänzchen zählt diese Familie, wie die
Aurikel (?. aui-ionia.), auch häusig veredelt in Gärten, die S o l d a n e l l e n
(ZoläansiiH) und das Alpenveilchen (O^oiklNsu), welche namentlich die
Alpen schmücken; ferner den Gauchheil (^naFaiiis) und das Pfennigkraut
(I^äilliHeliiÄ.).
178
46. Z'HiniiiG dsr OlivsN. (OlsaoSas). Meist liebliche Pflanzen, enthält diese
Familie, wie den wohldustendcn J a s m i n ( ^ m i n n m ) , die verschiedenen Arten
des spanischen Flieders (8^1-inAa), auch Nägelchen genannt nach der Gestalt ihrer Blümchen, verbreitete und beliebte Sträucher in Gärten und Anlagen,
und den meist zu Hecken verwendeten H a r t r i e g e l (I^AiiLti-nin). Dann bemerken wir den Oelbaum (Olea), dessen fleischige Früchte, die O l i v e n , das
wohlschmeckende Baumöl enthalten und ein Reichthum Italiens, Südfrankreichs
und Griechenlands sind. Der Oelzweig ist das Sinnbild des Friedens. Die
gemeine Esche (?i-axi.QU8), ein stattlicher Baum mit abgerundeter Laubkrone
und großen, gefiederten Blättern, wächst einzeln in Wäldern oder Anpflanzungen und liefert ein Holz, das besonders zu Wagner-Arbeit geschätzt wird; die
Manna-Esche (0rnii8) der warmen Länder schwitzt als weißen, zuckerigen
Saft die M a n n a aus. Bemerkenswerth ist, daß der Blasenkäfer (die spanische
Fliege) nur an Pflanzen dieser Familie sich findet.
179
47. V a m i l i s d s r ^ i n Ä 6 n (OonvolvräkosaS). Krlütärtige Pflanzen mit
trichterförmiger Blumenkrone, fünf Staubfäden und meist windendem Stengel.
Einheimisch sind die Zaunwinde (Oonvolvnins 86-piniQ.) und die Ackerwinde (0. 2.I-V6N318). Den Tropenländern gehören an die I a l a p p e (0. ^'ala^a). deren harzreiche Wurzel ein gebräuchliches Arzneimittel ist, und die
Batate (0. Va.t3.tn3), Fig. 205, deren große mehlreiche Wurzeln gleich der
285
Kartoffel benutzt werden. Dieser Familie nahverwandt ist die Seite 240 besprochene Flachsseide (0ii8onta).
Wurzelwolleu der Batate.
48. P a u i M y d s r 80I2.HSQ (Zolansas). Die Blüthen dieser bedeutenden 18l>
Familie haben fünf Staubfäden und eine regelmäßige Krone; ihre Samen sind
vielsamige Kapseln oder Beeren. Aber vorzüglich sind die hierher gezählten
Pflanzen ausgezeichnet durch ihre Eigenschaften, denn fast alle find mehr oder
weniger betäubend-giftig (narkotisch), was namentlich in den Wurzeln und
Samen sich ausspricht.
Wir erwähnen als Giftpflanzen den Stechapfel (DatuM), das
Bilsenkraut (N^oso^auuiZ), die Tollkirsche (^tropa dMkäoiuia.), welche
letztere durch ihre schwarzen, glänzenden Beeren häusig die Kinder verlockt
und in lichten Laubwäldern nicht selten ist. Weniger gefährlich sind der weißblühende Nachtschatten (Iolarmin nigruiu) mit schwarzen Beeren, gemein
auf Schutthaufen, und der Bittersüß (8. äräcamara) mit violetten Blüthen
und rothen Beeren. Alle vorgenannten Pflanzen finden jedoch Verwendung in
der Medicin. Der baumartige Stechapfel (D. arkorGk) mit weißen, trompetenförmigen Blüthen ist ein schönes Ziergewächs.
Der Taback (Xiootiana) verliert seine betäubenden Eigenschaften nur
zum Theil durch das Trocknen und die Zubereitung (Beize), was mancher Anfänger im Rauchen auf herzbrechende Weise in Erfahrung bringt. Dieses Kraut,
sammt der üblen Gewohnheit des Rauchens, ist seit 1540 aus Amerika einge-
286
L . Besondere Botanik.
führt worden und wird in Europa häufig angebaut. Vorzüglichen Taback erzeugt Ungarn; sein Anbau erstreckt sich bis ins nördliche Deutschland, doch
werden die süddeutschen oder pfälzer Tabacke am meisten geschätzt. Von den
verschiedenen Arten dieser Pflanze wird der virginische Taback (X.tabaoum),
Fig. 206, am häufigsten gepflanzt.
Dankbarer sind wir demselben Welttheil für die im Jahre 1585 von dem
englischen Admiral Franz Drake nach Europa gebrachte K a r t o f f e l (Zolaünm. tnkei'OZiiin), welche in den Hochgebirgen von Peru und Mexiko wild
wächst und in jenen Ländern schon seit ältester Zeit angebaut wurde. I n Europa hat sich ihr Anbau jedoch erst seit 100 Jahren allgemein verbreitet.
Nachtheilig sind Kartoffeln, die in den Kellern Keime oder Sprossen getrieben
haben, und selbst als Viehfutter erweisen sich letztere schädlich. Erfrorene Kartoffeln werden genießbar, wenn man sie iu kaltes Wasser legt, welches eine
Eiskruste erhält, worauf die Kartoffeln herausgenommen und schnell verbraucht
werden. I n nassen Jahren bildet sich in den Knollen nicht die erforderliche
Menge von Stärke, während gleichzeitig die Entwickelung eines Pilzes (siehe
§. 133) begünstigt erscheint, unter dessen Mitwirkung sie rasch in Fäulniß übergehen. Seit Einführung des Kartoffelbaues glaubte man das Eintreten einer
Hungersnoth nicht mehr fürchten zu müssen. Nichtsdestoweniger wurde Europa
in den nach 1840 folgenden Jahren durch die fast überall auftretende Kartof-
DikotMonen:
Klasse V . Enzlane.
287
felfaule in große Noth versetzt. Dieselbe trat am schrecklichsten i n Irland hervor, wo viele Tausende dem Hunger erlagen. Von allen Nahrungsgewächfen
hat die Kartoffel die größte Verbreitungsfähigkeit, indem sie die bedeutendsten
Unterschiede des Klimas und Bodens verträgt. Sie liefert überdies den reichsten Ertrag.
Von 1 Hektare ( — 4 preuß. Morgen) wurden geerntet: 3400 Pfund
Weizen, welche enthalten: 2300 Pfund Stärke und 400 Pfund Wasser;
dieselbe Flache lieferte: 38000 Pfund K a r t o f f e l n , welche enthalten: 8700
Pfund Stärke und 27000 Pfund Wasser.
Zu den Solanen gehören ferner die E i e r p f l a n z e (Zolarmui oviisr-u-m)
und der Liebesapfel (8. 1^<nx6r8ionni), beides Zierpflanzen; die Früchte
des letzteren werden unter dem Namen T o m a t o besonders häufig in Südamerika gegessen; endlich die Judenkirsche (?K^ZNii8) und der scharfe, rothe
spanische Pfeffer (Oa^Lionra).
49. V a i n i l i S 6.sr N n s i a n S (<^6ntim26^s). Eine durch die Schönheit ihrer 181
Blüthen sowie durch ihre außerordentlich bitteren Blätter und Wurzeln bemerkenswerthe Familie. Ihre Heimath sind vorzüglich die Alpengegendm und als
eine wahre Zierde derselben überraschen dort den Reisenden der stengellose
Enzian (OsntiHiia aoaniiä) und der F r ü h l i n g s - E n z i a n (O. v^na.) mit
tiefblauen Blumen. Wegen ihres Bitterstoffs werden medicinisch angewendet
der g e l b e E n z i a n (6-. Intsg.), das T a u s e n d g ü l d e n k r a u t (Nr^ijiinsa) und
der Fieberklee (Nsn^antiiW). Aus der Wurzel des gelben Enzians, die
außer Bitterstoff viel Stärkemehl enthält, wird in Tyrol der Enzian-Branntwein bereitet.
50. V'a.iu.iliG c3.Gr H.P001N.SN. (^ooin.63.6). Wir finden hier Pflanzen mit 182
vorherrschend giftigen Eigenschaften, deren Mehrzahl in den Tropenländern
vorkommt. So enthalten die Samen des Brechnußbaums (Zti-^oimos rmx
vomiokl.), K r ä h e n a u g e n genannt, eins der furchtbarsten Gifte, das Strhchnin
(Chemie §. 174). Auch der aus Südcuropa stammende und wegen seiner
schönen, rosenrothen Blüthen beliebte O l e a n d e r (Nsi-iuni) ist giftig, was man
jedoch unserem in Wäldern häufigen I m m e r g r ü n (Vinca.) nicht nachsagen
kann.
Als nahe Verwandte führen wir an die giftige S c h w a l b w u r z
(iÜMNiioliurQ), die S e i d e n p f l a n z e (^.sois^iaI s^i-iaoa.) und die cactusähnliche A a s pflanze (8ta-po1ia), deren Blüthe nach Aas riecht.
51. ^ N n i i l i s Ä s r B o r r a ^ S r i (Vorr^iQEHO). Diese Pflanzen mit rauhhaa- 183
rigen Blättern und Stengeln haben eine regelmäßige, fünftheilige Krone und
fünf Staubfäden. Ihren Namen erhielt die Familie von dem bekannten
Borrasch (Vorra.Ao), der wegen seines gurkenähnlichen Geschmackes zu Salat
verwendet wird. Als ziemlich verbreitete Arten sind anzuführen: B e i n w e l l
(Z^rapli^win), K r u m m h a l s (I^ooxsis), S t e i n s a m e n (I.itKos^i'niu.M),
Ochsenzunge (^ucknäa), N a t t e r k o p f (Nokiniü), von welchen einige, die
Schleim und einen zusammenziehenden Stoff enthalten, noch hier und da als
Heilmittel gebraucht werden. Eine ebenso treffende als sinnige Bedeutung
wurde in dem Namen V e r g i ß m e i n n i c h t <M^02otiZ) einem bescheidenen
288
L.
Besondere Botanik.
Pstänzchen dieser Familie beigelegt, dessen himmelblaue Blumensternchen aus
frischem Wiesengrün freundlich uns anblicken. I n den Gärten findet man eingewandert aus Südeuropa das G a r t e n - V e r g i ß m e i n n i c h t (OMxkÄioäss)
und aus Südamerika die Sonnenwende (Nslioti-o^iniü) mit vanill-duftender Blüthe.
184
52. ?g.ini1i6 Hör I l i p p s Q d i n m s n (^.Mat^s). Die sehr zahlreichen krautartigen Pflanzen dieser Familie sind wohl kenntlich an ihren zweilippigen
Blüthen mit vier Staubfäden, von denen je zwei länger sind als die anderen,
weshalb sie mit wenig Ausnahmen der 14. Klaffe ^.angehören. Auch zeichnen sich die meisten derselben durch einen Reichthum an flüchtigem Oele aus, so
daß sie aromatisch sind und theils in der Mediän, theils als Gewürz oder als
wohlriechende Mittel angewendet werden. Dies ist der Fall bei der Pfeffermünze (NsiMg.) und Melisse (N6I1883.), bei dem R o s m a r i n (Ko8inHriiiu.L),
T h y m i a n (LKPMN8) und Q u e n d e l ( I I i . 86rMi1nm), ferner bei dem M a j o r a n (Oo^Mnra), Dosten (Ori^anuiQ), Hhssop M^880M3), S a l b e i
. (Valvig) und Lavendel(I<9.vaiiäui3.), welche wild wachsen oder aus wärmeren
Ländern in unsere Gärten oerpstanzt worden sind.
Als nicht aromatisch bemerken wir dagegen die Taubnessel (I,ainiuui)
die Gundelrebe ((U60K01119.) und den G ü n s e l (^ju^a), überall verbreitete
Kräuter, deren Blüthen im Frühjahr von den Bienen eifrig aufgesucht werden.
Zu einer nahverwandten Familie gehört das Eisenkraut CVsrdOug.), ein gemeines Gewächs mit unscheinbarer Blüthe, während die aus Amerika gekommenen Verbenen sich durch lebhaft gefärbte rothe Blumen auszeichnen; berühmt
als Erzeuger des besten Schiffbauholzes ist der ostmdische Teckbaum
185
53. P a m i l i s Hsr L o r o V ^ i ^ i a r i S u (8or0xKu.iNriQ63.6). Diese Familie, nach
dem früher gebräuchlichen S c r o p h e l k r a u t oder B r a u n w u r z (8oroxkn1g.ri3.)
benannt, ist in mehrere Unterfamilien getheilt worden. Wir begegnen da
manchen niedlichen einheimischen Pflänzchen, öfter mit rachenförmiger Blumenkrone, wie dem L e i n k r a u t (I^nkris.), Löwenmäulchen (^ntii'MQnin),
Augentrost (Nupkre^ia), Läusekraut (?6äion.Iai-i3), Kuhweizen (Nsi3.n1p^ruM), Hahnenkamm (KK1112.1M11.8) und dem E h r e n p r e i s (Veroräoa).
Die im Waffer lebende Bachbunge (V.VsooabunAa) wird als Salat gegessen.
I n der Medicin werden verwendet die Blätter des prächtig roth blühenden,
giftigen F i n g e r h u t s (DiSitaiiH, und als Brustthee die gelben Blüthen der
stattlichen Königskerze (Verb^orlin), auch W o l l b l u m e genannt. Von Ausländern sind als Zierpflanzen beliebt die Pantoffelblümchen (OalosoiariH)
und das Moschuskraut (Nimn1ii8), mit gelben, stark nach Moschus riechenden Blumen. Ziemliche Verbreitung hat der seit Kurzem aus Japan eingeführte
P a u l s b a u m (kanio-nina) gefunden; er wird als Zierbaum gezogen, gleich
dem Trompetenbaum (Vissnonig. Oatalpa), der einer Nachbarsamilie angehört. Beide haben schöne, straußförmige Blüthen.
186
Am Schlüsse der M o n o p e t a l e n zählen wir noch einige Pflanzen auf,
die, vereinzelt für sich stehend, nur kleine Familien bilden, jedoch in verschiedener
DikotMonen:
Klasse V I . KreWräger.
289
Hinsicht bemerkenswerth sind, wie der M i s t e l (Visonm) als Schmarotzer; der
spitze Wegerich (?1gaMA0 iauosolata), Fig. 207, als gutes Futterkraut; der
G u t t a - Percha- B a u m (Isonanära
^ntta) auf Malakka uud der E b e n h o l z - B a u m (DiOZ^roZ Nbsnuin) in
Ostindien wegen ihrer Producte; die
S t o r a x b ä u m e (Zt^i-ax vul^aris und
8t. V6Q20W), .welche wohlriechende
Harze, den S t o r a x und die B e n z o s
liefern.
V I . Klasse.
Polyp etaleu;
(Pflanzen mitmehrblättrigerVlumenkrone.)
54. V a m i l i G ä s i ' XrsuHträSSe 187
(Oruoifsi'as).
Wir- haben hier wieder
eine der großen und wohlcharakterisirtcn
Familien des Pflanzenreichs vor uns.
Ihre Gewächse gehören der lö.Klassel^.
an, denn die Blüthen haben vier lange
und zwei kürzere Staubfäden; auch haben
sie vier, in Form eines liegenden Kreuzes ( X ) gestellte Blätter, und ihre
Früchte find Schoten oder Schötchen.
Alle Theile der Pflanze enthalten ein
reizendes, schwefelhaltiges, flüchtiges Ocl
und die Samen liefern fettes Ocl. Die Blätter werden durch die Cultur sehr
mächtig und geben unsere gewöhnlichsten Gcmüse. Ich darf nur des S a u e r ,
t r a u t e s erwähnen, um die Bedeutung dieser Familie festzustellen. Die Wurzeln werden durch die Cultur fleischig und reich an Pflanzengallerte.
Erwähnung verdienen als Zierpflanzen mit Blüthen von starkem Wohlgeruch: die Levkoje (Nattkiola.), der gelbe V e i l oder Goldlack (Ok^remtkus), die Nachtviole (HsspSiäs), die M o n d r a u t e (I^nnaria). Das an
den Seeküsten hausige Löffelkraut (OoMsaria. ONoiHÄUs) ist ein vorzügliches
Mittel gegen den Skorbut. Ein gemeines Unkraut ist die H i r t e n t a s c h e
(OgWOiia). Als Küchengewächse sind zu bemerken: der auch als Heilmittel verwendete S e n f (3in3Pi8), die Kresse (IlSpiäiuiri), die B r u n n e n k r e s s e
(Nkstui-tiurli), der M e e r r e t t i g (Oocziiisai-iH ^rinoi-aoia), richtiger Mährrettig, d.i. Pferdcrettig genannt; der N e t t i g (RNxkNnns), von dem die Cultur
eine, große Anzahl von Spielarten erzeugt hat, was in noch höherem Grade bei
dem Gemüsekohl (Lrassica olsraoSa) der Fall ist, dessen Abkömmlinge unter
den Namen Krauskohl, Wirsing, Blumenkohl, Blaukohl, Kohlrabe, Weißkraut
oder Kopfkohl, Nothkraut u. a. m. unsere geschätzten Gemüse sind; als solches
II.
.
w
290
L . Besondere Botanik.
sowie als Viehfutter dient auch die weiße Rübe (Vi-3.L8ioa ra^g.). Als
Hauptölgewächs wird der Reps oder Raps (Vra83ioH uapus), Fig. 208, an-
gebaut. Der Waid (IsatiL tinctoria), Fig. 209, hatte vor der Einführung
des Indigos als blaue Farbe eine größere Bedeutung.
Z88
55. WainiliG Äsr VioiSN (Violariusas). Das wohlduftende Veilch en
sViola oäoratg.) verdient schon um semer Bescheidenheit w ^
Platz. Weitere Arten sind das dreifarbige Veilchen oder S t i e f m ü t t e r chen (V. trioolor) und das Ackerveilchen oder Freisamkraut (V. arvsn8i8),
das als Thee gegen Hautkrankheiten gegeben wird. Die Wurzeln der Veilchenarten wirken brcchenerregmd.
189
56. Painilis Äsr M o l i n s (?IP3.vsra.o63.6). Die bedeutendste Pflanze
dieser Familie ist der gewöhnliche M o h n (?ap9.v6r soiuMsi'UN), Fig. 210.
Er enthält einen Milchsast, welcher eingetrocknet das O p i u m bildet. I n der
291
Dikotpledouen: Klasse V I . Mohne.
Türkei und in Ostindien wird der Mohn zur GcwiANUNg des Opiums angebaut. I n Deutschland ist er weniger saftreich, allein man baut ihn wegen» des
wohlschmeckenden Oeles seiner Samen. Der
Mohnsaft wirkt narkotisch-giftig, und die Orientalen bedienen sich desselben,-als eines berauschenden Mittels, mit höchst verderblichem Erfolg für ihre Gesundheit. Das Opium ist ein
Gemenge von Kautschuk, Harz und mehreren
Wanzensamen und Pflanzenbascn, von welchen das Morphin (Chemie §.174) die wich«
tigste ist.
Wild wachsend finden wir den Feldmohn
oder die Klatschrose (?a^3.v6r rliosag) und
das S c h ö l l k r a u t (Ok6iiä0Qinui) mit gelbem
Milchsafte.
57. VamMs dsr DroLSriSU. (Drose- 19l)
riHosas). Sie wird benannt nach dem S o n n e n t h a u (ViDASra), einem niedlichen Torfboden-Pstänzchen, dessen Blättchen mit rothen
Haaren besetzt sind, aus deren Spitzen helle
Wassertröpfchen sich ausscheiden. Merkwürdiger ist die nordamerikanifche F l i e g e n f a l l e
(VionaGs. Ansoipnia.). Das, behaarte Blatt derselben zieht sich zusammen,
wenn es durch ein sich darauf setzendes Infekt gereizt wird. Letzteres wird
dadurch erfaßt und erst wenn es todt ist breitet sich die Blattstäche wieder aus.
b8. Pganilis Hsr 3SOrQ86u. ( ^ i n ^ k ^ a c e a s ) . Als Zierde derstehenden191
Gewässer kennen wir unsere weiße Seerose ( ^ m ^ I ^ e a ) , die nahe verwandt
ist mit der cgyptischen Seerose oder L o t u s b l u m e (5l. lotus), deren Samen
und Wurzel eßbar sind und die man als Sinnbild des Reichthums auf egyptifchen Denkmälern häufig abgebildet findet. Wohl als die prachtvollste aller
Pflanzen dürfen wir die g u i a n i s c h e S e e r o s e (Victoria rsssia) mit ihren
weiß und rosenrothen Blüthen, die 4 Fuß im Umfang haben, und mit Blättern
von 15 Fuß im Umfang, anführen.
59. PannUs Äsr NaNnukGin (KanuNoulacoaG). Die Ranunkeln bil- 192
den eine zahlreiche, fast ganz
liche Glieder mehr oder weniger Schärfe haben und zum Theil giftig sind.
Viele derselben sind ihrer schönen Blüthe wegen Zierpflanzen, und einige werden in der Medicin angewendet.
Bemerkenswerth sind: die Gattung R a n u n k e l oder Hahnenfuß (Raunneräug), worunter die sogenannte B u t t e r b l u m e (K. acris und anriooinnL)
auf allen Wiesen und der g i f t i g e H g h n e n f u ß (K. LasisratuL) in sumpfigen Gegenden gemein ist; die schwarze N i e ß w u r z (N6ii6li0ru.8); die Leberblume (^QSinoiis); der Eisenhut (^.oonituni); der R i t t e r s p o r n (Oslxkiniuiu); der A k e l e y ( ^ n i l s g i a ) ; das B l u t s t r ö p f c h e n (^äonis); der
33«
292
L.
Besondere Botanik.
Schwarzkümmel ( M ^ s i i a ) , und endlich die T e l l e r - oder E s s i g r o s e
(kasoma). Die verschiedenen Arten der W a l d r e b e (Olsmatiä) sind kletternde
Sträucher, die häusig zu Lauben gezogen werden.
193
eo. V a i n M s ä s r M a g n o l i e n (NaAnoliHoyas). Von diesen ausländischen
Gewächsen erblicken wir in Lustgärten zuweilen den schönen T u l p e n b a u m
(lärioäsnäron) und die M a g n o l i e n (Na^noliN), strauchartige Bäume, ganz
bedeckt mit großen, lilienförmigen und wohlriechenden Blumen. Die sternförmigen Früchte des AnisDaums (IllioiuM) werden unter dem Namen S t e r n anis als Gewürz verwendet.
19^
6l. V a i n i l i s Äsr Nsdsu. (^uix6iiHs3.6). Der Weinstock (Viti8 viniksra)
bildet für sich allein eine Familie. Obgleich sein Vaterland Persicn ist, so hat
er sich doch in Deutschland aufs Vortrefflichste heimisch gemacht, und die deutschen Zungen sind wenigstens im Lobe des Rheinweins einig. Die edelsten
Torten-desselben übertreffen an feinem Wohlgeruch und Geschmack alle Weine der
Welt und werden aus dem R i e s l i n g gewonnen, einer kleinbeerigen Traube, der
nur in den heißesten Jahren seine vollste Reife erlangt und alsdann ganz bräunlich wird. Der rheinische Weinbau erfordert einen großen Aufwand von
Arbeit und Dungmitteln. Es giebt unzählige Traubcnsortcn und die daraus
erzeugten Weine find höchst verschieden (s.Chemie §. 207). Unter demNcunen der
K o r i n t h e n , R o s i n e n und C i beben kommen, namentlich aus Griechenland,
die getrockneten Weinbeeren in den Handel. Die aus Nordamerika stammende
w i l d e Rebe (^in^sio^Lig) eignet sich vortrefflich zur Bekleidung von Lauben
und Wänden; ihr Laub wird im Herbste schön purpurroth.
183
62. L'g.milis H6I7 AH-litSQ (KutaosÄs). Die Familie hat mehrere Untcrabtheilungen, die zum Theil als selbstständige Familien betrachtet werden. Bemerkenswerth sind: die R a u t e ( N n w ) , enthält ein stark riechendes, flüchtiges
O e l ; der D i p t a m (DiotaNnnL), eine der schönsten unserer wildwachsenden
Pflanzen, an dessen reicher, purpurrother Blüthe in warmen Sommernächten zuweilen ein Leuchten beobachtet werden soll; das außerordentlich bittere F l i e g e n holz (HugHsia) und das sehr dichte Pockenholz oder F r a n z o s e n h o l z
((Tii^aoum), beide Arzneimittel. Das letztere wird besonders zu Kegelkugeln
verarbeitet.
196
63. WainiliG Her N s i k s n (0g^oxdM6H6). Als Zierpflanzen finden wir
in allen Gärten die N elken (Diantkus) und verschiedene Arten der Lichtnelke
( I r i n a s ) . Die S t e r n m i e r e W s i i a r i a insäia), auch H ü h n e r d a r m genannt, ein verbreitetes Unkraut, dient als Vogelfutter. Das S e i f e n k r a u t
(Zaponaria.), dessen zerquetschte Blätter mit Wasser gerieben dieses^m ^ M u m versetzen, und die in Getreidefeldern wachsende gemeine K o r n r a d e ( I ^ d i u i L
ssitliaZo) gehören gleichfalls hierher.
197
64. ?g.iu.i1is äse I,siiiG (länsas). Die wichtigste Pflanze dieser kleinen
Familie ist der L e i n oder Flachs (läunni), dessen spinnbare Faser zur Leinwand verarbeitet wird, die man in mehrfacher Hinsicht den Geweben aus Baumwolle vorzieht; sie ist namentlich sehr dauerhaft und selbst ihre Lumpen haben
großen Werth, da sie das beste Papier geben. Der L e i n (Fig. 211) ist eine
Dikotyledouen:
Klasse V I . Camellien.
293
zierliche Pflanze mit himmelblauer Blüthe, daher ein blühendes Leinseld einen
schönen Anblick gewährt; sein Anbau ist in den gemäßigten Kümaten sehr verbreitet und vorzüglichen Flachs erzeugen
die russischen Ostseeprovinzen, woher
man zur Aussaat den Leinsamen aus
R i g a kommen läßt. Der Leinsamen
wird als schleimiges Mittel in der Medicin, das Oel desselben zu Firniß und
Oclfarbcn verwendet und der rückständige
Oelkuchen dient als gutes Viehfutter.
es. VainiliO Hör O3.N6iij.On (Oa- 198
in6i1ik06Ä6). Außer den C a m e l l i e n
(0^N6i1iÄ Ha^oiäoa), welche eine der
schönsten Zicrden der Gewächshäuser sind,
enthält diese Familie den Theestrauch
( I k s a L1Q6N818), dessen einziges Vaterland China ist, so daß alle Völker Europas dem Reich der Mitte für seinen
Thee zinsbar sind. Je nach der Jahreszeit, in welcher die Blätter gesammelt
werden, nach dem Alter derselben und
dem Theile, von welchem sie entnommen
sind, namentlich aber nach der Art ihrer Zubereitung, liefern sie die verschiedenen Theesorten. Frischgepstückte Blätter, auf heißen Blechen rasch getrocknet
und dabei gerollt, geben den grünen Thee; der schwarze Thee wird erhalten,
indem man die Blätter einige Tage aufschichtet, wodurch sie welken und sich
erhitzen, worauf man sie langsamer trocknet. Uebrigens ist aller nach Europa
ausgeführte grüne Thee künstlich gefärbt. Auch wird der Thee durch aromatische Blätter und Blüthen parfümirt. Das in den Theeblättern enthaltene
Theein ist übereinstimmend mit dem krystallisirbaren Stoff des Kaffees (s. d.).
Nach Europa beachte eine russische Gesandtschaft im Anfang des 17. Jahrhunderts den ersten Thee aus China, dessen jährliche Thceproduction man auf
ungefähr 500 Millionen Pfund anschlägt.
66/^Hnii1i6äsrVMtQ6i'1sii(Zu6ttn.6i'iao6as). Die Umgegend von Mexiko 199
ist das Vaterland des Cacaobaumes (Llieobromg, 02.09.0). Seine gurkenartigen Früchte enthalten fettreiche Samen, die Cacaobohnen, welche zerrieben
und mit Zucker vermischt die Chocolade liefern; auch enthalten sie denselben
krhstallijirbarcn Stoff wie der Kaffee.
67. L'Niuilis Ä6r MHivsu. (N3.1vao6g.s). Diese Familie entspricht der W l )
16. Klasse^., da in den Blüthen der hierher gehörigen Pflanzen viele Staubfäden zu einem Bündel verwachsen sich vorfinden. Es kommen krautartige Gewächse,
Sträucher und Bäume vor, letztere in d.m warmen Ländern, worunter der
A f f e n b r o t b a u m oder B a o b a b (^äanZonia) in Afrika sich auszeichnet durch
seinen dicken Stamm von 30 bis 40 Fuß Durchmesser; seine Früchte find
294
L . Besondere Botanik.
eßbar. Als Ziergewächse dienen: die G a r t e n m a l v e (I^avatsra), der M a l venstrauch (Hidi8ou3 s^i-iao-lis) und die Stockrose M t ^ s a roLea) oder Stockmalve mit mannshohem Stengel und reichen Blüthen in allen Farben, von
welchen die dunkelrothen zum Färben verwendet werden. Wegen ihres Gehaltes an Schleim werden medicinisch verwendet die kleine Malve oder K ä s p a p p e l (Naiva rownäilolia) und die weiße Wurzel des Eibisch i M k a s a
Eine der wichtigsten Pflanzen ist jedoch der B a u m w o l l e n s t r a u c h (6o8L^inw.), der aus seinem Vaterlande Afrika und Ostindien auch nach Nestindien
verpflanzt worden ist und selbst im südlichen Europa gedeiht. I n seinen Samenkapseln entwickelt sich mit dem Reifen der Samen die Baumwolle, wie wir
diese in ähnlicher Weise bei manchen unserer Pappeln und bei den Weidenröschen (Rxilokiliiri) wahrnehmen. Bei weitem die Mehrzahl der Menschen kleidet sich in Baumwolle, und nicht allein der Anbau dieses Strauches, sondern
auch die Verarbeitung beschäftigt Millionen von Menschen, ungeheure Fabrikanstalten und die kunstreichsten Maschinen.
Der Verbranch und die Verarbeitung der Baumwolle innerhalb des Zollvereinsgebiets ist in steter Zunahme begriffen, wie nachfolgende Zahlen ergeben:
Einfuhr.
201
A u s f u h r.
Nohe
Baumwolle
Verarbeitete
Baumwolle
Rohe
Baumwolle
Verarbeitete
Baumwolle
Zoll-Ccntncr
Zoll-Ccntmr
Zoll-Cmtncr
Zoll-CciUncr
1850
494/298
523.157
151,953
153,734
1857
1,041,408
580,790
263,094
243,739
68. ?9.inili6 dsr LtorokLoknädsi (66i-ani3.o63.6). Den Namen hat die
Familie von der Form der Früchte der hierher gehörigen Gewächse, die überdies durch schöne Blüthen und zierlich eingeschnittene Blätter sich auszeichnen.
Von den bei uns wildwachsenden sind am schönsten das W i e s e n - G e r a n i u m
(Osranium ^ratsi^s) mit großer blauer Blume (dessen Blatt siehe Fig. 82),
und das purpurrothe Rosen-Geranium ( 6 . i-086u.rQ). Besonders aber werden
die vom Cap der guten Hoffnung stammenden P e l a r g o n i e n (?s1arS0iiinin)
cultivirt, deren man über Hunderte von Spielarten hat, wovon das prachtvoll
scharlachrothe S k a r l e t ( ? . ^onais) das bekannteste ist.
202
69. V a m i l i S 6.6? O r a n F s n (^rg.ntig.<:s3.6). Diese dunkelblättrigen, immergrünen Bäume des südlichen Europas zeichnen sich fast in allen ihren Theilen
durch einen Gehalt an lieblich duftendem Oele aus und durch schöne gelbe
Früchte, welche Zitronensäure, zum Theil auch Zucker enthalten. Auch findet
sich in den Schalen der Früchte, namentlich der unreifen; ein aromatisch bitterer
Dikotyledonm: Klasse V I . Ahorne.
295
Stoff. Anzuführen
sind:
Ora^genodcr Pomeranzenbaum (0. anrantinin) und der Vergamottbaum ( 0 .
limetta); die Frucht des letztgenannten liefert das wohlriechende Bergamottöl.
70. V a i n i l i s ä s r ^ I i o r i i S (^a6riQ6N6). Ein vorzügliches Material zu ver- 203
schiedenen Holzarbeiten, nnter Anderm auch zu Pfeifenköpfen, liefern mehrere
Arten des Ahorns iAosr), deren Holz überdies als Brennstoff geschätzt wird.
Der Frühlingssaft aller Ahornbäume ist sehr zuckerreich und aus dem des
Zucker-Ahorns (^.. La<nk2.riQuui) wird in Nordamerika Zucker gewonnen.
Blatt des fpitzblättngen Ahorns.
71. L'a.iu.U.i.s äor ONatSSn (Oaotsae). Aus Amerika erhielten wir an 400 W 4
Arten der wunderlichsten Pflanzen, die, gleich Mißgeburten von der gewöhnlichen
Bildung abweichend, aus saftigen, bald walzenförmigen, oder kgntigen, kugeligen oder lappigen, einfachen oder verzweigten Stengeln bestehen und an welchen
zahlreiche oft gefährliche Stacheln die Stelle der Blätter vertreten. Aber prachtvolle Blüthen brechen aus den meisten dieser krüppelhaften Gestalten und erregen durch den Gegensatz um so mehr unsere Verwunderung. Einige Cactccn
sind im südlichen Europa eingebürgert. Nützlich ist besonders der Feigeneactus (Oxuntia vul^aris) durch seine eßbaren Früchte, indische Feige genannt, und derCochenillencactus(0MQtiN00oAQs11i56rel.), auch Nopal genannt, als Nährpfianze der Cochenille, I n den Wüsten sind die Cactecn erquickend durch ihren säuerlichen Saft und außerdem dienen sie als Brennstoff
und zu undurchdringlichen Umzäunungen. Wegen ihrer Blüthen zieht man am
gewöhnlichsten Osröns 8psoi08U8, 0 . Äa.As1M)nni8 und 0. ^viiaiMoiäoL.
296
L. Besondere Botanik.
205
72. Z'aznilis äs? Q-rogssin s^roILuiNi-iiiO^ß). Eine kleine Familie, deren Sträucher fast in keinem Garten fehlen, denn die Stachelbeere (RiKsL
Sr088ularia) und die Johannisbeere (K. ruki-um) sind allerwärts beliebt.
Aus der letzteren wird Citronensäure gewonnen. Einige amerikanische Straucher dieser Familie werden als Ziergewächse gestanzt.
2V6
73. V'g.mMG ä s r DolÄSn.träFGi' (Hmb6i1ilsra6). Die Dolden- oder
Schirmträger sind krautartig und haben kleine, ^fünfblättrige Blüthen mit
fünf Staubfäden, gehören daher zur 5. Klasse I,. Ihre Blüthendolden
und vielfach getheilten Blätter sind weitere sehrcharakteristischeKennzeichen.
Die Samen sind kleine Doppelfrüchtchen mit verschiedenen Rippen und Streik
fen, welche hauptsächlich zur Unterscheidung der Gattungen dienen; auch sind
sie meist reich an flüchtigem Oel, und werden, deshalb theils als Gewürze
theils als Arzneimittel benutzt. Von mehreren wird die saftige und zuckerreiche
Wurzel gegessen, und wir erwähnen in dieser Beziehung die gelbe Rübe oder
Dikotyledotten: Klasse V I . Dolbenträger.
29?
Möhre (Dances oai-ota), den Sellerie (^piniu AlavSoIsus), die Petersilie
(^.xium p6tr086iinnra) und den Pastinak (?g,8tiuaeg,). Durch ihre aromatischen Samen sind ausgezeichnet der Kümmel (Oarnni oarvi), Fig. 213,
zugleich ein gutes Futtcrkraut; der Fenchel (^oouioränua), Anis ( L i m ^ nslia aniLuiu), der Coriander (Oorianärum), der Wasserfenchel (?Ii6ilauärium), der D i l l (^.nstliniQ) und der Kerbel (^.ntw-iLons), zugleich ein
Küchenkraut. Auch der Bärenklau (Nsraolonui splionäMnui), Fig. 214,
wird jung vom Vieh gcrn gefressen; der Riesenbärenklau (U. AiAantOnm)
wird wegen seinerstattlichenBlatt- und Doldenbildung in Anlagen gepflanzt.
Neben diesen in mehrfacher Weise verwendeten Pflanzen treffen wir jedoch
einige sehr gefährliche, nämlich den Schierling (Oonium inaoulatuin) und
unserer Giftpflanzen, welche bei weitem die meisten Unglücksfälle veranlassen.
298
L . Besondere Botanik.
da sie.mit einigen der oben genannten nicht nur ziemliche Ähnlichkeit haben,
sondern häufig an denselben Standorten wie diese vorkommen, daher Verwechselungen leicht möglich sind. Diese haben sich schon ereignet, indem beim
Sammeln die Wurzel des als Salat gebräuchlichen Pastinaks mit der des
Schierlings, und die Hundspctersilie für die gewöhnliche Gartenpetersilie oder
statt des Kerbels genommen wurde.
Der S c h i e r l i n g hat einen 3 bis 4 Fuß hohen Stengel, der rund, hohl
und mit dunkelrothen Flecken besprengt ist. Seine Blätter sind glatt, dreifach-
Dikotyledonen - Klasse V I . Doldenträger.
299
gefiedert, die Vlättchcn lanzettförmig, eingeschnitten, gesägt, mit einem weißen
Haarspitzchen an den Zähnchen. Die Hauptdolde hat eine Hülle, die aus
einem bis fünf Blättchen besteht; die Döldchen haben dreiblättrige, herabhängende Hüllchen; die Blüthen" sind klein und weiß; die Frucht ist eiförmig,
von der Seite zusammengedrückt, und die Früchtchen sind mit fünf gekerbten
Nippen versehen. Die ganze Pflanze hat einen widrigen Geruch, namentlich
wenn sie welkt oder zwischen den Fingern gerieben wird.
Der Pastinak unterscheidet sich vom Schierling durch seine gelben Blüthen
und das Fehlen der Hülle'und Hüllchen. M i t der Petersilie, Fig. 216, kann
der Schierling fast nur verwechselt werden, so lange er noch keinen Stengel getrieben hat. Die kleinen Blättchen der Petersilie sind eirund, eingeschnitten und
gezahnt und haben gerieben einen angenehm aromatischen Geruch.
Die Hundspetersilie hat doppelt gefiederte Blätter mit schmalen Blättchen. Die Dolde entbehrt der Hülle, dagegen sind die Döldchen mit dreiblättrigen herabhängenden Hüllchen versehen. Die Frucht ist kugelförmig, an den
"Früchtchen befinden sich fünf dicke Hauptrippen.
Diese Pflanze kommt sehr häufig in den Gärten vor und kann mit dem
Kerbel und der Petersilie verwechselt werden. Ihre schmäleren und geruchlosen Blättchen unterscheiden sich jedoch von jenen beiden. Besser als nach
jeder Beschreibung lassen sich diese Pflanzen nach den beigefügten Abdrücken,
Fig. 217 bis 219, unterscheiden, die von ihren Blättern selbst genommen
worden sind.
300
L.
Besondere Botanik.
Noch giftiger als die beiden vorhergehenden ist der Wasserschierling
WioutÄ viroZK), allein da er entfernt von den Wohnungen instehendenWassern
wächst, so ist er weniger gefährlich. Der Schierling hat
eine gewisse geschichtliche Berühmtheit, wiewohl tramiger
Art.
Der Saft desselben
diente im alten Athen zur
Hinrichtung von Staatsverbrechern.
S o k r a t e s , der
edelste der griechischen Weisen,
fälschlicherweise von seinen
Feinden als Verbreiter gefährlicher Lehren angeklagt, wurde
zum Tode durch den Schierlingtrank vcrurtheilt.
Einige Doldenträger Persiens enthalten Milchsäfte, die
zu Gummiharzen (Chemie §.
191) eintrocknen, worunter
der heftig nach Knoblauch
riechende Teufelsdreck oder
Äsa f ö t i d a (von l ^ n i a ) und
das A m m o n i a k - G u m m i
(von Dorsina) in der Medicin
Anwendung finden.
207
74. Va.iu.i1i6 Äsr N^Su.2äOriis (Kkamnoas). Der K r e u z d o r n (Ma.ui'uns oNtkarticmZ) hat schwarze Beeren, die einen blauen Saft enthalten, welcher mit Kalkwasscr vermischt und eingetrocknet, das S a f t g r ü n darstellt.
Die Kohle des F a u l d o r n s (RK. lran^ula) wird vorzugsweise zur Vereitung
des Schießpulvcrs geschätzt. Der im südlichen Europa wachsende I u d c n d o r n
( N s ^ I i n I ) liefert dieBrustbeeren. Aus nahverwandten Familien find anzureihen: die immergrüne S t e c h p a l m e (Ilsx aHnitolirun) mit hochrothen Beeren,
in England »H oly« genannt und als Fcstschmuck am Christabend dienend; der
Matestrauch (Ilsx xÄra.SQ3.^sQ8i8), dessen Blätter den in Südamerika allgemein gebräuchlichenParaguaythee geben; der S p i n d e l b a u m (Nvon^.
inus), ein Zierstrauch mit schönen, rosenrothen Früchten, Pfnffcnkäppchen genannt, die orangefarbige Samen enthalten.
208
?5. ?HnMiG 6.sr RKrdi880 (Ouourkitaosas). Diese krautartigen, rauhbehaarten Gewächse gehören meist den wärmeren Ländern an. Sie haben einen
klimmenden, mit Ranken sich aufrichtenden Stengel, große Blätter, ein-und zweihäusige Blüthen, beerenartige Früchte, meist von ungewöhnlicher Größe. Aus
Asien sind eingeführt worden: die Gurke (Ononmis sativ^s), die Melone (0.
m ^ o ) , Fig. 2 2 0 , mit saftigen, süßen Früchten, vorzüglich im südlichen Eu-
Dikotyledonen: Klasse V I . Kürbisse.
301
ropa angebaut; derKürbis (Onaurbita.), bei uns als Viehfutter gepflanzt, hat
Früchte, die mitunter 100 bis 200 Pfund wiegen; sie enthalten über 4 Proc,
Zucker und werden in Ungarn zu dessen Fabrikation benutzt. Es giebtviele Kürbisarten, von welchen wir nur den Flaschenkürbis (oder Calabasse) erwähnen,
der cusgehöhlt zur Aufnahme von Flüssigkeiten dient. I n der Medicin finden
Anwendung: die S p r i n g g u r k e (Nomordia. NiHt6riu.ni), die bittere Coloquinthe (0uc;iinii8 Ooloo^ntliiZ) und die an Hecken gemeine Z a u n r ü b e
(Zr^ouia) mit großer, rübenförm.iger Wurzel.
76. L'NMIiS Ä6r ?6ttFS^Ho3iZ6 (OrNäZniaoeaG). Sie zeichnen sich durch 299
ihre dicken und saftigen Blätter aus, obgleich sie meist auf ganz trockncm Sand
oder Gestein wachsen, wie der gelbbluhende, brennend scharf schmeckende M a u e r pfeffer (8säniu. aors) und die bekannte H a u s w u r z (86Mp6rvivu.m).
77. ^ a i n i i i G Äsr ^srsdiiit!3i6Q (^srOdiQtiiaos^
Die Baume und 2II)
.Sträucher dieser großen, nur den wärmeren Landern angehörenden Familie liefern eine Menge von Harzen, aus welchen wir als die.wichtigsten den M a f t i z
(von ?iLtaoi9.) und die M y r r h e (von ValsallioäeiKirou) erwähnen. Die verschiedenen Arten des Sumach(Nrl.8) sind gerbstoffreich und insbesondere werden die Blätter des in Süde'mopa angebauten Gerbersumach (Rk. coi-iHria.)
unter dem Namen Schmack zum Gerben und Färben benutzt. Der G i f t su mach (RK. toxicoHsnäi-OQ) enthält ein flüchtiges Gift von eigenthümlicher
Wirkung, die gewöhnlich ein Anschwellen desjenigen veranlaßt, der nur einige
Blätter in der Hand hat oder sich in der Nähe des Baumes länger aufhält.
Doch wlrkt es nicht in gleicher Weise auf alle Personen. Als Zierstrauch findet
man häufig den Perrückenbaum ( M . potiims). Eßbar sind die grünen, man«
302
L. Besondere Botanik.
delartigenFrüchte der Pistacie (?i8t3.oig.Isutiäous) und die indischen Mangop f l a u m e n (von 8p0Q<1ia8 man^ilSva).
211.
73. Vanniis äor On^Frarisn (OuassrarisaS). Sie enthält vorzüglich wegen ihrer schönenBlüthcn bemerkenswerthe Gewächst, wie dieWeidenröschen
(Nxilodiuin), von welchen das schmalblättrige Weidenröschen (N. anAULtikoliuui) mit hoher, purpurfarbiger Vlüthenähre eine Zierde unserer Wälder ist; die Nachtkerze (Osnotksi-a siehe S . 248) öffnet ihre gelbe Blüthe
gegen Abend; die Fuchsie (^nokäia), aus Südamerika stammend, eine der
beliebtesten, in vielen Spielarten gezogene Zierpflanze. Auch wird die aufstehenden Gewässern am Rhein schwimmende Mutterpflanze der stacheligen Wassernuß (Lrapa. nataus) hierher gerechnet.
212
79. FNinilis Äsr M ^ r t s n (N^rtaesHs). Aus derselben ist in Europa heimisch nur der Myrtenstrauch (N^rtus oommninZ), dessen Zweige mit glänzend-grünen Blättern und weißen Blüthen eine freundliche Verwendung zu
Brautkränzen finden. Die übrigen Pflanzen gehören den Tropenländern an,
und zeichnen sich meist durch einen Gehalt an aromatischem Oel aus. Der
Nelkenbaum (Oar^o^IiMuL) liefert die bekannten Gewürznelken; der
Cazeputbaum (Neiaisnea.) das Cajcputöl, beide in Ostindien zu Hause.
I n Südamerika erzeugt der Pimentstrauch (N^-rtuL xiinGnta) den Nelkenpfeffer oder Piment, und die birnähnlichen Früchte des Cujavabaums (?8iäium) werden als ein wohlschmeckendes Obst verwendet. Nahe verwandt ist
dieser Familie der Granatbaum (?unio3.), mit prächtig feuetrother Blüthe
und eßbaren Früchten; er wächst im südlichen Europa.
213
so. VainiliG äsr Ac)86n (KoLaosas). Als das sehr bestimmte Merkmal
dieser Familie erscheint es, daß die Blüthen der ihr angehörenden Pflanzen zahlreiche Staubfäden haben, welche auf dem Kelchrande stehen. L i n n s bildete aus
denselben seine zwölfte Klasse. Mit Recht wurde an die Spitze dieser großen
und ausgezeichneten Familie die Königin der Blumen, die Rose, gestellt, die
von den Dichtern aller Zeiten und Zungen gefeiert, hier keiner weiteren Verherrlichung bedarf. Doch hat man neuerdings ihrer unmittelbaren Herrschast
die Gewächse mit Apfelfrüchten und Steinfrüchten entzogen und daraus besondere
Familien gebildet.
Die gefüllte oder hundcrtblättrige Rose (RoZa osntiiolia) stammt
aus dem Orient, wo aus den Blättern verschiedener Rosenarten das kostbare'
Rosenöl gewonnen wird; die Monatrose (R. ^allica) stammt aus dem südlichen Europa. Von beiden hat die Cultur unzählige Sorten erzeugt." Die^
Heckenrose A . oaninI.) liefert die Stämme, auf welchen die veredelten Rosen
oculirt werden; ihre Früchte, Hagebutten genannt, werden gegessen. Wir
schätzen ferner wegen ihrer Früchte den Himbeerstrauch (Rickus Iä9,6N8),
den Brombeerstrauch (K.
als Ziersträucher, die verschiedenen Arten der Spierstaude (Zxirasa); als zierliche
Pflänzchen das Fingerkraut (Votsptiiia) und den Frauenmantel (^.1«
oksuiilia); in der Medicin die Nelkenwurz ( M n m ) ; endlich als Futterkram
Dikotyledoneu: Klasse V I . Apfelträger.
303
den blutrothen Niesenknopf(?0t6riuni), Fig. 2 2 1 , unter dem Namen B i b e r nell auch als Küchenkraut verwendet.
81. Sg.ru.i1iG 6.sr H.pks1träF6r st>0iQN- 214
osas). I n ihrer Blüthe stimmen sie im Wesentlichen überein mit den vorhergehenden; die
Samen stecken in einem lederartigen oder körnigen Gehäuse, das von saftigem Fleisch umgeben ist. Wir finden hier die nützlichsten
Obstbäume, den A p f e l b a u m ( V ^ u s raaluä)
und den B i r n b a u m (?. oonirauuiZ), welche
das Kernobst liefern. Beide Bäume wachsen
vereinzelt - wild in unseren Wäldern mit ungenießbaren Früchten, den sogenannten HolzAepfeln und Birnen.
Die feinen Kernobstsorten, die durch Cultur erzeugt worden sind, können nur durch
Pfropfen vermehrt werden, da die aus Kernen
gezogenen Sämlinge wieder in Wildlinge zurückschlagen. Auch die Früchte des Q u i t t e n baumes ((^äonia.) und des M i s p e l s <Ms8M u s ) sind genießbar.
Der Vogelbeerbaum (8 ordus) wird an Wegen und Anlagen, der W e i ß d o r n (NrI.t3.6AU8) in Hecken
gepflanzt.
82. ^ H N i l i G HSV 3tSiHOd8tti'I.FS37 (vl.'uxac6Ä6). Die Blüthe ist den 215
vorhergehenden sehr ähnlich; der Same ist in ein steinhartes Gehäuse eingeschlossen, das von saftigem Fruchtfleisch umgeben ist. Die Samenkerne enthalten
Blausäure (was auch beim Kernobst der Fall ist) und mehrere außerdem fettes
Oel. Nächst der vorhergehenden verdanken wir dieser Familie unser vorzüglichstes Obst. Aufzuzählen sind: der gemeine P f l a u m e n b a u m (?i'nrm8
äoiQSLtiekl.) mit runden Früchten; eine Abart desselben mit länglichen und
süßeren Früchten ist der g w e t s c h e n b a u m ; der A p r i k o s e n b a u m (?. ^ r rasuiacg.); die Haferschlehe (?. inLititm), von welcher die R e i n e - C l a u d e
und Mirabelleabstammen; d e r V o g e l k i r s c h b a u m ( ? . a v i u i u ) , von welchem
die S ü ß k i r s c h e n , und der W e i c h s c l b a u m ( ? . Q6in8U8), von welchem die
Sauerkirschen abstammen; in der Medicin sind gebräuchlich die Blüthen der
Schlehe (?. 8Pino83.), auch Schwarz d o r n genannt, eines gewöhnlichen
Heckenstrauchs, und die blausäurehaltigen Blätter des K i r s c h l o r b e e r s (V.
la.uro-ooi'HZus). Den Schluß bilden der M a n d e l b a u m (^.in^äg.1u8 aoininrmis) und der P f i r s i c h b a u m (^.. xerLicg.).
83. L'NuiiliO Hsr NKIssickäFSr (I,sAniinQ0L3.o). Diese große, gegen 216
4000 Arten zählende Familie ist wohlcharakterisirt durch ihre meist schmetterlingsförmigen Blüthen, durch ihre hülsenförmigen Früchte und gesiedeten
304
L. Besondere Botanik.
Blätter. I n der Regel ist in den Blüthen neben neun verwachsenen Staubfäden ein freistehender vorhanden und es gehören somit diese Pflanzen in die
Dikotyledonen: Klasse V I . Hülsenträger.
305
17. Klasse 1/. Wir begegnen hier einer Menge sehr nützlicher Gewächse
und stellen dieselben nach ihrer Verwendung in mehrere Gruppen. Den An-
fang machen die Hülsenfrüchte, deren Samen neben Stärke besonders
reichlichstickstoffhaltigesFibrin und phosphorsauren Kalk enthalten, so daß sie
zn den nahrhaftesten aller Pflanzenstoffe gerechnet werden. Bekannt als solche
sind die Bohne (?kH86ows), Erbse (?i8uin), Fig.222, Puffbohne (Vioia.
iada), Linse (Nrvum), Fig. 223, Platterbse (katk^rug). Als Futtergewächse werden viele Arten des d r e i b l ä t t r i g e n Klees ClrikoUum) angebaut, wie der rothe Klee s?. xratsugs), der kriechende weiße Klee
^ 1 . rsxsng), der purpurrothe I n carnatklee ( 1 . inoarnatnin); ferner der
ewige Klee oder die Luzerne (NbäioNAo sativa), Fig. 224 und der türkische Klee oder die Esparsette (Onodr^okig Lativg.), Fig. 225.
Außerdem wachsen wild auf den Wiesen noch viele Hülsengewächse,,
welche, dem Gras und Heu beigemengt, als vortreffliches Futter dienen. Solche
Zs)6
L.
Besondere Botanik.
sind: die Vogelwicke (Vioia o^oca), Fig. 226, der Sichelklee (NsäiLNZo 5aloaw), Fig. 227, der Hornklee (I^otuL cormoulaws), Fig. 228 und
die Wiesenplatterbse(I^atIi^ru8^2.t6Qsi8). Der S tein-klee (Nsiilotus)
hat besonders im getrockneten Zustande einen angenehmen Geruch und wird unter den sogenannten K r ä u t e r k ä s e gemischt und dem Schnupftaback zugesetzt.
Auch ein Oelgewächs findet sich in dieser Familie, nämlich die tropische
E r d n u ß (^.inokis k^oFasg.), Fig. 229, deren Anbau in Europa mit Erfolg
versucht worden ist. Merkwürdigerweise dringen ihre Blüthenstiele nach dem
Abblühen in den Boden, unter welchem dann die Frucht reift.
Die Gewerbe erhalten aus dieser Familie einige der wichtigsten Farbestoffe, wie namentlich d e n I n d i g o (von InäiZolsra), die dauerhafteste aller blauen
Pstanzcnfarben. Der meiste Indigo kommt aus Ostindien, wo man die Zweige
der Pflanze in Kasten mit Waffer übergießt. Es entsteht eine Zersetzung, in
Folge deren ein grüner Schaum auf die Oberfläche der Flüssigkeit sich erhebt,
die gelb und trübe wird, an der Luft sich dunkelblau färbt und dann einen
Dikotyledonen: Klasse 'VI. Hnlstnträger.
307
blauen Schlamm absetzt. Dieser wird gesammelt, in viereckige Stücke gepreßt
und getrocknet. Das Kampeschen- oder B l a u h o l z (von UasrnÄtox^ioii)
dient zum Färben von Blau, Violett, Schwarz, das Fern am bück- oder
Rothholz (von 0N633.1xiiiig.) zur rothen Farbe und Tinte. Eine gelbe Farbe,
» Schüttgelb « genannt, wird. aus der Färbeginster (HskistI. tinotoria)
gewonnen.
Noch größer ist die Anzahl hierhergehöriger Pflanzen, welche die Medicin bereichern. Wir bemerken die verschiedenen Mimosen (^oaoia), dornige
Sträucher, mit feingesiederten Blättern (siehe Fig.109), welche das arabische
Gummi liefern; die abführenden Blätter des Scnnesstrauchs (OaLsia.);
die süße, fleischige Fruchthülse des I o h a n n i s b r o t b a u m s (OerÄtonia);
das säuerliche Mark der Tamarinde (lamarinäuä); die bekannte Wurzel der
Süßholzpflanze (AI^O^-rrliiLia.), aus welcher der Lakritz bereitet wird; das
Tragantgummi (von ^.8ti-a.Aa1n8). Andere erzeugen harzige und balsamische"
Producte, von welchen wir die Mutterpflanzen des Cop a l harz es (H^mGnasa)
und des Perubalsams (loiräksra.) anführen.
Endlich sind nicht zu vergessen die sogenannten Aca cien (Rodinia.), der
Goldregen (O^tiLus) und die Gleditsche (Msäitoliia.), letztere mit großen dreispihigen Dornen, die, aus Amerikastammend,häusig angepflanzt werden, während die Besengin st er (8xart1nw) in Menge wild wächst.
Auch am Schlüsse der P o l y p e t a l e n haben wir noch eine Ncihe von 217
Pflanzen aufzuzählen, die entweder vereinzeltstehen,oder solchen Familien entnommen sind, deren übrige Glieder uns nicht bemerkcnswerth erscheinen. Dies
verdienen wegen ihrer Blüthen die nachstehenden, theils wildwachsenden, theils
als Gartengewächse gepflegten: Die wohlduftende Reseda (It.686äa oäorata),
die Kapuzinerkresse (L'ropaGoliiia), die B a l s a m i n e (luixatieuL), die
Hortensia (N^ära.QA6g. kortGQLis), das J o h a n n i s k r a u t (A^x6rioum),
der Sauerklee (Oxklis) und die zierlichen Steinbreche (8axikr^a)
deren zahlreiche Arter bis in die Hochalpensichverbreiten.
I n der Heilkunde sind gebräuchlich der bittere Erdrauch (^umaria)
und das Kreuzkraut (koi^ANia.).
Von Sträuchern sind bemerkenswert!) der S a u e r d o r n oder die B e r beritze (Lsi-dOris) mit sehr sauren, scharlachrothen Beeren; die K o r n e l «
kirsche (Oornns ui.g.8<m1g.) mit rothen, länglichen, eßbaren Früchten und sehr
hartem Holz; der Pfeifenstrauch oder wilde Jasmin (?kii2.ä.s1xkn8)
mit weißen, wohlriechenden Blüthen. Kletternde Sträucher sind der immergrüne Epheu (Nsäsra kslix) und die Passionsblumen (?2.s8iÜ0r2,),
von welchen wir mehrere Arten aus dem heißen Amerika erhalten haben.
Zu unseren schönsten Bäumen rechnen wir die Linde ( l i l i a ) , die, eine
herrliche Krone bildend, eine Höhe von 100 Fuß und ein Alter von über tausend Jahren erreicht. Sie liefert ein leichtes, zähes Werkholz und zu Matten
verwendbaren Bast. Von ihren lieblich duftenden Blüthen sammeln die Bienen
reiche Honigschätze; auch geben sie'einen heilsamen Thee.
308
8. Besondere Botanik.
Von Ausländern erwähnen wir den amerikanischen Mahagonibaum
(Z^iswuia.), der ein vorzügliches rothes Möbelholz liefert; den Cocabaum
iNr^tiirox^ion O00I.), dessen Blätter in Südamerika gekaut werden; den oftindischen Gummigutt-Baum ^ed^aHsnärou), eine bekannte gelbe Malerfarbe liefernd, und den Koclelst rauch (Ooeonius), von welchem die giftigen
Kockelkörner kommen.
Nachtrag zur Botanik.
Seite 261, Zeile 5 und 6 von unten statt »OtKotr^olniM und ? o 1 ^
tr^oknui« sehe »Ortkotrioliuiu. und ^oi^triolmui.«
Zu §. 143. Aus den Blattstielen der Steincocos (Oooos I ^ ä s a
oder H.tta.162, lnnikOrg.) wird eine zähe Faser dargestellt, die unter dem Namen
Piassava zu Stricken und Tauwerk verwendet wird. Von einer Palmenart,
?K.M1sPii3.8 w.g.orooarpa, kommt das sogenannte Vegetabilische E l f e n b e i n , einesteinharteweiße Masse, welche das Eiweiß ihrer Samen bildet.
Zu §. 150. Nii83. t6xti1i8 u. a. m. von den Philippinen und Ostindien
liefern den M a n i l a h a n f , auch Abaca- oder P i n a s H a n f genannt. Ausfuhr aus Manila 1862 — 450,000 Centner. 1 Ctr. — 14 Thlr.
Zu Z. 156. Auf den Inseln der Südsee wird aus der gekaueten Kawawurzel, von I>ixsr M6tIiMiouM, durch Gährung ein berauschendes Getränk,
Kawa genannt, bereitet.
Zu §. 163. Der Manschenillenbaum oder M a n z a n i l l o auf
den Antillen enthält zwar in allen Theilen einen scharfen, giftigen Milchsaft,
allein die früheren Angaben, daß er giftige Dünste aushauche, wodurch
dem Menschen ein längeres Verweilen unter demselbensichtödtlich erweise, ist
durch genaue Beobachtungen widerlegt worden.
§. 165. Den neuesten Berichten über die Erzeugung des Zuckers aus
der Zuckerrübe in Deutschland entnehmen wir die nachfolgenden bemerkenswerthen Thatsachen. Es betrug:
I w Jahr M l w
^ ^
^
Ue Steuers den Centner
1837
122
284,102 Ctr.
V4 Sgr.
1865
296
3,413,204 »
71/2 «
Der Zuckerverbrauch für den Kopf war 1834 — 0,11 Pfund und stieg
1841 auf 1,11 Pfd. und beträgt 1865 10,26 Pfd. Die Ausbeute an Nohzucker aus einem Centner Rüben war im Jahre 1846 — 6 Proc.; 1855
— 6^/Z Proc.; 1865 — 8 Proc. Die Erzeugung deckt gegenwärtig den
Verbrauch vollständig und es betrug die im Jahre 1865 aus der Zuckerfabrikation erhobene Steuer 11,956,723 Thaler oder 10 Sgr. für den Kopf.
2
Nachtrag zur Botanik.
Zu §. 173. Für den hier angeführten Feldsalat ist der lateinische
Namen VÄsriNnsiia. gebräuchlicher als ^säia.
Zu §. 174. Die Befürchtung, daß durch eine verwüstende Ausbeutung
der Chinawälder in Südamerika der nachhaltige Bezug der Chinarinde gefährdet erscheine, ist nach den Beobachtungen neuerer Reisenden ungegründet. Dieselben berichten auch von mit vieler Sorgfalt angestellten Versuchen, die Chinabämne auf Java anzupflanzen.
Der Kaffeestrauch ist der Familie der Cinchonen anzureihen und nicht
den nachfolgenden Sternkräutern.
Zu §. 187. Für die Gattung Hirtentasche ist der Name OaxLÄla.
gebräuchlicher als I K I g ^ i .
Zu §. 208. Zeile 4 von unten statt »zweihäusige« setze »ein- und
zweihäusige«. Zeile 2 von unten statt »OnouiQu.U« setze «OnonimL«.
Zu §. 209. Statt »OrasLuIarsHO« setze »0rW8u1a.L6a6«.
Zu §. 216, Seite 306. Als Futterpflanzen sind noch anzuführen die
Gemeine Wicke (Vioig. sativH), wild wachsend und angebaut, sowie die
Feigbohne oder Lupine (I^uxinuL Intsa), mit gelber Blüthe, besonders für
Sandflächen geeignet.
Zu §. 217. An die Linde reihen wir, als der gleichen Familie angehöriA das Geschlecht Corchorus, vornehmlich Ostindien und China angehörig
von deren krautigen Arten (Oorokorus olitorius) die Blätter und jungen
Sprossen im Orient allgemein als Gemüse gegessen werden. Eine andere Art,
OorokornI tsxtiliZ, liefert eine Gespinnstfaser, die unter dem Namen von
J u t e , Jutehanf oder Dschut einen bedeutenden Handelsartikel bildet. Einfuhr in England 1861 — 1,071,000 Centner. 1 Ctr. — 10 bis 12 Thlr