SWR Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Stellvertretender
Parteivorsitzender, gab heute, 20.05.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„SPD weiter im Umfragetief“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
20.05.2016
Schäfer-Gümbel (SPD): Steinmeiers Umfrage-Standing keine Überraschung
Baden-Baden: Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hält die
Favoritenrolle von Frank-Walter Steinmeier bei der Kanzlerkandidaten-Frage im
Deutschlandtrend für "keine große Überraschung". Im Südwestrundfunk (SWR) sagte SchäferGümbel, in Deutschland sei es die Regel, dass "Außenminister immer eine hohe Reputation in
Umfragen" hätten. Die SPD werde an Hand dieses und anderer Befunde "im Laufe des
nächsten Halbjahres" darüber entscheiden, wer dann wirklich bei der Bundestagswahl im
kommenden Jahr antrete. Parteiinterne Forderungen, die SPD solle deutlich vor der Wahl noch
die Große Koalition verlassen, seien falsch. Eine "Chaos-Strategie" werde weder dem Land gut
tun noch von den Wählerinnen und Wählern honoriert, sagte Schäfer-Gümbel. Allerdings
müssten die Sozialdemokraten vor allem in Fragen der Steuergerechtigkeit jetzt schon stärker
den Streit mit ihrem Berliner Koalitionspartner suchen. Die SPD dürfe nicht länger ignorieren,
dass inzwischen 40 Prozent der Haushalte in Deutschland "kein Vermögen mehr" hätten.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Geissler: 21 Prozent, wenn Sie die Fehlermarge einrechnen, könnte auch stimmen, was
Forsa ermittelt hat am Donnerstag: Dort heißt es, 19 Prozent für die SPD, das wäre der
schlechteste Wert seit 2009. Was oder wer ist schuld, dass es nicht wirklich aufwärts
geht mit der Sympathie?
Schäfer-Gümbel: Ich glaube, man muss am Anfang erst einmal festhalten, dass es keine
einfache Antwort und keine einfache Lösung für unsere Gesamtsituation gibt. Ich glaube, dass
viele Sachen da mit reinspielen. Deswegen habe ich in den letzten Tagen immer und immer
wieder gesagt, übrigens nicht zum ersten Mal, sondern sage ich das schon sehr, sehr lange,
dass unsere Erkennbarkeit bei der Kernfrage des sozialen Zusammenhalts in der sozialen
Gerechtigkeit erkennbarer sein muss. Ich glaube, dass wir gute Arbeit in der Regierung
machen, dass wir versuchen, in kleinen Schritten vieles besser zu machen, aber dass dabei
eben die große Linie nur schwer erkennbar ist. Das, glaube ich, ist eines der Kernprobleme.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Geissler: Nun ist allerdings doch schon seit einiger Zeit signalisiert worden, dass die
SPD und auch ihr Parteichef wieder mehr nach links zu rücken gedenken - das Profil der
Gerechtigkeitspartei schärfen wollen, in der Steuerpolitik, bei der Rente. Wenn dieses
Profil Aufschwung verspricht, Herr Schäfer-Gümbel, müsste dann nicht längst schon das
auch in den Umfragen zu spüren sein?
Schäfer-Gümbel: Nein, wenn Sie sich ganz - ich bin ja Politikwissenschaftler - insofern gucke
ich ja sehr analytisch auf solche Fragen, wenn Sie sich anschauen, dass wir ganz offensichtlich
einen Vertrauensverlust in dieser Frage erfahren haben, das hat ja der Deutschland-Trend und
auch der letzte deutlich gezeigt, dann ist das keine Frage, die Sie in wenigen Wochen
zurückholen, sondern es muss auf der langen Linie erkennbar sein, dass wir das sehr ernst
meinen. Dabei haben wir einen Kompromiss machen müssen, beim Eintritt in die Große
Koalition mit der Union, der es schwer macht in dieser Frage. Es geht um die Frage der
Steuergerechtigkeit. Da musste man akzeptieren in der Koalition, dass es dort keine Fortschritte
gibt und das ist etwas, was uns nach wie vor nachhängt.
Geissler: Es ist ja nicht nur die Koalition. Inder Tat ist so ein markanter Schwenk nicht
leicht vermittelbar etwa bei der Abgeltungssteuer, die Sie wieder abschaffen wollen, wo
sie doch Ihr Genosse Steinbrück eingeführt hat, oder beim Rentenniveau…
Schäfer-Gümbel: Damals war das Problem, dass wir an die Daten nicht rangekommen sind,
deswegen war die Begründung für die Abgeltungssteuer damals dezidiert, dasseine Pauschale
von wenig besser ist als Viel von gar nichts. Mit der OECD haben wir verabredet, dass die
Daten kommen, und deswegen können wir jetzt Kapital und Arbeit wieder gleichmäßig
besteuern, deswegen ist es auch richtig, zu korrigieren.
Geissler: Bei diesem Beispiel o.k.. Beim Rentenniveau ist es so, das wollen Sie
wiederanheben, wo es doch absichtsvoll von Ihrem Genossen Schröder abgesenkt
wurde. Reicht es da nur, das alles in ein neues Wahlprogramm zu schreiben?
Schäfer-Gümbel: Nein, natürlich nicht, Papier ist geduldig. Man muss sehen, dass wir das
leben, dass wir dort Neuaufrüstung vornehmen, wir sitzen in den unterschiedlichsten Runden
zusammen, um das zu diskutieren, wie wir, sage ich mal, uns auch inhaltlich dort aufstellen. Wir
arbeiten intensiv derzeit an einem neuen Regierungsprogramm, das wir sehr breit aufgestellt
haben.
Geissler: Gremien gut und schön, ja. Sie wissen, dass es in Ihrer Partei viele Stimmen
gibt, die dazu raten, in der Großen Koalition auf Konfrontation umzuschalten, weil man
das glaubwürdig nicht sozusagen erst am Tag vor der Bundestagswahl machen kann.
Unterstützen Sie das?
Schäfer-Gümbel: Ich bin der Auffassung, dass wir gerade auch in den Fragen der
Steuergerechtigkeit mit unserem Koalitionspartner deutlich stärker auch streiten müssen, und
zwar Streit in der Sache. Nicht weil man sich mit dem Koalitionspartner streitet. Aber wir haben
ein Gerechtigkeitsthema, wir haben zunehmende Ungleichheit. 40 Prozent der Haushalte haben
kein Vermögen mehr. Das ist eine Situation, die wir nicht ignorieren dürfen, auch nicht in der
Großen Koalition.
Geissler: Der Befund ist schon klar. Aber lassen Sie uns einfach in die Praxis schauen.
Die AfD liegt inzwischen bei 15 Prozent, profitiert offensichtlich von dem einfältigen
Reflex, der da lautet: wenn die Migranten nicht da wären, bekämen die Einheimischen
mehr. Da sagen einige Ihrer Genossen, um da gegenzuhalten und zu versichern, wir als
SPD sorgen dafür, dass die Einheimischen nicht zu kurz kommen, geht das glaubwürdig
nur, wenn wir entweder jetzt in der Koalition das durchsetzen oder aber die Koalition
verlassen vor der Bundestagswahl, wenn wir es jetzt nicht durchsetzen können. Ist das
so falsch?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Schäfer-Gümbel: Ich glaube, dass das falsch ist. Ich glaube nicht, dass jetzt Chaos-Strategie
das Richtige ist. Das wird am Ende weder dem Land noch den Menschen und auch nicht der
SPD helfen. Die SPD ist immer eine Partei, die ein gutes Stück weit dafür sorgt, auch in der
Realität Dinge umzusetzen und deswegen sind das Kurzschlussreaktionen, die ich nicht teile.
Geissler: Jetzt haben wir nur über Inhalte gesprochen…
Schäfer-Gümbel: Das ist aber wichtig, ich bin ja mal froh, mit jemandem über Inhalte zu reden.
Geissler: Ja, aber vielleicht wird ja doch unterschätzt, welche Rolle Personen spielen. An
Malu Dreyer sehen Sie, wie es auch laufen kann für die SPD. Für den Bund stellt der
Deutschlandtrend heute Morgen fest, dass Frank-Walter Steinmeier in den Augen der
meisten Deutschen der beste Kanzlerkandidat wäre. Was sollte die SPD mit diesem
Befund tun, aus Ihrer Sicht?
Schäfer-Gümbel: Wir werden nicht nur mit diesem Befund, sondern auch mit anderen intensiv
umgehen und werden im Laufe des nächsten Halbjahres darüber zu entscheiden haben, wer
Kanzlerkandidat der SPD wird. Das hat Sigmar Gabriel immer gesagt, dass wir dazu einen
Fahrplan machen.
Geissler: Mit diesem Befund – Steinmeier – das habe ich Sie gefragt, was sollte die SPD
mit diesem Befund tun?
Schäfer-Gümbel: Mir ist schon klar, dass Sie wissen wollen, wer jetzt Kanzlerkandidat wird.
Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass wir eine Verabredung haben, dass wir das in aller
Ruhe klären und Sie können davon ausgehen, dass niemand bei uns leichtfertig mit dieser
Frage umgeht.
Geissler: Ich wollte auch keine Entscheidung von Ihnen. Wie erklären Sie sich, dass
Sigmar Gabriel weit hinter Steinmeier liegt in der Kandidatenfrage?
Schäfer-Gümbel: Na, ehrlich gesagt, ist es keine große Überraschung in Deutschland, dass die
Außenminister immer eine hohe Reputation in Umfragen haben, das können Sie seit
Jahrzehnten in Deutschland absehen.
Geissler: Aber auch bei Ihrer Partei ist es ja so, dass Sigmar Gabriel weit hinter
Steinmeier liegt.
Schäfer-Gümbel: Nochmal – es gibt einen klaren, empirischen Befund seit Jahrzehnten, dass
die Bundesaußenminister, die eine gute Arbeit machen - da gab es überwiegend nur einen
Ausfall in den letzten Jahrzehnten, immer sehr gut bewertet werden in Deutschland.
Geissler: Leider haben Sie jetzt nichts über Herrn Gabriel gesagt.
Schäfer-Gümbel: Zu Sigmar Gabriel: Sigmar Gabriel ist natürlich auch jemand, der ein Stück
weit als Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister immer in einer zugespitzteren Diskussion
steht.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)