Juni 2016 - Landesverband der Gartenfreunde

Landesverband der Gartenfreunde Baden-Württemberg e.V.
Heigelinstraße 15, 70567 Stuttgart, Telefon: 0711/715 53 06
e-mail: [email protected], Internet: www.gartenfreunde-landesverband-bw.de
Hausgarten-ABC Juni:
Große Bäume, k(l)eine Freude – Gehölze
Während einjährige Pflanzen und die meisten
Stauden nicht in den Himmel wachsen, können
Gehölze bei unüberlegter Pflanzenauswahl oder
falscher Kaufberatung ungeplante und dann
auch ungewollte Höhen erreichen, die bei grenznaher Pflanzung früher oder später auch dem
Nachbarn missfallen, der in der Nutzung seines
Gartens durch Schattenwurf, Wurzeldruck und
Pilzkrankheiten durch längere Blattfeuchtigkeit
nach Niederschlägen im Windschatten von
Großgehölzen beeinträchtigt wird, in herbstlichen
Laubmassen erstickt oder „nur“ der langsam zuwachsenden geliebten Aussicht nachtrauert.
Ganz spannend wird es, wenn von dem strittigen
Gehölz echte Schäden verursacht werden, deren
Behebung Geld kostet: Herbstlaub verstopft die
Dachrinnen des Nachbargebäudes, unter der
Grenze hindurchwachsende Wurzeln verwandeln
den Plattenbelag des nachbarlichen Hauseingangs in einen Stolperparcours oder dringen in
eine – allerdings schon vorher undichte - Abwasserleitung ein und blockieren diese. Ärgerlich
wird es auch, wenn Früchte von über die Grenze
Baumschnitt Modell „Marterpfahl“
herüberragenden Zweigen eines Obstbaumes
dem scheckheftgepflegten Englischen Rasen des Nachbarn den Charakter einer Streuobstwiese verleihen und die abfallenden Blätter anschließend in geschlossener Schicht gleich
mehrlagig den Rasengräsern Licht und Luft abschnüren.
Deshalb gilt: Sorgfalt bei Gehölzauswahl und –pflanzung beugt Nachbarschaftsstreit
bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen vor!
Bei der Gartenplanung also folgendermaßen vorgehen: Den Pflanzort für das Gehölz festlegen, dabei den gesetzlichen Mindestabstand möglichst großzügig „aufrunden“ (siehe Tabelle
„Grenzabstand empfohlen“) und der anschließenden Gehölzauswahl unbedingt die gewünschte maximale Höhe/Breite zugrunde legen, denn es gibt von vielen Ziergehölzen Sorten in verschiedenen „Konfektionsgrößen“, so z.B. bei dem beliebten Maiblumenstrauch oder
Falschen Jasmin , botanisch Deutzia: Der Zwerg Deutzia gracilis macht seinem botanischen
Namen („gracilis“ heißt „zierlich“) mit unter 1 m Endgröße alle Ehre, Deutzia lemoinei `Boule
de Neige´, Deutzia x kalmiiflora und Deutzia ,Mont Rose‘ bleiben auf Augenhöhe, während
Deutzia x rosea sowie die Deutzia scabra-Sorten `Candidissima´ und `Pride of Rochester´
durchaus die 3 m-Latte erreichen können und die Wildart Deutzia scabra wie auch ihre gefülltblühende Sorte `Plena´ mit über 4 m schon „Parkformat“ aufweisen.
Man muss zwar vor der Neuanlage seines Gartens nicht gleich eine Baumschulerlehre absolvieren, aber sorgfältiges Informieren in einer guten Baumschule mit breitem Sortiment erspart späteren Ärger – oder durch unfachgerechtes Kappen verunstaltete „Gehölzkrüppel“.
Die Annahme, ein Gehölz könnte durch Rückschnitt klein gehalten werden, ist nämlich ein
kolossaler, aber allgemein verbreiteter Irrtum: Jede Pflanze hat ihre genetisch festgelegte
Größe, die zwar durch günstige oder ungünstige Lebensbedingungen etwas beeinflussbar
ist, aber sonst nur durch gegen die „gute gärtnerische Praxis“ verstoßende Gewaltmaßnahmen begrenzt werden kann.
Der Gesetzgeber hat dies auch erkannt, da er im baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetz Gehölze in „stammabstands- und höhenbeschränkte“ und „nur stammabstandsbeschränkte“ einteilt: Bei ersteren (Ziersträucher und mittelgroße Bäume) kann ein betroffener
Nachbar einen höhenbegrenzenden Rückschnitt fordern, bei letzteren (Großbäume) kann er
nur innerhalb von 10 Jahren nach der Pflanzung ein Umpflanzen zur Einhaltung des vorgeschriebenen Grenzabstandes fordern.
Die folgende Tabelle fasst die Vorgaben des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes in der Neuauflage vom 2014 zusammen:
Gehölzart
Grenzabstand
Innerortslage
Nachbarrecht
Grenzabstand
empfohlen
Verjährung
Verpflanzungsanspruch auf
vorgeschriebenen
Grenzabstand
5 Jahre
Verpflichtung zum
höhenbegrenzenden Rückschnitt bei Überschreiten der
durch den Grenzabstand vorgegebenen Höhe
ja
Strauchbeeren,
kleine Ziersträucher
bis 1 m Höhe
Obstbäume auf
schwach- bis mittelstarkwachsenden
Unterlagen,
Ziersträucher und
Kleinbäume bis 4 m
Mittelgroße Obstbäume wie
Zwetschge auf Myrobalanen-Unterlage
Obst-Hochstämme
auf starkwachsenden Unterlagen,
WalnussVeredelungen,
artgemäß mittelgroße/schlanke Waldbäume wie Birken,
bis 12 m
Walnuss-Sämlinge,
großwüchsige
Waldbäume wie
Kastanien
0,5 m
1m
1 m,
bei mehr als 3
Pflanzen 2 m
1,5 (ObstSpindel) –
3 m (ObstBuschbaum)
5 Jahre
ja
3m
3–4m
5 Jahre
ja
4m
4 – 6 m,
nur für sehr
große Gärten!
10 Jahre
nein
8m
Mindestens
8 m,
nicht gartengeeignet!
10 Jahre
nein
Die Abwehrmöglichkeiten eines betroffenen Nachbarn gegen über die Grenze herüberwachsende Zweige und Wurzeln sowie das freizuhaltende Lichtraumprofil über Gehweg und Straße werden in der Juli-August-Folge näher erläutert.
In diesem Zusammenhang noch der Hinweis, dass seit der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes von 2013 nicht nur leichte Pflegeeingriffe, sondern auch starke Rückschnittmaßnahmen sowie das Fällen von Gehölzen auf gärtnerisch bewirtschafteten Flächen ganzjährig zulässig sind. Diese Neuregelung trägt der Tatsache Rechnung, dass stärkere Eingriffe wie das Kappen starker Äste von Gehölzen besser im aktiven belaubten Zustand als in
der Winterruhe verkraftet werden.
Dass man dennoch vor einer Pflege- oder Rodungsmaßnahme das betreffende Gehölz auf
besetzte Vogelnester absucht oder solche Eingriffe besser gleich in den brutlosen Spätsommer verschiebt, versteht sich eigentlich von selbst, sind doch die gefiederten Gartenmitbewohner unsere beste Hilfe gegen viele tierische Schaderreger.
Durch die zunehmenden Wetterkapriolen wird immer
häufiger die Frage nach der Haftung für umstürzende
Bäume gestellt.
Hierbei gilt grundsätzlich, dass über Windstärke 8 (62
km/h) gemessen an der nächstgelegenen Wetterwarte
das Umstürzen eines Baumes als „unabwendbares
Naturereignis“ betrachtet wird und damit u.a. die Elementarschadensversicherung für die entstandenen
Schäden aufkommt.
Anders sieht es bei schwächerem Sturm aus: Hier haftet zunächst einmal der Baumbesitzer, also derjenige,
der das Grundstück, auf dem der Baum wächst, nutzt
– das kann also der Eigentümer oder auch ein Mieter
bzw. Pächter sein.
Zumindest die Schadensersatzpflicht kann er abwenden, indem er den Baum 2 Mal im Jahr in unbelaubtem
und belaubtem Zustand auf Veränderungen untersucht, die auf eine Beeinträchtigung der Vitalität oder Holzbewohnende Pilze bringen
Standfestigkeit des Baumes schließen lassen (§ 836 einen Baum zwar nicht gleich um,
BGB): Vorzeitig vergilbende oder verkleinerte Blätter, schwächen aber durch Zersetzung
Absterben von Starkästen oder ganzen Kronenteilen, des Holzkörpers seine Stabilität
Befall von holzbewohnenden Insekten (Borken- oder
Bockkäfer, Raupen von Weidenbohrer und Blausieb, etc. (Ein-/Ausbohrlöcher, Bohrmehl,
Spechtschäden)) oder Pilzen (Fruchtkörper!). Diese Kontrollen sind zu protokollieren und es
empfiehlt sich, als zusätzlichen Beleg jeweils ein paar Digitalfotos des Baumes zu machen
und diese abzuspeichern. Sobald auch von einem Laien erkennbare Veränderungen an einem Baum festgestellt werden, ist das Hinzuziehen eines Baumsachverständigen dringend
anzuraten, der das Gehölz dann genauer unter die Lupe nimmt und dann Entscheidungshilfen für Sanierung oder Fällung gibt.
Vor dem Fällen eines Baumes ist z.B. beim Grünflächenamt der Kommune zu klären, ob es
eine Baumschutzsatzung gibt und wenn der Baum unter diese fällt – meistens ist der
Stammumfang in einer definierten Höhe über dem Boden das Entscheidungskriterium – ist
zur Fällung eine Genehmigung erforderlich und meist wird auch eine Ersatzpflanzung gefordert.
Ob man sich hinsichtlich der Pflanzenauswahl sklavisch an manchmal sehr „theoretischideologische“ Vorgaben hält oder eher gartenpraktischen Aspekten den Vorzug gibt, muss
jede/r Gartenfreund/in selbst entscheiden.
Bei der Pflanzenauswahl sollten nicht nur
optische, sondern auch ökologische Gesichtspunkte bzw. Nutzaspekte berücksichtigt werden: Als schon in der Aprilausgabe
angesprochener „Hausbaum“ sind Zieräpfel wie die vasenförmig aufrecht wachsende Sorte `Van Eseltine´ viel sinnvoller als
die langweiligen gefülltblühenden Zierkirschen, tragen sie doch im Herbst nach einer fast vergleichbar schönen Blüte im
Frühjahr oft leuchtend gelb oder rot gefärbte Miniäpfelchen, die neben Florist/inn/en
auch Amseln und andere früchtefressende Die neuen rotfleischigen Apfelsorten zieren
Vogelarten erfreuen. Die frühblühende auch durch rote Blüten und dunkelrotes Laub.
Kornelkirsche hilft den Bienen oft schon
Ende März beim Neustart ins Bienenjahr und liefert der Naturkostküche mit den Beeren (vollreife durch Klopfen an Zweige auf untergelegte Folie o.ä. abschütteln!) Material für Marmelade, Gelees, Säfte, Sirup, Likör und vieles mehr.
Weitere „fruchtbare“ Hausbäume sind z.B. Felsenbirnen (Amelanchier alnifolia-Sorten), Holunder (Sorte `Haschberg´), Maulbeeren (`Illinois Everbearing´), Mispeln (Mespilus germanica), Quitten und natürlich auch alle anderen Obstbäume auf mittelstarkwachsenden Unterlagen.
Da herunterfallende Früchte Flecken und Rutschgefahr verursachen, sollten sie nicht über
Verkehrsflächen und Wege hinüberragen.
Harald Schäfer, Fachberatung