Schwester Magdalena Winghofer, Mainz Zuspruch am Morgen in hr2-kultur, Dienstag, 17.5.2016 Flamme und Glut Gestern hat die Kirche Pfingsten gefeiert, das Fest des Heiligen Geistes. Pfingsten ist nie ein besonders bekanntes Fest geworden, wie Ostern oder gar Weihnachten. Ich glaube: Das liegt daran, dass der Heilige Geist nicht so einfach zu fassen ist. Wer oder was ist das überhaupt, der Heilige Geist? Die Bibel erzählt vom ersten Pfingstfest damals, vor rund 2000 Jahren: Die Jünger Jesu sind nach Ostern zusammengeblieben – aber unter sich, ihre Türen gut verschlossen, aus Angst vor den anderen. Und dann fing es plötzlich an zu stürmen und zu brausen und Feuerzungen kamen vom Himmel auf die Jünger herab. Und plötzlich konnten sie ihre Türen öffnen, hinausgehen, zu den anderen, erzählen von dem, was sie erlebt haben – und eine riesige Bewegung entstand, das Christentum. Das ist eine gewaltige Erzählung. Und natürlich stellt sie sofort die Frage, ob es denn so gewesen sein kann: Ein plötzlicher Sturm, Feuerzungen vom Himmel? Ich glaube: Darum geht es gar nicht. Es ist eine Geschichte, die genau diese Frage beantworten will: Wer oder was ist eigentlich der Heilige Geist? In Bildern sagt sie: Der Heilige Geist kann aufrütteln, er kann Menschen in Bewegung bringen, gibt Mut zum Aufbruch. Er kann so begeistern, dass Menschen Feuer und Flamme werden. Und das gibt es auch heute noch, auch in meinem Leben: Zum Beispiel wenn ich meine Leidenschaft spüre für meine Arbeit als Seelsorgerin und für die Menschen, die mir anvertraut sind. Wenn ich spüre, wie sehr mir die Menschen am Herzen liegen. Und wenn ich anderen mit glänzenden Augen erzählen kann, was für ein toller Beruf das ist. Da wirkt der Heilige Geist auch heute noch. Aber was ist dann in Zeiten mühsamer Schreibtischarbeit und endloser Sitzungen ohne Ergebnis? In Zeiten, in denen ich das Gefühl habe, mit all meinem Einsatz ins Leere zu laufen, frustriert und enttäuscht bin? Es gibt die Zeiten, in denen die Leidenschaft und die Begeisterung verfliegen und von Aufbruch und Bewegung wenig zu sehen ist. Ist der Heilige Geist in solchen Zeiten irgendwie „weg“? Oder war meine Begeisterung nur ein Strohfeuer statt des Heiligen Geistes? Es ist gut, dass die Bibel auch noch ganz anders vom Heiligen Geist erzählt als in der Pfingstgeschichte. Nämlich dann, wenn sie von den Gaben des Heiligen Geistes spricht, von dem also, was er in uns bewirkt. Einsicht zum Beispiel. Oder Stärke. Weisheit und Rat. Auch die Frömmigkeit. Es gibt richtige Listen von Geistesgaben. Paulus nennt darin auch das Dienen, das Trösten und Ermahnen und den selbstlosen Einsatz. All das ist viel weniger brausend und spektakulär. Aber es sind genau die Gaben und Haltungen, die ich brauche, um trockene Phasen durchzustehen. Um durchzuhalten, wenn die Leidenschaft gerade nicht so hell brennt. Der Heilige Geist ist auch in diesen Zeiten dabei – nicht als Flamme der Begeisterung, sondern vielleicht als die weiterglimmende Glut der Treue und der Geduld. Zum Nachhören als Podcast http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=22644
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