Bericht AZ

Integrative Schulung in der Kritik
Jetzt äussern sich die obersten Schulleiter
«Eine
Rückkehr
wäre unnötig
und falsch»
SVP und FDP möchten im Kanton Aargau
die integrative Schulung am liebsten wieder
abschaffen. Die beiden höchsten Schulleiter
im Kanton sagen, was sie von dieser Forderung halten. Nämlich nichts. Und sie erklären, warum für sie das heutige System, trotz
aller Schwächen, das richtige ist.
VON JÖRG MEIER
B
eat Petermann ist Schulleiter an der Kreisschule
Unteres Fricktal in Rheinfelden. Seine Schule wird
separativ geführt. Philipp
Grolimund ist Schulleiter
an der Schule Muhen. Seine Schule wird
integrativ geführt. Petermann und Grolimund präsidieren gemeinsam den Verband Schulleiterinnen und Schulleiter
Aargau (VSLAG). Führt das nicht zu ständigen Diskussionen um das richtige
Schulmodell zwischen den beiden CoPräsidenten? «Überhaupt nicht», sagt
Grolimund. «Beide Modelle haben ihre
Berechtigung. Es war ein kluger Entscheid der Regierung, dass jede Schule
selber wählen kann, ob sie integrativ
oder separativ arbeiten möchte.» Petermann nickt und ergänzt: «Und an diesem
Prinzip sollte man nichts ändern.»
Beide Modelle funktionieren
In Rheinfelden habe man gut funktionierende Kleinklassen, unterrichte Tür
an Tür zur Realschule, die Durchlässigkeit sei gegeben, der Wechsel in die Realschule sei kein Problem. Daher habe sich
die Umstellung zur integrativen Schule
nicht aufgedrängt, erklärt Petermann.
In Muhen sei man sehr zufrieden mit
dem integrativen Modell, sagt Grolimund. Man schätze die Möglichkeit, die
Kinder im oder ausserhalb des Unterrichtes individuell fördern zu können, die direkte Unterstützung durch die Heilpädagogin direkt vor Ort sei wertvoll. Aber die
Belastung der Lehrpersonen sei oft hoch.
Welches Modell eine Schule wählt,
hange entscheidend davon ab, ob sich
die entsprechende Kultur an der Schule
verankern lässt, ob die Lehrpersonen bereit sind, sich auf das jeweilige Modell
einzulassen. Denn egal, ob separativ
oder integrativ: «Wenn die Lehrpersonen
nicht überzeugt sind, wird es schwierig»,
sagt Petermann. Auch deshalb sei es rich-
tig, dass es beide Modelle gebe und sich
die Lehrpersonen eine Schule suchen
können, wo sie sich mit Überzeugung
einsetzen können.
«Ein grosser Schritt zurück
Nun möchten aber FDP und SVP die integrative Schulung im Aargau am liebsten
wieder rückgängig machen, weil sie sich
nicht bewährt habe. «Das wäre ein grosser Schritt zurück, eine Rückkehr wäre
unnötig und falsch», wehrt sich Petermann. Grolimund ergänzt, so, wie er die
integrative Schule erlebe, bewähre sie
sich sehr wohl. Natürlich gebe es Verbesserungsmöglichkeiten, man wünschte
sich etwa, dass Lehrpersonen bei Bedarf
besser unterstützt werden könnten.
Die Rückkehr zum rein separativen
Modell wäre wohl kaum günstiger, vermuten die beiden Schulleiter – und sie
hätte eine unangenehme Nebenwirkung:
Werden die integrativen Klassen aufgehoben, entstehen vielenorts zu kleine Realschulen, sodass darum zahlreiche Schulstandorte gefährdet wären.
Was sagen die Co-Präsidenten zum
Vorwurf von SVP und FDP, die austretenden Realschüler könnten weniger als früher, seien gar nicht bereit für den Eintritt
in die Berufslehre? Diesen Vorwurf lässt
Petermann gar nicht gelten. «Das stimmt
so nicht. Die heutigen Schülerinnen und
Schüler können nicht weniger als früher.» Aber die Anforderungen in der Berufswelt seien enorm gestiegen. Das sei
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VERBAND SCHULLEITER AARGAU
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Zwei Co-Präsidenten
Philipp Grolimund (55) ist Schulleiter in
Muhen. Beat Petermann (60) ist Schulleiter an der Kreisschule Unteres Fricktal in
Rheinfelden. Sie leiten gemeinsam als CoPräsidenten den Verband Schulleiterinnen
und Schulleiter Aargau (VSLAG). Von den
460 Schulleiterinnen und Schulleitern im
Aargau gehören rund 230 dem VSLAG an.
nicht primär das Problem der Schule,
sondern der Wirtschaft, die von Realschülern immer mehr verlange. «Die verschiedenen Tests und Checks, die regelmässig durchgeführt werden, zeigen,
dass die heutigen Schüler nicht weniger
wissen oder können, als das früher der
Fall war. Aber die Ansprüche sind gestiegen. Auch Ausbildungen in handwerklichen Berufen sind viel anspruchsvoller
geworden. Sogenannt einfache Berufe
gibt es in der Schweiz fast nicht mehr.»
Positiv vermerkt Grolimund, dass der
Regierungsrat alle Schulleiterinnen und
Schulleiter nun doch noch eingeladen
hat, ihm mitzuteilen, was sie denn bisher
für Erfahrungen mit der integrativen
Schulung gemacht haben.
Gesucht: Heilpädagogen
Über 93 Prozent der Primarschulen im
Aargau haben inzwischen die integrative
Schulung eingeführt. Finden sich da
auch genügend Lehrpersonen? Und wie
sieht es bei der konventionellen, separativen Schule aus? Petermann und Grolimund sind zufrieden. Beide konnten bereits alle Pensen für das Schuljahr
2016/17 an ihren Schulen besetzen. An ihren Schulen unterrichten Lehrpersonen,
die über die notwendigen Qualifikationen verfügen. Eine Entspannung stellen
die beiden Co-Präsidenten auf der Kindergartenstufe fest. Dadurch, dass Kindergärtnerinnen bei gleicher Ausbildung
in Zukunft auch den gleichen Lohn wie
Primarlehrpersonen erhalten, sei auch
die Bereitschaft, am Kindergarten zu unterrichten, wieder gestiegen.
Schulische Heilpädagogen zu finden, sei
indes ein fast aussichtsloses Unterfangen.
Das dürfe aber nicht weiter erstaunen,
sagt Grolimund. Denn Heilpädagogen absolvierten in der Regel zuerst die Lehrerausbildung und danach nochmals ein Zusatzstudium von drei Jahren. Trotz dieser
Zusatzqualifikation verdienen diese Heilpädagogen nicht mehr als die andern
Lehrpersonen auf der Oberstufe. Dass
«Es war ein kluger
Entscheid der
Regierung, dass
jede Schule selber
wählen kann, ob
sie integrativ oder
separativ arbeiten
möchte.»
Philipp Grolimund Schulleiter
in Muhen, Co-Präsident VSLAG
diese Lohnsituation nicht besonders dazu
motiviere, Heilpädagogin zu werden,
leuchte wohl ein, erklärt Petermann.
Klar deshalb auch die Forderung der
beiden Schulleiter: Das Lohnsystem für
Lehrpersonen im Kanton Aargau muss
dringend angepasst werden. Es stimmt
nicht mehr. Zusatzqualifikationen werden nicht adäquat entschädigt. Sorgen
bereitet Petermann der Umstand, dass
nach 5 Jahren bereits gegen 50 Prozent
der Berufseinsteiger nicht mehr im Lehrerberuf tätig sind. Oder in einen Nachbarkanton gewechselt haben, wo sie
deutlich mehr verdienen können. Da
müsse der Kanton etwas ändern. Der
Lehrerberuf sei im Aargau finanziell einfach nicht mehr genug attraktiv. «Zudem
ist es wenig sinnvoll und vor allem teuer,
wenn der Kanton Lehrpersonen ausbildet, die dann nur kurze Zeit oder nicht
im Aargau unterrichten.»
Vorstoss löst Unmut aus
Noch etwa beschäftigt Petermann und
Grolimund: Die Motion der bürgerlichen
Parteien, die verlangt, dass die Weiterbildung der Lehrpersonen ausnahmslos
ausserhalb der Unterrichtszeit stattfinden müsse, liegt ihnen auf dem Magen.
«Dieser Vorstoss richtet unglaublich viel
Flurschaden an», sagt Petermann. Die
neue Einschränkung komme im falschen
Moment, löse grossen Unmut aus. Man
werde sich dagegen wehren. Die schulhausinternen Weiterbildungen seien
meistens sehr gut organisiert, der Unterrichtsausfall sei auf ein Minimum reduziert. Die Regelung hätte zur Folge, dass
weniger Weiterbildungen stattfinden
werden. Damit liesse sich zwar etwas
Geld sparen; andrerseits müssten doch
Kanton und Gemeinden grosses Interesse
an Lehrpersonen haben, die sich stetig
und motiviert weiterbilden.
Was halten Sie von der integrativen Schulung? Diskussion
auf www.aargauerzeitung.ch
AARGAUER ZEITUNG
DIENSTAG, 17. MAI 2016
AARGAU 23
Glarner verzichtet
auf Anzeige wegen
Ziegen-Tweet
Giacobbo/Müller Der SVP-Hardliner versucht Oberwil-Lieli
zu verteidigen und zeigt Mitleid mit Komiker Gabriel Vetter
VON CHRISTOPH ZEHNDER
Im Aargau kann
jede lokale Schulpflege autonom
entscheiden, ob
separativ oder
integrativ unterrichtet wird. SVP
und FDP stellen
das System aber
nun infrage.
GAETAN BALLY/KEY
Oberwil-Lieli musste in der Vergangenheit oft als Zielscheibe für die Gags von
Viktor Giacobbo und Mike Müller herhalten. Höchste Zeit also für Gemeindeammann Andreas Glarner, mit den beiden SRF-Haussatirikern vor der Kamera
die Klingen zu kreuzen. Der Aargauer
SVP-Nationalrat habe sich brieflich gemeldet und um einen Auftritt in der
Sendung gebeten, wollte Giacobbo das
Publikum glauben machen. Mit den
Worten «Jeder, der an einem so grauenhaften Ort wohnen muss, ist bei uns
willkommen», gleich weiter in Richtung
Oberwil-Lieli. «Du machst doch Bestattungen dort?», wollte er von seinem
Co-Moderator Mike Müller wissen.
Es folgte eine Diskussion über Stacheldrähte und Militärdienst sowie
über Glarners berufliche und politische
Laufbahn, begleitet von einigen Seitenhieben in die Richtung von Bundesrätin
Simonetta Sommaruga. «Eine Karriere
wie ihre kann man nur im Aargau machen. Sind Sie als gelernter Ventilationsspengler überhaupt qualifiziert?»,
fragte Giacobbo. Das liess der Aargauer
SVP-Nationalrat nicht auf sich sitzen:
«Ich habe erfolgreich drei Firmen geführt. Mein Führungsausweis ist sicher
grösser als der von Frau Sommaruga.»
Sommaruga habe früher Konsumenten
geschützt und sei dann gleich Bundesrätin geworden.
Um Ehrenrettung bemüht
CVP kritisiert und
baut eine Brücke
«Es ist wenig sinnvoll und vor allem
teuer, wenn der Kanton Lehrpersonen
ausbildet, die dann
nur kurze Zeit oder
gar nicht im Aargau
unterrichten.»
Beat Petermann Schulleiter
Kreisschule Unteres Fricktal, CoPräsident VSLAG
Auch die CVP hat sich mit der
integrativen Schulung befasst
und präsentiert nun in einem
Postulat einen Vorschlag, der
Verbesserungen fordert, aber
nicht gleich das ganze heutige
System infrage stellt.
VON JÖRG MEIER
Im Disput um die Zukunft der integrativen Schulung versucht die CVP mit einem
Postulat, eine Brücke zwischen den beiden Extrempositionen von Regierung auf
der einen sowie SVP und FDP auf der
anderen Seite zu schlagen: Während die
Regierung keinerlei Handlungsbedarf
sieht, möchten SVP und FDP die integrative Schulung gleich wieder abschaffen.
Das Postulat, eingereicht von Marianne
Binder und Martin Steinacher, wehrt sich
entschieden gegen die Abschaffung,
schlägt aber eine Reihe von Optimierungsmöglichkeiten vor. Das Postulat
stellt acht Forderungen, die aus der Analyse des Systems der integrativen Schulung resultieren und auf dessen Stärken
und Schwächen reagieren. So verlangt
das Postulat, dass künftig die Abklärungsund Förderprozesse vereinfacht werden
sollen, damit die Direktbeteiligten vom
hohen administrativen und zeitlichen
Aufwand etwas entlastet werden.
Weiter sollen Schülerinnen und Schüler
mit Behinderungen wenn immer möglich
zuerst in Kleinklassen und Einschulungsklassen gefördert werden. Das Postulat
schlägt auch vor, dass der Zuweisungs-
prozess von Kindern, die eigentlich in eine Sonderschule gehören, optimiert wird.
Denkbar seien Modelle einer Teilseparierung, wie sie etwa im Lernpavillon Seengen mit Erfolg praktiziert werden.
Das Postulat kritisiert, dass wenig
Transparenz bei den Zuweisungsmechanismen bestehe. Deshalb brauche es eine
neue Ressourcierung, mit der Kosten eingespart werden können – oder zumindest
keine neuen für die Volksschule entstehen. «Wir erwarten mehr Transparenz
und analog zum Gesundheitswesen eine
andere Berechnung, zum Beispiel in
Form von sogenannten Fallpauschalen»,
heisst es im Postulat.
Task-Force für Schulabgänger
Die fünfte Forderung verlangt, dass die
maximale Anzahl der Wochenlektionen
bei jeder Form von Förderunterricht von
aktuell sechs auf vier Wochenlektionen
beschränkt wird. Zudem sollen für Förder- und Nachhilfeunterricht nicht mehr
ausschliesslich Heilpädagoginnen eingesetzt werden. Nach Ansicht der Postulanten genügen da auch pensionierte Lehrpersonen oder Praktikanten.
Weiter soll der Regierungsrat dafür sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler
nach Abschluss der Schulzeit fähig sind,
eine Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren. Dazu soll unter anderem eine
Task-Force zusammen mit Wirtschaft, Gewerbe und Bildungsfachleuten gebildet
werden. Schliesslich bestreiten die Postulanten nochmals die Aussage der Regierung, dass im Bereich der integrativen
Schule «kein Handlungsbedarf» bestehe.
Deshalb verlangen sie eine gründlichere
Befragung aller Beteiligten.
Immer wieder versuchte Giacobbo,
Glarner aus der Reserve zu locken.
Zum Beispiel mit Fragen über ein Strafurteil aus Glarners Vergangenheit. «Das
war ein Missverständnis», sagte dieser
und wollte die Anekdote nicht vertiefen. Darauf Giacobbo: «Das sagt jeder
Kriminelle.» Oder mit der Frage, ob es
ihn nicht störe, zu den «unbeliebteren»
Politikern im Land zu gehören.
Glarner blieb zunächst sachlich und
war um die Ehrenrettung seiner Heimatgemeinde bemüht. Erst als es um
die vielbeschworene Asylabstimmung
in Oberwil-Lieli ging, kam er so richtig
in Fahrt: «Wenn in der Schweiz alle Gemeinden abstimmen könnten, würden
sehr viele Nein sagen. Oberwil-Lieli
konnte abstimmen! Das Zeichen müssen die Leute jetzt verstehen.»
Zehn Flüchtlinge müsste Oberwil-Lieli nach kantonaler Regelung aufnehmen. «Das ist schon fast eine Masseneinwanderung», schob Giacobbo nach.
Das war das Stichwort für Mike Müller,
der inzwischen errechnet hatte, dass
dies 0,004 pro Einwohner bedeuten
würde. «Das ist schon ein gewaltiger
Druck», stichelte er. Die Retourkutsche
von Glarner kam umgehend: «Andere
Kantone haben schon resigniert. Das
sieht man in Solothurn», höhnte Glarner in Richtung des Oltners. «Wir müssen Sie leider abweisen und zurück in
Ihr Oberwil-Lieli schicken», beschloss
Viktor Giacobbo zum Schluss der Sendung. Glarner hatte nichts dagegen.
Denn dort sei er am liebsten.
Glarner gegen Vetter
Künstlerischer Gast in der Sendung
war Gabriel Vetter. Zwischen dem
Standup-Comedian und dem SVP-Nationalrat herrscht derzeit dicke Luft. Vetter hat auf Twitter gegenüber Glarner
Anspielungen auf den türkischen Präsidenten Recep Erdogan gemacht. Vetter
schrieb: «Dass @andyglarner die Pressefreiheit unterdrückt – ok. Ich als Satiriker finde es aber fast schlimmer, dass
er was mit Ziegen haben soll.» Glarner
kündigte – ebenfalls per Twitter – juristische Schritte an. Vor dem Auftritt bei
«Giacobbo/Müller» bot Glarner dem
Satiriker an, die Angelegenheit zu vergessen, sollte sich dieser entschuldigen.
Tatsächlich verzichtet Glarner nun
auf eine Anzeige, wie er auf Anfrage
sagt. Vetter habe sich zwar nicht entschuldigt bei ihm, sondern sei weiterhin der Meinung, als Comedian dürfe
er solche Tweets verbreiten. Glarner
sagt aber: «Nachdem ich Gabriel Vetter
gestern persönlich kennen lernte und
seine Performance gesehen habe, verzichte ich aus Mitleid auf eine Anzeige.»
Von dem, was der Künstler auf der
Bühne zeige, werde dieser ja kaum leben können, schiebt Glarner nach.
Noch hängig ist eine Anzeige von
Andreas Glarner gegen einen TwitterUser, der ihn und seine Familie bedroht
hat. Dazu schrieb der SVP-Nationalrat:
«Ich lasse nicht locker, bis diese linken
Widerlinge bestraft sind.» Bereits Ende
März hatte Andreas Glarner zwei Anzeigen eingereicht, nachdem er in HassTweets als «Nazischwein» und «brauner
Bergler» beschimpft wurde. In diesen
Fällen laufen laut Glarner die Ermittlungen, ob es zu Strafverfahren komme, wisse er allerdings nicht.
Den Auftritt von Glarner bei
Giacobbo/Müller sehen Sie
auf www.aargauerzeitung.ch
Rupperswil muss zahlen
Fall Tobi B. Gericht entscheidet: Gemeinde muss Kosten
für fürsorgerische Unterbringung des Dirnenmörders von
Aarau definitiv übernehmen.
Vor acht Jahren hat der damals minderjährig Tobi B. im Aarauer Sex-Salon
«Metro» eine Prostituierte vergewaltigt
und anschliessend getötet. Obwohl er
die vierjährige Haftstrafe längst verbüsst hat, bleibt er hinter Gittern. Im
Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung ist der Mörder in der Strafanstalt Lenzburg untergebracht. Die Kosten dafür muss definitiv die Gemeinde
Rupperswil tragen, wo Tobi B. zum Tatzeitpunkt lebte. Dies hat das Verwaltungsgericht laut einer Mitteilung der
Gemeinde entschieden. Die Gemeinde
wird im Urteil verpflichtet, die bis Ende
2014 angefallenen Kosten von 447 231
Franken sowie die seit 1. Januar 2015
anfallenden jährlichen Kosten der Unterbringung von rund 190 000 vollstän-
dig zu bezahlen. Das Gericht befand,
die Gemeinde sei an Entscheide des
Bundesgerichts gebunden – dieses hatte entscheiden, die fürsorgerische Unterbringung des Täters sei rechtmässig.
Aufgrund der schlechten Erfolgsaussichten und den damit verbundenen
Kosten verzichtet der Gemeinderat auf
den Weiterzug des Urteils an das Bundesgericht. Dennoch hält die Behörde
die Folgen des Urteils für «systemwidrig und nicht nachvollziehbar», wie es
in der Mitteilung heisst. Tobi B. sei in
Lenzburg untergebracht, weil er eine
Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
Somit müsse Rupperswil alleine für die
massiven Kosten aufkommen, um die
Allgemeinheit vor diesem Straftäter zu
schützen. Die Unterbringung verfolgt
aus Sicht des Gemeinderats den gleichen Zweck wie eine strafrechtliche
Verwahrung bzw. eine stationäre Massnahme nach Strafrecht. «Dort aber
müsste der Kanton die Kosten tragen»,
hält der Gemeinderat fest. Dies zeigt
für die Behörde «dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf». (FH)