Kirchturm 600 Jahre St. Nikolaus und St. Ulrich

600 J AHRE KIRCHE ST. N IKOLAUS UND
ST. U LRICH N ÜRNBERG M ÖGELDORF
M AI 201 6
KIRCHTURM
EVANGELISCH
LUTHERISCHE KIRCHENGEMEINDE ST. N IKOLAUS UND ST. U LRICH N ÜRNBERG
M ÖGELDORF
2
Kommunikation im
umfriedeten Raum
Unsere Kirche feiert ihr 600jähriges Be
stehen und der KIRCHTURM, unser Ge
meindebrief, will auch einen bescheidenen
Beitrag beisteuern. Zum neuen Kirchen
jahr 1 949 (sprich: Dezember 1 948) er
schien er zum ersten Mal. Untertitelt war
er mit „Rundbrief der evangelischen Ge
meinde NürnbergMögeldorf, herausge
geben vom Männerwerk der Gemeinde“.
Offensichtlich gab es damals so manche
neue Publikation, weil die Schriftleitung
darum bittet, das Heft erst zu lesen, bevor
man es in den Papierkorb wandern lässt.
Außerdem gab es ein Geleitwort von Pfr.
Geyer auf der Titelseite sowie „Aus dem
Kirchenvorstand“ und Veranstaltungs
hinweise und die Gottesdienste. Man
sieht, vieles hat sich über die Jahre be
währt, manches hat sich geändert. Nach
dem die frühen Ausgaben des
KIRCHTURM vom Männerwerk kamen,
übernahm später der 2. Pfarrer die Chef
redaktion. Seit 2001 ruht die Erstellung
unseres Gemeindebriefes in den Händen
eines ehrenamtlichen Redaktionsteams,
dem auch ein oder mehrere Pfarrer ange
hören. So hatten die Wechsel der Ge
meindepfarrer in den vergangenen Jahren
praktisch keine Auswirkungen auf den
Gemeindebrief.
Als großen Vorteil sehen wir die Verteilung
der Aufgaben im Team und die Veranke
rung in der Gemeinde. Da wir uns nur in
unserer Freizeit um den KIRCHTURM küm
mern können, sind wir auf gute Zuarbeit
aus der Gemeinde angewiesen. Neben den
Impressum
Titel der ersten Ausgabe
Beiträgen unserer Pfarrerinnen und Pfar
rern, des Kantors oder der Diakone freuen
wir uns besonders über Artikel aus den
Gemeindegruppen oder von Höhepunkten
des Gemeindelebens. Nur mit dieser Un
terstützung können wir einen interessan
ten und attraktiven Gemeindebrief he
rausgeben. Falls Sie einen Beitrag liefern
oder mehr über unsere Arbeit erfahren
möchten, können Sie uns ansprechen, di
rekt oder per EMail (s. Impressum).
Zum JubiläumsKIRCHTURM
Initiiert vom Kirchenvorstand und unter
stützt von unseren Pfarrerinnen und
unserem Pfarrer hat sich ein erweitertes
Redaktionsteam gefunden, um „600 Jahre
umfriedeter Raum“ aus verschiedenen
Blickwinkeln zu beleuchten. Unsere Kirche
ist mehr als ein Gebäude. Sie bietet ver
trauten Raum für uns Menschen, Raum
für Besinnung und Gebet im Dialog mit
Gott, bietet Schutz und Trost für unsere
Sorgen und Ängste.
So wollen wir nicht nur Historie beschrei
ben, sondern auch die Auswirkungen auf
die Menschen in dieser Gemeinde. Wir
wünschen eine anregende Lektüre.
Mathias Monse
Herausgeber: Evang.Luth. Kirchengemeinde St. Nikolaus und St. Ulrich, NürnbergMögeldorf
EMail:
[email protected]
ViSdP:
Mathias Monse, Blütenstraße 23, 90480 Nürnberg
Redaktion: Wolfgang Feurer, Mathias Monse, Steffi Puhlmann, Pfarrer Ulrich BauerMarks, Pfrin. Daniela Küster
Druck:
Druckwerk Offsetdruck, Nürnberg
Einmalige Sonderausgabe zum Jubiläum „600 Jahre Kirche St. Nikolaus und St. Ulrich“, Auflage: 500
Redaktionsschluss ist der 1 . des Vormonats
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. In allen eingehenden Beiträgen behalten wir uns das
Recht vor, drucktechnisch bedingte Kürzungen, wenn möglich nach telefonischer Rücksprache, vorzunehmen. Alle Angaben in diesem
Gemeindebrief sind nur für kirchengemeindliche Zwecke bestimmt.
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600 Jahre umfriedeter
Raum
Vergangenheit: Wurzeln haben un
term Turm
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600 Jahre Sankt Nikolaus und Sankt Ul
rich – eine lange Geschichte. Wie viele
Kinder sind in dieser Zeit an unserem
Taufstein schon getauft worden? Wie
viele Konfirmanden wurden vor unserem
Altar eingesegnet? Wie viele Brautpaare
haben sich unter diesem Dach das Ja
Wort gegeben? Wie viele Verstorbene
wurden hier betrauert und zur ihrer
letzten Ruhestätte geleitet? Unzählig
viele Gottesdienste sind hier gefeiert
worden – am Anfang noch die lateini
sche Messe, bevor die Reformation in
der damals gut 1 00 Jahre alten Kirche
te hineinnimmt und in der wir spürbar
Teil einer großen Glaubensgemeinschaft
sind, die viele Jahrhunderte umfasst.
Die Zeit schreitet voran und das bringt
Veränderungen mit sich, auch in der
Kirche. Wir sind immer Kinder unserer
Zeit, auch darin, wie wir Glauben leben
und Gemeinde gestalten. Zugleich kann
und soll die Kirche Stabilität und Ver
lässlichkeit eröffnen, Heimat sein im
Wandel der Zeiten. Seit 600 Jahren wird
in unserer Kirche Jesus Christus verkün
digt. Das verbindet die römischkatholi
schen Anfänge mit unserer protestan
tischen Gegenwart. Dieser Glaube hat
Menschen in den vergangenen 600 Jah
ren durch Höhen und Tiefen getragen
und er wird uns auch in Zukunft tragen.
Er ist das Fundament, auf dem unsere
Kirche und wir als Gemeinde stehen.
Denn „einen andern Grund kann nie
mand legen als den, der gelegt ist, wel
cher ist Jesus Christus.“ (1 . Kor 3,11 )
Gegenwart: Glauben leben – unterm
Turm
Einzug hielt. So viele Menschen haben in
diesen Mauern Freude und Dank, Sorgen
und Nöte im Gebet vor Gott gebracht.
Wann immer wir heute unsere Kirche
betreten – es ist eine lange Tradition, in
die wir eintreten. Wir kommen mit un
seren ganz persönlichen Lebensge
schichten, mit dem, was uns bewegt im
Hier und Jetzt. Bei Taufen und Konfir
mationen, Trauungen und Beerdigungen
begehen wir einmalige Ereignisse in un
serem Leben. Wir tun das in einer Kirche,
die uns in eine lange Glaubensgeschich
Unterm Turm zu leben ist Zeichen be
sonderer Sozialiät. Man könnte sagen, es
ist Zeichen christlicher Gemeinschaft.
Sozialität betont das Angewiesensein
auf Führung, auf Unterstützung und
Anerkennung und die Fähigkeit zu ge
sellschaftlichem Handeln.
Das ist der wesentliche Unterschied zu
„im Tower arbeiten“ oder in den Kathe
dralen des Konsums erlebnisshoppen.
Alles gehört zu unserer Gegenwart und
die Menschen „im Tower“ oder in den
Konsumkathedralen haben auch etwas
gemeinsam. Menschen, die „unterm
Turm“ leben, haben aber keinen Zweck
gemeinsam, sondern ein angenommenes
Geschenk. Das Geschenk als gerechtfer
tigte Menschen durch den Glauben an
Gott leben zu können.
Deswegen zählen auch die Menschen zu
„Menschen unterm Turm“, die nicht in
räumlicher Nähe zum Turm leben. Wir
sind große, weltweite Christenheit „un
term Turm“. Und wir sind hier in unserer
4
Kirchengemeinde und im Dekanatsbezirk
miteinander unter den Kirchtürmen ver
bunden. Sich so miteinander verbunden
zu wissen, heißt gemeinsam zu vertrau
en auf Gottes Gnade, gemeinsam sich
etwas sagen zu lassen von Gottes weg
weisendem Wort, gemeinsam sich rufen
zu lassen in und für die Welt und das
Quartier. „Unterm Turm“ leben heißt,
sich leiten, sich tragen lassen von Gottes
Wort, sich gegenseitig helfen und unter
stützen.
Glauben leben unterm Turm.
lebten Glaubens über Jahrhunderte hin
weg und drängt auf eine Zukunft hin,
von der wir Christen glauben, dass sie
gut wird.
„Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der
Finsternis hervorleuchten, der hat einen
hellen Schein in unsre Herzen gegeben,
dass durch uns entstünde die Erleuch
tung zur Erkenntnis der Herrlichkeit
Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.“
(2.Kor.4,6)
Zukunft: Hoffnung wagen unterm
Turm
Die Kirchengemeinde Mögeldorf mit ih
rer 600 Jahre alten, würdigen Kirche St.
Nikolaus und St. Ulrich ist eine Kirchen
gemeinde wie viele: gemeinschaftlich
orientiert, differenziert im Angebot, in
dividualisiert, mit diakonischem Schwer
punkt und begeisternder Kirchenmusik.
Aber es gibt etwas, was uns hier in Mö
geldorf „unterm Turm“ besonders ist: Es
ist in der Tat unser Kirchenraum, der uns
„viel schenkt“. So hat es jemand vor eini
gen Tagen zusammengefasst: „Die Mö
geldorfer Kirche schenkt viel“. Das, was
wir Einzelne mitbringen, das, was uns als
Gemeinschaft zusammenfügt, das wird
noch beschenkt, durch das, was hier ge
prägt hat und was hier verheißen ist.
Gegenwart braucht Vergangenheit und
drängt in die Zukunft.
So kann man für unsere Gegenwart
wohl konstatieren, dass sie verände
rungsintensiv ist und uns Christen in be
sonderer Weise fordert. Aber unsere
Gegenwart steht auf den Schultern ge
www.studiopfleiderer.de
Wolfram Steckbeck
Viele Menschen haben um diesen Turm
herum gelebt. In schweren Zeiten, in
Kriegszeiten, in Krisenzeiten aber auch
in Zeiten großen Glücks. Die letzten 600
Jahre haben auch in dieser Kirche Spu
ren hinterlassen, nicht nur die Toten
schilde erzählen davon, auch die Stif
tungen und Schenkungen. Sie erzählen
davon, dass Menschen dankbar sind für
das, was ihnen im Leben geschenkt
Wolfram Steckbeck
5
wurde. Ja, für das Leben an sich. Aber
auch davon, dass Menschen sich in dem
Raum eingefunden haben, um ihren
Frieden zu finden. Ein Raum der Fürbitte,
des Dankes, des Gebetes – ein durchbe
teter Raum!
Der christliche Glaube hat über lange
Jahrhunderte unsere Region alleine ge
prägt. Ja, in Mögeldorf kann man zuge
spitzt sagen, der evangelische Glaube.
Wir leben in einer Zeit, die sich diffe
renziert. Da wohnen (wieder!?) Men
schen mit anderem Glauben auch in
unserem Stadtteil. Für die Zukunft wird
das in unserem Land noch verstärkt
kommen. Das heißt aber für uns, die wir
den Turm und damit den evangelischen
Glauben als unser Zentrum sehen: Wir
sollen unseren Glauben bewusst wahr
nehmen und leben. Nicht in Abspaltung,
Abgrenzung, sondern als das, was er sein
will: Orientierung, Trost, Hoffnung, Zu
sage und Offenheit.
Wenn die Gesellschaft sich differenziert,
dann heißt das auch sich selbst klarer zu
werden, was die eigenen Wurzeln einem
bedeuten. Da gilt es darauf zu schauen,
dass unser Glaube helfen will: „Seid al
lezeit bereit zur Verantwortung vor je
dermann, der von euch Rechenschaft
fordert über die Hoffnung, die in euch
ist.“ (1 . Petr 3,1 5) So heißt eine konzen
trierte Zusammenfassung der Aufgabe
von Christinnen und Christen.
600 Jahre umfriedeter Raum: Es ist un
ser Bekenntnis, dass Gott die Welt er
schaffen hat und trägt, uns in Jesus
Christus befreit hat und im Geist beglei
tet. Er schenke auch in Zukunft, dass
sich Menschen zu dem Glauben beken
nen. Er schenke es, dass Menschen erle
ben, dass diese Kirche geistlicher Raum
des Gebetes ist, der der Region, der Ge
meinde und dem eigenen Herzen Frie
den schenkt. Der Dreieinige Gott
schenke, dass auch in den nächsten
Jahrhunderten Frieden von diesem
Raum ausgehen möge – Frieden für je
den einzelnen, die Gemeinschaft der
Glaubenden und weit darüber hinaus.
Für diese Hoffnung soll der Turm stehen!
MögeldorfA.D. 2016
Pfarrerin Daniela Küster
Dekanin Christine Schürmann
Pfarrer Ulrich BauerMarks
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Der König, der Amtmann und die
Folgen
Ein königlicher Besuch 1 025 auf dem
Kirchenberg führt uns zu den heute be
kannten Anfängen zurück: Damals be
suchte König Konrad II. auf dem Weg
von Beratzhausen nach Bamberg den
Amtssitz seines Verwalters an der Au
ßenstelle des Königshofes von Altdorf
auf dem Kirchenberg in Mögeldorf. Das
altdeutsche Straßennetz führte hier vor
bei, eine Furt über die Pegnitz, im
heutigen Erlenstegen, verband das Stra
ßennetz von Süd nach Nord und von Ost
nach West miteinander. Hier nächtigte
der vielbeschäftigte König und unter
zeichnete eine Urkunde, die noch heute
im Staatsarchiv zu finden ist. Diese Ur
kunde gilt als ältester Beleg von Mögel
dorf. Bis in die jüngste Vergangenheit
galt Mögeldorf als älter als die spätere
Reichsstadt Nürnberg. Dies ist der Ur
sprung auch der Kirche auf dem Kir
chenberg. Es gab bereits um 1 300 eine
kleine Wallfahrtskirche dort, die den Na
men des Täufers Johannes führte. Ver
mutlich sollte sie eine klare Markierung
des Einflussbereiches des Bischofs von
Eichstätt darstellen, zu dessen Lasten ein
Teil des Bistums von Bamberg 1 007 er
richtet worden war.
Ursprünglich befand sich also die Mö
geldorfer Kirche mit einer ganzen Reihe
von weiteren Kirchen im Nürnberger
Umland im Besitz des Deutschen Kö
nigshauses, gelangte nach Pommern, im
1 4. Jahrhundert an die Pfalzgrafen und
diente bis 1 525 der Finanzierung der
Universität Heidelberg. Dann erwarb die
Freie Reichstadt Nürnberg diesen „Kir
chensatz“ und seitdem war Nürnberg für
Unterhalt und Leben in der Kirche ver
antwortlich. Mit dem Ende der freien
Reichstadt Nürnberg 1 806 gehörte auch
die Mögeldorfer Kirche in den Verant
wortungsbereich des Bayerischen Kö
nigreiches. Das hat Folgen bis heute:
Noch heute ist die Regierung von Mit
telfranken als zuständige Behörde des
Freistaates zuständig für den Bauunter
halt der Kirche und des Pfarrhauses.
Der Neubau des Langhauses
Im Jahre 1 400 müssen schon die Vorbe
reitungen für den Neubau bzw. Vergrö
ßerung der vorhandenen Johanniska
pelle getroffen worden sein. Am 1 7.
Martha Monse
600 Jahre St. Nikolaus und
St. Ulrich in Mögeldorf
Dezember 1 400 wurde ein Vertrag des
Pfarrers mit den Gotteshauspflegern in
der Gemeinde geschlossen. Der Nürn
berger Patrizier Udalrich (Ulrich) Groland
(†1 404) auf Oberbürg erhielt ein Hoch
grab in der Kirche – infolgedessen muss
er wohl als ein Stifter angesehen wer
den. Es ist heute an der Nordostseite im
Innenraum der Kirche zu sehen. Viel
leicht hatte er eine Kapitalstiftung er
richtet, die dann ein Jahrzehnt später
zum Neubau verwendet wurde. Die go
tische Kapelle des 1 . Baues blieb erhalten
und bildet noch heute den Altarraum
unserer Kirche. Ob es schon zur Zeit der
Johanniskapelle ein kleines Langhaus
gab, ist unsicher. Ein neues Langhaus
wurde 1 41 4/1 6 in Sandstein ausgeführt.
Es muss ein gotisches Gewölbe einge
fügt gewesen sein. Bei dem alten Turm
wurden das III.–V. Geschoß jetzt erhöht.
Die erste Weihe des Chors fand am 29.
Dezember 1 41 5, dem Sonntag nach
7
Nöte und Veränderungen
Schon bald nach der Weihe der Kirche
brachte der erste Markgrafenkrieg 1 449
Zerstörung und Not ins Land. Die Mö
geldorfer Kirche wurde stark in Mitlei
denschaft gezogen, das gotische
Gewölbe stürzte ein und wurde durch
eine flache Holzdecke ersetzt. Krieg und
Notzeiten gingen im Laufe der Jahrhun
derte immer wieder über den Kirchen
berg hinweg. Dazu einige wenige
Erinnerungen.
Im II. Markgrafenkrieg 1 552/53 zwischen
dem Markgrafen Albrecht Alcibiades von
BrandenburgKulmbach
(1 541 –1 557)
und Nürnberg wurde das Dorf Mögel
dorf weitgehend zerstört. Die Kirche
blieb unversehrt. Auch in der Kirche
St. Nikolaus und St. Ulrich wurde 1 525
wie in ganz Nürnberg die Reform des
Gottesdienstes und Gemeindelebens
nach lutherischer Lehre eingeführt. Ein
Epitaph an der Südwand der Kirche in
der Nähe des Portals führt alle Evangeli
schen Pfarrer seit der Reformation in der
Kirche auf. Die neuen Bedürfnisse des
gottesdienstlichen Lebens führten 1 591
dazu, dass Seitenemporen im Kirchen
schiff eingefügt wurden. Sie waren bis
zur großen Restaurierung 1 901 –1 907
vorhanden.
Endlich erfolgte in diesen Jahren eine
umfassende Renovierung der Kirche, für
die sich energisch der damalige Pfarrer
Lauter einsetzte. Diese umfangreichen
Restaurierungsarbeiten waren dringend
nötig. Im Königreich Bayern hatte man
andere Sorgen als die um evangelische
alte Kirchen. Pfr. Thiermann, Nachfolger
von Pfr. Lauter, bemerkte dazu:
„Die wiederholt ungenügend restau
rierte, im Laufe der Jahrhunderte im
mer mehr herunter gekommene
Kirche bedurfte besonders im Innern
dringend einer gründlichen Erneue
rung. Das drängende Bedürfnis führte
zu bescheidenen Versuchen und An
fängen unter Pfarrer Bechmann.
Indes wurde unter ihm 1 882 der
schadhaft gewordene Kirchturm re
stauriert und ein neuer Dachstuhl auf
demselben errichtet (Zimmermeister:
Konrad Braun). Auch was unter
Bechmanns Nachfolger, Pfarrer Herr
mann, 1 885 bis 1 891 im Innern neu
geschaffen wurde, nicht ohne Kos
tenaufwand, wie die neuen Stühle
unter Aufhebung der alten Kirchen
stuhlvermietung, Pflasterung mit Ze
mentplatten statt des alten Sand
steinpflasters, Renovierungen am al
ten Altar und selbst eine neu gebaute
Orgel, hat völlig weichen müssen dem
Einheitlicheren und künstlerisch
Wertvolleren, das die großzügige Re
staurierung der Kirche gebracht hat,
die unter Pfarrer Fritz Lauter 1 901
bzw. 1 907 erfolgt ist."
Grit Monse
Weihnachten, statt. Die eigentliche Wei
he der Kirche erfolgte am 3. Pfingstfei
ertag, dem 9. Juni 1 41 6. Diese Weihe zu
Ehren der Hl. Nikolaus und Udalrich (Ul
rich) vollzog der Generalvikar und Weih
bischof Frater Albert O. S. Fr. von Eich
stätt (1 41 0–1 438). So manifestiert un
sere Kirche immer wieder auch den
Einfluss des Bistums Eichstätt.
Hier erfahren wir also auch etwas über
das Gestühl in der Kirche.
Unsere Kirche bekam damals im We
sentlichen ihre heutige Gestaltung im
Innenbereich, allerdings gab es noch
immer eine doppelte Bankreihe mit
Mittelgang (die heutige Bahnanordnung
gibt es erst seit 1 967). Freilich bedeute
8
Stifter und Patrizier
Es sind vor allem die Totenschilde im
Westchor unserer Kirche, die die intensi
ve Verbundenheit der alten Mögeldorfer
Kirche mit den Nürnberger Patrizierfa
milien und zu den Schlössern des Peg
nitztales eindrücklich bezeugen. Aber
auch die Gestaltung des barocken Alta
res und der schönen Kanzel, nicht zu
letzt der kostbare Khevenhüller Kelch
(eine Stiftung der Familie Khevenhüller,
die als Flüchtlinge aus Ungarn/Rumäni
en nach Oberbürg
kamen) bezeugen die
Verbundenheit mit
der Herrschaft von
Oberbürg.
Der barocke Aufbau
des Altares von 1 702
ist eine Stiftung der
Gräfin
Margareta
Susanna von und zu
Pohlheim, geb. Grä
fin von Zinzendorf
und
Pottendorf
(1 660–1 721 ), die im
Herrensitz Oberbürg
wohnte. Die Stifterin
war eine Verwandte
des Grafen Nikolaus
Ludwig von Zinzen
dorf, des Stifters und Gründers von Her
rnhut in der Oberlausitz (Herrnhuter
Brüdergemeine). Das Werk, das über 1 00
Taler gekostet hatte, wurde zum 1 .
Pfingsttag, dem 4. Juni 1 702 aufgestellt.
In den Jahren 1 902–1 963 war der Altar
von seiner alten Stelle entfernt und im
neuen Westchor aufgestellt. Die wohl
1 902 erfolgte braune Beizung der Archi
tekturteile wirkte entstellend. 1 963 kam
der Altar wieder in den Ostchor zurück.
Die Kanzel wurde ebenfalls von der Grä
fin Margareta Susanna von und zu
Pohlheim 1 71 5 gestiftet. Im Jahre 1 826
wurden der Altar und die Kanzel mit
blauer Ölfarbe angestrichen. 1 902 wurde
die Kanzel dann überarbeitet und in
braunem Ton gestaltet. Der Treppenlauf
war zuerst gerundet und die Kanzel war
nur von der Sakristei aus betretbar.1 963
wurde die Form der Treppe geändert und
der Lauf gerade gerichtet.
Das Konfessionsbild
Eine bemerkenswerte Besonderheit stellt
das sog. Konfessionsbild an der West
wand unserer Kirche dar. Auch dieses
große Bild ist eine Stiftung, diesmal aus
Unterbürg.
Die Gattung der Konfessionsbilder ge
hört in eine relativ kurze Zeitepoche am
Ende des 1 6. und zu Beginn des 1 7.
www.studiopfleiderer.de
ten beide Weltkriege, vor allem aber die
Bombardierung und Kriegsschäden zwi
schen 1 943 und 1 945, schwerste Prü
fungen für Gemeinde, Gemeindeverant
wortliche und Bürger des Stadtteiles,
wovon noch ausführlicher die Rede sein
soll. Doch zunächst noch ein ergänzen
der Blick in das Innere der Kirche und
auf ihre reiche Ausstattung.
Jahrhunderts. Sie sind also in einer Zeit
heftiger konfessioneller Auseinander
setzungen in Deutschland entstanden,
sozusagen am Vorabend des großen
Konfessionskrieges, des sog. 30jährigen
Krieges. Und: Sie sind ursprünglich –
nicht ausschließlich, aber vorwiegend –
im fränkischen Raum zu finden. Dieser
Bildtypus hat nur ein Thema, das
9
Ordnung in der Kirche zu sorgen und
nicht lutherisch bekennende Besucher
abzuweisen haben. Auch ein Hinweis auf
die konfessionellen Spannungen inner
halb der Reformationskirchen.
Die schlimmen Jahre: 1 91 6 bis 1 945
In schwieriger Notzeit des 1 . Weltkrieges
begeht die Mögeldorfer Gemeinde vor
1 00 Jahren das 500jährige Jubiläum der
Weihe der Kirche St. Nikolaus und St.
Ulrich. Der Vorort Nürnbergs ist damals
noch stark ländlich geprägt. Die große
Grit Monse
durchaus unterschiedlich künstlerisch
dargestellt wird:
Die Geburtsstunde der Evangelischen
Kirche als eigener, rechtlich anerkannter
Konfession auf dem Reichstag zu Augs
burg am 25. Juni 1 530 mit der Übergabe
der Bekenntnisschrift „Confessio Augu
stana“. Dabei zeigt der Künstler in seiner
Darstellung selbst ein hohes Maß an
deutlicher Sympathie für die lutherische
Sache. So zeigt sich bei einem der im
Vordergrund dargestellten Kürfürsten
ein Pferdefuß, ein anderer besitzt ein
pelzartiges Hinterteil.
Als Konfessionsbild kann das Gemälde
auch deshalb bezeichnet werden, weil
das Bild die Ereignisse voller Symbolik
darstellt. Nur wenige Details entspre
chen den historischen Ereignissen. So
wird auf dem Bild des damals bekannten
Malers Andreas Herneisen der sächsische
Kurfürst Johann der Beständige als
Überbringer der beiden wichtigsten Be
kenntnisschriften der Lutheraner darge
stellt. Historisch betrachtet war das
anders: Die deutsche Version der „Con
fessio Augustana“ wurde an diesem Tag
Kaiser Karl V. und den Kurfürsten des
Reiches vom sächsischen Kanzler und
Rechtsgelehrten Christian Beyer in der
Kapitelstube des bischöflichen Palastes
vorgetragen.
Desweiteren aber findet sich auf dem
Gemälde in der 2. Bildhälfte, mehr im
Hintergrund, eine Darstellung des evan
gelischen gottesdienstlichen und geistli
chen Lebens in Kirche und Gemeinde.
Die zentrale Bedeutung der evangeli
schen Abendmahlsfeier in beiderlei Ge
stalt (Brot und Kelch) wird ausdrücklich
hervorgehoben. Die Bedeutung der Tau
fe, aber auch der Beichte, Katechismus
unterricht, sogar die Bedeutung des
Gemeindegesangs – leider nur klein und
nur schwer im rechten Hintergrund zu
erkennen – weisen auf den besonderen
evangelischen Charakter des Gemeinde
lebens hin. Desweiteren sind ganz im
Hintergrund die bewaffneten Wächter
samt einem Hund dargestellt, die für
Straßenachse der Ostendstraße gab es
als durchgängige Magistrale noch nicht,
die Mögeldorfer Hauptstraße bildete die
Hauptverkehrsachse durch den Ort.
Welche Entwicklung und Veränderungen
haben Ortsgemeinde und Kirchenge
meinde seit dem Ende des 2. Weltkrieges
vor 70 Jahren genommen! Man kann es
etwas besser ermessen, wenn man sich
die schwierigen Jahre für Menschen,
Kirchengemeinde und Ortsgemeinde
zwischen 1 91 6 und 1 946 vor Augen
hält.
In einer zeitgenössischen Schilderung
der Jubiläumsfeierlichkeiten 1 91 6 kann
man lesen:
„Vor dem uralten kleinen Kirchlein mit
dem zierlichen Turm und dem Steil
dach am Eingang des schmalen
grünüberlaubten Weges, der zum
Kirchlein und zum dasselbe umge
benden Kirchhof führt, eine Ehren
pforte aus schlichten Holzstäben mit
Guirlanden aus Tannenreis und einer
Tafel, auf welcher die biblischen
10
und Malers, an das wieder zu erinnern
ist.
Die Jahre 1 923–1 945
Mit Respekt und Dankbarkeit ist des
Pfarrers Heinrich Bammessel zu geden
ken, der die Geschicke der Gemeinde in
den schwierigen Jahren 1 923 bis 1 943
mit großer Umsicht und Tatkraft lenkte.
Grit Monse
Worte prangen: ‚Gehet zu seinen To
ren ein mit Danken, zu seinen Vorhö
fen mit Loben!‘ Und auf den Wegen
nach dem kleinen Kirchlein eine fest
lich geschmückte Menschenmenge.“
So also beginnt die liebevolle Schilde
rung der Nordbayerischen Zeitung vom
1 3. Juni 1 91 6 anlässlich Festlichkeiten
zum 500. Jubiläum der Kirche in Nürn
berg–Mögeldorf. Den Höhepunkt der Ju
biläumsfeierlichkeiten von 1 91 6 stellt
ohne Zweifel die Festpredigt des damali
gen Oberkonsistorialpräsidenten Dr. von
Bezzel dar, dem damals höchsten Vertre
ter der Protestanten im Königreich Bay
ern. Ohne jedes patriotische Pathos, aber
liebevoll, väterlich und tröstlich, ver
suchte er die Gemeinde in schwerer Zeit
auf ihrem Weg zu stärken. Immerhin
finden sich in dieser langen, uns heute
recht erbaulich anmutenden Predigt
zum Thema: „Singt dem Herrn ein neues
Lied“ deutliche, im Nachhinein geradezu
prophetisch zu nennende Worte wie
diese:
„Wer aber den Herrn verwirft, der be
gibt sich in Abhängigkeit von vielen
Herren, Gebietern, Despoten und Ty
rannen, und wer den heiligen Geist
nicht anerkennt, wird der Sklave des
Zeitgeistes …“
Wie rasch sollte eben solcher Zeitgeist
zur beherrschenden Macht werden!
Das Kriegsende brachte neben großer
wirtschaftlicher Not und politischer Un
sicherheit das Ende des bayerischen Kö
nigtums und damit auch das des
königlichbayerischen Kirchenregiments
für die Protestanten.
Durch diese Übergangszeit begleitete
Pfr. Thiermann die Gemeinde, der aller
dings eher künstlerisch veranlagt war,
wovon die beiden großen Portraitbilder
in der nördlichen und südlichen Empo
renwand von Martin Luther und Philipp
Melanchthon Zeugnis geben. Er verließ
im Jahr 1 923 die Gemeinde.
Die Bilder wurden erst 1 923 fertigge
stellt und gehören gewissermaßen zum
Vermächtnis dieses Mögeldorfer Pfarrers
Damals gab es weder die uns heute ge
läufigen Räumlichkeiten für Gemeinde
und Diakonie, noch eine moderne Form
der heute geläufigen Gemeinde, Ju
gend und diakonischen Arbeit. Die Dia
konissen der Station des Gemeinde
vereins verfügten bis 1 937 nicht einmal
über ein Fahrrad. Als großes Ereignis
wurde die Einrichtung eines Fernspre
chers 1 938 gefeiert. Die Schwestern
gingen also von ihrer Station im damals
sogenannten Gemeindehaus Ziegen
straße 31 , ehedem Mögeldorfer Schul
haus, zu Fuß durch die Gemeinde. Sie
betreuten den „Kinderhort“, der ehemals
vom Luitpoldverein begründet wurde,
ebenso die Armen, Kranken und Ju
gendpflege. Die mit der Diakonissenan
stalt
Neuendettelsau
vereinbarte
monatliche Erstattung für den Einsatz
der Schwester war ein steter Anlass zur
Sorge und der Verhandlung. Der Betrag
konnte kaum mehr aufgebracht werden.
Daneben war es eine jahrelange Sorge
des Ortspfarrers, ein Grundstück für den
Bau eines größeren Gemeindesaales zu
erwerben. Auch das heutige Haus der
Gemeinde gab es nicht, nicht einmal das
Grundstück war im Besitz der Gemeinde.
11
ausgeübt. Doch gelang es auch hier, gu
te Kontinuität zu wahren.
Im Oktober 1 934 schließlich versuchte
die Reichsregierung die gewaltsame
Gleichschaltung der letzten Landeskir
chen in Württemberg und Bayern. Der
Landeskirchenrat in München wurde
Grit Monse
Laufamholz und Zerzabelshof gehörten
damals zur Pfarrei Mögeldorf.
Dann kam das Schicksalsjahr 1 933!
Die Schwierigkeiten, zu denen die
Machtergreifung der Nationalsozialisten
in allen Bereichen des gesellschaftlichen
Lebens führte, bekam auch die Mögel
dorfer Kirchengemeinde zu spüren: „Die
evangelische, kirchliche Jugendarbeit ist,
wie vorauszusehen war, nur noch an den
6–1 0 Jährigen möglich gewesen. Es
sammelten sich 20–30 Mädchen am
Mittwoch, 1 4 ½ bis 1 7 Uhr, um Mo
natsspruch, biblische Geschichten und
kirchliches Lied“, so Schwester Maria
Himmelseher in ihrem Bericht von der
Diakonie–Station im Januar 1 941 . Zwar
musste im September 1 933 einerseits
die Gleichschaltung des Gemeindever
eins mit dem „Kampfbund für Deutsche
Kultur“ auf Druck der NSDAP vollzogen
werden, gleichzeitig aber blieb Bammes
sel weiterhin Vorsitzender des Vereins.
Überdies gelang es ihm 1 934, den Verein
dem „Führerrat der Inneren Mission“ und
damit faktisch dem Landesbischof zu
unterstellen. Das gab dem Verein Rück
halt in seiner weiterhin kirchlichenga
gierten Arbeit auch mit Jugendlichen.
Die innergemeindlichen Auseinanderset
zungen ließen nicht auf sich warten. Im
Kirchenvorstand gab es mehrere Rück
tritte und Auseinandersetzungen über
den Kurs der Gemeinde. Es wurde
schwierig, die vorgegebene Anzahl von
Kirchenvorstehern zu erreichen.
Trotzdem gehörte die Mögeldorfer Ge
meinde zu den Gemeinden der „Be
kenntnisfront“ mit klarer Abgrenzung
gegen die DCGemeinden (Gemeinden,
die den sogenannten „Deutschen Chris
ten“ nahstanden). Der Organist, von Be
ruf Lehrer, musste auf Druck der Partei
kündigen, rasch war aber Ersatz gefun
den. Im Juli 1 934 musste auf Druck der
Reichsregierung und der sogenannten
Reichskirchenleitung die Kirchenvor
stände auch in der Bayerischen Landes
kirche neu gewählt werden. Auch dabei
wurde Druck auf die Kandidatenauswahl
gewaltsam besetzt, Landesbischof Mei
ser geriet in Hausarrest. Eine große Auf
regung bemächtigte sich der Gemeinde,
eine überwältigende Welle der Solidari
sierung brach los. Doch trotz vorsichti
ger Zurückhaltung spürte man in der
Mögeldorfer Öffentlichkeit sehr wohl die
kirchliche Einstellung des Pfarrers der
Gemeinde. Anfeindungen blieben nicht
aus, wovon etwa das Spottgedicht einen
Eindruck vermittelt, das in einem der
Monatsblätter der Ortsgruppe Mögel
dorf der NSDAP abgedruckt wurde: Im
bildlichen Vergleich mit herbstlichen
Vögeln werden Landesbischof Meiser
(Meise) und der Ortspfarrer von Mögel
dorf (Dompfaff) in vagen Andeutungen
(z. B. mit Dachau) spürbar scharf atta
ckiert. Darin heißt es:
Wieso, denk ich, gehen Dompfaff und
auch Meise
nicht auch nach Süden jetzund auf
die Reise,
zu schmücken in Jerusalem die Land
schaft?
Sie meucheln lieber ihren Bruder Abel
und mästen sich an Speck und
Schweinenabel!
Werden im Schwatzen sich nicht bald
ermüden
Dachau – liegt auch im Süden ...
12
nattreffer im Hof, alle gingen in den
Keller. Kein Strom mehr."
Es ist immer wieder von Maria die Rede,
der ältesten Tochter der Familie, die mit
dem Vater im Pfarrhaus geblieben ist,
während die Mutter mit den jüngeren
Kindern evakuiert wurde. Weiterhin
werden 1 7 Soldaten und 5 Hausbewoh
ner erwähnt. Außerdem ist von einem
Kleinen die Rede, der sich in Simmels
dorf aufhält. Pfr. Geyer fährt fort:
„Sie heben Schützenlöcher vor der
Friedhofsmauer in Richtung Plat
nersberg aus. Ansonsten ist es ruhig.
Abendessen auf dem Mäuerle am
Friedhof sitzend. Sie gehen den Kir
chenberg in Abständen hinab.
Grit Monse
Mit Beginn des Krieges verschärfte sich
die kirchliche Lage weiter. Plakate durften
nicht mehr gedruckt werden. Im Jahre
1 943 trafen Luftangriffe auch den östli
chen Teil Nürnbergs: Kirche und Pfarr
haus wurden stark beschädigt. Pfr.
Bammessels Gesundheitszustand ver
schlechterte sich, er musste zur Kur, zu
nächst nach Bad Mergentheim, danach
lebte er noch einige Wochen in Winds
heim, wo er bei seiner Tochter Hildegard
im Pfarrhaus wohnte. Dort verstarb er am
8. September 1 943 „kurz vor Mitter
nacht…, nach langer schwerer Krankheit“.
Schwer war es, für den verstorbenen
Pfarrer Ersatz zu finden. Pfr. Hermann
Schreiber, Pfarrer an der Diakonissenan
stalt Neuendettelsau, seit 1 941 Kriegs
vertretung in der Bayerischen Landes
kirche, wurde ab 6. August 1 943 in die
Vertretung der Pfarrstelle Mögeldorf be
rufen. Ihm verdanken wir die Aufzeich
nungen über den schweren Bombenan
griff auf Nürnberg 1 943, der auch in
Mögeldorf und an unserer Kirche und
Pfarrhaus schwere Schäden verursachte:
In seiner „Kriegschronik“ schildert er die
se, aber auch die große Hilfsbereitschaft
der Mögeldorfer Bürger, die schlimmsten
Schäden an Kirche und Pfarrhaus zu be
seitigen bzw. das Gotteshaus mit be
scheidenen Mitteln wieder funktions
fähig zu machen.
Pfr. Geyer konnte schließlich im Herbst
1 944 formell die Nachfolge von Pfr.
Bammessel antreten. Er wirkte in Mö
geldorf bis 1 953 – seelsorgerliche Nähe
und humorvolle Menschlichkeit zeich
neten ihn aus. Aus seinen handschriftli
chen Aufzeichnungen zu den letzten
Kriegstaten im April 1 945 seien noch
Eindrücke über die Dramatik dieser letz
ten Kriegstage in Mögeldorf – teilweise
stichwortartig – zitiert:
„Zurückflutende Truppen, Panzer auf
dem Weg nach Nürnberg. Granate in
Ebensee, verletzte Frau, Nachts Ge
räusche von Panzern.
1 7. April: Ruhiger Morgen, es hatten
Soldaten im Haus übernachtet. Gra
Dann aber spitzt sich die Situation wie
der offen zu, MGFeuer sei zu hören,
Leuchtspurmunition. Weiter schreibt Pfr.
Geyer:
„Herr Übler und die Schreiberin sitzen
noch am Tisch, dann gehen auch sie
ins Haus. Man wagte sich nicht mehr
hinaus zu dem gedeckten Tisch. Man
ging in den Keller und wartete auf die
Amerikaner. ...
Ich zog mich anständig an mit
Amtsrock …
Starkes MGFeuer, Haus von Stadtrat
Plank wirkte wie Mittelpunkt des
Geschehens. Man hatte Waffen
gefunden, offenbar die Amerikaner.
Familie Oertel und Planks hatten viel
zu leiden, die Panzersperren waren
zerschossen, Brückenkämpfe. Brand
im Gemeindehaus wird gemeldet, alle
eilen hin."
13
Der Bericht bricht dann ab. Nach diesen
schwierigen, dramatischen Jahren erleb
te die Mögeldorfer Gemeinde mit ihrer
traditionsreichen Kirche eine neue Blü
Zukunft für den umfriedeten Raum
Dazu, wie ein Mögeldorfer vor 600 Jah
ren in und mit seiner Gemeinde gelebt
hat, kann ein Historiker vielleicht Hin
weise aus den Kirchenbüchern und Ar
chiven finden, aber Zeitzeugenberichte
von einfachen Leuten gibt es vermutlich
kaum. Doch ich kann mir vorstellen, wie
es den Leuten gegangen ist, als im drei
ßigjährigen Krieg nicht nur die Kirche
geplündert wurde. Deshalb bin ich über
aus dankbar, dass wir heute mit unseren
katholischen Brüdern und Schwestern
nicht nur friedlich im Stadtteil zusam
menleben, sondern auch in vielen Berei
chen gemeinsam unseren christlichen
Glauben zeigen. Und ich bin auch froh,
dass wir bei der Gemeindeleitung wieder
eine Form haben, die an die Urgemein
den erinnert. Schon in der Frühzeit wur
den die christlichen Gemeinden durch
ein gewähltes Gremium, die „Ältesten“
(Presbyter) geleitet (Apostelgeschichte
1 6). Im Laufe der Zeit verlor sich aber
diese Form und die Gemeinden hatten
nur noch einen „Hirten“, den Priester.
Zur Reformationszeit wurde das „Pries
tertum aller Gläubigen“ wieder entdeckt,
denn Martin Luther widersprach der
„Pfaffenkirche“. Lange Zeit hielt sich aber
noch eine obrigkeitliche Kirchenverfas
sung und der politische Machthaber war
Oberhaupt der Kirche. Er redete bei allen
Angelegenheiten der Gemeinden mit,
bestimmte die Pfarrer und regelte ihre
finanzielle Ausstattung. Erst mit den po
litischen Reformen Anfang des 1 9. Jahr
hunderts kamen die Presbyterien auf.
1 850 gab es in Mögeldorf erste Kirchen
vorsteher und die Gemeinde wurde vom
Pfarrer und den Ehrenamtlichen ge
tezeit, auf die wir angesichts der Nöte
der vorangegangenen Jahre mit großer
Dankbarkeit zurückblicken dürfen.
Pfr. i.R. Dr. Hans Birkel
meinsam geleitet. Natürlich müssen die
Kirchenvorsteher nicht wirklich alt sein.
Ab dem 1 8. Lebensjahr darf man sich zur
Wahl stellen. Aber es ist nicht einfach,
junge Menschen für die Wahl zu gewin
nen und es ist für sie nicht einfach, ge
wählt zu werden.
Der Kirchenvorstand sollte – wie vor 600
Jahren der „Gotteshauspfleger“ – dafür
Sorge tragen, dass die Kirche in gutem
Zustand bleibt. Deswegen wird sie jetzt
auch restauriert. Aber, wir müssen uns
heute viel mehr als früher darum küm
mern, dass unsere christliche Gemein
schaft lebendig ist und bleibt – und
auch ausstrahlt. War es früher selbst
verständlich, dass man zu der Gemeinde,
in die man hineingeboren wurde, auch
dazugehört, müssen wir heute zeigen,
warum dieses Dazugehören sich lohnt
und ein Gottesgeschenk ist. Deshalb
wünsche ich mir für unsere Gemeinde,
dass es uns gelingt, junge Menschen
und junge Familien für die Gemeinde zu
begeistern, und dass der Kirchenvor
stand jünger wird.
Ute Steckbeck
14
In jedem Leben ist es gut, Räume zu ha
ben, die einem Menschen das Zusich
Kommen, das Nachdenken, das Träumen,
das Loslassen ermöglichen. Und für viele
Menschen ist das Medium Musik etwas,
das ihnen so einen Raum eröffnen kann.
Da können dann Emotionen wahrge
nommen werden und fließen, Nach
denkliches meditiert, Freudiges und
Trauriges erlebt werden und das Ganze
eine Art Katharsis, eine Seelenreinigung
sein.
Auch die Religion weiß um die wunder
samen Kräfte der Musik, denn diese
kann Lebenshilfe sein, aber auch Aus
druck für Lob und Dank, für Klage, für
Aktivität oder Ruhe. Und gerade in ei
nem Kirchenraum wirkt sie besonders
anrührend.
Aus diesem Grund wird in der Kirche
musiziert. In einem Gottesdienst bilden
freie Kompositionen einen Klangrahmen
festlicher Andersartigkeit, Vorspiele
stimmen auf Ausdruck und Gehalt von
Chorälen ein und ein gemeinsamer Ge
sang vermag das Innere nach Außen zu
tragen und das Gefühl von Gemein
schaft zu vertiefen. So redet im Gottes
dienst nicht nur Gott mit uns, sondern
wir antworten ihm mit Gebet und Lob
gesang.
Auch in Konzerten finden wir so einen
umfriedeten Raum. Aufgeschriebene
oder improvisierte Musik erreicht dabei
unsere Herzen, transportiert einen bib
lischreligiösen Text oder schafft einen
Klangraum für eigene Gedanken und
Gefühle. Danach kann es gestärkt wieder
in den Alltag gehen.
In der Wirkungsweise sind selbst er
zeugte Musik und rezipierte Musik gleich
wichtig.
Es ist schön, sich musikalisch in ein Gan
zes einzubringen, sei es mit der Stimme
im Chor oder mit einem Instrument in
einer Gruppe. Das tut dem Menschen
ganzheitlich gut. Er wird Teil einer Ge
meinschaft, die sich in einem Entwick
lungsprozess um ein Gemeinsames
bemüht, das dann nach mancherlei
Aufwand als Endergebnis in einem
selbsterschaffenen Raum friedvoller
Schönheit seine Verwirklichung findet.
Genauso schön ist es aber, den Klängen,
die andere erzeugen, zu lauschen, sich
ergreifen und berühren zu lassen und
damit etwas von dem großen Geheimnis
des Lebens und Gottes zu erahnen.
Welch ein Geschenk ist die Musik, die
uns diesen umfriedeten Raum bereitzu
stellen weiß!
Markus Nickel
Wolfgang Feurer
Musik als umfriedeter
Raum
[GFDL, CCBYSA2.0], via Wikimedia Commons
15
Gelebte Ökumene der
Frauen
Interview mit Frau Wolfmar
Seit dem sogenannten Blutsonntag im
nordirischen Derry, dem 30. Januar 1972,
tobte in Nordirland ein Bürgerkrieg. In
Mögeldorf haben sich im Herbst 1983
Frauen aus der evangelischen und der
katholischen Gemeinde zusammengefunden, um hiergegen ein Zeichen zu setzen.
Was waren der Anlass und das Ziel
dieser Aktion?
In jenen schrecklichen Jahren waren die
Menschen bewegt von dem Morden und
Bomben in Nordirland. In unseren Mö
geldorfer Gemeinden ging es uns gut –
auch finanziell. Wir waren motiviert, et
was Gutes zu tun, das auch noch inter
essant erschien: eine ökumenische
Arbeit in einem anderen Land! Unser Ziel
war es, Begegnungen zwischen in Bel
fast lebenden Personen – klassifiziert als
die Katholiken und die Protestanten – zu
schaffen. Auch wir haben einige Zeit ge
braucht, um zu erkennen, dass es nicht
um religiösen Hass ging sondern um viel
tiefer sitzende und jahrhundertealte
Verletzungen und Trennungen innerhalb
Irlands, innerhalb zweier gesellschaftli
cher Gruppen: Gruppen der englischen
Tradition (protestantisch) und der iri
schen Tradition (katholisch). Wir wollten
Mütter zusammenbringen, es sollten ge
mischte Frauengruppen sein aus armen
Stadtteilen im WestBelfast, die wir ein
laden wollten in Familien aus der katho
lischen und der evangelischen Gemeinde
Mögeldorfs.
Haben Sie und die anderen Mögel
dorfer Frauen spüren können, dass
die Aktion den Frauen in Belfast et
was gebracht hat?
Es waren in erster Linie fröhliche Ur
laubstage für die jeweiligen Gruppen –
es kamen meist etwa zehn Frauen. Ein
Tor in einer Friedenslinie im Larnak Way,
WestBelfast
erster Urlaub, unbeschwert, kostenlos
und weit weg vom Bürgerkrieg. Die
Mütter waren glücklich und begeistert;
man konnte nicht merken, von welcher
traditionellen „Seite" (s.o.) sie jeweils
kamen. Von daheim aus Belfast kannten
sie sich nicht, obwohl sie oft nur wenige
Meter oder Straßenecken voneinander
wohnten. Hier haben sie festgestellt, wie
ähnlich sie sich doch sind: „Wir kennen
und singen die gleichen Lieder, wir la
chen und weinen zusammen und haben
auf beiden Seiten die gleichen Sorgen
um unsere Kinder" nämlich zum Bei
spiel die Sorge, dass Kinder von der
IrischRepublikanischen Armee (IRA)
angeheuert wurden oder in ein Bom
benattentat geraten könnten und
abends nicht mehr nach Hause kämen...
Welche Kontakte haben Sie und die
anderen Frauen aus Mögeldorf
heute noch nach Nordirland?
Jede von uns hat wunderbare Erinne
rungen an das, was wir gemeinsam er
lebt haben – auch in Mögeldorf. Es sind
Freundschaften entstanden. Diese wur
den und werden unterschiedlich gut
gepflegt. Aus Nürnberg sind immer wie
der einzelne Frauen oder kleine Gruppen
nach Belfast gefahren. Da kamen die
Belfaster Freundinnen dann wieder mit
den fränkischen Besucherinnen zusam
16
men. Einzelne der damaligen Gäste
schreiben regelmäßig Gratulationskarten
zu Weihnachten oder zum St. Patrick’s
Tag. Gerade in diesem Jahr erst besuchte
eine unserer Teilnehmerinnen mit Toch
ter und Enkeltochter vier Tage lang
Nürnberg.
Wann und warum wurde die Aktion
dann beendet?
Nach 1 4 Jahren Austausch, in denen
Belfaster Mütter nach Nürnberg und
Mögeldorfer Gastgeberinnen zum Ge
genbesuch nach Belfast reisten, konnte
man merken, dass es in Nordirland all
gemein besser ging. Die – wenn auch
sehr zähen – politischen Verhandlungen
fingen an zu fruchten. Die EUGelder
zeigten Wirkung. Die Armut war nicht
mehr so groß und die Arbeitslosenzahlen
sanken. Im ganzen Land ging es besser,
es wurde viel gebaut, Wohnungen ent
standen und auch riesige Supermärkte.
Die ersten aus dem Kreise unserer
Freundinnen konnten auch schon mal
einen Urlaub außer Landes buchen. 1 998
fand das letzte Treffen dieser Art in
Nordirland statt. Wir hatten beim Rück
blick ein gutes Gewissen. Vorausschau
end merken wir, dass sich allerorten der
Blick auf die Nöte im Osten Europas
richtete.
Wir würden Sie es jetzt beurteilen,
hat sich etwas stabilisiert in Belfast?
Mein letzter Besuch in Belfast war vor
zweieinhalb Jahren. Ich fühlte mich wie
in einer üblichen größeren europäischen
Stadt. Kein Militär auf den Straßen. Da
für viele geschäftige Einkäufer. Es war
vier Wochen vor Weihnachten und die
Aktivitäten aller Orten waren enorm. Ich
wurde zum Mittagessen in ein Lokal ein
geladen, ich wurde privat eingeladen
und außerdem fand auch das übliche
Treffen mit den „Ehemaligen" statt. Wir
machten zu dritt eine Stadtrundfahrt
und ich sah neue, saubere, ansprechende
Stadtviertel. Aber auch noch Altes, das
ich von früher kannte: die alte „Peace
Line" – die Trennlinie – eine Straße, die
die Stadtteile zerschnitt. Ich sah auch
noch viele der politischen Wandmale
reien an den Häusern beider Seiten. Mir
wurde erzählt, dass auch noch die klei
nen WellblechGassen bestünden und
diese kleinen Wege abends immer noch
zugesperrt würden.
Konnten Sie erfahren, dass in Mö
geldorf evangelische und katholi
sche Frauen zusammenarbeiten, um
den Müttern in Belfast etwas Gutes
zu tun?
Wir haben in Belfast gelernt, wie groß
der Unterschied ist zwischen den beiden
Gesellschaftsgruppen: zwischen der ka
tholischen und der protestantischen
„community" (Gemeinschaft). Die reine
Religionszugehörigkeit ist es in Nordir
land nicht, die das Miteinander so
schwer macht. Es ist die Zugehörigkeit
zu einer Tradition, einer Kultur: Entwe
der der englischen Tradition oder der
irischen Tradition; die Differenzen sind
viele hundert Jahre alt. Auch die politi
schen Parteien unterscheiden sich ja in
dieser Weise (die englischen Republika
ner und die irischen Nationalisten). Nur
vereinfacht ist „Englisch = protestan
tisch" und „Irisch = katholisch"; das
wurde dann zur Gewohnheit. Wir kön
nen das nicht übertragen auf die kirch
lichen Verhältnisse in Mögeldorf,
Nürnberg oder anderswo.
Wir hätten es gern gesehen, wenn sich
unsere Arbeit irgendwie in Belfast fort
gesetzt hätte, regelmäßig und nachhal
tig auf dem Boden des gemeinsam
Erlebten. Dazu hätte es aber eines Men
schen bedurft – entweder aus den Rei
hen der Frauen selbst oder einer
Mitarbeiterin aus den vielen christlichen
oder auch neutralen Belfaster Friedens
gruppen. Das alles ließ sich jedoch leider
nicht verwirklichen.
Wir danken Ihnen sehr herzlich für
das Gespräch!
Wolfram Steckbeck
17
Eine Pfarrfamilie gibt Zuflucht.
Alles begann mit folgender EMail, die
Kuno Hauck, Pfarrer in NürnbergMö
geldorf und Ausländerbeauftragter im
Dekanat Nürnberg, am 1 6. Mai 2011 er
hielt:
Sehr geehrter Herr Hauck,
wir betreuen hier in der Wohngruppe
Bahia 11 unbegleitete, minderjährige
Flüchtlinge. Einer von ihnen kommt
aus Somalia. Er kam auf dem Seeweg
nach Italien, flüchtete dann weiter
nach Schweden und landete nach
Schweden in Deutschland. Nun droht
ihm die Rückschiebung nach Italien…
Der Jugendliche war auf seiner Flucht
aus Somalia unter anderem auch in
haftiert. Jetzt schlägt er hier in Nürn
berg endlich Wurzeln und befindet
sich in einem recht stabilen Zustand.
Wir wollen verhindern, dass er nach
Italien rückgeführt wird, die Zustände
dort sind hinlänglich bekannt! Kön
nen Sie uns/ihm weiterhelfen?
Im Jahr 2011 hatte man in Nürnberg seit
über 1 5 Jahren kein Kirchenasyl mehr
angeboten und niemand wusste, wie die
Behörden in so einem Fall reagieren
würden.
Die früheren Erfahrungen mit Kirchen
asylen in Bayern sprachen einerseits da
gegen, da sie aufgrund der langen
Dauer, zu sehr großen Belastungen für
die jeweiligen Pfarrfamilien geführt
hatten. Andererseits konnten wir aus der
Presse entnehmen, dass in Coburg gera
de ein Kirchenasyl glücklich ausgegan
gen war.
Nachdem der Kirchenvorstand in Mö
geldorf zugestimmt hatte und die
Pfarrfamilie gern dazu bereit war, den
jungen Mann aufzunehmen und sich um
ihn zu kümmern, war es dann Mitte
September 2011 soweit und die Tür des
Pfarrhauses stand offen für Ahmed aus
Somalia.
In den knapp 6 Wochen des Kirchenasyls
lebte Ahmed in unserer Familie wie ein
guter Freund, fast wie ein weiteres Kind.
Kuno Hauck
Kirchenasyl Mögeldorf
18
Die besondere Nähe ergab sich natürlich
dadurch, dass Ahmed in all der Zeit Haus
und Garten nicht verlassen konnte und
wir deshalb viel Zeit miteinander ver
brachten, gemeinsam kochten, zusam
men aßen, Fernsehen schauten und
Gesellschaftsspiele machten.
In der gesamten Zeit achteten wir dar
auf, dass er nie allein im Haus war, da
wir, zumindest in den ersten 3 Wochen,
eine Abschiebung nicht ausschließen
konnten.
Es war sehr wichtig, dass es einen Un
terstützerkreis außerhalb der Gemeinde
gab, der uns als Pfarrfamilie nicht alleine
ließ. Es kamen immer wieder Besucher,
insbesondere aus der Wohngruppe Ba
hia, die Abwechslung brachten und über
die sich Ahmed sehr freute.
Die größte Unterstützung bekamen wir
aber von unseren erwachsenen Kindern,
die altersmäßig einfach näher dran wa
ren und Ahmed wie einen guten Freund
aufnahmen, sich oft mit ihm unterhiel
ten, auch über sein Heimatland Somalia
und über seine Familie, die nach wie vor
in Mogadischu lebt. Natürlich brachten
sie ihm auch einige Worte auf fränkisch
bei, z. B. das berühmte „bassd scho“ hat
er schnell gelernt. Im Gegenzug lernten
auch wir einige Worte auf somalisch,
was für uns bedeutend schwieriger war.
Es war für uns als Familie eine intensive
und wertvolle Zeit, in der uns Ahmed,
ein intelligenter und liebenswerter jun
ger Mann, sehr ans Herz gewachsen ist.
Dass er nach schlimmen Erfahrungen
und einer dramatischen Fluchtgeschich
Verleih uns Frieden
gnädiglich ⁄
Russischen SS20 Raketen standen
amerikanische PershingRaketen gegen
über – das Schussfeld dieser Mittelstre
ckenwaffen war Europa. Das Bedro
hungspotential in den Jahren des Kalten
Krieges war durchaus real und mancher
te noch so ansteckend lachen konnte,
war besonders schön.
An eine Situation erinnern wir uns ganz
besonders. Wir saßen vor dem Fernseher
und schauten gespannt auf die Ergeb
nisse der Berlinwahl. Ahmed konnte
nicht fassen, dass es tatsächlich eine
Partei gibt, die sich „Piratenpartei“
nennt. Er hat mehrmals nachgefragt, um
dann immer noch ungläubig zu sagen,
dass es in Somalia auch Piraten gibt, die
aber etwas ganz anderes im Sinn haben
und dass einige seiner Schulfreunde
auch Piraten wurden, was er ganz
schlimm fand.
Während es 2011 in ganz Bayern nur ei
ne Handvoll Kirchenasyle gab, haben in
zwischen viele Kirchengemeinden durch
das Angebot von Kirchenasyl zahlreiche
Menschen vor der Abschiebung in un
menschliche Lebensbedingungen ge
schützt und ihnen dadurch ermöglicht,
nach Ablauf der Überstellungsfrist des
DublinVerfahrens, einen regulären
Asylantrag in Deutschland zu stellen.
Die aktuelle europäische Abschottungs
politik wird in den nächsten Monaten zu
einer massiven Zunahme von Abschie
bungen führen und Kirchengemeinden
sind mehr denn je gefragt, Kirchenasyle
anzubieten, um menschenrechtswidri
gen Handlungsweisen entgegenzutreten.
„Wer ein Menschenleben rettet, der
rettet die ganze Welt.“
Anne und Kuno Hauck
von 2001 bis 2014 in Mögeldorf
plante schon die Auswanderung nach
Südamerika. Im Herbst 1 982 fanden sich
Ehrenamtliche aus der Mögeldorfer Ge
meinde mit Pfarrer Gerhard Schorr zu
sammen, um ein Zeichen zu setzen und
eine Möglichkeit für Besinnung und Ge
bet zu schaffen. Einmal im Monat an ei
nem Montagabend sollte ein Friedens
thema in Texten, Liedern und Gebeten
bedacht werden. 30 Jahre hat der Ar
beitskreis Frieden das durchgehalten und
19
Die Abstimmung mit den Füßen führte
dazu, dass im Herbst 201 2 das letzte
Friedensgebet stattfand.
Wolfram Steckbeck
Wolfram Steckbeck
in jedem Jahr auch den Gottesdienst in
der Friedensdekade gestaltet.
Es gab in dieser Zeit auch einige positive
Wendungen, für die wir danken konn
ten: Die Öffnung der innerdeutschen
Grenze 1 989 und in deren Folge der Ab
bau der Mittelstreckenraketen und das
Ende des Kalten Krieges, die Friedens
und Autonomieverhandlungen zwischen
Israel und der PLO in den 90erJahren,
das Ende der Apartheid in Südafrika
1 994 und des NordirlandKonflikts mit
dem Karfreitagsabkommen 1 998.
Doch das Friedensgebet wurde leider
niemals überflüssig: Der 2. Golfkrieg
führte im Januar 1 991 dazu, dass das
Friedensgebet für einige Wochen sogar
wöchentlich stattfand. – Der Jugosla
wienkonflikt belastete vor allem wegen
des Dilemmas zwischen Friedensan
spruch und Nothilfe für bedrohte Men
schen. – Die Massaker in Ruanda ließen
uns fassungslos und ohnmächtig zurück.
– Bürgerkrieg im Südsudan und in So
malia … die Aufzählung kann nicht an
nähernd vollständig sein.
Und selbst die oben genannten Wen
dungen entwickelten sich leider nicht so
wie erhofft: Der Rassismus in den neuen
Bundesländern verstörte, der Frieden
zwischen Israel und den Palästinensern
war und ist brüchig und sogar der
Nordirlandkonflikt brach wieder auf. Na
türlich gab es auch immer wieder neue
Hoffnungszeichen: Das Ende des Koso
vokrieges 1 999 und der zweiten Intifada
2005.
Doch mit den Anschlägen vom 11 . Sep
tember 2001 und den folgenden Kriegen
in Afghanistan und Irak mit ihren mas
senhaften Menschenrechtsverletzungen
begann eine neue Dimension des Un
friedens und des Konflikts zwischen den
abrahamitischen Religionen. Der Zusam
menprall der Kulturen und der alltägli
che Rassismus bei uns wurde in der
Folgezeit immer wieder auch Thema der
Friedensgebete.
Doch es kam auch die Erkenntnis, dass
das Format nicht mehr zeitgemäß war:
Wir haben Mitglieder des Friedenskreises
gefragt, warum ihnen das Friedensgebet
wichtig war:
„Weil wir, wenn uns schlimme Ereignisse
die Sprache verschlagen hatten, dies zur
Sprache bringen, am Evangelium spiegeln
und im Gebet vor Gott bringen konnten."
Heidemarie und Gerhard Schorr
„Weil wir mit dem Friedensgebet ein
Format hatten, mit dem wir in unserer
Kirche schnell auf erschreckende
Nachrichten eingehen konnten.“
Ute Steckbeck
„Weil wir mit der Gebetskette die
Möglichkeit hatten, unserer Hilflosigkeit
angesichts von Kriegen und anderen
Katastrophen Ausdruck zu verleihen.“
Konstanze Heß
„Weil wir nicht nur den Frieden in
unserem Umfeld im Blick hatten, sondern
auch unsere Mitmenschen in Afrika,
Asien und Amerika in unser Gebet um
Frieden aufgenommen haben.“
Peter Heß
„Die Friedensgebete waren für uns der
Weg gegen den Kalten Krieg in Europa,
gegen den Krieg in vielen Krisengebieten
dieser Welt, gegen den geplanten Bau der
Wiederaufarbeitungsanlage
Wackersdorf.“
Gerda & Wigand Melzl
20
Sterben und Tod gehören zum Leben ei
nes jeden Menschen. Die Zeit und das
Geschehen sind dabei ganz persönlich
und individuell. Wie die meisten Men
schen wünsche ich mir diesen Lebensab
schnitt begleitet und behütet.
In unserer Gemeinde bringen Kirche und
Diakonie ihre Unterstützung dafür ein.
Über hundert Jahre lang sind dabei in
Mögeldorf die Men
schen und Familien in
ihren Wohnungen ge
pflegt und seelsorger
lich begleitet worden.
Seit 1 . November 1 997
ergänzt das stationäre
Hospiz im Mathilden
haus dieses Angebot
und bietet eine Art
„ErsatzZuhause“ an,
wenn das Sterben in
der eigenen Wohnung
nicht möglich ist.
„Begleitet und behü
tet“ stehen hier für
Raum in 1 2 Einzel
zimmern, Zeit geben,
sorgsame Pflege, Me
dizin und Achtsamkeit
in der Begleitung für
das ganze Menschsein
mit Körper, Geist und Seele.
In Frieden gehen dürfen liegt im inners
ten des Menschen selbst; was er für sich
mitbringt, hofft und glaubt. Pfarrerinnen
und Pfarrer können in der Seelsorge be
gleiten, trösten, das Verzeihen ausspre
chen und die Gedanken auf das
Kommende im Glauben stärken.
In Frieden gehen dürfen kann gesche
hen, wenn die äußeren Umstände Frie
den und Ruhe vermitteln. Der Sterbende
und seine Familie und Nahestehenden
erfahren das Hospiz als Schutzraum. Sie
müssen nicht mehr für alles zuständig
sein. Sie wissen und erfahren, dass das
Angebot der Hilfe und Pflege rund um
die Uhr besteht. Der Stress ist vermin
dert und das tut gut
In Frieden gehen dürfen heißt auch: Das
Leben darf in seinem persönlichen, na
türlichen Prozess zu Ende gehen und das
Sterben ist akzeptiert.
Ein Sterbender befindet sich in seiner
letzten, allumfassenden LebensAufgabe.
Dabei begleitet und behütet zu sein ist
wunderbar. Gott sei Dank.
Das Gedicht von Rainer Maria Rilke kann
ich gut auf die Hospizarbeit beziehen:
www.diakoniemoegeldorf.de/hospiz
In Frieden gehen dürfen
Rast
Gast sein einmal,
nicht immer selbst seine Wünsche
bewirten mit kläglicher Kost,
nicht immer feindlich nach allem
fassen,
einmal sich alles geschehen lassen
und wissen:
Was geschieht ist gut.
Gerlinde Heckel
21
Ein Kalender zum
Geburtstag
Im Zuge der Vorüberlegungen zur Feier des
600. Jahrestags der Weihe unserer Kirche
entstand schon früh – im Jahr 201 3 – die
Idee, die Jubilarin in einem Kalender in Sze
ne zu setzen. In unserer Gemeinde gibt es
einige begeisterte Fotografen, die bis dahin
schon das eine oder andere Foto im KIRCH
TURM veröffentlicht hatten. Diese waren
von der Idee, einen Kalender mit Bildern
von der Kirche zu erstellen, sofort begeistert
und fingen an, die Kirche und ihr Inventar
aus allen möglichen Perspektiven abzulich
ten. Im Laufe der Zeit entstanden mehrere
hundert Bilder, die unsere Kirche von außen
und von innen in unterschiedlichsten Be
leuchtungen und zu allen Jahreszeiten zei
gen. Im Frühjahr 201 5 war es soweit: Es
galt, die schönsten und geeignetsten Bilder
auszuwählen und ein Layout für den Kalen
der zu entwerfen. So setzten sich die Fami
lien Monse, Steckbeck und Feurer zusam
men, um gemeinsam an der Gestaltung des
Kalenders zu arbeiten. Schnell war klar, dass
ein großformatiger Kalender enstehen soll
te, der auf der Vorderseite jedes Blatts ein
farbiges Bild und ein Kalendarium trägt. Die
Rückseiten sollten mit SchwarzWeißBil
dern und Sprüchen – überwiegend aus der
Bibel –, die zum jeweiligen Monat passen,
bedruckt werden. Im Kalendarium wurden
die Tage, an denen Veranstaltungen zum
Kirchenjubiläum stattfinden, farbig hervor
gehoben. Der Titel der jweiligen Veranstal
tung wurde unter dem Kalendarium
platziert, eine kurze Beschreibung findet
sich auf der zum Monat gehörenden Rück
seite. Für den Druck konnte die Firma
Druckwerk gewonnen werden, die jeden
Monat unsere KirchturmAusgaben zu Pa
pier bringt, aber auch große Erfahrung in
der Herstellung farbiger Drucksachen und
Kalender hat. In Zusammenarbeit mit Ge
schäftsführer Albert Sterr konnten die letz
ten kleinen Ungereimtheiten im Layout
beseitigt werden, so dass am Ende ein aus
gesprochen hochwertiger Kalender ent
stand. Der Verkaufsstart war, wie geplant,
beim Martinsmarkt in der Mögeldorfer Oa
se. Anschließend wurde der Vertrieb von
verschiedenen Mögeldorfer Einzelhandels
geschäften und vom Pfarramt übernom
men. Der Verkaufserlös kam der Renovie
rung der Kirche zugute.
Wolfgang Feurer
22
Unsere Veranstaltungen
im Jubiläumsjahr
„Ein Gang durch die Jahrhunderte“
Dr. Ralf Schürer (Sammlungsleiter am
Germanischen Nationalmuseum Nürn
berg) und Dr. Hans Birkel (Dekan i. R. und
ehemaliger Pfarrer in Mögeldorf) präsen
tierten uns ausgewählte Kunstwerke der
Kirche. Die musikalische Präsentation ge
staltete KMD Markus Nickel (Kantor in
Mögeldorf) mit Chor, Solistin und Orgel.
Samstag, 30.01 .201 6
Stadtteilführungen zur Entstehungs
zeit der Kirche
Elfriede Schaller (Bürger und Ge
schichtsverein Mögeldorf e. V.) und Peter
Scharrer (Kirchenführer in der Gemeinde
Mögeldorf) führten uns in und um die
Kirche St. Nikolaus und St. Ulrich und
ließen die Entstehungszeit und die sechs
Jahrhunderte ihres Bestehens lebendig
werden.
Samstag, 05.03.201 6 und
Sonntag, 06.03.201 6
Festgottesdienste
Sonntag, 1 5.05.201 6, um 1 0 Uhr Jubi
läumsgottesdienst mit Regionalbischof
Dr. Stefan Ark Nitsche in der Kirche
und anschließend Jubiläumsfeier rund
um die Kirche. Das Programm wird im
Kirchturm und durch Aushänge veröf
fentlicht.
Montag, 1 6.05.201 6, um 1 0.30 Uhr
Ökumenischer Gottesdienst zur Kirch
weih im Festzelt auf dem Kirchweih
platz.
„Der Ackermann und der Tod“
Szenische Lesung des Prosadialogs von
Johannes von Tepl mit Musik des
1 5. Jahrhunderts
In dem kurz nach 1 400 entstandenen
Streitgespräch verklagt ein Ackermann
den Tod, ihm seine Frau viel zu früh ent
rissen zu haben. Mit kühler
Rechtfertigung lässt dieser
sich auf das Wortgefecht
ein, Argumente über die
Hinfälligkeit des Lebens
und die Erhabenheit der
Schöpfung prallen aufein
ander. Am Ende treten
beide vor Gottes Thron, er
soll Recht sprechen ...
Sprecher: Wolf von der
Burg, Achim Hofmann
Musiker: Sabine Kreuzberger, Verena
Kronseder, Walter Waidosch u.a.
Textbearbeitung: Klaus Martius
Samstag, 25.06.201 6, um 1 9 Uhr in der
Kirche und auf dem Kirchhof
Ökumenisches Gemeindefest mit
verschiedenen Anklängen zum Kir
chenjubiläum
Der Auftakt wird mit einem Ökumeni
schen Gottesdienst gefeiert. Das Pro
gramm wird im Kirchturm und durch
Aushänge veröffentlicht.
Sonntag, 03.07.201 6, ab 11 Uhr am
Haus der Gemeinde
„Kirche entdecken“ für Kinder/Ju
gendliche
Kinder und Jugendliche verbringen eine
Nacht in der Kirche, um ihr so näher zu
kommen. Begleitet werden sie dabei von
Mitarbeitern aus der Jugendarbeit/dem
CVJM.
Freitag, 23.09., auf Samstag, 24.9.201 6
Kirchenkonzert „St. Nikolaus und St.
Ulrich“
Jubiläumsoratorium von KMD Markus
Nickel (auch unter Verwendung von Mu
sik alter Meister) mit der Mögeldorfer
Kantorei, dem Mögeldorfer Kammermu
sikkreis, Solisten, Blechbläserquartett,
Blockflötenquartett, Klavier, Orgel und
Erzählern.
Sonntag, 23.1 0.201 6, um 1 7 Uhr in der
Kirche
Ute Steckbeck
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