Landesverband der Gartenfreunde Baden-Württemberg e.V. Heigelinstraße 15, 70567 Stuttgart, Telefon: 0711/715 53 06 e-mail: [email protected], Internet: www.gartenfreunde-landesverband-bw.de Hausgarten-ABC Juni: Große Bäume, k(l)eine Freude – Gehölze Während einjährige Pflanzen und die meisten Stauden nicht in den Himmel wachsen, können Gehölze bei unüberlegter Pflanzenauswahl oder falscher Kaufberatung ungeplante und dann auch ungewollte Höhen erreichen, die bei grenznaher Pflanzung früher oder später auch dem Nachbarn missfallen, der in der Nutzung seines Gartens durch Schattenwurf, Wurzeldruck und Pilzkrankheiten durch längere Blattfeuchtigkeit nach Niederschlägen im Windschatten von Großgehölzen beeinträchtigt wird, in herbstlichen Laubmassen erstickt oder „nur“ der langsam zuwachsenden geliebten Aussicht nachtrauert. Ganz spannend wird es, wenn von dem strittigen Gehölz echte Schäden verursacht werden, deren Behebung Geld kostet: Herbstlaub verstopft die Dachrinnen des Nachbargebäudes, unter der Grenze hindurchwachsende Wurzeln verwandeln den Plattenbelag des nachbarlichen Hauseingangs in einen Stolperparcours oder dringen in eine – allerdings schon vorher undichte - Abwasserleitung ein und blockieren diese. Ärgerlich wird es auch, wenn Früchte von über die Grenze Baumschnitt Modell „Marterpfahl“ herüberragenden Zweigen eines Obstbaumes dem scheckheftgepflegten Englischen Rasen des Nachbarn den Charakter einer Streuobstwiese verleihen und die abfallenden Blätter anschließend in geschlossener Schicht gleich mehrlagig den Rasengräsern Licht und Luft abschnüren. Deshalb gilt: Sorgfalt bei Gehölzauswahl und –pflanzung beugt Nachbarschaftsstreit bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen vor! Bei der Gartenplanung also folgendermaßen vorgehen: Den Pflanzort für das Gehölz festlegen, dabei den gesetzlichen Mindestabstand möglichst großzügig „aufrunden“ (siehe Tabelle „Grenzabstand empfohlen“) und der anschließenden Gehölzauswahl unbedingt die gewünschte maximale Höhe/Breite zugrunde legen, denn es gibt von vielen Ziergehölzen Sorten in verschiedenen „Konfektionsgrößen“, so z.B. bei dem beliebten Maiblumenstrauch oder Falschen Jasmin , botanisch Deutzia: Der Zwerg Deutzia gracilis macht seinem botanischen Namen („gracilis“ heißt „zierlich“) mit unter 1 m Endgröße alle Ehre, Deutzia lemoinei `Boule de Neige´, Deutzia x kalmiiflora und Deutzia ,Mont Rose‘ bleiben auf Augenhöhe, während Deutzia x rosea sowie die Deutzia scabra-Sorten `Candidissima´ und `Pride of Rochester´ durchaus die 3 m-Latte erreichen können und die Wildart Deutzia scabra wie auch ihre gefülltblühende Sorte `Plena´ mit über 4 m schon „Parkformat“ aufweisen. Man muss zwar vor der Neuanlage seines Gartens nicht gleich eine Baumschulerlehre absolvieren, aber sorgfältiges Informieren in einer guten Baumschule mit breitem Sortiment erspart späteren Ärger – oder durch unfachgerechtes Kappen verunstaltete „Gehölzkrüppel“. Die Annahme, ein Gehölz könnte durch Rückschnitt klein gehalten werden, ist nämlich ein kolossaler, aber allgemein verbreiteter Irrtum: Jede Pflanze hat ihre genetisch festgelegte Größe, die zwar durch günstige oder ungünstige Lebensbedingungen etwas beeinflussbar ist, aber sonst nur durch gegen die „gute gärtnerische Praxis“ verstoßende Gewaltmaßnahmen begrenzt werden kann. Der Gesetzgeber hat dies auch erkannt, da er im baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetz Gehölze in „stammabstands- und höhenbeschränkte“ und „nur stammabstandsbeschränkte“ einteilt: Bei ersteren (Ziersträucher und mittelgroße Bäume) kann ein betroffener Nachbar einen höhenbegrenzenden Rückschnitt fordern, bei letzteren (Großbäume) kann er nur innerhalb von 10 Jahren nach der Pflanzung ein Umpflanzen zur Einhaltung des vorgeschriebenen Grenzabstandes fordern. Die folgende Tabelle fasst die Vorgaben des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes in der Neuauflage vom 2014 zusammen: Gehölzart Grenzabstand Innerortslage Nachbarrecht Grenzabstand empfohlen Verjährung Verpflanzungsanspruch auf vorgeschriebenen Grenzabstand 5 Jahre Verpflichtung zum höhenbegrenzenden Rückschnitt bei Überschreiten der durch den Grenzabstand vorgegebenen Höhe ja Strauchbeeren, kleine Ziersträucher bis 1 m Höhe Obstbäume auf schwach- bis mittelstarkwachsenden Unterlagen, Ziersträucher und Kleinbäume bis 4 m Mittelgroße Obstbäume wie Zwetschge auf Myrobalanen-Unterlage Obst-Hochstämme auf starkwachsenden Unterlagen, WalnussVeredelungen, artgemäß mittelgroße/schlanke Waldbäume wie Birken, bis 12 m Walnuss-Sämlinge, großwüchsige Waldbäume wie Kastanien 0,5 m 1m 1 m, bei mehr als 3 Pflanzen 2 m 1,5 (ObstSpindel) – 3 m (ObstBuschbaum) 5 Jahre ja 3m 3–4m 5 Jahre ja 4m 4 – 6 m, nur für sehr große Gärten! 10 Jahre nein 8m Mindestens 8 m, nicht gartengeeignet! 10 Jahre nein Die Abwehrmöglichkeiten eines betroffenen Nachbarn gegen über die Grenze herüberwachsende Zweige und Wurzeln sowie das freizuhaltende Lichtraumprofil über Gehweg und Straße werden in der Juli-August-Folge näher erläutert. In diesem Zusammenhang noch der Hinweis, dass seit der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes von 2013 nicht nur leichte Pflegeeingriffe, sondern auch starke Rückschnittmaßnahmen sowie das Fällen von Gehölzen auf gärtnerisch bewirtschafteten Flächen ganzjährig zulässig sind. Diese Neuregelung trägt der Tatsache Rechnung, dass stärkere Eingriffe wie das Kappen starker Äste von Gehölzen besser im aktiven belaubten Zustand als in der Winterruhe verkraftet werden. Dass man dennoch vor einer Pflege- oder Rodungsmaßnahme das betreffende Gehölz auf besetzte Vogelnester absucht oder solche Eingriffe besser gleich in den brutlosen Spätsommer verschiebt, versteht sich eigentlich von selbst, sind doch die gefiederten Gartenmitbewohner unsere beste Hilfe gegen viele tierische Schaderreger. Durch die zunehmenden Wetterkapriolen wird immer häufiger die Frage nach der Haftung für umstürzende Bäume gestellt. Hierbei gilt grundsätzlich, dass über Windstärke 8 (62 km/h) gemessen an der nächstgelegenen Wetterwarte das Umstürzen eines Baumes als „unabwendbares Naturereignis“ betrachtet wird und damit u.a. die Elementarschadensversicherung für die entstandenen Schäden aufkommt. Anders sieht es bei schwächerem Sturm aus: Hier haftet zunächst einmal der Baumbesitzer, also derjenige, der das Grundstück, auf dem der Baum wächst, nutzt – das kann also der Eigentümer oder auch ein Mieter bzw. Pächter sein. Zumindest die Schadensersatzpflicht kann er abwenden, indem er den Baum 2 Mal im Jahr in unbelaubtem und belaubtem Zustand auf Veränderungen untersucht, die auf eine Beeinträchtigung der Vitalität oder Holzbewohnende Pilze bringen Standfestigkeit des Baumes schließen lassen (§ 836 einen Baum zwar nicht gleich um, BGB): Vorzeitig vergilbende oder verkleinerte Blätter, schwächen aber durch Zersetzung Absterben von Starkästen oder ganzen Kronenteilen, des Holzkörpers seine Stabilität Befall von holzbewohnenden Insekten (Borken- oder Bockkäfer, Raupen von Weidenbohrer und Blausieb, etc. (Ein-/Ausbohrlöcher, Bohrmehl, Spechtschäden)) oder Pilzen (Fruchtkörper!). Diese Kontrollen sind zu protokollieren und es empfiehlt sich, als zusätzlichen Beleg jeweils ein paar Digitalfotos des Baumes zu machen und diese abzuspeichern. Sobald auch von einem Laien erkennbare Veränderungen an einem Baum festgestellt werden, ist das Hinzuziehen eines Baumsachverständigen dringend anzuraten, der das Gehölz dann genauer unter die Lupe nimmt und dann Entscheidungshilfen für Sanierung oder Fällung gibt. Vor dem Fällen eines Baumes ist z.B. beim Grünflächenamt der Kommune zu klären, ob es eine Baumschutzsatzung gibt und wenn der Baum unter diese fällt – meistens ist der Stammumfang in einer definierten Höhe über dem Boden das Entscheidungskriterium – ist zur Fällung eine Genehmigung erforderlich und meist wird auch eine Ersatzpflanzung gefordert. Ob man sich hinsichtlich der Pflanzenauswahl sklavisch an manchmal sehr „theoretischideologische“ Vorgaben hält oder eher gartenpraktischen Aspekten den Vorzug gibt, muss jede/r Gartenfreund/in selbst entscheiden. Bei der Pflanzenauswahl sollten nicht nur optische, sondern auch ökologische Gesichtspunkte bzw. Nutzaspekte berücksichtigt werden: Als schon in der Aprilausgabe angesprochener „Hausbaum“ sind Zieräpfel wie die vasenförmig aufrecht wachsende Sorte `Van Eseltine´ viel sinnvoller als die langweiligen gefülltblühenden Zierkirschen, tragen sie doch im Herbst nach einer fast vergleichbar schönen Blüte im Frühjahr oft leuchtend gelb oder rot gefärbte Miniäpfelchen, die neben Florist/inn/en auch Amseln und andere früchtefressende Die neuen rotfleischigen Apfelsorten zieren Vogelarten erfreuen. Die frühblühende auch durch rote Blüten und dunkelrotes Laub. Kornelkirsche hilft den Bienen oft schon Ende März beim Neustart ins Bienenjahr und liefert der Naturkostküche mit den Beeren (vollreife durch Klopfen an Zweige auf untergelegte Folie o.ä. abschütteln!) Material für Marmelade, Gelees, Säfte, Sirup, Likör und vieles mehr. Weitere „fruchtbare“ Hausbäume sind z.B. Felsenbirnen (Amelanchier alnifolia-Sorten), Holunder (Sorte `Haschberg´), Maulbeeren (`Illinois Everbearing´), Mispeln (Mespilus germanica), Quitten und natürlich auch alle anderen Obstbäume auf mittelstarkwachsenden Unterlagen. Da herunterfallende Früchte Flecken und Rutschgefahr verursachen, sollten sie nicht über Verkehrsflächen und Wege hinüberragen. Harald Schäfer, Fachberatung
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