Gabriela A. Köhler Ella Das ganz Besondere Erbe Bereits erschienen in dieser Reihe: Ella Der Anfang Copyright: ©2016 Gabriela Köhler Kontakt: [email protected] Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Covergestaltung: © 2016 Gabriela Köhler Dieses Buch widme ich all Denjenigen, die mich bestärkt haben, meinen Traum vom Schreiben zu verwirklichen und allen Lesern, die schon auf dieses Buch gewartet haben! Gabriela A. Köhler Es passieren Dinge auf dieser Welt, die lassen sich nicht erklären. Es gibt sie aber doch! 1 Ella wachte auf. Es war noch dunkel. Sie drehte sich um und schaute auf den Wecker. Oje, schon so spät. Energisch knuffte sie ihren Mann an: „Matthias, aufwachen. Wir haben verschlafen. Du musste dich beeilen.“ Matthias brummte in sein Kissen hinein. Es dauerte einen Augenblick, ehe er richtig wach war. Dann drehte er sich um, nahm seine Frau in den Arm, gab ihr einen dicken Kuss und fragte: „Wie spät ist es denn?“ „Schon nach Halbsieben“, Ella setzte sich auf und ließ ihre Beine aus dem Bett baumeln. „Ich bringe gleich die Kaffeemaschine in Gang und mach das Frühstück fertig. – Los, du Faulpelz, aufstehen!“ Mit einem Schwung zog sie Matthias die Bettdecke weg. Jetzt war auch ihre Hündin Nora aufgewacht. Mit einem gewaltigen Satz sprang sie ins Bett und begrüßte ihre “Leute“ schwanzwedelnd. Bei dieser Übermacht hatte Matthias keine Chance. Lachend stand er auf und verschwand im Badezimmer. Ella schmuste noch einen Moment mit Nora, die sich gleich ganz dicht an sie schmiegte und die Streicheleinheiten sehr genoss. „Jetzt müssen wir aber weitermachen, meine Liebe“, Ella stand auf und ging in die Küche. Gemeinsames Frühstück war bei Ella und Matthias ein festes Ritual. Schnell war der Frühstückstisch gedeckt und es roch nach frischem Kaffee. Auch Nora bekam ihren Napf gefüllt, den sie sogleich ruckzuck leerte. Noch ein paar Schlucke Wasser hinterher und dann leckte sie sich sorgsam die „Schnute“ ab. „Hast du es heute gar nicht so eilig?“, fragend schaute Ella zu ihrem Mann. 5 „Ach, nö – bin eben sowieso Alleinunterhalter am Computer. Wieder so eine Betrugssache im Internet. Das nimmt wirklich Überhand. Das Schlimme ist, häufig kommt man an die Drahtzieher wirklich nicht ran. Diesmal haben wir vielleicht Glück, drück mir mal die Daumen! Matthias lächelte seine Frau an. „…und wie sieht dein Tag heute aus?“ Ella überlegte kurz: „Viele Termine, aber eigentlich nichts Besonderes, bis auf das Freispringen heute Morgen. Nächste Woche hat Rosiana ihre Stutenleistungsprüfung und wir wollen sie ein letztes Mal Springen lassen. Ansonsten hat sie sich in den letzten zwei Monaten so super entwickelt. Ich bin schon gespannt, wie sie sich schlagen wird.“ Matthias trank noch den Kaffee aus, schnappte sich seine Sporttasche und verabschiedete sich: „Wird heute später, weißt ja, ich habe noch Judo-Training.“ Auch Ella machte sich nun rasch fertig, öffnete die Fenster zum Lüften, schüttelte die Betten auf und räumte die Küche auf. Sie hatte heute viel vor. Eine halbe Stunde später fuhr sie auf den Parkplatz des „Tannenhofes“. Nach dem langen Winter wurden hier gerade die Bauarbeiten für den neuen Stall und die darüber liegenden Wohnungen fortgesetzt. Von dem verheerenden Feuer im letzten Herbst war nichts mehr zu sehen. Ella parkte ihren Wagen und ließ Nora raus, die schon erwartungsvoll aus dem Fenster schaute. Schnurstracks lief sie als erstes zu ihrem Kumpel Hasso. Wenn Ella mit den Pferden arbeitete, musste Nora in der Sattelkammer oder in einer Pferdebox warten. Sie war inzwischen zehn Monate alt und etwa so groß, wie ein Schäferhund. Außer dem schwarzen, glänzenden Fell waren ihre großen dunklen Augen, mit denen sie so herzzerreißend schauen konnte, besonders schön. Sie war für ihr Alter sehr gehorsam, und blieb eigentlich immer in der Nähe ihres Frauchens. Ella liebte ihre Hündin sehr und empfand es als großes Glück sie zu haben. Sie glaubte fest daran, dass das Schicksal kräftig mitgemischt hatte im letzten Jahr, damit sie Nora bekam. 6 Im Stall herrschte trotz der frühen Stunde schon reges Treiben. Harry war beim Boxen auszumisten. Er hatte sich inzwischen wieder ganz von der schweren Verletzung durch den Brandstifter erholt. Gerald Höffer, der Hofbesitzer und gute Freund, schleppte die Stangen und Ständer für das Freispringen in die Halle. „Hallo, Gerald“, begrüßte Ella ihn. „Du bist ja schon fleißig. Ich helfe dir gleich, muss nur noch rasch nach Nora schauen. Nicht, dass sie doch mal abhandenkommt.“ Gerald lachte: „ Guten Morgen Ella. Keinen Stress, bin hier gleich fertig! Die ersten drei Pferde habe ich auch schon in der Führanlage, dann können wir in Ruhe anfangen mit dem Freispringen“. „Super!“, Ella drehte sich um und rief ihrer Hündin. Es dauerte nur wenige Sekunden und Nora kam um die Ecke gesaust. Knapp dahinter folgte Hasso. „Da seid ihr ja, ihr zwei“, Ella lobte sie beide und gab ihnen eine Knabberstange. „Jetzt geht´s ab in die Box“. Widerstrebend ließ sich Nora einsperren. „Dauert doch nicht lange“, tröstete Ella sie. „…und nachher machen wir mit Willi einen schönen Ausritt, versprochen.“ Nora wedelte sachte mit der Rute und legte sich auf die bereitliegende Decke. Das Freispringen, bei dem die Pferde durch eine Gasse alleine über eine Reihe von Hindernissen sprangen, war eine tolle Abwechslung. Die meisten Pferde sprangen gerne und drehten dabei freiwillig im flotten Galopp einige Runden in der Reithalle. Eher musste man sie in ihrem Eifer etwas bremsen, als mit der Peitsche dahinter gehen, um sie aufzumuntern. Nach jeder durchsprungenen Hindernisreihe gab es eine Belohnung. Ganz zum Schluss waren heute die zwei Stuten dran, die nächste Woche ihre Stutenleistungsprüfung ablegen sollten. Als Erstes Carina, sie gehörte den Höffers und war abstammungsgemäß sowieso eher ein Springpferd. Sie machte ihre Sache mehr als 7 gut. Nach nur wenigen Runden waren Gerald und Ella zufrieden mit ihr. „Die Stute macht das klasse“, Ella war begeistert. „Das wird bestimmt mal ein tolles Springpferd und rittig ist sie dabei auch noch. Wetten, dass sie über einen Notenschnitt von acht kommt?“ Gerald wog etwas skeptisch den Kopf: „Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben. Du weißt doch, so eine Prüfung hat ihre eigenen Gesetze.“ Ella lachte: „Sei doch nicht so pessimistisch. Wir werden nächste Woche ja sehen. …und jetzt hole ich mal Rosiana.“ Die Stute war aufgeregt und tänzelte an der Hand, als Ella sie aus der Führanlage abholte. Das schaffst du locker“, sprach Ella sachte auf sie ein. Bisher war Rosiana beim Freispringen immer viel zu hastig unterwegs gewesen und dadurch flach und mit weggedrücktem Rücken gesprungen. Um mehr Ruhe hereinzubekommen, hatte Ella sie immer bis ganz dicht an den ersten Sprung herangeführt und sie praktisch erst im Absprung losgelassen. Außerdem sollten auf den Boden liegende Stangen Rosiana helfen die Distanzen und Anzahl der Galoppsprünge einzuhalten. Heute führte Ella die Stute nochmals an der Reihe entlang und ließ sie alles anschauen. Weil Gerald noch am Umbauen war, standen sie anschließend in der Mitte der Halle und warteten. Ella streichelte sachte über Rosianas Schopf und Stirn. „Bleib ganz ruhig, meine Süße! Guck mal, so ein kleines Kreuz als Einsprung, dann zwei Galoppsprünge zum Steilsprung und noch mal zwei zum Oxer.“ Ella schaute der Stute ganz fest in die Augen. Dann musste sie lachen, weil Rosiana, wie zur Bestätigung, mit dem Kopf nickte und dem Huf scharrte. „Ich glaub, sie hat dich verstanden“, rief Gerald belustigt herüber. 8 Zuerst waren die Hindernisse alle sehr niedrig. Ella führte Rosiana wieder ruhig bis ganz dicht an das erste Kreuz heran und ließ sie zum Abspringen los. Heute wirkte sie tatsächlich gelassener und absolvierte die Reihe sehr manierlich. „Sieht ja aus, als wär sie heute besser. Das ist ja schön“, kommentierte Gerald die Sprünge. „Vielleicht hat sie jetzt kopfmäßig verarbeitet, was sie soll.“ Ella fing Rosiana ein, belohnte sie mit einem Leckerli und Streicheln am Hals. Gerald baute die Sprünge gleich höher. „Wenn sie so gelassen bleibt, machen wir nur noch zwei, drei Durchgänge mit ihr.“ Auch die zweite Runde war ziemlich gut. „Ein kleines Bisschen fängt sie jetzt auch an sich im Rücken aufzuwölben“, bemerkte Ella zufrieden. Beim dritten Versuch war der letzte Sprung schon ziemlich hoch. Aber wenn Rosiana bei ihrer Prüfung gute Springnoten bekommen sollte, musste sie diese Abmessungen schon schaffen. Fast mit etwas Routine galoppierte die Stute über die Sprünge und machte einen Riesensatz über den hohen Oxer. „Ja, was war das denn?“, bemerkte Gerald überrascht. „Das war ja richtig gut. Na, dann kann die Prüfung wohl kommen.“ Ella ging auf Rosiana zu, die nach einigen Galoppsprüngen hinter dem Oxer stehen geblieben war und ihr entgegen schaute. „Das war prima, meine Liebe“, Ella befestigte den Führstrick am Halfter und streichelte die Stute. Ein Gefühl von Triumph und auch Erleichterung durchströmte Ella. „Da hast du allen Grund stolz auf dich zu sein. So gut war das heute!“, sprach sie die Stute an. „Und nächste Woche machst du das genauso, nicht wahr?“ Gerald blickte den beiden hinterher, als sie die Halle, Richtung Stall, verließen. Wieder einmal hatte er erlebt, dass Ella irgendwie ein ganz besonderes Verhältnis zu Tieren hatte. Fast, als wenn sie sich mit ihnen unterhalten konnte. 9 Nach dem Abbauen der Sprünge machte Ella ihren Willi fertig, um auszureiten. Nora sprang freudig um sie herum. Kurze Zeit später machten sich die drei auf den Weg. Ella wollte eine größere Runde Richtung Wald reiten. Die Wege waren nach dem vielen Regen in den letzten Wochen ziemlich aufgeweicht, so waren sie nur gemächlich im Schritt unterwegs. Nora rannte meistens voraus, nur wenn es etwas besonders Gutes zu erschnüffeln gab, blieb sie mal zurück. Auf den Wald zu rief Ella sie dichter heran. Noch wusste sie nicht genau, wie Nora sich verhielt, wenn sie Wild sah. Bisher konnte sie die Hündin allerdings immer rechtzeitig zurückrufen. Plötzlich spitzte Willi die Ohren und blieb stehen. Ella klopfte ihn und schaute ebenfalls in Richtung Wald. Sie konnte zuerst nicht erspähen, was Willi wohl bemerkt hatte und wollte ihn schon weitertreiben. Da sah sie plötzlich eine Bewegung. Anscheinend kam ihnen etwas entgegen. Nora blieb ebenfalls abrupt stehen, schaute hoch und hob die Nase in den Wind. Nur Sekunden später erkannte Ella, dass ein Hund auf sie zu gerannt kam. Sie rief Nora noch mal zu sich heran, stieg aus dem Sattel und nahm die Zügel über den Hals. Als sie nur noch zwanzig Meter trennten, erkannte Ella die Hündin vom Förster. Faija sah total erschöpft aus. Sie hechelte ganz schnell und reagierte erst nach mehrmaligem Ansprechen überhaupt. Ella nahm Nora an die Leine und ließ sie Platz machen. Willi band sie provisorisch mit dem Zügel an einen Busch fest. Dann wandte sie sich wieder der Hündin zu. Sie bückte sich zu ihr herunter und bemerkte, dass das rechte Ohr blutverkrustet war. „Faija, was ist denn mit dir passiert?“ Ella griff vorsichtig ans Halsband und streichelte sie. Sie spürte das Herz der Hündin rasend schlagen, und plötzlich meinte sie, Schüsse zu hören, spürte Panik und Schmerzen so intensiv, dass sie erschrocken ihre Hand wegzog. Wieder so eine erschreckende und unheimliche Wahrnehmung. Widerwillig schüttelte sie ihren Kopf. 10 „Wo hast du denn dein Herrchen gelassen?“, Ella schaute sich noch mal um, ob der Förster vielleicht noch auftaucht, aber er war nirgends zu sehen. „Dann werden wir mal im Forsthaus anrufen und fragen, ob du schon vermisst wirst, was?“ Ella holte ihr Handy aus der Tasche und suchte die Nummer heraus. „Hallo Frau Winkler“, meldete sie sich bei der Frau des Försters. „Ich habe hier gerade Faija aufgegabelt. Sie kam alleine aus dem Wald gelaufen und scheint verletzt zu sein. Ist sie irgendwie weggelaufen?“ Roswitha Winkler wirkte gleich sehr besorgt: „Das ist ja komisch. Mein Mann ist heute Morgen mit ihr losgegangen. Er wollte im Wald nach dem Rechten sehen, die Wildzäune und Hochsitze kontrollieren. Da muss doch was passiert sein. Die beiden sind doch sonst unzertrennlich. Ich versuche gleich mal, ihn auf dem Handy zu erreichen, und rufe Sie zurück, ja?“ „In Ordnung“, Ella steckte ihr Handy wieder in die Tasche und wandte sich wieder zu Faija. Nora war inzwischen vorsichtig auf den fremden Hund zugegangen, schnüffelte an ihr und wedelte dann freundlich mit der Rute. Ella streichelte beide Hunde. „Wollen wir mal in den Wald gehen und nach deinem Herrchen Ausschau halten? Du kannst uns bestimmt den Weg zeigen, oder?“ Ella schaute die Hündin direkt an und forderte sie noch mal auf: „Los Faija, zeig uns, wo dein Herrchen ist“. Dann schnappte sie sich die Zügel von Willi und tatsächlich drehte sich die Hündin um und trabte Richtung Wald zurück. Nora sprang neben ihr herum, um sie zum Spielen aufzufordern, aber Faija lief jetzt unbeirrt den Weg entlang und ließ sich nicht ablenken. Ella stieg schnell auf und trabte hinterher. Auf halben Weg klingelte ihr Handy. So rasch es ging, holte sie es aus ihrer Jackentasche und nahm das Gespräch an. 11 „Hallo, hier ist wieder Roswitha Winkler“, meldete sich die Frau des Försters. „Ich kann meinen Mann nicht erreichen. Das Handy klingelt zwar, aber er geht nicht ran.“ „Wissen Sie denn nicht wenigsten in etwa, wo Ihr Mann hin wollte?“, fragte Ella. „Ich bin eben schon fast am Waldrand.“ „Nein, weiß ich wirklich nicht. Was machen wir denn jetzt?“ Verzweiflung klang aus Frau Winklers Stimme. „Ich habe den Eindruck, als wenn Faija zurückläuft. Ich bin dicht hinter ihr“, versuchte Ella, sie zu beruhigen. „Jetzt wird sie schneller. Ich muss mich beeilen, um mitzukommen. Bestimmt führt sie mich zu Ihrem Mann. Ich melde mich dann wieder, versprochen.“ Hastig beendete Ella den Anruf, steckte das Handy weg und sortierte die Zügel. Noch ein Blick zu Nora, die das ganze Spiel anscheinend sehr spannend fand. Ella rief sie energisch heran und befahl ihr, dicht hinter dem Pferd zu laufen. So hatten sie es schon einige Male geübt, wenn sie zusammen galoppiert waren. So kamen sie am Waldrand an. Faija lief in einen engen Weg hinein. Ella bekam Mühe, mitzukommen. Die tief hängenden Äste zwangen sie, langsam zu reiten. Zwischendurch verlor sie Faija ganz aus den Augen, dann kam sie wieder flotter voran und konnte zur Hündin aufschließen. Der Weg, eigentlich eher ein Trampelpfad, führte sie quer durch den Wald. Ella war sich zwischendurch gar nicht mehr so sicher, dass Faija wirklich auf dem Weg zu ihrem Herrchen war. Doch plötzlich wendet sie zielstrebig in eine breite Holzrücke-Schneise ab. Ella musste zum Schritt durchparieren und lenkte Willi vorsichtig über querliegende Äste und Baumwurzeln. Mühsam kämpften sie sich vorwärts. Der Abstand zur Hündin vergrößerte sich wieder. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, dann kamen sie an einem befahrbaren Weg raus. In der Ferne sah Ella Faija laufen. Nun konnte sie zumindest hinterhertraben und kam ihr wieder deutlich näher. Zwischendurch schaute sie sich immer wieder um. Nora lief, wenn auch mit hängender Zunge, noch artig hinterher. 12 Ella kannte sich durch ihre ausgedehnten Ausritte gut im Wald aus, wusste also auch, wo sie sich augenblicklich befanden. Faija lief Richtung Bundesstraße. Nicht weit von hier lag ein größerer Parkplatz für Wanderer. An einer Wegkreuzung holte Ella die Hündin ein. Sie war stehengeblieben. Ella stieg ab. Sie sah, dass die Faija am Ende ihrer Kräfte war. Die Wunde am Ohr blutete jetzt wieder, wahrscheinlich war sie damit an einem Ast hängengeblieben, als sie sich durchs Gestrüpp gekämpft hatte. Doch als Ella sich zu ihr herunterbeugte, um sie zu streicheln, und nach dem Ohr zu schauen, entzog sie sich ihrer Hand. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung und trottete nach rechts weiter in den Weg hinein. Ella schob rasch die Steigbügel am Sattel hoch und streichelte Nora: „Na, jetzt bist du ganz schön kaputt, was? Hilft nichts, wir müssen hinter Faija her. Komm, jetzt gehen wir zu Fuß“, ermunterte Ella ihre junge Hündin. Zu dritt machten sie sich an die Verfolgung. Willi lief flott nebenher, so als hätte auch er die Besonderheit der Situation verstanden. Nach hundert Metern endete der Weg auf einer Lichtung. In der Mitte stand ein Hochsitz. Am Fuß der Leiter sah Ella den Förster regungslos liegen. Faija leckte ihm das Gesicht ab, winselte dabei und kratzte mit der Pfote an seinem Arm. Ella reagierte schnell. Sie ließ die Zügel von Willi fallen und rannte auf den Förster zu. Noch im Laufen wählte sie den Notruf: „Hallo, hier ist Brenner. Schicken Sie bitte sofort Hilfe. Ich habe Herrn Winkler, den Förster gefunden. Er scheint bewusstlos zu sein. Ich bin nahe dem großen Waldparkplatz „Hohes Holz“, im Wald auf einer Lichtung.“ „Okay, Frau Brenner, bleiben Sie bei dem Verletzten. Hilfe ist unterwegs. Machen Sie sich bitte sofort bemerkbar, wenn Sie das Eintreffen der Rettungskräfte bemerken“, informierte sie der Beamte. „Die Kollegen kennen sich im Gelände dort aus und werden Sie bestimmt gleich finden“, beruhigte er sie noch. 13 Ella bedankte sich, da hatte sie den Förster erreicht. Sie kniete sich neben Herrn Winkler hin. Er lag auf dem Rücken. Ella sprach ihn an und tätschelte ihn an der Wange, doch er reagierte nicht. Dann suchte sie hastig nach dem Puls. Erst spürte sich gar nichts, viel zu sehr schlug ihr eigenes Herz durch das Laufen und die Aufregung. Sie atmete erst mal durch und zwang sich zur Ruhe. Dann fasste sie an den Hals und drückte ganz leicht auf die Ader. Es dauerte einen Moment, bis sie einen ganz leichten, sehr schnellen Puls spürte. Blitzschnell überlegte sie, was sie am besten für den Verletzten tun konnte. Erst mal sprach sie Herrn Winkler noch mal an. Er reagierte aber weiterhin nicht. Natürlich hatte sie gelernt, dass die erste Maßnahme die „stabile Seitenlage“ war, doch Ella hatte Angst, dass der Verletzte vielleicht an der Wirbelsäule verletzt war. Außerdem war der Förster ein großer, stabiler Mann, den Ella nur mit Mühe hätte bewegen können. Deshalb blieb sie nur bei ihm hocken und redete mit ihm: „Jetzt bloß durchhalten Herr Winkler! Hilfe ist schon unterwegs.“ Es kam ihr dann doch wie eine Ewigkeit vor, bis sie die Sirene von Polizei und Rettungswagen hörte, die praktisch zeitgleich auf dem Parkplatz ankamen. Ella stand auf und rief so laut sie konnte: „ Hier sind wir! Hier, hierher!“ Tatsächlich erschien Augenblicke später der erste Polizist auf der Lichtung. Er überblickte kurz die Lage. Mit einem Fahrzeug war hier nicht heranzukommen. Er drehte sich um und rief zurück: „Hier ist kein Durchkommen mit dem Krankenwagen. Sie müssen zu Fuß kommen!“ In dem Moment kam der Notarzt schon angerannt und kümmerte sich um Herrn Winkler. Auch er versuchte ihn ohne Erfolg anzusprechen und wandte sich dann zu Ella: „Wissen Sie, was passiert ist?“ Ella schüttelte mit dem Kopf. Sie stand rasch auf, um den Sanitätern mit der Trage Platz zu machen. Dann ging sie rüber zu Willi, der etwas abseits stand. Da hatte es sich mal wieder bewährt, das er in Westernmanier gelernt hatte, sofort stehen zu bleiben, wenn der Zügel auf dem Boden hing. Sie 14 versuchte, die Hunde festzuhalten und zu beruhigen. Doch die beiden wurden von der plötzlich herrschenden Hektik angesteckt. Faija zog am Halsband und jaulte zusätzlich laut, weil sie zu ihrem Herrchen wollte. Ella versuchte, sich mit den Tieren etwas zu entfernen. Ihre Situation war verzwickt. Lange würde sie alle drei nicht halten können. Willi wurde ebenfalls zunehmend nervöser und zog rückwärts. Nora, total verunsichert, wickelte sie, bei dem Versuch hinter ihren Beinen Schutz zu suchen, mit der Leine immer wieder ein. Außerdem musste sie Faija mit einer Hand am Halsband festhalten. In dem Moment kam ein zweiter Polizist auf die Lichtung. Er erkannte Ellas heikle Situation sofort. „Warten Sie mal, ich helfe Ihnen.“ Routiniert nahm er Ella die Zügel von Willi ab und holte einen kurzen Strick aus der Hosentasche. „Hier, damit können Sie den zweiten Hund festmachen“. Ella war erleichtert, befestigte den Strick mit einem Knoten und ließ beide Hunde ´Sitz` machen. „Danke“, lächelte sie ihren Helfer an. „Lange hätte ich alle drei wohl nicht mehr halten können“. Sie schaute zu Herrn Winkler rüber. Der Notarzt hatte seine erste Untersuchung abgeschlossen. Ein Sanitäter legte einen Zugang für eine Infusion, der andere rannte zurück zum Rettungswagen um weiteres Material zu holen. Aber Herr Winkler lebte! Ella war etwas erleichtert. In dem Moment dachte sie wieder an seine Frau, die bestimmt schon auf ihren Anruf wartete. „Wir müssen unbedingt Frau Winkler anrufen. Ich habe versprochen mich zu melden, wenn ich ihren Mann finden sollte“, wandte sie sich an den netten Polizisten. „Haben Sie die Nummer parat?“, fragte er. „Lassen Sie mich das lieber machen, und Sie kümmern sich um die Tiere.“ Ella nickte: „Ja, so machen wir das. Warten Sie einen Augenblick.“ Ella holte ihr Handy aus der Tasche und reichte es ihm. „Nehmen Sie gleich meins, das geht schneller…“. Dabei sah sie das Namensschild an seiner Uniform „…Herr Wagner?“ „Okay“, lächelte dieser. „Dann geben Sie mal her.“ Er nahm von Ella das Handy entgegen und drückte auf die Wiederholungstaste. 15 Frau Winkler nahm das Gespräch sofort an. Sie hatte schon ängstlich auf den Rückruf gewartet und war umso erschrockener, als sie die Polizei in der Leitung hatte. Oberkommissar Wagner stellte sich vor, und versuchte, sie gleich etwas zu beruhigen. „Wir haben ihren Mann gefunden. Wie es aussieht, ist er vom Hochsitz gestürzt. Der Notarzt ist schon da und versorgt ihn. Jetzt machen sie sich nicht zu große Sorgen. Ihr Mann lebt und ist in guten Händen. Am besten kommen sie her.“ Er erklärte Frau Winkler noch, wohin sie fahren sollte, und legte dann auf. Ella nahm das Handy wieder an sich. „Wie geht es jetzt weiter“, fragte sie. „Ich muss ja auch sehen, wie ich mit Pferd und Hund wieder nach Hause komme. Den ganzen Weg zurückreiten geht auf keinen Fall, das wäre viel zu weit, vor allem für meinen Hund.“ „Was schlagen Sie denn vor?“, fragte der Polizist. Ella überlegte kurz. „Am besten ich rufe im Stall an und fragte, ob jemand Zeit hat, mich abzuholen.“ „Ja, das wäre wohl das Beste“, nickte er. „Ihre Aussage können Sie auch morgen noch machen. Wie es aussieht, handelt es sich hier wohl sowieso um einen bedauerlichen Unfall.“ Ella schluckte. Sollte sie über die Wahrnehmung, die sie bei Faija gespürt hatte, etwas sagen? Eigentlich wollte sie nicht mit ihrer Fähigkeit hausieren gehen. Dann fiel ihr plötzlich ein, wie sie ihre Informationen unterbringen konnte: „Hatte der Förster eigentlich seine Waffe dabei?“ „Wie kommen sie darauf?“, fragte Olaf Wagner zurück. „Haben Sie einen Schuss gehört? Bisher haben wir keine Waffe gefunden, aber vielleicht liegt sie noch auf dem Hochsitz, kann ja sein.“ Ella schüttelte den Kopf: „Gehört habe ich nichts, aber der Hund ist an Ohr verletzt. Könnte eine Schussverletzung sein, zumal sie vollkommen durch den Wind war, als ich sie gefunden habe.“ „Na, dann schauen wir gleich mal nach. Ich sage Bescheid.“ Er entfernte sich zu seinen Kollegen, die inzwischen mit einem 16 zweiten Streifenwagen eingetroffen waren und das Gelände weiträumiger absperrten und Spuren sicherten. Ella schnappte sich ihr Handy und wählte die Nummer von Höffers. Gerald nahm das Gespräch sofort an. Mit knappen Worten erzählte sie ihm, was sich zugetragen hatte. „So ein Unglück“, antwortete Gerald erschüttert. „Ich schicke gleich meine Frau los, dich abzuholen. Ich habe leider gleich einen wichtigen Termin. Mensch, da fällt mir ein, unser Pferdehänger ist doch eben gar nicht fahrbereit!“ „Dann nehmt ihr meinen“, warf Ella gleich ein. „Die Schlüssel sind im Spint. Der ist nicht verschlossen, da kommt ihr ran. - Ach ja, und vergiss bitte Halfter und Strick nicht und vielleicht noch eine Abschwitzdecke. Ist alles vor Willis Box“, bat sie. „...und wo genau soll Gisela hinkommen?“, fragte Gerald. „Zu dem großen Parkplatz „Hohes Holz“ an der Bundesstraße. Ich warte dann da“, informierte Ella ihn. „Okay“, Gerald legte auf und auch Ella verstaute ihr Handy wieder. Zu allem Übel begann es jetzt noch, zu nieseln. In wenigen Momenten wurde aus den ersten kleinen Tropfen ein richtig heftiger Regen. Ella schaute sich um. Herr Winkler war inzwischen auf eine Vakuummatratze verstaut worden und fertig für den Abtransport. Die Sanitäter beeilten sich, mit der Trage zum Krankenwagen zu kommen. Die Polizei war noch mit der Aufnahme des Unfallgeschehens beschäftigt, musste ihre Arbeit aber wegen des starken Regens auch erst mal abbrechen. Herr Wagner kam auf Ella zu gerannt: „Kommen Sie, ich nehme ihnen einen Hund ab. Lassen Sie uns Richtung Parkplatz gehen. Unter den Bäumen ist es wenigsten etwas geschützt.“ Erleichtert übergab ihm Ella den Strick, an dem Faija befestigt war. „Ist denn für Ihre Abholung alles klar?“, erkundigte sich der Polizist im Laufen und drehte sich dabei kurz zu Ella um. 17 Ella nickte: „Ich werde gleich am Parkplatz abgeholt. Frau Höffer kommt.“ Unter den Bäumen peitschte der Regen nicht ganz so stark, aber die ersten zarten Blätter konnten das Wasser nicht wirklich abhalten. Völlig durchnässt kamen sie auf dem Parkplatz an. Herr Winkler war bereits im Rettungswagen verstaut, der mit seinem Blinklicht mitten auf dem Platz stand. Der Notarzt traf seine letzten Vorbereitungen für den Abtransport des Verletzten. In dem Moment kam Frau Winkler angefahren. Mit einer heftigen Bremsung brachte sie ihren Wagen zum Stehen und sprang heraus. „Wo ist mein Mann, wie geht es ihm?“, atemlos und ängstlich sah sie sich um. „Der Notarzt kümmert sich um ihn“, versuchte ein Polizist, sie zu beruhigen. „Ich will zu ihm, bitte…“, flehend schaute Frau Winkler ihn an. „Kommen Sie“, der Polizist nahm sie behutsam am Arm, „wir sehen mal, was der Arzt sagt.“ Er klopfte an die seitliche Schiebetür des Rettungswagens: „ Die Frau des Verletzten ist jetzt da“, informierte er das Rettungsteam. Der Arzt gab den Sanitätern noch ein paar Anweisungen und wandte sich an Frau Winkler: „Ihr Mann lebt, ist aber bewusstlos und hat vermutlich schwere innere Verletzungen. Wir bringen ihn jetzt schnellstmöglich in die Klinik. Wenn Sie wollen, können Sie mitfahren.“ Frau Winkler kämpfte mit den Tränen, nickte zaghaft und stieg mit in den Rettungswagen ein. Fast augenblicklich rollte der Wagen an, wendete vorsichtig auf dem Parkplatz und entfernte sich mit eingeschaltetem Blaulicht rasch Richtung Krankenhaus. Vor Aufregung hatte Frau Winkler alles andere vergessen. Der Autoschlüssel steckte noch im Zündschloss, sodass die Polizei den Wagen an die Seite fahren konnte und abschloss. 18 Ella schaute, dem kleiner werdenden Krankenwagen, hinter her. „Ja, was machen wir denn jetzt mit dir?“, wandte sie sich an Faija. Beide Hunde schauten sie mit großen, erwartungsvollen Augen an, sodass sie lächeln musste. „Ihr vertragt euch ganz gut, was ihr zwei? Dann werden wir dich erst mal mitnehmen und zu Hause dem Tierarzt vorstellen. Dein Frauchen kann dich später abholen. Das kriegen wir schon hin.“ Vorsichtig streichelte sie Faija über den Kopf und passte dabei auf, nicht an das verletzte Ohr zu kommen. Langsam leerte sich der Parkplatz. Auch die Polizisten machten sich nach und nach auf den Weg. Ella schaute die Straße entlang, von wo Gisela mit dem Anhänger kommen musste. Inzwischen waren sie alle nass bis auf die Haut. Olaf Wagner sprach Ella noch mal an: „Wir fahren jetzt auch. Bei dem fürchterlichen Regen können wir heute sowieso nichts mehr ausrichten. Kommt Sie denn bald jemand abholen?“ „Ja, ja“, antwortete Ella und schob sich mit einer Hand die nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. „Frau Höffer muss gleich hier sein. Faija nehme ich auch mit und zeige sie nachher dem Tierarzt. Ist das okay? Können Sie das Frau Winkler ausrichten oder soll ich sie anrufen?“ „Nett, dass Sie sich um den Hund kümmern. Wir sagen Bescheid, und morgen kommen Sie bitte zum Kommissariat. Im Laufe des Vormittags. Geht das?“, fragte der Polizist. „Das kriege ich hin“, antwortete Ella. Sehnsüchtig schaute sie wieder zur Straße und endlich sah sie das Auto mit dem Anhänger. Augenblicke später hielt Gisela Höffer das Gespann mit einer kräftigen Bremsung neben ihnen an. Aufgeregt sprang sie aus dem Wagen. „Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Wir mussten noch einen Adapter suchen für das Stromkabel. Unser Auto hat eine andere Steckdose.“ 19 „Gut, dass du da bist“, rief Ella erleichtert. Der Polizist verabschiedete sich mit einem kurzen Kopfnicken. „Mann, was für ein Wetter!“, Gisela machte schnell die Hängerklappe runter. Ella führte Willi hinauf und Gisela machte hinten die Stange zu. Dann standen sie dicht gedrängt in dem Anhänger, auf einer Seite das Pferd und auf der anderen Seite die zwei Frauen und die beiden Hunde. „Ich versorge eben Willi, mach doch schnell den Kofferraum auf, dass wir die Hunde unterbringen können“, riet Ella. Gisela nickte. Rasch zog sie sich die Kapuze wieder über den Kopf und verließ den Anhänger durch die vordere Tür. Sie öffnete die Kofferraumklappe, zog das Gepäcknetz hoch und breitete eine ältere Decke aus. Dann holte sie die beiden Hunde aus dem Anhänger. Anstandslos sprangen die beiden ins Auto und Gisela schloss die Klappe hinter ihnen. Dann half sie Ella, nahm ihr den Sattel ab und gab ihr die Abschwitzdecke für Willi. Die Frauen arbeiteten Hand in Hand und schon kurze Zeit später saßen sie beide in Auto und fuhren zurück zum Stall. Gisela wollte natürlich genau wissen, was passiert war. Bis sie im Stall angekommen waren, hatte Ella ihr alles erzählt. Dann versorgte sie Willi und rief beim Tierarzt an, um ihr Kommen mit Faija anzukündigen. Außerdem sagte sie ihre Unterrichtstermine für heute ab. Doris half ihrer Mutter den Anhänger abzustellen und kam dann zu Ella in den Stall. „Mutti sagt, du sollst schnell mit ins Haus kommen und was Warmes trinken.“ Ella überlegte kurz: „Ich habe mich schon bei Dr. Behmel angekündigt, wegen der Verletzung von Faija. Ich will ihn nicht warten lassen. Aber hast du vielleicht eine trockene Jacke für mich und ein paar alte Handtücher für die beiden Hunde?“ Jetzt wurde Doris erst bewusst, wie durchnässt Ella war. „Klar, bringe ich dir gleich her. Brauchst du noch was anderes?“ „Nein“, Ella schüttelte den Kopf. „Ich habe meine Jeans, Schuhe und Pullover im Schrank.“ 20 Während Doris ins Haus lief, um Jacke und Handtücher zu holen, schälte Ella sich aus den nassen Klamotten und zog die trockenen Sachen an. Danach fühlte sie sich gleich wohler. Trotzdem rieb sie sich fröstelnd die Arme und war froh, als Doris wiederkam und ihr eine dicke Jacke gab. „Das ist Muttis Winterjacke“, lächelte sie Ella an, „damit dir erst mal wieder warm wird“. „Danke“, sagte Ella, schlüpfte eilig in die Daunenjacke und machte sie zu. „Hilfst du mir noch, die beiden Hunde etwas abzutrocknen? Die sitzen hier“, Ella zeigte auf eine leer stehende Box gegenüber. Doris schaute durch das Gitter. Da lagen die beiden Hündinnen nebeneinander im Stroh und waren ebenfalls noch klatschnass. „Na, dann wollen wir die beiden mal versorgen.“ Energisch schnappte sich Doris die Handtücher, gab Ella eines davon ab und öffnete die Boxentür. Nora kam sofort schwanzwedelnd heraus, Faija hielt sich etwas im Hintergrund. „Nimm du mal Nora“, riet Ella ihrer Helferin. „Ich versuche, an Faija heranzukommen.“ Gemeinsam rubbelten sie die Hunde tüchtig trocken. Dabei musste Ella noch viele Fragen beantworten. Doris wollte natürlich ganz genau wissen, wie sich alles zugetragen hatte. „…und die Hündin hat dich tatsächlich hingeführt?“, fragte Doris. „Das ist ja toll. Wer weiß, wann Herr Winkler sonst gefunden worden wäre.“ Anerkennend streichelte Doris über Faijas Kopf. „Da hast du deinem Herrchen wahrscheinlich das Leben gerettet. Du bist wirklich ein super Hund!“ Ella lachte: „ Das hat sie echt gut gemacht“. Sie reichte Doris das schmutzige Handtuch. „Nimmst du das mit rein? Ich fahre jetzt erst mal zum Tierarzt, damit er sich ihr Ohr ansehen kann.“ Doris nahm ihr das Handtuch ab. Ella schnappte sich beide Hunde und lief rasch zu ihrem Auto. Es regnete immer noch heftig. Die drei mussten im Slalom um die großen Pfützen herum, die sich inzwischen auf dem Hof gebildet hatten. 21 Eilig öffnete sie die Kofferraumklappe und die Hunde sprangen hinein. Genauso schnell stieg sie ins Auto und fuhr los. Dr. Behmel hatte seine Praxis im Nachbarort, keine zehn Minuten Fahrt. Als sie dort auf den Hof ankam, wurde sie schon von ihm erwartet. Er schaute aus dem Haus und winkte Ella zu, dass sie mit ihrem Wagen unter den Carport fahren sollte. Ella war dankbar. Sie hatte sich schon wieder im Regen stehen sehen und verzweifelt versuchen, Faija aus dem Auto zu holen, aber Nora drinnen zu behalten. Doch es ging dann ganz einfach, weil Nora keine Anstalten machte mitzuwollen. Sie hatte noch schlechte Erinnerungen an ihren letzten Besuch beim Tierarzt. Da gab es gleich mehrere `Pikser`, weil die Impfungen fällig gewesen waren. Die angebotenen Leckerlis als Wiedergutmachung, die sie damals zwar gnädigerweise angenommen hatte, konnten die schlechte Erfahrung anscheinend nicht wettmachen. „Hallo Ella“, grüßte Dr. Behmel und gab ihr die Hand. „Dann lass uns mal die Patientin gleich anschauen.“ „Gut, dass du gerade in der Praxis warst und gleich Zeit hattest“, freute sich Ella. „Faija ist am Ohr verletzt, das muss unbedingt versorgt werden.“ „Na, dann kommt rein. Und während wir das Ohr verarzten, kannst du mir erst mal erzählen, was passiert ist“, Harald Behmel ging vor und machte die Tür auf. Gemeinsam hoben sie Faija auf den Behandlungstisch. Anstandslos ließ sie sich das Ohr vom Tierarzt anschauen. „Oje, das sieht ja nicht so schön aus. Das müssen wir richtig sauber machen. Dafür werden wir sie sedieren müssen“, diagnostizierte der Tierarzt. „Meine Helferin ist heute nicht da. Kannst du mir dabei zur Hand gehen?“, fragte er Ella. „Klar, meine Termine habe ich für heute ohnehin abgesagt“, war Ella einverstanden. 22 „Gut, dann legen wir die „Dame“ gleich mal schlafen. Ich mache nur eine leichte Narkose, dann dauert es nicht zu lange, ehe sie wieder wach ist“, sagte Harald, zog das Narkosemittel auf eine Spritze und verabreichte sie der Hündin. Es dauerte nur kurze Zeit, ehe Faija sich hinlegte und „schlief“. Sorgsam entfernte Dr. Behmel die Haare rund um die Wunde und wusch das Blut und den Schmutz ab. Ella streichelte die Hündin und reichte dem Tierarzt die verlangten Utensilien. „Das ist ja eigenartig, ein richtiges Loch, wie ein Durchschuss“, bemerkte der Tierarzt. Ella musste unwillkürlich nicken: „Das kann gut sein.“ Harald schaute erstaunt auf und musterte Ella. „Weißt du da mehr? - Na, kannst du mir nachher erzählen, wenn wir warten, dass Faija wieder aufwacht“. Er wandte sich wieder seiner Patientin zu. Zehn Minuten später war die Wunde sauber, desinfiziert und mit einem Sprühverband versehen. Gemeinsam hoben sie Faija vom Tisch und legten sie zum Aufwachen auf eine Decke an der Heizung. „Eine halbe Stunde werden wir noch warten müssen, ehe sie wieder richtig da ist“, vermutete Harald Behmel. „Was machst du denn dann mit ihr?“, wollte er wissen. Ella zuckte mit den Achseln. „Mal sehen. Erst mal werde ich versuchen Frau Winkler zu erreichen. Ich will ja auch wissen, wie es ihrem Mann geht. Wenn alle Stricke reißen, nehme ich sie erst mal mit. Gott sei Dank vertragen sich die beiden Hunde. Das wird zur Not schon gehen.“ „Dann lass uns jetzt einen Kaffee trinken und du erzählst mir die ganze Geschichte. In der Küche gossen sie sich jeder einen großen Pott Kaffee ein und gingen zurück in den Behandlungsraum, um ein Auge auf die schlafende Patientin zu haben. „Und nun leg mal los!“, forderte der Tierarzt Ella auf. 23 Zwischendurch schüttelte er bei ihrem Bericht ungläubig den Kopf. „Ein toller Hund. Wenn man bedenkt, dass sie wahrscheinlich ihrem Besitzer damit das Leben gerettet hat. Es war aber auch ein Glück, dass du gerade zur Stelle warst und mit dem Pferd hinterher konntest.“ „Ja, das war wirklich alles ein toller Zufall“. Ella empfand es auch so: „Weißt du, ich hatte schon vermutet, dass Faijas Verletzung von einem Schuss herrührt. Deine Diagnose sollten wir unbedingt der Polizei mitteilen.“ Harald Behmel nickte. „Ja, könnte wirklich wichtig sein“. „Morgen Vormittag soll ich sowieso zum Kommissariat kommen, da kann ich davon erzählen“, schlug Ella vor. „Sie können sich ja mit dir in Verbindung setzten, wenn sie noch Fragen haben.“ „Okay“, antwortete der Arzt lächelnd. „So machen wir es. Gib ihnen einfach meine Handynummer, da erreichen sie mich jederzeit.“ Inzwischen begann Faija, sich wieder zu regen. Noch ganz benommen schaute sie hoch und versuchte aufzustehen. Ella bückte sich zu ihr herunter und streichelte sie. „Lass ihr mal noch zehn Minuten, dann wird es wieder gehen“, meinte Harald. Ella nahm ihr Handy zur Hand. Sie versuchte, Frau Winkler zu erreichen. Doch es ging niemand ran. Sie war bestimmt noch im Krankenhaus. Als Faija aufstand und ihre ersten taumeligen Schritte machte, trugen sie beide die Hündin zum Auto. Nora musste auf die Rückbank umziehen und Faija wurde in den Kofferraum gelegt. Ella bedankte sich noch mal bei Harald und fuhr sachte los. Sie schaute zur Uhr. Kurz nach halb Vier. Sie wollte zuerst am Krankenhaus vorbeifahren. Natürlich interessierte es sie, wie es Herrn Winkler ging, und sie hoffte, seine Frau anzutreffen. Der Parkplatz vor der Klinik war voll. Ella kurvte zweimal rundherum, bis sie eine Parklücke ergatterte. Beim Aussteigen 24 vergewisserte sie sich, dass es den Hunden gut ging. Nora lag lang ausgestreckt auf der Rückbank und schlief. Faija schaute auch nur kurz hoch und legte sich wieder hin. „Ihr zwei seid ganz artig, ich bin bald wieder da“, verabschiedete sich Ella von den beiden. Dann öffnete sie noch die Seitenfenster ein kleines Stück, schloss ab und machte sich auf den Weg zum Krankenhaus. Durch ihren langen Aufenthalt, im letzten Jahr, kannte sich Ella hier gut aus. Zielstrebig ging sie zur Information, um nach Herrn Winkler zu fragen. Herr Franke, der Pförtner, erkannte sie sofort wieder, als Ella vor ihm stand. „Mensch Frau Hofbauer, das ist ja nett, Sie wieder zu sehen. Wie geht es Ihnen?“ Auch Ella erinnerte sich an den stets fröhlichen Herrn Franke. Sie lächelte: „Das Sie sich an mich erinnern können, bei den vielen Menschen, die Sie jeden Tag sehen.“ „Wie soll ich mich an so eine hübsche, junge Frau nicht erinnern?“, erwiderte er schelmisch grinsend. „Mir geht es gut und ich heiße inzwischen auch nicht mehr Hofbauer, sondern Brenner“, informierte Ella den Pförtner. „Na, dann gratuliere ich Ihnen noch zur Hochzeit und wünsche alles Gute. Und wie kann ich Ihnen jetzt helfen?“, erwiderte Herr Franke freundlich. „Heute ist ein Herr Winkler mit dem Rettungswagen eingeliefert worden. Ich wollte mich erkundigen, wie es ihm geht und außerdem suche ich seine Frau, weil ich ihren Hund noch bei mir im Auto habe“, informierte Ella den Pförtner. „Ich schaue gleich mal nach.“ Herr Franke mache sich an seinem Computer zu schaffen. „Da haben wir ihn ja. Genau, Herr Winkler ist operiert worden und liegt jetzt auf der Intensivstation. Wollen Sie mal hochgehen? Sie können zwar bestimmt nicht zu ihm, aber vielleicht treffen Sie ja eine Schwester, die Ihnen Auskunft geben kann oder sogar seine Frau.“ 25 Ella nickte: „Danke, ich versuche mal mein Glück. Wie ich hinkomme, weiß ich ja noch.“ Ella drehte sich zum Fahrstuhl um und rief im Weggehen: „Tschüss Herr Franke, bis zum nächsten Mal.“ Auf dem Gang vor der Intensivstation traf Ella tatsächlich auf Frau Winkler. Über deren Gesicht huschte ein leichtes Lächeln, als sie sie bemerkte: „Frau Brenner!“ Bevor sich Ella versehen konnte, wurde sie umarmt und kräftig gedrückt. „Ich bin Ihnen ja so dankbar. Wenn Sie nicht gewesen wären. Wer weiß, was mit meinem Helmut passiert wäre!“ „Und wie geht es ihm jetzt?“, erkundigte sich Ella besorgt. Frau Winkler berichtete, dass ihr Mann operiert worden war. Er hatte durch den Sturz innere Verletzungen davongetragen und drohte innerlich zu verbluten. Die OP war gut verlaufen und wie ein Wunder waren Knochen und Kopf unverletzt geblieben. „Manchmal sind ein paar Pfund mehr auf den Rippen ganz gut. Die haben bestimmt einiges abgepolstert“, meinte Frau Winkler mit Galgenhumor. „Ist er denn schon ansprechbar?“, fragte Ella. „Na ja, ganz kurz war er schon wach, aber ist dann gleich wieder eingeschlafen“, erzählte Frau Winkler. „Dann hat der Arzt mit mir gesprochen und jetzt bin ich doch einigermaßen beruhigt. Eigentlich bin ich gerade auf dem Weg nach Hause.“ Plötzlich fiel ihr Faija ein. „Mein Gott, in der ganzen Aufregung habe ich gar nicht mehr an den Hund gedacht. Wo ist sie denn jetzt?“ Frau Winkler schaute etwas verstört drein. Ella fasste beruhigend an ihre Schulter: „Keine Sorge, die sitzt bei mir unten im Auto und ist okay. Wir waren schon beim Tierarzt und haben ihre Verletzung am Ohr versorgen lassen.“ „Wie lieb von Ihnen, dass Sie sich gekümmert haben. Das kann ich gar nicht wieder gut machen!“, sagte die Försterfrau. „Am besten, ich bringe Sie jetzt nach Hause“, schlug Ella vor. 26 Frau Winkler nahm das Angebot dankbar an. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Parkplatz und wurden von beiden Hunden freudig begrüßt. Faija war auch wieder ganz wach. Nora saß auf dem Fahrersitz und schaute, als wenn sie gleich losfahren wollte. Ella quartierte beide Hunde wieder zusammen in den Kofferraum. Knapp zwanzig Minuten später erreichten sie das Forsthaus. Frau Winkler wollte Ella noch mit rein bitten, doch sie lehnte dankend ab. Ihr war kalt, und sie fühlte sich jetzt wieder durch und durch nass. Sie wollte nur noch nach Hause und unter die heiße Dusche. Langsam fiel die Anspannung der letzten Stunden von Ella ab, und sie merkte, wie kaputt sie war. Der Rücken begann, ihr wehzutun. Das hatte sie schon öfter erlebt, besonders dann, wenn ihr, wie heute, sehr kalt geworden war. Also verabschiedeten sich die beiden Frauen, wobei sich Frau Winkler noch mal überschwänglich bedankte. Als Ella ihr Auto wendete und losfuhr, sah sie im Rückspiegel, dass sie noch lange dastand und hinterher winkte. Matthias war bereits zu Hause. Es schaute auf die Uhr. Nun musste Ella aber bald kommen. Er dachte schon dran sie anzurufen, obwohl sie sich darauf verständigt hatten, ihre Handys während der Arbeit nur im Notfall zu benutzen. Da hörte er, dass die Tür aufgeschlossen wurde. Nora drängelte sich schnell an Ella vorbei und rannte mit einem lauten Begrüßungsjaulen zu ihrem Herrchen. „Hallo“, rief Ella in die Wohnung, „wir sind auch wieder da!“ Matthias streichelte erst Nora, dann kam er in den Flur. „Hallo, mein Schatz. Du hast aber heute lange gemacht.“ Sachte nahm er seine Frau in die Arme und küsste sie. Ella kuschelte sich in seine Arme, dabei merkte Matthias, dass sie richtig fröstelte. „Du bist ja ganz kalt. Ist irgendwas passiert?“ Ella informierte ihm erst mal nur kurz: „ Ich habe heute mittag den Förster verletzt im Wald gefunden. Das hat alles bis eben 27 gedauert. Ich brauche jetzt unbedingt eine heiße Dusche, dann geht es mir bestimmt gleich besser, und ich erzähle dir alles.“ „Dann nichts wie ab ins Badezimmer“, sagte Matthias mitfühlend. „Ich werde inzwischen, was zu Essen machen und Nora Futter geben. Eine halbe Stunde später saßen sie gemütlich auf der Couch. Ella ging es nach dem Duschen wieder besser. Ausführlich schilderte sie nun ihrem Mann, was sie heute erlebt hatte und ließ auch die Gefühle und Bilder nicht aus, die sie bei Faija gespürt hatte. „Da sitze ich nun in meinem Büro und habe von alledem nichts mitbekommen“, Matthias schüttelte den Kopf. „Ich habe deinen Kollegen von meiner Vermutung nichts gesagt, sondern nur gefragt, ob Herr Winkler eine Waffe dabei hatte. Kann ja sein, dass sich bei dem Sturz ausversehen ein Schuss gelöst hat. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht daran, weil ich erst Faijas panische Angst und ihr Wegrennen gespürt habe und dann ihren Schmerz“, erklärte Ella. „Und nun kommt das Beste! Als Dr. Behmel das verletzte Ohr von Faija sauber gemacht hat, konnte man in ihrem Ohrlappen wirklich ein kleines, kreisrundes Loch erkennen. Der Tierarzt hat auch gleich auf eine Schussverletzung getippt.“ „Dann hast du wohl mal wieder richtig gelegen mit deinen Wahrnehmungen. Manchmal ist das wirklich ein bisschen unheimlich“. Lachend zog Matthias seine Frau zu sich ran. „Du bist halt doch meine „kleine Hexe“. Bin gespannt, was dabei herauskommt. - So, und jetzt bringe ich dich ins Bett, und du schläfst dich richtig aus. Nicht, dass du noch krank wirst.“ Matthias nahm Ella in die Arme, hob sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. „Aber nur, wenn du auch gleich ins Bett kommst“, protestierte sie. Gerne kam Matthias ihrer Bitte nach. Als sie zusammengekuschelt unter der Bettdecke lagen, dauerte es nur wenige Augenblicke und Ella war sie in den Armen ihres Mannes eingeschlafen. 28 2 Der nächste Vormittag verlief ruhig. Ella hatte einige Pferde zu reiten und machte sich gegen 11 Uhr auf den Weg ins Präsidium, um, wie besprochen, ihre Aussage zu Protokoll zu geben. In dem Fall gab es inzwischen eine dramatische Wendung. Am Vormittag hatte man aus dem Krankenhaus angerufen. Herr Winkler war aufgewacht. Er hatte den Schwestern erzählt, dass sein Sturz kein Unfall gewesen war, und dringend darum gebeten, die Polizei zu verständigen. Daraufhin waren die beiden ermittelnden Beamten zu ihm gefahren und hatten seine Aussage aufgenommen. Danach sei Herr Winkler arglos den Hochsitz hochgeklettert, um sich von oben umzusehen. Plötzlich sah er sich einer vermummten Gestalt gegenüber, die ihm von der Kanzel aus einen heftigen Stoß vor die Brust gab. Derartig überrascht hatte er keine Chance mehr gehabt, sich festzuhalten, und war von oben heruntergefallen. Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern. Er war wohl gleich bewusstlos geworden und erst Stunden später im Krankenhaus wieder aufgewacht. Nach dieser Aussage rückte die Polizei, einschließlich der Spurensicherung, sofort aus, um den Tatort nochmals zu sichten. Durch den heftigen Regen und die Annahme, dass es sich um einen Unfall handelte, waren die Spuren gestern nur oberflächlich gesichert worden. Das machte es heute natürlich nicht leichter. Ella fragte sich im Präsidium durch, bei wem sie ihre Aussage machen konnte. Schließlich landete sie im Büro von Michael König, einem guten Freund ihres Mannes und inzwischen auch von ihr. „Hallo Michael“, freute sich Ella. „Ich sollte mich heute melden, um eine Aussage zu dem gestrigen Unfall von Herrn Winkler zu machen.“ 29 Michael stand auf, um sie zu begrüßen: „Hallo Ella, na so eine Überraschung! Du warst es, die den Förster gefunden hat? Ich habe nur bei der Morgenbesprechung von dem Vorgang gehört. Aber die Kollegen sind alle noch mal los, in den Wald. Es gibt ganz neue Erkenntnisse.“ „Ach, ja…“ Ella tat überrascht, obwohl sie durch ihre Wahrnehmungen über Faija sowieso nicht an einen einfachen Unfall glaubte. „Komm setze dich“, Michael zeigte auf einen Stuhl. „Dann nehme ich jetzt deine Aussage auf.“ Ella erzählte ihm den ganzen Hergang und zum Schluss auch von ihrer Vermutung, dass Schüsse gefallen waren. „Du weißt ja, dass ich manchmal „Gefühle “ bei Tieren intuitiv spüren kann.“ Michael nickte nur. Aus der Vergangenheit wusste er, dass Ella da einen besonderen Sinn hatte. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie das funktionierte und sein rationaler Verstand sagte ihm auch, dass das eigentlich gar nicht sein konnte. Aber die Resultate sprachen eine andere Sprache. „Okay, was hast du denn von Faija erfahren?“, wollte er wissen. „Als ich Faija gefunden habe, war sie total aufgelöst und am Ohr verletzt. Ich habe sofort gespürt, es war auf sie geschossen worden“, erzählte Ella. „Da war es ja noch meine Ahnung, aber anschließend war ich mit der Hündin beim Tierarzt, um die Wunde versorgen zu lassen. Dr. Behmel hat die Verletzung gesehen und auch gleich gesagt, dass es sich wohl um einen Schuss gehandelt hat.“ Nun wurde Michael doch hellhörig. „Weißt du was, wir werden zusammen an den Tatort fahren, und du erzählst deine Vermutung der Spurensicherung. Wenn es sich wirklich um einen Durchschuss bei dem Hund handelt, müsste man das Projektil ja eigentlich finden können.“ Tatsächlich machten sie sich umgehend auf den Weg in den Wald. Auf dem Parkplatz herrschte Hochbetrieb. Alles war 30 abgesperrt. Michael und Ella bahnten sich den Weg bis zum Chef der Spurensicherung. Dr. Klauert stand mitten auf der Lichtung und war ziemlich schlecht gelaunt: „So ein Mist hier! Der Regen hat alles, was vielleicht an Spuren da war, zunichtegemacht. Und die paar Sachen, die wir gefunden haben, lassen sich doch gar nicht zuordnen, bei dem Gewimmel an Menschen, was hier gestern geherrscht hat.“ Michael begrüßte ihn und stellte Ella vor. „Hallo Doktor Klauert. Ich bringe ihnen hier Frau Brenner. Sie hat gestern erst den Hund und dann den Förster gefunden. Das Interessante daran ist, dass der Hund eine Verletzung hat, die aussieht, als wenn auf ihn geschossen wurde. Vielleicht ist das eine Spur.“ Dr. Klauert musterte Ella von oben bis unten durch seine dicke Brille. „So?“ Es entstand eine Pause. „Wie kommen sie darauf?“ Ella erzählte von der Verletzung an Faijas Ohr. „Wenn sie dazu noch Fragen haben, können sie ja Dr. Behmel anrufen. Ich habe seine private Handy-Nummer, auf der ist er immer zu erreichen.“ „Ach, der Harald“, erfreut schaute Dr. Klauert auf. „Den kann ich gleich mal anrufen. Wir kennen uns doch gut von der Jagd.“ Ella suchte die Handynummer heraus und Dr. Klauert erreichte seinen Jagdfreund sofort. Nach einer kurzen Begrüßungsfloskel erkundigte er sich nach Faija und ihrer angeblichen Schussverletzung: „Hast du gestern den Hund vom Förster behandelt? --- „Ach, tatsächlich.“ ---„...und da bist du ganz sicher?“--- „Das bringt ja ein ganz anderes Licht auf die Sache.“ --- „Dann danke ich dir.“--- „Ja, bis nächsten Samstag.--- Freue mich! --- Tschüss!“ Ella und Michael warteten etwas abseits. „Das ist ja ein Ding“, wandte sich Dr. Klauert ihnen wieder zu. „Dr. Behmel hat mir nicht nur zugesichert, dass der Hund eine Schussverletzung hat. Er äußert auch die Vermutung, dass es sich bei der Tatwaffe nicht um eine Jagdwaffe, sondern um etwas Kleinkalibriges gehandelt haben muss. - Da werden wir uns wohl mal auf die 31 Suche nach dem Projektil machen. Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, hielt Dr. Klauert mehr ein Selbstgespräch. „Aber wir können ja zumindest die Richtung etwas eingrenzen.“ Er wandte sich an Ella. „Von wo sind Sie denn mit dem Hund gekommen?“ Ella zeigte ihm den Weg: „Von hier aus!“ Dr. Klauert nickte. „Gut, gut, dann schauen wir mal. - Danke. Wir brauchen Sie dann nicht mehr.“ Ella wandte sich lächelnd zu Michael: „Kurz und knapp abgefertigt“, stellte sie fest. „So ist er halt, unser Doc. Mach dir nichts draus, er meint es nicht persönlich“, tröstete Michael sie. Ella machte sich auf den Weg zu ihrem Auto. Ein Blick zur Uhr, schon wieder so spät. Die nächsten Kunden warteten, und zwischendurch musste sie noch einen Spaziergang mit Nora machen und etwas essen. Der Nachmittag verging. Ella war froh, als sie fertig war und nach Hause konnte. Beim langen Stehen in der Reithalle hatte sich ihr Rücken wieder gemeldet. Die Schmerzen wurden immer stärker. Ella kannte das schon. Sie musste unbedingt einen Termin mit ihrer Physiotherapeutin machen. Kurzfristig half erst mal Warmhalten und hinlegen. Deshalb machte sie sich zuhause eine Wärmflasche und legte sich auf die Couch. Für morgen musste sie noch einen Termin absagen. Weil die Kundin nicht ans Handy ging, schrieb Ella ihr eine SMS und legte das Handy auf dem Beistelltisch ab. Das sollte sich später als großes Glück herausstellen. Nach einer halben Stunde Ausruhen, ließen die Rückenschmerzen etwas nach und Ella beschloss, zu duschen. Ausgiebig ließ sie das heiße Wasser an ihrem Körper herunterrieseln. Als sie sich anschließend mit dem Handtuch trocken rubbelte, passierte das Unglück. Sie rutschte beim Verlassen der Dusche auf den Fliesen aus, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts auf ihren Po. Es war kein schlimmer Sturz. Unter normalen Umständen wäre wohl nicht viel passiert. Doch so durchzuckte Ella ein furchtbarer Schmerz im Rücken. Unwillkürlich musste sie aufschreien, so 32 schlimm war es. Nora kam daraufhin sofort angerannt, um nach ihrem Frauchen zu schauen. Stürmisch belagerte sie Ella, die vor Schmerz erst mal nur dasitzen konnte. Dann hielt Ella die Hündin mit den Händen etwas auf Abstand und sprach auf sie ein: „Ach Nora! Lass mich! Ich habe mir ganz schön wehgetan - komm, mach mal Sitz!“ Nora setzte sich artig hin, ließ ihr Frauchen aber keinen Moment aus den Augen. Ella versuchte, sich mit den Armen abzustützen, um aufzustehen. Bei der sachtesten Bewegung schoß der Scherz wieder wie ein Blitz durch ihren Rücken. Ella kamen die Tränen. Was sollte sie jetzt machen? Sie kam unmöglich alleine hoch! Aber sitzen bleiben, bis Matthias nach Hause kam? Vielleicht ließ der Schmerz mit der Zeit nach und sie könnte dann aufstehen? Mit einer Hand hangelte Ella sich ein Handtuch und legte es sich über. Langsam wurde ihr auch kalt. Nora nahm ihre Bewegungen zum Anlass, aufzustehen und sie wieder zu belagern. „Ach Nora“, Ella musste trotz der Schmerzen lächeln. „Ich weiß ja, dass du mir nur helfen willst“. Ella überlegte fieberhaft. Das Handy lag unerreichbar auf dem Tisch im Wohnzimmer. „Wenn du mich jetzt verstehen und mir das Handy holen würdest, das wäre wunderbar“, sagte Ella und schaute Nora verzweifelt an. „Es liegt auf dem Tisch. Ich sehe es geradezu vor mir, da, wo ich es vorhin abgelegt habe.“ Nora fiepte ganz leise und stupste sie mit der Nase an. „Das wär`s jetzt, Nora! Hol mir das Handy! Los, Nora! Hol das Handy!“, forderte Ella ihre Hündin auf und zeigte Richtung Wohnzimmer. Ganz ernst nahm sie die Aufforderung natürlich nicht. Aber Nora war abgelenkt und belagerte sie nicht mehr. Durch den Tonfall animiert, drehte sich Nora tatsächlich um und verschwand aus dem Badezimmer. Ella versuchte, noch mal hochzukommen, aber es ging beim besten Willen nicht. Erschöpft legte sie sich wieder zurück. Das Handy wäre die Rettung, dann könnte sie Matthias anrufen. Wenn es doch nicht so weit weg liegen würde. In dem Moment kam Nora stolz erhobenen Hauptes ins Bad getrabt. Ella meinte schon, dass sie sich wieder ihrer Annäherungsversuche erwehren müsste, da sah sie, dass Nora etwas im Maul hatte. Erst glaubte sie, ihren Augen nicht zu 33 trauen. Nora hatte tatsächlich das Handy im Fang. Ella streckte die Hand aus und nahm es der Hündin ab. Sie schaute auf das Handy und konnte es irgendwie nicht wahrhaben. Nora hatte ihr tatsächlich das Handy gebracht. Apportieren und Bringen hatte sie mit der Hündin noch nicht viel gemacht, auch, weil Nora nicht viel Freude dabei zeigte. Also, was war das eben? Wirklich Zufall? Nora setzte sich hin und wedelte mit der Rute. Ella hatte das Gefühl, als würde sich die Hündin diebisch freuen. So schelmisch schaute sie ihr Frauchen an. Doch jetzt war ihr erst mal alles egal. Fröstelnd und mit zittrigen Händen rief sie Matthias an. Der Rufton ging raus. Hoffentlich hörte er gleich. Es hatte schon mehrere Male geklingelt, als Ella endlich die vertraute Stimme ihres Mannes hörte: „Hallo, Liebling! Was hast du denn so Dringendes?“ Ella schilderte ihre missliche Lage. Matthias ließ sofort seine Arbeit am Schreibtisch liegen, informierte schnell noch seine Kollegen und machte sich rasch auf den Weg nach Hause. Ella wurde in der Zeit von Nora ganz rührend umsorgt. Ganz dicht schmiegte sich die Hündin an ihr Frauchen, leckte ihr die Hand und legt die Pfote auf ihr Bein. Nach zwanzig Minuten hörten Ella und Nora, wie Matthias rasch den Schlüssel umdrehte und in die Wohnung stürmte. Nora lief ihm schwanzwedelnd entgegen. Ella atmete erleichtert auf. Matthias kümmerte er sich gleich rührend um seine Frau. „Hallo, Liebling. Da bin ich. Was machst du nur für Sachen?“ Ella konnte ihn nur etwas gequält anschauen. „Bloß gut, dass du da bist. So was Blödes ist mir auch noch nicht passiert.“ Matthias half seiner Frau ganz vorsichtig hoch und begleitete sie zum Bett. „Soll ich nicht doch besser einen Krankenwagen rufen?“, fragte er besorgt, als er sah, wie stark ihre Schmerzen waren. „Nein, nein!“ Ella schüttelte energisch den Kopf. „Ich brauche nur Ruhe und muss mich warmhalten“. 34 „Na gut, wenn du meinst. Dann mache ich dir jetzt eine Wärmflasche“, bot Matthias an und deckte Ella sorgsam mit der Bettdecke zu. Dann verschwand er in der Küche und kam nur wenige Minuten später mit der Wärmflasche wieder. Ella nahm sie dankbar entgegen und schob sie sich in den Rücken. „Gleich wird es besser, ganz bestimmt“, war sie nun zuversichtlich. „Kann ich noch was für dich tun? Willst du etwas essen oder trinken?“ Ella schüttelte den Kopf. Matthias setzte sich zu ihr auf den Bettrand. „Eins muss ich dir noch erzählen“, Matthias streichelte Ella über die Haare. „Du glaubst gar nicht, was deine Aussage ausgelöst hat“, erzählte er. „Die Kollegen haben heute das ganze Gelände im Wald nach einem Projektil abgesucht und dabei ganz schön über Dr. Klauert geschimpft. Der hat nicht locker gelassen und sie immer wieder angetrieben. „…und haben sie was gefunden?“, erkundigte sich Ella neugierig. „Sie haben!“ Matthias grinste. „Nach mehreren Stunden wurde tatsächlich ein Projektil gefunden. Dr. Klauert hat es wie einen Schatz in Empfang genommen und sämtliche Kollegen waren heilfroh, als die Suche ein Ende hatte.“ „Dann bin ich jetzt aber gespannt, was bei den Untersuchungen herauskommt. Habt ihr denn noch andere Spuren, die auf den Täter hinweisen?“, fragte Ella. Matthias schüttelte den Kopf: „So viel ich weiß, gibt es sonst keine Hinweise. Vielleicht meldet sich noch jemand, der ein Fahrzeug zur fraglichen Zeit auf dem Parkplatz gesehen hat. Aber ehrlich gesagt, ich habe wenig Hoffnung. Jetzt ist die Kugel erst mal bei der Ballistik. Kann ja sein, dass die Waffe schon mal verwendet wurde. Das wäre auf jeden Fall eine Spur“, meinte Matthias hoffnungsvoll. „Aber nun lass ich dich erst mal schlafen. Hoffentlich geht es dir morgen besser“, wünschte Matthias, gab Ella einen Kuss und verließ leise das Schlafzimmer. Eine Minute später kam er noch mal rein und legte Ellas Handy auf den 35 Nachttisch. „Da hast du ja vorhin Glück gehabt, dass du dein Handy dabei hattest“, stellte er lächelnd fest. Ella ging es im Bett schon wesentlich besser. Langsam ließen die Schmerzen nach. „Du wirst es mir bestimmt nicht glauben, aber Nora hat mir das Handy vorhin gebracht“, sagte Ella. Matthias schaute ungläubig: „Wie, Nora hat es dir gebracht?“ „Na, ich hatte vorher noch eine Nachricht geschrieben und das Handy auf den Tisch im Wohnzimmer gelegt. Als ich dann im Badezimmer lag und nicht mehr hochgekommen bin, hat mich Nora richtig belagert. Da habe ich sie spaßeshalber losgeschickt, um das Handy zu holen. Sie hat es tatsächlich gemacht. Was soll ich sagen? Total unwahrscheinlich, ich weiß! Aber es war wirklich so!“ Selbst jetzt spürte Ella wieder, wie sie bei der Erinnerung an die Situation Gänsehaut bekam. Matthias schaute erst seine Frau, dann die Hündin an und schüttelte nur den Kopf. „Meine beiden Frauen! Das geht ja echt nicht mit rechten Dingen zu! Bevor hier noch irgendwelche wunderlichen Dinge passieren, schläfst du dich erst mal gesund und ich drehe mit Nora noch eine große Runde“. 36 3 Am folgenden Morgen konnte sich Ella wieder ganz gut bewegen. Die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Das gestrig Erlebte wirkte trotzdem noch nach und brachte sie ins Grübeln. Wieso konnte Nora ihr gestern ihr Handy bringen? Sie hatte noch nie bestimmte Gegenstände auf Befehl apportiert. Doch dann holte sie der Alltag ein. Sie telefonierte mit ihrer Physiotherapeutin und bat um einen baldigen Termin. Da sie sich schon lange kannten, schob Anke Stiefelbein sie gleich am folgenden Tag dazwischen: „Dann komm am besten um 12.30 Uhr. Geht das bei dir?“ Ella war froh, dass Anke sie überhaupt gleich rannehmen konnte, da sie aus Erfahrung wusste, wie schwer es war, einen Termin zu bekommen: „Das ist prima. Super, dass es so schnell klappt!“, bedankte sie sich. „Dann sieh mal zu, dass du es bis morgen schaffst. Nimm ruhig eine Schmerztablette und spiele da nicht die Heldin. Durch die Schmerzen verkrampfst du dich sonst nur noch mehr“, riet ihr Anke. „...und Ella, kein Reiten oder schweres Heben mehr bis morgen, und halte dich warm, versprichst du mir das?“ Ella hatte ihre Planung für heute sowieso schon etwas umgestellt. So konnte sie der Physiotherapeutin versprechen, sich zu schonen. Ihre Ausbildungspferde würden heute mal nur auf die Koppel oder in die Führanlage gehen und einen Teil ihres Unterrichtes verschob sie auf die nächsten Tage. Sie wollte auf jeden Fall wieder schnell fit werden. In der nächsten Woche stand die Stutenleistungsprüfung für Rosiana und Carina an, bei der sie die beiden Pferde vorreiten sollte. So machte sie sich bald auf den Weg in den Stall. Den Vormittag verbrachte sie mit dem Versorgen der Pferde. Alles dauerte heute etwas länger, weil sich Ella nur langsam und vorsichtig bewegen konnte. Anschließend machte sie noch einen kleinen Spaziergang mit Nora und kaufte ein. 37 Als sie mittags nach Hause kam, sah sie, dass der Anrufbeantworter blinkte. Noch mit den Einkaufstüten in der Hand drückte sie den Knopf für die Wiedergabe. In diesem Augenblick konnte sie nicht im Entferntesten ahnen, was dieser Anruf für ihr Leben bedeuten würde: „Guten Tag, Frau Brenner, mein Name ist Roswitha Kemmerer und ich bin Rechtsanwältin. Ich bin auf der Suche nach Nachfahren von Luise Hofbauer. Frau Hofbauer war Jahrgang 1945 und wohnte in West-Berlin. Sollten die Angaben auf ihre Großmutter zutreffen, dann wäre es nett, wenn Sie sich bei mir melden würden. Ich werde aber auch noch mal versuchen, Sie zu erreichen." Es folgte noch die Telefonnummer mit einem Abschiedsgruß. Dann schaltete sich der Anrufbeantworter mit einem vernehmlichen Klacken ab. Ella stellte ihren Einkauf in der Küche ab und musste sich erst mal setzen. Ein komischer Anruf. Was wollte die Rechtsanwältin von ihr, und was hatte das mit ihrer Großmutter zu tun? Viele Erinnerungen an ihre Kindheit kamen in Ella hoch. Sie war in den ersten Jahren hauptsächlich von ihren Großeltern aufgezogen worden. Oma Luise und Opa Herbert hatten sich liebevoll um sie gekümmert. Ihre Mutter Margarete war eine fröhliche junge Frau. Sie studierte damals an der FH in Berlin Betriebswirtschaft und lernte dort den argentinischen Austauschstudenten Juan kennen und lieben. Sie hatten eine wunderbare Zeit zusammen, bis Juan wieder zurückmusste in seine Heimat. Es kam, wie es eben manchmal passiert. Margarete wurde schwanger, was sie allerdings erst nach der Abreise ihres Freundes bemerkte. Von Anfang an war ihr klar, dass sie das Kind bekommen wollte. Natürlich versuchte sie auch, ihren abgereisten Freund zu informieren. Doch einen Juan Rodriguez de la Carras fand sich in ganz Argentinien nicht. Ellas Vater blieb für Margarete Hofbauer unauffindbar. Margarete gab die Suche auf. Natürlich war sie sehr enttäuscht, wurde von ihren Eltern aber liebevoll aufgefangen. Sie unterstützten sie, wo sie konnten. Die ersten Jahre wohnte Margarete mit ihrer Tochter 38 weiterhin bei ihren Eltern, später ganz in der Nähe, in einer kleineren Drei-Zimmer-Wohnung. Nach dem Studium begann sie, in einem mittelständischen Unternehmen zu arbeiten. Trotz des anspruchsvollen Jobs, der sie auch häufig ins Ausland führte, nahm sie sich immer Zeit für ihre Tochter. Als Ella zehn Jahre alt war, geschah ein fürchterliches Unglück. Luise und Herbert Hofbauer kamen bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben. Sowohl Margarete, als auch Ella brauchten lange, ehe sie über den Verlust der Eltern, bzw. Großeltern hinwegkamen. In dieser Zeit rückten sie noch näher zusammen und konnten sich durch Gespräche und schöne Erinnerungen gegenseitig trösten. Einen einzigen Streitpunkt gab es zwischen Mutter und Tochter. Als Ella älter wurde, hatte sie natürlich das Bedürfnis mehr über ihren Vater zu erfahren. Doch Ihre Mutter wollte Zeit ihres Lebens nicht weiter über ihn sprechen. So wusste Ella nur, dass er aus Südamerika stammte, auch Student war und Juan hieß. Wenn Margarete Hofbauer mal etwas erzählte, was sehr selten passierte, dann war das überaus liebevoll und mit Verständnis: „Weißt du, wir waren damals jung und sehr verliebt. Dein Vater hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er nach dem Studium wieder in seine Heimat zurückkehren wollte. Ich konnte mir damals nicht vorstellen mitzugehen, und ich glaube, das hätte er auch nicht gewollt.“ In den nächsten Jahren machte Margarete Karriere in ihrer Firma, bei der sie für die Akquise und Betreuung der Kunden verantwortlich war. Das brachte auch mit sich, dass sie sehr viel unterwegs war. Außerdem wurde sie in die Frankfurter Zentrale ihres Unternehmens berufen. Sie überlegte nicht lange und nahm die neue Herausforderung gerne an. In Berlin hielt sie eigentlich nichts. Vom Großstadtleben hatte sie erst mal genug. Deshalb suchte sie für ihre Tochter und sich eine schöne, große Wohnung auf dem Land. 39 Trotz der gute Anbindung an die Autobahn, brauchte sie eine knappe Stunde zu ihrem Arbeitsplatz. Den Zeitaufwand nahm sie gerne in Kauf für ein ruhigeres und beschaulicheres Leben in der Kleinstadt. In den ersten Jahren hatte sie für Ella ein Kindermädchen angestellt. Als Ella sechszehn wurde, waren sie sich einig, dass sie jetzt selbstständig genug war, auch mal ein paar Tage alleine zurechtzukommen. Für den Notfall konnte sie sich an die Sekretärin ihrer Mutter wenden, die immer sofort für sie da war. So vergingen die nächsten Jahre recht glücklich. Nach dem Abitur gab es einmal heftige Diskussionen über Ellas Berufswunsch Pferdetrainerin zu werden, nachdem es mit einem Studienplatz in Veterinärmedizin wegen des Numerus clausus` nicht gleich geklappt hatte. Ihre Mutter fand den Beruf viel zu gefährlich und körperlich zu anstrengend. Letztlich gab sie doch nach und half ihrer Tochter einen guten Ausbildungsplatz zu bekommen. Ella bezog zu Beginn der Lehre ein kleines Appartement in der Nähe des Ausbildungsbetriebes und ihre Mutter machte sich auf eine beruflich wichtige Auslandsreise. Genau von dieser Reise, die sie nach Ostafrika führten, brachte Margarete eine schwere Tropenkrankheit mit. Nach einigen Tagen bekam sie sehr hohes Fieber. Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert, doch trotz aller Bemühungen der Ärzte, ging es ihr von Tag zu Tag schlechter. Als Ella ihre Mutter besuchte, war sie schon sehr geschwächt. Trotzdem war sie zuversichtlich wieder gesund zu werden: „Mach dir keine Sorgen, Kleines. So schnell lass ich mich von ein paar Viren nicht unterkriegen.“ Mit einem sehr mulmigen Gefühl im Bauch verabschiedete sich Ella damals widerwillig von ihrer Mutter. In den nächsten Tagen telefonierten sie regelmäßig miteinander und Ella merkte, dass es ihrer Mutter nicht besser ging. Deshalb wollte sie gleich am Wochenende wieder zu ihr fahren. Doch noch bevor sie sich auf den Weg machen konnte, bekam 40 sie die Nachricht, dass ihre Mutter den Kampf gegen die Krankheit verloren hatte und am Morgen verstorben war. Ohne ihre neue Freundin Clara, die im selben Betrieb lernte, allerdings schon im zweiten Ausbildungsjahr war, hätte Ella wahrscheinlich die schwere Zeit nicht so glimpflich überstanden. Clara war damals immer für sie da gewesen, hatte sie tröstet und ihr den Rücken freigehalten, wenn Ella unterwegs war und die vielen Formalitäten erledigte. Ihre Mutter hatte alle Papiere gut geordnet und ein Testament zugunsten ihrer Tochter hinterlassen. Ein großes Erbe gab es nicht, nur etwas Familienschmuck, einige antike Möbel und etwas Bargeld auf einem Sparkonto. Ella hatte sehr gehofft, in den Papieren mehr über ihren Vater zu erfahren. Doch da wurde sie enttäuscht. Es gab keinen einzigen Hinweis auf ihn. Ella wischte sich eine Träne von der Wange. Oje, jetzt hatten sie die Erinnerungen an ihre Mutter übermannt. Sie stand auf und räumte ihre Einkäufe ein. Später wollte sie diese Frau Kemmerer anrufen. Sie war sehr gespannt, was die Anwältin von ihr wollte. 41 4 Letztlich wurde es doch nichts mehr mit dem Anruf an diesem Tag. Ella legte sich auf die Couch zum Ausruhen und schlief tief und fest ein. Sie wachte erst auf, als Matthias heimkam und die Wohnungstür aufschloss. Nach der üblichen Begrüßung durch eine feste Umarmung und einen dicken Kuss, erkundigte sich Matthias nach Ellas Befinden: „Was macht denn dein Rücken? Hast du einen Termin bei der ´Physio` bekommen?“ Ella nickte: „Ich kann gleich morgen kommen. Eben geht es wieder. Ich muss mich nur schön warm halten und keine hastigen Bewegungen machen.“ Matthias zwinkerte seiner Frau aufmunternd zu: „Dann legst du dich nachher gleich wieder hin. Ich mache dir noch eine neue Wärmflasche zurecht und kümmere mich um Nora.“ Ella war ganz gerührt: „Womit habe ich nur so einen fürsorglichen Mann verdient?“ „Na, man gut, das du das einsiehst“, lachte Matthias. Er verschwand unter der Dusche und Ella machte in der Zeit etwas zu Essen zurecht. Beim Abendbrot erzählte Ella von dem Anruf der Anwältin. „Leider habe ich die Zeit verschlafen, sonst hätte ich vorhin noch zurückgerufen. Aber dann mache ich das gleich morgen, nach meinem Termin bei Frau Stiefelbein.“ „Und du hast keine Ahnung, was die Frau von dir will?“, fragte Matthias. Ella schüttelte den Kopf: „Meine Mutter ist jetzt schon so lange tot. Ich bin wirklich gespannt.“ Nach dem Essen verschwand Ella wirklich ins Bett, versorgt mit der versprochenen Wärmflasche und einem angefangenen Buch. Matthias machte sich fertig, um noch eine große Runde zu Joggen. 42 Nora freute sich riesig, als sie merkte, dass es gleich losging. Als die beiden nach einer Stunde wiederkamen, schlief Ella tief und fest. Matthias legte sachte das Buch beiseite, machte das Licht aus und schloss ganz leise die Schlafzimmertür. Morgen war auch noch ein Tag. Ella wachte schon lange vor dem Weckerklingeln auf. Sie schaute auf die Uhr. Hatte sie doch tatsächlich durchgeschlafen. Ihr Rücken fühlte sich heute Morgen auch schon deutlich besser an. Nach der Behandlung würde bestimmt wieder alles okay sein, da war sie ganz zuversichtlich. Vorsichtig schlüpfte sie unter der Bettdecke hervor, um Matthias nicht zu wecken. Eine Stunde hatte er noch „Galgenfrist“. Ella setzte den Kaffee auf und ging ins Bad. Ganz in Ruhe duschte sie ausgiebig und zog sich an. Dann ging sie mit Nora kurz vor die Tür. Auf dem Rückweg freute sie sich schon auf eine große Tasse Kaffee. Dabei würde sie in aller Ruhe die Tageszeitung lesen, die sie aus dem Briefkasten mitgebracht hatte. Als sie dann am Küchentisch saß, blieben ihre Augen an einer Überschrift hängen. Sie war nicht besonders groß und auch erst auf Seite drei. „Tierquäler verurteilt“, stand dort. Ella begann sofort, den Artikel zu lesen. Sie erinnerte sich, dass Marina bei ihrem letzten Treffen erzählt hatte, dass der Gerichtstermin anstand. Tatsächlich berichtete die Zeitung über die Verurteilung von Peter Brauner. Ihm konnte nachgewiesen werden mehrere Pferde gequält zu haben, um die Besitzer zu betrügen. Er war wirklich zu einer Haftstrafe verurteilt worden, ohne Bewährung. Ella atmete auf. Allerdings stand in dem Bericht nichts davon, dass er auch ein Berufsverbot erhalten hatte. Marina war als Geschädigte und als Zeugin bei dem Prozess anwesend gewesen. Bestimmt konnte sie ihr Näheres erzählen, wenn sie das nächste Mal zum Training kam. Ella war ganz in Gedanken, als Matthias verschlafen in der Küche auftauchte: „ Bist du schon lange wach? Ich habe dich gar nicht gehört.“ 43 „Ich bin heute schon ganz früh raus. Kein Wunder, so viel habe ich schon lange nicht mehr geschlafen“, antwortete Ella ihren Mann. Sie stand auf und nahm ihn in die Arme. „Du weißt doch, ich liebe den frühen Morgen, wenn es hell wird und langsam alles zum Leben erwacht. Hab schon mit Nora eine kleine Runde gedreht, den Kaffee aufgesetzt und Zeitung gelesen. Die hast du jetzt dafür beim Frühstück ganz für dich alleine. Es steht übrigens auch was über die Verurteilung von Peter Brauner drin.“ „Ach, ja?“, fragte Matthias interessiert. „Der geht jetzt erst mal ins Gefängnis. Na, du wirst es ja lesen“, sagte Ella mit Genugtuung. Beide schmusten noch einige Augenblicke miteinander, bevor sie sich an den Frühstückstisch setzten. Eine dreiviertel Stunde später machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Ella wollte im Stall wenigsten nach dem Rechten schauen und Rosiana longieren, damit sie fit blieb für nächste Woche. Alles verlief planmäßig, und um 10 Uhr war Ella wieder zu Hause. Bevor sie den Termin bei der Physiotherapeutin hatte, wollte sie unbedingt noch die Rechtsanwältin anrufen, um zu erfahren, was sie von ihr wollte. Etwas aufgeregt suchte sie den Zettel mit der Nummer hervor, schnappte sich das Telefon und setzte sich gemütlich in die Sofaecke. Rasch drückte sie die Tasten und hörte den Rufton rausgehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte das sonderbare Gefühl, dass dieser Anruf etwas ganz Besonderes bringen würde. „Guten Tag, Sie sind verbunden mit dem Sekretariat der Anwaltskanzlei Kemmerer, Hermann und Goldmann. Mein Name ist Andrea Humbold. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine freundliche Stimme. Ella stellte sich vor und erklärte ihr Anliegen. „Oh, einen Augenblick bitte. Ich schaue mal, ob Frau Kemmerer noch im Haus ist. Sie hat heute zwei Termine bei Gericht. Aber ich versuche gleich, Sie durchzustellen.“ Es dauerte nur wenige Sekunden und Ella war mit der Rechtsanwältin verbunden. „Guten Tag Frau Brenner. Das ist 44 sehr freundlich, dass Sie sich so rasch zurückmelden“, wurde Ella begrüßt. „Leider habe ich nicht viel Zeit, aber vielleicht können Sie mir sagen, ob sie tatsächlich verwandt sind mit Luise und Herbert Hofbauer?“ „Ja!“, antwortete Ella aufgeregt. „Das waren meine Großeltern. Sie sind aber schon lange tot. Sie sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Da war ich noch ein Kind.“ „Und was ist mit Ihrer Mutter?“, fragte Frau Kemmerer. „Meine Mutter ist 2003 an einer Tropenkrankheit verstorben“, sagte Ella. „Oh, das tut mir leid“, erwiderte die Anwältin mitfühlend. „Gut. Ich will Ihnen kurz erklären, worum es geht. Ich bin zufällig auf Unterlagen gestoßen. Wie es aussieht, waren sie für Ihre Großmutter bestimmt. Wie wäre es, wenn wir uns nächste Woche treffen?“, schlug die Rechtsanwältin vor. „Wollen Sie vielleicht nach Berlin kommen? Oder, wenn das nicht geht, könnte ich Ende des Monats bei Ihnen vorbei kommen, da habe ich sowieso in der Gegend zu tun.“ Ella war zunächst etwas sprachlos und überlegte fieberhaft, wie sie zueinander kommen konnten. Nächste Woche, nach der Stutenleistungsprüfung, wäre es ihr möglich, die Unterrichtsstunden abzusagen. Aber sie wollte natürlich, dass Matthias mitkam. „Ich werde mit meinem Mann sprechen, wann er sich freinehmen kann“, sagte Ella. Deshalb kamen die beiden Frauen überein, in den nächsten Tagen noch mal zu telefonieren und dann einen Termin auszumachen. Ella blieb noch eine Weile auf dem Sofa sitzen. Nach dem Gespräch war sie eigentlich um keinen deut schlauer. Eher war das Ganze noch mysteriöser. Ein Blick auf die Uhr ließ sie aufschrecken. Sie musste sich fertigmachen, um pünktlich bei Frau Stiefelbein zu sein. Ella fühlte sich nach der Behandlung gleich noch viel besser. Allerdings sollte sie auf Anraten der Therapeutin in den nächsten Tagen und Wochen noch einige Behandlungen wahrnehmen: „Da werden wir noch einiges zu tun haben, meine liebe Ella! Du hast einfach zu lange gewartet!“ 45 Ella bedankte sich: „Ich weiß, ich weiß! Ich gelobe Besserung. Noch mal besten Dank für deine schnelle Hilfe. Lass uns gleich die nächsten Termine heraussuchen. Wenn ich die erst mal eingeplant habe, dann komme ich auch gestimmt.“ Rasch kamen sie überein. Dankbar und froh verabschiedete sich Ella. Beschwingten Schrittes und ohne Schmerzen lief sie zu ihrem Auto. Auch über den Tag blieb in ihrem Rücken alles ruhig. Am Abend hatte Ella es eilig nach Hause zu kommen. Sicher war Matthias schon da und sie hatte ihm doch einiges zu erzählen. So war es tatsächlich. Matthias saß zu Hause am Computer, arbeitete noch und wartete dabei sehnsüchtig auf Ella. Einmal wollte er natürlich wissen, was Ellas Rücken machte und außerdem hatte er sehr interessante Neuigkeiten zu berichten über den Fall des Försters. Da gab es wirklich erstaunliche Erkenntnisse. Endlich hörte er seine beiden Frauen kommen. Stürmisch wurde er von Nora begrüßt. Lachend drehte er sich auf seinem Bürostuhl herum und nahm sie in Empfang, bevor sie in seinen Schoß springen und ihn vollends belagern konnte. Nach einem ausgiebigen Streicheln stand er auf, um seine Frau in den Arm zu nehmen. „Da seid ihr ja beide.“ Prüfend schaute er in Ellas Gesicht. „Dir geht es besser, oder? Das sehe ich dir doch an.“ Ella nickte: „Wie neu! Frau Stiefelbein hat wieder ein Wunder vollbracht.“ „Lass uns rasch das Abendessen fertigmachen, und dann erzählen wir uns beide, was so passiert ist heute“, schlug Matthias vor. Gemeinsam machten sie ein paar Brote fertig. Ella schälte noch etwas Obst zum Nachtisch, und Matthias schenkte zwei Gläser Weißwein ein. Sie trugen die Sachen ins Wohnzimmer und machten es sich auf der Couch gemütlich. Matthias fing als Erster an, zu reden: „Nachdem es deinem Rücken viel besser geht, will ich natürlich wissen, ob du die Anwältin angerufen hast, und was dabei herausgekommen ist.“ 46 „Hab ich“, Ella nickte mit dem Kopf. „Ganz viel hab ich allerdings nicht erfahren. Es handelt sich um Unterlagen meiner Urgroßmutter, die erst jetzt wiedergefunden wurden. Die Anwältin hat gefragt, ob wir vielleicht nach Berlin kommen wollen, um sie abzuholen. Was meinst du, ob du dir demnächst mal freinehmen kannst, dass wir zusammen hinfahren?“ „Das lässt sich bestimmt machen. Das kann ich morgen gleich klären. Dann machen wir einen kleinen Ausflug Richtung Berlin. Hört sich doch ganz gut an. Wird sowieso Zeit, dass wir mal wieder rauskommen.“ Matthias war zuversichtlich. „Und jetzt muss ich dir noch was ganz Ungeheures erzählen. Heute kam der Bericht der Ballistik, wegen des gefundenen Projektils im Fall Winkler“, tat Matthias geheimnisvoll. Ella horchte sofort auf: „Da bin ich aber neugierig. Was haben deine Kollegen herausbekommen. Los, spann mich nicht länger auf die Folter.“ „Die Waffe ist tatsächlich schon mal benutzt worden. Dr. Klauert hat das Ergebnis dreimal überprüft, so überraschend war es. Vor mehr als drei Jahren wurde der Bankier Dietrich Freyer damit getötet.“ Ella überlegte kurz. Der Name kam ihr bekannt vor. Jetzt fiel es ihr wieder ein: „War das nicht dieser Entführungsfall, wo man den Vater bei der Geldübergabe erschossen hat, und das Entführungsopfer, ein kleiner Junge, wurde nie gefunden?“ „Genau. Bis heute gab es keine konkreten Hinweise. Letztes Jahr wurde der Fall unaufgeklärt zu den Akten gelegt. Da kannst du dir vorstellen, was bei uns los ist. Wie es aussieht, wird wohl eine Sonderkommission unter Leitung des Landeskriminalamtes gebildet. Der Oberstaatsanwalt gibt heute Abend eine Pressekonferenz, um die Öffentlichkeit zu informieren. Dann werden wir von den Journalisten bestimmt überrollt“. Am nächsten Tag kam es, wie Matthias vorausgesagt hatte. Es wimmelte in der ganzen Gegend von Journalisten. Radio und Fernsehen waren mit ihren Teams vor Ort. Da es keine 47 Ende der Leseprobe von: Ella - Das ganz Besondere Erbe Gabriela Angela Köhler Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://epub.li/1YCKXZO
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