BAZ01-0705-042 - Golf LaLargue

Sport.Golf.
Den Schweizer Golfclubs laufen Jahr für Jahr die Spieler davon – der nationale Dachverband ASG will mit
Lieber wild als organisiert im Niemandsland
Von Dominic Willimann (Text)
und Kostas Maros (Fotos), Mooslargue
Frédéric Schmitt steht geduldig daneben. Auch wenn der Abschlag Mal für
Mal nicht so gelingen will, wie man sich
dies als Golf-Anfänger vornimmt, korrigiert und greift der Golflehrer im Golf
Club LaLargue nur dann ein, wenn es
wirklich nötig ist. «Schlagen Sie ohne
Kraft, nutzen Sie den Schwung aus»,
sagt er gelegentlich. Dann knallen oder
eben kullern die nächsten Bälle über
das einstige Schlachtfeld aus dem
1. Weltkrieg, in dieses heute wunderbare Niemandsland zwischen den Bergketten des Jura und der Vogesen.
Der Golf Club LaLargue ist einer
von 96 Clubs, die dem Schweizer Verband ASG angeschlossen sind. Dass
quer durch die 180 Hektaren grosse
Grünfläche einst die Grenze zwischen
der Schweiz und Frankreich verlief,
diese heute aber gänzlich auf französischem Boden liegt, spielt dabei eine
untergeordnete Rolle. Der Verein ist
seit 28 Jahren bei der ASG gemeldet,
90 Prozent der 500 Mitglieder kommen
aus der Schweiz, die restlichen aus
Frankreich. Dass der Club etwas abseits
der Stadt liegt und man ihn nach rund
40 Minuten Autofahrt durch malerische Elsässer Dörfer erreicht, sei kein
Nachteil, findet Vizepräsident Tobias
Pfeiffer. «Im Gegenteil», sagt er, «das
Erlebnis Golf fängt an, wenn ich mich
daheim ins Auto setze.» Das Spiel auf
der hügeligen Anlage ist tatsächlich
Genuss für Geist und Seele: Vogelgezwitscher und das Muhen der Kühe auf
der benachbarten Weide sind die einzigen Geräusche, die einen beim Golfspielen ablenken können. Zudem spielt
das Flüsschen Largue auf jeder Runde
mit, ebenso die prächtigen Weiher. Wer
hier seinem Hobby nachgeht, hat
100 Prozent Erholung vom hektischen
Alltag inklusive. Oder wie Pfeiffer treffend sagt: «Bei uns sind ein paar Stunden Ferien im Sundgau inbegriffen.»
Für Geübte. Entscheidend ist auch die
richtige Wahl des Schlägers.
Die Mitglieder des Clubs im Elsass
spielen also wohl auf einem der schönsten der insgesamt 71 18-Loch-Plätze,
auf denen die ASG-Vereine beheimatet
sind. Aber auch der Club nahe Basel
kämpft um jedes Mitglied. Den meisten
anderen Schweizer Vereinen geht es
nicht anders. Grund genug für den
Dachverband, etwas dagegen zu unternehmen. Mit der Aktion «Golf – it’s
magic!» soll die breite Bevölkerung
zum Golfen animiert werden (siehe
Box). Die ASG hat sich klare Ziele
Für Bequeme. Wer die zehn Kilometer
auf dem LaLargue-Platz nicht gehen
mag, fährt von Abschlag zu Abschlag.
gesetzt. Bis 2020 soll die Zahl der Golfspieler von heute 89 579 auf 100 000
Aktive ansteigen. Das heisst: Pro Jahr
möchte man 2500 Menschen für die
traditionelle Ballsportart gewinnen.
Ebenso soll das Vereinsleben abwechslungsreicher gestaltet werden, damit
die Leute dem Club die Treue halten.
Denn auch beim Golf zeichnet sich ein
Trend ab, der schon in anderen Sportarten zu beobachten ist. 55 857 Spieler
sind Mitglied in einem Club, die rund
33 000 anderen Lizenzierten zählen zu
den nicht organisierten Golfern. Wo
auch immer diese wilden Golfer spielen
gehen, bezahlen sie einzig die ortsübliche Green-Fee-Gebühr.
Der Vergleich mit den USA
Dieses individuelle, von einem
Hauptspielort unabhängige Golfen
geniesst heute eine grössere Bedeutung
als früher. «Das erklärt weitgehend die
Zunahme der unabhängigen Golfer»,
sagt ASG-Präsident Jean-Marc Mommer. Allein die ASG GolfCard Migros,
eine Handicap-Verwaltung für wilde
Golfer für 250 Franken pro Saison, hat
2015 eine Zunahme von 400 Mitgliedern erfahren, während die meisten
Clubs mehr Lizenzierte verlieren, als sie
gewinnen. Insgesamt hören während
einer Saison rund 4000 Golfer in der
Schweiz mit dem Sport aus gesundheitlichen oder anderen Gründen auf. Den
Clubs laufen also die Spieler davon.
Diese Austritte zu kompensieren, bringt
viele Vereine an ihre Grenzen.
So wird der Hebel nun also bei potenziellen Interessenten angesetzt. Die
goldenen Zeiten, als etwa zwischen
2007 und 2008 20000 neue Club-Gol-
Für Geniesser. Guido Maurer aus Biel-Benken ist eines von 500 Mitgliedern des Golf Clubs LaLargue, die regelmässig die Vorzüge der
fer registriert wurden, sind zwar vorbei,
doch waren es zwischen 2010 und 2012
in den Clubs immerhin noch jeweils
mehr als 3000 frisch Lizenzierte. Bis
heute hat sich die Zahl jedoch mehr als
halbiert. 2015 fanden noch 1035 Neugolfer den Weg zu dieser Sportart. Ähnlich präsentiert sich der Trend, der keiner mehr zu sein scheint, auch in anderen Ländern. In den USA spielten vor
zehn Jahren noch 30 Millionen Menschen Golf, heute sind es 25 Millionen.
Schliessungen von Plätzen sind erste
Folgen dieses Rückgangs.
Jean-Marc Mommer macht sich zu
den Schweizer Zahlen zwar ernsthafte
Gedanken, sagt aber auch: «Die Entwicklung ist im Grossen und Ganzen
immer noch positiv, aber die Zunahme
ist unterschiedlich verteilt.» Rund die
Hälfte der Clubs hätten heute weniger
Mitglieder als noch vor zwei Jahren.
Deshalb sei es am Wichtigsten, dass die
Vereine nun Unterstützung erfahren
würden – um konkurrenzfähig zu bleiben. Bei unabhängigen Golfern sowie
bei Neugolfern soll das Interesse für
eine Vereinszugehörigkeit geweckt werden. Von einer Krise will er nicht sprechen, der ASG-Kommunikationsverantwortliche Jörg Eggen ebenso nicht: «Die
Qualität der Plätze in der Schweiz ist
nach wie vor sehr hoch, dieses Kriterium ist entscheidend. Anders präsentiert sich die Situation in Deutschland,
wo ein regelrechter Preiskrieg unter den
Anbietern herrscht und Golfer um jeden
Preis abgeworben werden.» Er glaube
nicht, dass es in der Schweiz einst auch
so weit kommen könnte. «Wir sind in
einer besseren Situation», findet Eggen,
der gerade der wirtschaftsstarken
Region Basel ein grosses Potenzial für
Neumitglieder attestiert. «Das Einzugsgebiet eignet sich für die Verbandsoffensive hervorragend.»
Der Vergleich mit dem Skifahren
Diese nationale Kampagne wird
auch vom Golf Club LaLargue begrüsst.
Denn das Projekt verfolgt auch das Ziel,
ein positives Bild der Sportart zu vermitteln und sich gegenüber der Bevölkerung zu öffnen. Tobias Pfeiffer findet
«Golf ist eine Sportart, die unheimlich viel Geduld braucht»
Golf-Pro Nora Angehrn (36) unterrichtet Kinder und Erwachsene – für Anfänger hat sie ein paar wertvolle Tipps auf Lager
Von Seraina Degen
BaZ: Was für Tipps geben Sie einem
Golf-Anfänger?
Nora Angehrn: Am
Anfang würde ich
einen Schnupperkurs besuchen oder
ein paar Lektionen
bei einem Pro nehmen. Das Wichtigste finde ich, dass
sich ein Anfänger
vom kurzen an das lange Spiel herantastet. Also zuerst Putten, dann Chippen und erst wenn dies beherrscht
wird, sollte man sich an das Pitchen
und die langen Schläge wagen.
Muss ein Anfänger gleich eine ganze
Ausrüstung kaufen?
Nein, nicht unbedingt. Als Anfänger
reicht es, wenn man sich zuerst einen
Putter und ein Eisen 7 kauft und sich
erst mit der Zeit ein Set anschafft.
Das Material ist also am Anfang noch
nicht so entscheidend.
Nein, viel wichtiger als das Material
ist die Geduld. Golf ist eine Sportart,
die unheimlich viel Geduld braucht,
da es eine sehr komplexe Bewegung
ist. Ich glaube, nur Stabhochsprung
wird als Sportart noch schwieriger
eingeschätzt.
Sind Sie manchmal nicht nur Golfcoach,
sondern auch Mentaltrainerin?
Ja, bei den Kaderspielern auf Juniorenstufe kann das vorkommen. Da
geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um die Karriereplanung,
Zielsetzungen, Taktik und eben das
Mentale. Wenn ich im Golfclub
Erwachsene unterrichte, ist es
anders. Da bin ich in erster Linie Golflehrerin.
Wie intensiv sollte ein Anfänger sein
Training gestalten?
Ich hatte Schüler, die innerhalb einer
Woche die Platzreife schafften. Und
auch weniger Begabte, die dies nach
zwei Jahren immer noch nicht
erreicht haben. Entscheidend ist das
Körpergefühl sowie die Koordination
zwischen den Händen und den
Augen. Je besser und ausgeprägter
dies ist, desto einfacher und schneller
lernt man das Golfspielen.
Sie trainieren oft auch mit Kindern. Ab
wie alt kann man Golf spielen?
Kinder können dann mit Golf beginnen, wenn sie stehen und laufen können (lacht). Vorausgesetzt, das Training wird spielerisch gestaltet.
Ist Golf schwieriger zu lernen als Tennis
oder Eishockey?
Ja. Golf ist eine schwierige Sportart,
aber vielseitig. Die Bewegung ist kom-
plex, hinzu kommen die taktischen
Einflüsse und die Emotionen. Das
Schönste an dieser Sportart ist jedoch,
dass alle Altersgruppen mit unterschiedlichem Niveau zusammen spielen können. Das ist einzigartig.
Im Kunstturnen muss ein Kind bereits
sehr früh sehr intensiv trainieren, wenn
es einmal Profi werden will. Wie ist das
beim Golf?
Beim Golf ist das nicht der Fall. Die
Theorie des Psychologen Anders
Ericsson, dass es mindestens 10 000
Trainingsstunden in zehn Jahren
benötigt, um richtig gut zu werden,
stimmt wohl auch im Golfsport.
Wenn man also erst mit 15 beginnt
und dieser Theorie folgt, hat man
auch mit 25 Jahren noch eine Chance,
um Profi zu werden. Dazu braucht es
natürlich Durchhaltewillen – und
eben auch viel Geduld.
Ein Kind übt manchmal mehrere Sportarten gleichzeitig aus. Ist das für das
Golfen förderlich oder eher schädlich?
Das ist sehr zu empfehlen, im Golf ist
keine frühe Spezialisierung nötig.
Ein Kind sollte sich polysportiv betätigen. Alle Topspieler der Welt waren
auch in anderen Sportarten top.
Welche Rolle spielen die Eltern?
Die Eltern braucht es für den Fahrdienst und für die emotionale Unterstützung nach dem Training, also
dann, wenn es um die Erziehung
geht. Aber das Golftraining an sich,
das sollten sie den Profis überlassen.
Auf dem Spielfeld haben die Eltern
nichts verloren.
Nora Angehrn (36) war von 1994 bis 2004 Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft und
spielte unter anderem an drei Weltmeisterschaften. Heute ist die Zürcherin Golf-Pro und
Swiss-Olympic-Berufstrainerin Leistungssport.