Sport.Golf. Den Schweizer Golfclubs laufen Jahr für Jahr die Spieler davon – der nationale Dachverband ASG will mit Lieber wild als organisiert im Niemandsland Von Dominic Willimann (Text) und Kostas Maros (Fotos), Mooslargue Frédéric Schmitt steht geduldig daneben. Auch wenn der Abschlag Mal für Mal nicht so gelingen will, wie man sich dies als Golf-Anfänger vornimmt, korrigiert und greift der Golflehrer im Golf Club LaLargue nur dann ein, wenn es wirklich nötig ist. «Schlagen Sie ohne Kraft, nutzen Sie den Schwung aus», sagt er gelegentlich. Dann knallen oder eben kullern die nächsten Bälle über das einstige Schlachtfeld aus dem 1. Weltkrieg, in dieses heute wunderbare Niemandsland zwischen den Bergketten des Jura und der Vogesen. Der Golf Club LaLargue ist einer von 96 Clubs, die dem Schweizer Verband ASG angeschlossen sind. Dass quer durch die 180 Hektaren grosse Grünfläche einst die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich verlief, diese heute aber gänzlich auf französischem Boden liegt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Der Verein ist seit 28 Jahren bei der ASG gemeldet, 90 Prozent der 500 Mitglieder kommen aus der Schweiz, die restlichen aus Frankreich. Dass der Club etwas abseits der Stadt liegt und man ihn nach rund 40 Minuten Autofahrt durch malerische Elsässer Dörfer erreicht, sei kein Nachteil, findet Vizepräsident Tobias Pfeiffer. «Im Gegenteil», sagt er, «das Erlebnis Golf fängt an, wenn ich mich daheim ins Auto setze.» Das Spiel auf der hügeligen Anlage ist tatsächlich Genuss für Geist und Seele: Vogelgezwitscher und das Muhen der Kühe auf der benachbarten Weide sind die einzigen Geräusche, die einen beim Golfspielen ablenken können. Zudem spielt das Flüsschen Largue auf jeder Runde mit, ebenso die prächtigen Weiher. Wer hier seinem Hobby nachgeht, hat 100 Prozent Erholung vom hektischen Alltag inklusive. Oder wie Pfeiffer treffend sagt: «Bei uns sind ein paar Stunden Ferien im Sundgau inbegriffen.» Für Geübte. Entscheidend ist auch die richtige Wahl des Schlägers. Die Mitglieder des Clubs im Elsass spielen also wohl auf einem der schönsten der insgesamt 71 18-Loch-Plätze, auf denen die ASG-Vereine beheimatet sind. Aber auch der Club nahe Basel kämpft um jedes Mitglied. Den meisten anderen Schweizer Vereinen geht es nicht anders. Grund genug für den Dachverband, etwas dagegen zu unternehmen. Mit der Aktion «Golf – it’s magic!» soll die breite Bevölkerung zum Golfen animiert werden (siehe Box). Die ASG hat sich klare Ziele Für Bequeme. Wer die zehn Kilometer auf dem LaLargue-Platz nicht gehen mag, fährt von Abschlag zu Abschlag. gesetzt. Bis 2020 soll die Zahl der Golfspieler von heute 89 579 auf 100 000 Aktive ansteigen. Das heisst: Pro Jahr möchte man 2500 Menschen für die traditionelle Ballsportart gewinnen. Ebenso soll das Vereinsleben abwechslungsreicher gestaltet werden, damit die Leute dem Club die Treue halten. Denn auch beim Golf zeichnet sich ein Trend ab, der schon in anderen Sportarten zu beobachten ist. 55 857 Spieler sind Mitglied in einem Club, die rund 33 000 anderen Lizenzierten zählen zu den nicht organisierten Golfern. Wo auch immer diese wilden Golfer spielen gehen, bezahlen sie einzig die ortsübliche Green-Fee-Gebühr. Der Vergleich mit den USA Dieses individuelle, von einem Hauptspielort unabhängige Golfen geniesst heute eine grössere Bedeutung als früher. «Das erklärt weitgehend die Zunahme der unabhängigen Golfer», sagt ASG-Präsident Jean-Marc Mommer. Allein die ASG GolfCard Migros, eine Handicap-Verwaltung für wilde Golfer für 250 Franken pro Saison, hat 2015 eine Zunahme von 400 Mitgliedern erfahren, während die meisten Clubs mehr Lizenzierte verlieren, als sie gewinnen. Insgesamt hören während einer Saison rund 4000 Golfer in der Schweiz mit dem Sport aus gesundheitlichen oder anderen Gründen auf. Den Clubs laufen also die Spieler davon. Diese Austritte zu kompensieren, bringt viele Vereine an ihre Grenzen. So wird der Hebel nun also bei potenziellen Interessenten angesetzt. Die goldenen Zeiten, als etwa zwischen 2007 und 2008 20000 neue Club-Gol- Für Geniesser. Guido Maurer aus Biel-Benken ist eines von 500 Mitgliedern des Golf Clubs LaLargue, die regelmässig die Vorzüge der fer registriert wurden, sind zwar vorbei, doch waren es zwischen 2010 und 2012 in den Clubs immerhin noch jeweils mehr als 3000 frisch Lizenzierte. Bis heute hat sich die Zahl jedoch mehr als halbiert. 2015 fanden noch 1035 Neugolfer den Weg zu dieser Sportart. Ähnlich präsentiert sich der Trend, der keiner mehr zu sein scheint, auch in anderen Ländern. In den USA spielten vor zehn Jahren noch 30 Millionen Menschen Golf, heute sind es 25 Millionen. Schliessungen von Plätzen sind erste Folgen dieses Rückgangs. Jean-Marc Mommer macht sich zu den Schweizer Zahlen zwar ernsthafte Gedanken, sagt aber auch: «Die Entwicklung ist im Grossen und Ganzen immer noch positiv, aber die Zunahme ist unterschiedlich verteilt.» Rund die Hälfte der Clubs hätten heute weniger Mitglieder als noch vor zwei Jahren. Deshalb sei es am Wichtigsten, dass die Vereine nun Unterstützung erfahren würden – um konkurrenzfähig zu bleiben. Bei unabhängigen Golfern sowie bei Neugolfern soll das Interesse für eine Vereinszugehörigkeit geweckt werden. Von einer Krise will er nicht sprechen, der ASG-Kommunikationsverantwortliche Jörg Eggen ebenso nicht: «Die Qualität der Plätze in der Schweiz ist nach wie vor sehr hoch, dieses Kriterium ist entscheidend. Anders präsentiert sich die Situation in Deutschland, wo ein regelrechter Preiskrieg unter den Anbietern herrscht und Golfer um jeden Preis abgeworben werden.» Er glaube nicht, dass es in der Schweiz einst auch so weit kommen könnte. «Wir sind in einer besseren Situation», findet Eggen, der gerade der wirtschaftsstarken Region Basel ein grosses Potenzial für Neumitglieder attestiert. «Das Einzugsgebiet eignet sich für die Verbandsoffensive hervorragend.» Der Vergleich mit dem Skifahren Diese nationale Kampagne wird auch vom Golf Club LaLargue begrüsst. Denn das Projekt verfolgt auch das Ziel, ein positives Bild der Sportart zu vermitteln und sich gegenüber der Bevölkerung zu öffnen. Tobias Pfeiffer findet «Golf ist eine Sportart, die unheimlich viel Geduld braucht» Golf-Pro Nora Angehrn (36) unterrichtet Kinder und Erwachsene – für Anfänger hat sie ein paar wertvolle Tipps auf Lager Von Seraina Degen BaZ: Was für Tipps geben Sie einem Golf-Anfänger? Nora Angehrn: Am Anfang würde ich einen Schnupperkurs besuchen oder ein paar Lektionen bei einem Pro nehmen. Das Wichtigste finde ich, dass sich ein Anfänger vom kurzen an das lange Spiel herantastet. Also zuerst Putten, dann Chippen und erst wenn dies beherrscht wird, sollte man sich an das Pitchen und die langen Schläge wagen. Muss ein Anfänger gleich eine ganze Ausrüstung kaufen? Nein, nicht unbedingt. Als Anfänger reicht es, wenn man sich zuerst einen Putter und ein Eisen 7 kauft und sich erst mit der Zeit ein Set anschafft. Das Material ist also am Anfang noch nicht so entscheidend. Nein, viel wichtiger als das Material ist die Geduld. Golf ist eine Sportart, die unheimlich viel Geduld braucht, da es eine sehr komplexe Bewegung ist. Ich glaube, nur Stabhochsprung wird als Sportart noch schwieriger eingeschätzt. Sind Sie manchmal nicht nur Golfcoach, sondern auch Mentaltrainerin? Ja, bei den Kaderspielern auf Juniorenstufe kann das vorkommen. Da geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um die Karriereplanung, Zielsetzungen, Taktik und eben das Mentale. Wenn ich im Golfclub Erwachsene unterrichte, ist es anders. Da bin ich in erster Linie Golflehrerin. Wie intensiv sollte ein Anfänger sein Training gestalten? Ich hatte Schüler, die innerhalb einer Woche die Platzreife schafften. Und auch weniger Begabte, die dies nach zwei Jahren immer noch nicht erreicht haben. Entscheidend ist das Körpergefühl sowie die Koordination zwischen den Händen und den Augen. Je besser und ausgeprägter dies ist, desto einfacher und schneller lernt man das Golfspielen. Sie trainieren oft auch mit Kindern. Ab wie alt kann man Golf spielen? Kinder können dann mit Golf beginnen, wenn sie stehen und laufen können (lacht). Vorausgesetzt, das Training wird spielerisch gestaltet. Ist Golf schwieriger zu lernen als Tennis oder Eishockey? Ja. Golf ist eine schwierige Sportart, aber vielseitig. Die Bewegung ist kom- plex, hinzu kommen die taktischen Einflüsse und die Emotionen. Das Schönste an dieser Sportart ist jedoch, dass alle Altersgruppen mit unterschiedlichem Niveau zusammen spielen können. Das ist einzigartig. Im Kunstturnen muss ein Kind bereits sehr früh sehr intensiv trainieren, wenn es einmal Profi werden will. Wie ist das beim Golf? Beim Golf ist das nicht der Fall. Die Theorie des Psychologen Anders Ericsson, dass es mindestens 10 000 Trainingsstunden in zehn Jahren benötigt, um richtig gut zu werden, stimmt wohl auch im Golfsport. Wenn man also erst mit 15 beginnt und dieser Theorie folgt, hat man auch mit 25 Jahren noch eine Chance, um Profi zu werden. Dazu braucht es natürlich Durchhaltewillen – und eben auch viel Geduld. Ein Kind übt manchmal mehrere Sportarten gleichzeitig aus. Ist das für das Golfen förderlich oder eher schädlich? Das ist sehr zu empfehlen, im Golf ist keine frühe Spezialisierung nötig. Ein Kind sollte sich polysportiv betätigen. Alle Topspieler der Welt waren auch in anderen Sportarten top. Welche Rolle spielen die Eltern? Die Eltern braucht es für den Fahrdienst und für die emotionale Unterstützung nach dem Training, also dann, wenn es um die Erziehung geht. Aber das Golftraining an sich, das sollten sie den Profis überlassen. Auf dem Spielfeld haben die Eltern nichts verloren. Nora Angehrn (36) war von 1994 bis 2004 Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft und spielte unter anderem an drei Weltmeisterschaften. Heute ist die Zürcherin Golf-Pro und Swiss-Olympic-Berufstrainerin Leistungssport.
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