Ein Schloss fürs Bier - Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen

Exakte Blutdruckkontrolleure
Süßkartoffeln im Garten
Rezepte für die Grillsaison
Fotos: B. Lütke Hockenbeck, Sondermann, Bernd Kasper/Pixelio, Holm/GBZ Fürth, LVBM
Spiele für den Hund
INHALT
In der Schlossbrauerei Rheder . . . . 66
Käse in Höhle und Fülle . . . . . . . . 68
Salz: Ein begehrter weißer Stoff . . . 70
Wo das Herz der Bäckerei schlägt . . 72
Das Bier von hier: Gabriele Freifrau von Spiegel und Pierre Sauer setzen bei der Vermarktung des Schloßbräu
auf Regionalität. Die Braugerste wächst auf den eigenen Feldern, das Brauwasser sprudelt aus eigenen Quellen.
Ein Schloss fürs Bier
Bier brauen ist eine Wissenschaft für sich – und ein altes Handwerk. Im
Jubiläumsjahr des Reinheitsgebots denken sich viele Brauer neue Spezialitäten aus – zu Besuch in einer Brauerei mit 330 Jahren Geschichte.
D
er Name steckt voller Stolpersteine: „Gräflich von
Mengersen’sche Dampfbrauerei Rheder“. Das geht nicht so
leicht über die Lippen, klingt dafür
aber nach langer Geschichte. Und
in die lässt sich bei einem Besuch
in dem 280-Einwohner-Ort Rheder,
heute ein Ortsteil von Brakel im
Kreis Höxter, herrlich abtauchen.
Seit 330 Jahren wird dort Bier gebraut. Besucher sind herzlich eingeladen, dem Braumeister über die
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Schulter zu schauen – wie bei vielen großen und kleinen Bierproduzenten in der Region (siehe Kasten).
In Rheder lässt sich die Bierprobe
mit einer Wandertour durchs Weserbergland verbinden. Direkt hinter dem Schloss geht’s den Sieseberg hinauf. Aus zwei Quellen
sprudelt dort das Brauwasser für
das „Rheder Schloßbräu“.
Die Brauerei ist in der gelb verputzten Vorburg des Schlosses untergebracht. Beim Bau, der bis
1727 dauerte, hatte Johann Conrad
Schlaun seine Finger im Spiel.
Westfalens berühmtester Barockbaumeister war damals noch ein
junger, aufstrebender Architekt.
Drinnen hat heute wie damals ein
Braumeister das Sagen. Joachim
Corves kam vor 16 Jahren aus Köln
nach Rheder. Kölsch hat der 50-Jährige an der Nethe aber nicht eingeführt. In Rheder ist man auf untergärige Biere spezialisiert. Rund
25 000 hl werden jedes Jahr produ-
ziert, abgefüllt und zum Teil auch
direkt verkauft. Zehn Sorten sind
im Angebot, vom Klassiker Pils bis
zum Doppelbock.
Familiensache
Bier brauen und vor allem Bier
verkaufen ist in Rheder Familiensache. Den von Mengersens erteilte der Paderborner Fürstbischof
im Jahr 1686 das Braurecht.
Knapp 200 Jahre später erbte die
Familie von Spiegel den Besitz
und damit auch den mittlerweile
zur Dampfbrauerei umgebauten
Betrieb.
„Das hier war mal das Braubüro“,
erklärt Gabriele Freifrau von Spiegel beim Gespräch an einem langen Holztisch. Die Wände des
Raumes im Schloss sind mit Jagdmotiven gestaltet. Bis vor einigen
Jahrzehnten holten die Mitarbei-
AUSFLUGSZIELE ZU PFINGSTEN
ter – heute sind es 25 – hier ihren
Lohn ab.
Gabriele von Spiegel kam vor
34 Jahren vom Bodensee nach Ostwestfalen. Ihr Mann Elmar hatte das
Schloss und die Brauerei von seinem Großonkel Adolf geerbt, der
ein weit bekanntes Original war. Er
soll auch mal das ganze Dorf zur Lokalrunde eingeladen haben. „Dann
ließen alle die Mistgabel fallen“,
lacht Gabriele von Spiegel. An die
Vergangenheit des Onkels als Rittmeister eines preußischen Husarenregiments erinnert das Husarenmuseum, das 2003 in der Vorburg eröffnet wurde.
Neuer Glanz
Die von Spiegels konzentrieren
sich mittlerweile auf die Land- und
Forstwirtschaft. 500 ha Wald und
250 ha Land gehören zum Betrieb.
Sohn Ferdinand will nach Abschluss seines Studiums einsteigen. Gabriele von Spiegel kümmert
sich zusätzlich um die Gastronomie in einer alten Scheune.
Brautpaare können sich im Schloss
das Jawort geben – und dabei auch
den Blick in den weitläufigen
Landschaftspark genießen, der
sich auf der Rückseite des Schlosses über die Nethe den Sieseberg
emporzieht.
An der Brauerei hält die Familie
von Spiegel noch 10 %. Den Rest
hat sie nach dem Tod von Elmar
Freiherr von Spiegel vor zwei Jah-
tige Auswahl der Rohstoffe und
die Verarbeitung.
Das richtige Gefühl
Brauer Elmar Steinmann, bereits seit
33 Jahren im Betrieb, steuert den
Brauprozess bis heute von Hand.
ren an die Familie Sauer aus der
Nähe von Augsburg verkauft. Seitdem sind Vater Robert Sauer und
die Söhne Pierre und René dabei,
den Glanz der alten Marke aufzupolieren. Auch die Brauerei Bergbräu in Uslar gehört der Familie.
„Wir schauen immer, dass unsere
Biere anders schmecken“, sagt
Pierre Sauer, 32 Jahre alt und studierter Marketingfachmann. Von
den „Fernsehbieren“ will sich die
Brauerei abheben, gleichzeitig
aber nicht mit Aromastoffen experimentieren. „Auch das Reinheitsgebot bietet enormen Spielraum“,
sagt Sauer. 500 Jahre nach dessen
Inkrafttreten ist es in Rheder nach
wie vor oberste Messlatte. Als
Stellschrauben bleiben die sorgfäl-
Blick in den Braukessel
sel
Zahlreiche Braumeister lassen sich
von Besuchern über die Schulter
schauen. Das eigene Spezialrezept
gibt niemand preis, aber kosten dürfen die Gäste gerne. Hier eine Auswahl von Brauereien, die Führungen anbieten – zum Teil gibt es ausgeklügelte Komplett-Pakete:
Bad Laasphe: Brauerei Bosch, Führung mit anschließender Vesper und
Verkostung, Kosten: 14,90 € pro Person, Oktober bis März, mittwochs
und freitags, 14 bis 18 Uhr, E-Mail:
[email protected], www.brauerei-bosch.de.
Brakel: Gräflich von Mengersen’sche
Dampfbrauerei Rheder, Angebote für
Gruppen ab 15 Personen, April bis
Oktober, montags bis freitags zwischen 11 und 16 Uhr, Tel. (0 52 72)
39 23-0, www.schlossbrauerei-rheder.de.
Bochum: Tour durch die Privatbrauerei
Moritz Fiege, montags bis donnerstags
18.30 bis 21.30 Uhr, freitags Feierabendführung 16 bis 19 Uhr, Kosten:
15,85 € pro Person, Reservierungen
für Gruppen bei Bochum Marketing
unter Tel. (02 34) 96 30 20, Einzelpersonen und Kleingruppen können online buchen,www.moritz-fiege.de.
Detmold: Privatbrauerei Strate, Führungen für Gruppen, März bis Oktober, montags bis freitags, jeweils um
10 oder 14 Uhr, anschl. gemeinsames Essen und Bierverkostung im
„Hopfenblütenteehäuschen“, Kosten: 19,50 € pro Person, E-Mail: [email protected], www.
brauerei-strate.de.
Dortmund: Führungen durch das
Brauerei-Museum und/oder die Dortmunder Actien-Brauerei, verschiedene Pakete für Gruppen, dienstags bis
Braumeister Corves sagt: „Bier
brauen ist auch Gefühlssache.“
Beim Besuch im Sudhaus fachsimpelt er über die große Vielfalt verschiedener Malztypen, lässt auf
ein Malzkorn beißen und beschreibt die unterschiedliche Süße
der Sorten. Die von Spiegels bauen
ihre Braugerste, das ist meistens
zweizeilige Sommergerste, selbst
an. Die Verarbeitung übernimmt
eine Mälzerei aus der Rhön.
Zwei große Kupferkessel stehen im
Sudhaus. Fassungsvermögen jeweils rund 140 hl. Heute wird Pils
gebraut. Rund 2 t Malz werden
dazu in der eigenen Mühle geschrotet und dann mit Wasser aus
den eigenen Quellen vermischt
Auf den Punkt gebracht
•
In der Schlossbrauerei in
Rheder wird seit 330 Jahren Bier
gebraut.
• Heute produzieren die
25 Mitarbeiter rund 25 000 hl
pro Jahr.
• Ein Besuch lässt sich mit einer Wandertour durchs Weserbergland verbinden.
Braumeister
Joachim Corves
testet die Qualität
des Suds.
freitags, Tel. (02 31) 84 00 - 200, www.
brauereierlebnis-dortmund.de.
Hagen: Museumsbrauerei im Freilichtmuseum, offener Brautag einmal im Monat, nächster Termin:
Sonntag, 29. Mai, www.lwl-freilichtmuseum-hagen.de.
Herford: Herforder Brauerei, Führungen mit Imbiss und Verkostung, mittwochs und donnerstags, 13.30 bis
16.30 oder 18 bis 21.30 Uhr, Kosten:
7 bis 11 €, E-Mail: besichtigung@
herforder.de, www.herforder.de.
Kreuztal: Krombacher Brauerei, montags bis samstags verschiedene Angebote mit Besichtigung, Essen und
und erhitzt, „eingemaischt“ sagt
der Fachmann. Anschließend
geht’s rüber in den Läuterbottich.
Die Ventile öffnet Corves von
Hand. „Hier ist kein Computer versteckt“, erklärt er mit Blick auf das
blank polierte Schaltpult. Der Treber sinkt auf den Boden, übrig
bleibt die klare Würze. Gekocht
und mit Hopfen und Hefe versetzt
steht ihr eine Reise auf die andere
Seite der Nethe bevor.
Dort steht der Lagerkeller, der von
außen wie eine kleine Burg anmutet. Drinnen liegt die Temperatur
konstant zwischen 0 und 2 °C.
Acht Wochen reift das Bier, dann
wird es abgefüllt. „Das wird hier
nicht durchgezischt“, betont Gabriele von Spiegel.
Regional ist das neue Bio
Der Bierkonsum der Deutschen ist
in den vergangenen Jahren auf
107 l pro Kopf gesunken, die Zahl
der Brauereien dagegen gestiegen.
Kleinstbetriebe produzieren jede
Menge Spezialsorten mit exotischen Noten von Maracuja bis Kirsche. „Craft Beer“ ist der Fachbegriff für diese handwerklich gebrauten Biere.
„Handwerklich gebraut“, das
nimmt Pierre Sauer auch für das
Rheder Schloßbräu in Anspruch.
Dessen Qualitäten will er in den
nächsten Jahren noch bekannter
machen. Neue Kreationen sind
nicht ausgeschlossen. Andrea Hertleif
Verköstigung, Tel. (0 27 32) 88 08 80,
www.krombacher.de.
Meschede-Grevenstein: Veltins Brauerei, kostenlose Führungen, dienstags um 9.30 Uhr ohne Anmeldung,
größere Gruppen ab 30 Personen
sollten
sich
anmelden,
Tel.
(0 29 34) 959-0, www.veltins.de.
Münster: Bierführung durch die Altstadtkneipen, inkl. Besuch in der letzten Altbierküche der Stadt, Dauer:
2 Stunden, Preis für Gruppen bis
10 Personen inkl. Verkostung: 210 €,
offene Führungen jeden Samstag um
17 Uhr, 22 € pro Person, Tel. (02 51)
59 06 87 60, www.stadt-lupe.de.
Oelde: Pott’s Brauerei, verschiedene
Angebote für Gruppen ab 15 Personen, inkl. Führung, Besuch im Biermuseum und Essen mit Bierverkostung, Einzelpersonen können die
Brauerei auch ohne Führung besichtigen, Tel. (0 25 22) 93 32-256, www.
potts.de.
Warstein: Warsteiner Welt, Führungen von Februar bis Dezember, montags bis samstags um 10, 12, 14 und
16 Uhr, anschl. Verkostung, Kosten:
10 € pro Person, Tel. (0 29 02)
88 50 01, www.warsteiner.de.
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Hier geht’s lang
Fotos: Leichhauer
Die Atta-Höhle hat ganzjährig
geöffnet. Öffnungszeiten im
Sommer: 10 bis 16 Uhr, im
Winter: 11 bis 15.30 Uhr.
Erwachsene zahlen 8,50 €,
Kinder von 5 bis 14 Jahren
zahlen 5 €. Gruppen, Schulklassen und Familien erhalten
Ermäßigungen.
Der Bummelzug „Biggolino“
verbindet die Atta-Höhle mit
dem Biggesee. Hin- und Rückfahrt (60 Min) kosten für Kinder
4,50 € und für Erwachsene 6 €
pro Person. Die einfache Fahrt
kostet 3 bzw. 4 €.
Schiffsfahrten können mit der
Dauer von 45 Minuten bis zu
drei Stunden gebucht werden.
Die Preise dafür liegen zwischen 8 und 16 € für Erwachsene (5,50 bis 8 € für Kinder).
Achtung, Tropfgefahr: Etwa zehn Wochen lang lagert der Atta-Käse in dieser 9 °C kühlen Kammer bei 95 % Luftfeuchtigkeit. Mehrmals wöchentlich werden die Laibe in Salzlake gewaschen und gewendet.
Käse in Höhle und Fülle
Käse gibt es nur in Holland? Quatsch! Auch in Westfalen gibt es
Käsereien, in denen Besucher hinter die Kulissen schauen dürfen.
K
ühl ist es. 9 °C, um genau zu
sein. Und feucht. Immer
wieder tropft es von der Decke. Der Käse ruht auf breiten
Holzdielen. Ein Wellblech aus
Plastik, das oben auf dem Regal
liegt, schützt den noch unfertigen
Käse vor dem herabtröpfelnden
Wasser. Es riecht pikant. Kräftig sogar. Käse eben.
Das sind die perfekten Bedingungen für den Atta-Käse. Er reift in
einer unterirdischen Käsekammer
der sauerländischen Atta-Höhle.
Die Tropfsteinhöhle liegt in Attendorn im Kreis Olpe im Sauerland.
Diese Sinterfahne ist eines der
Highlights in der Atta-Höhle.
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Gleich um die Ecke liegt der Biggesee. Aber dazu später mehr.
Besucher dürfen die Käsekammer
in der Atta-Höhle aus hygienischen Gründen leider nicht besichtigen. Aber seine Herstellung
können sie verfolgen. In der gläsernen Schaukäserei auf dem Vorplatz zeigen die Käsemeister etwa
zweimal in der Woche, wie sie den
Käse herstellen. Auch wenn sie dabei hinter einer Glasscheibe bleiben, dringen ihre Erklärungen zu
jedem einzelnen Handgriff über
Lautsprecher nach draußen.
Ein einzigartiges Klima
Drinnen wird Kuhmilch aus dem
Sauerland verarbeitet. Nach dem
Käsen bleibt der Laib eine Nacht in
der Form, bevor er 36 Stunden in
einer Salzlake ruht. Hier wird ihm
Feuchtigkeit entzogen. Nach dieser Zeit wird er in den Vorreife-Raum gebracht, in dem er weitere fünf Wochen lagert.
Und dann geht es hinab in die
Tropfsteinhöhle. In ihrem einzigartigen Klima reift der Käse je nach
Sorte zwischen sieben und elf Wochen weiter. Mehrmals wöchentlich werden die Laibe mit Salzlake
gewaschen und gewendet.
Aber wieso braucht es dafür ausgerechnet eine Höhle? „Die Klimabedingungen hier unten sind einzigartig. Die Luft enthält viel CO2 und
ist zu 100 % staub- und keimfrei“,
sagt Wolfgang Böhmer, der Geschäftsführer der Atta-Höhle. „Und
das besondere Erd- und Steinaroma, das hier unten herrscht,
kriegt keine Kühlkammer hin.“
Nach Erde und Steinen schmeckt
der Atta-Käse natürlich nicht. Aber
er entwickelt dort unten eine
spezielle Würze.
rze. Sie passt
gut zu saisonalen
alen Sortenideen der Käsemeister,
emeister, die
neben den klassischen
Sorten
„Pikant“
kant“
und
„Mild“
hergestellt
ergestellt
werden. So gibt
ibt es
einen Atta-Käse
Käse
mit Bärlauch und
einen mit Kümmmel. Vom Ge-schmack
können
sich Gästegruppen
selbst überzeugen. Verköstigungen
in der Tropfsteinhöhle mit
einem Glas trockeckenem Rotwein können auf Anfrage
ge organisiert werden.
den.
Die Höhlenbedinbedingungen, aus denen
der Käse sein speoma
zielles
Aroma
ziehen soll, kön-
➥ www.sauerlandausflug.de
nen die Besucher auch außerhalb
der Käsekammer erleben. In der
restlichen Höhle herrschen ebenfalls das ganze Jahr über konstante 9 °C.
Der 1800 m lange Rundgang dauert
gut 40 Minuten und wird in Gruppen bis zu 30 Personen abgelaufen.
Weitere 5000m der Atta-Höhle sind
für Menschen nicht erschlossen.
An acht Stationen, auf deren Weg
die Besucher auch mal ihren Kopf
einziehen müssen, erklärt ein Führer die Entstehung der Kalkformationen, die sich als Säulen teilweise bis zu 4 m hoch erstrecken. „Solche Säulen gibt es in vielen
Tropfsteinhöhlen. Was die Atta-Höhle auszeichnet, sind die wie
Gardinen aussehenden Sinterfahnen“, erklärt der HöhlenH
führer. Er zeigt auf ein
einen Vorhang aus gelblichem Kalk,
der tatsächlich wie herabhängender Stoff wirkt.
Der Höhlenführer
Höhle
hat auch eine
Eselsbrücke paEselsbrü
rat, wie wir der
ewigen Verwechslung
wechs
von Stalagmiten und
Stalaktiten
Stala
ein Ende
Die beliebte
beliebteste
Sorte ist Att
Atta-Käse
„Pikant“. D
Danach
folgt „Mild“
„Mild“. Dann
saisonale
kommen sa
Sorten wie „B
„Bärlauch“ oder
„Kümmel“.
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
bereiten können: „Stalagmiten
sind die Säulen. Das ,M‘ im Wort
bildet zwei kleine Spitzen, die aus
dem Boden hoch kommen. Der
Querbalken des ,T‘ in Stalaktiten
kann mit etwas Fantasie als Zapfen
gesehen werden, der von der Decke hinabhängt.“
Erstaunlich sei, was Kinder hier
entdecken, erfahren wir. Und tatsächlich: Mit etwas Fantasie verwandelt sich eine Kalksäule vor
dem inneren Auge in einen Osterhasen oder einen Seehund.
Noch mehr Programm
Wer den Weg nach Attendorn antritt, kann getrost einen ganzen
Tag einplanen. „Besucher können
eine Schifffahrt auf dem benachbarten Biggesee machen, dort spazieren oder schwimmen gehen,
einkehren, mit dem Bummelzug
,Biggolino‘ zur Atta-Höhle fahren,
sie eine Stunde lang anschauen
und dann mit dem Zug gemütlich
wieder zurückfahren“, sagt Wolfgang Böhmer. „Oder anders herum.“
Eva Piepenbrock
AUSFLUGSZIELE ZU PFINGSTEN
Weitere Ziele für Käse-Liebhaber
KäseRoute NRW: Einige westfälische Käsereien haben sich zur
„KäseRoute NRW e. V.“ zusammengeschlossen. In selbst betriebenen Bauernkäsereien wird Milch
von den eigenen Kühen oder Ziegen nach handwerklicher Art zu
Käse verarbeitet. Einige Betriebe
können nach Absprache besichtigt
werden.
Mit ihrer Lage in landschaftlich attraktiven Regionen NRWs bietet die
KäseRoute interessante touristische
Ziele. So liegen viele der Höfe an
Radwegen und bilden mit Restaurants, Hofcafés oder Bauernläden
Einkehrmöglichkeiten für Radler.
Darüber hinaus verfügen viele Mitgliedshöfe über eine Internetseite,
auf der weitere nahe gelegene Ausflugsziele angegeben sind.
■ Menne’s Nieheimer Schaukäserei: In dieser Käserei können Familien oder Besuchergruppen die
einzelnen Schritte der Käseherstellung beobachten. Im nahe gelege-
nen Nieheim eignen sich das Museum von Westfalen Culinarium oder
der Nieheimer Kunstpfad zur anschließenden Besichtigung.
■ Thomashof, Burscheid: Die
Schaukäserei liegt auf einem aktiv
bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb, der „realitätsgetreu“
angeschaut werden kann. Der Hof
liegt in der Nähe zu ausgewiesenen
Wanderwegen, bietet diverse Gastronomieangebote und einen Biergarten.
■ Ziegenkäserei Hof Sondermann,
Dorsten-Lembeck: In der Nähe des
Wasserschlosses Lembeck befindet sich der Ziegenhof Sondermann. Hier werden Führungen für
Gruppen von 4 bis 50 Personen angeboten.
www.kaeseroute-nrw.de.
Hafenkäserei Münster: Die neu gebaute Hafenkäserei im Münsteraner Hafen öffnet im Juni 2016 die
Tore. Gruppen können sich schon
jetzt für Führungen und Rundgänge durch die gläserne Käseproduktion anmelden. Einzelpersonen
können auch eigenständig durch
die Ausstellung gehen, www.hafenkaeserei.de.
Erve Kots und Käserei: Kurz hinter
der niederländischen Grenze liegt
das Freilichtmuseum Erve Kots (zu
Deutsch etwa: das Erbe der Familie
Kots). Das Museum zeigt das Leben von Bauernfamilien in der Region Achterhoek. Zu sehen sind mit
originalen Gerätschaften eingerichtete Bauernhöfe und eine Mühle.
Des Weiteren gibt es ein mit Dampfmaschinen betriebenes Sägewerk,
das als Museumsanlage instand
gehalten wird. In unmittelbarer
Nähe zum Museum findet sich der
Käsehof Weenink, wo die Herstellung des Käses Schritt für Schritt
mit angeschaut werden kann, www.
ervekots.nl,
www.kaasboerderijweenink.nl.
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AUSFLUGSZIELE ZU PFINGSTEN
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Ein begehrter weißer Stoff
Ob in der Suppe oder auf dem Frühstücksei, ob bei Kartoffeln, Fleisch
oder Gemüse: Ohne Salz schmeckt nichts. Westfalen ist ein besonderes
Salzland – und bietet eine Reihe interessanter Ausflugsziele.
Die Saline „Gottesgabe“ in Rheine-Bentlage ist ein Bauwerk des westfälischen Barock-Baumeisters Johann Conrad
Schlaun. Unweit dieses technischen Bauwerks befindet sich der Eingang zum Naturpark Rheine.
Ü
ber die „Ureinwohner“
Westfalens sind viele Klischees im Umlauf. Eines
dreht sich um einen Sack Salz: Ihn
muss ein Fremder mit einem Westfalen verzehren, ehe er mit ihm gut
Freund werden kann.
Das ist, wie gesagt, ein Klischee,
hat aber einen wahren Kern: Westfalen ist tatsächlich Salzland. Der
begehrte Rohstoff ist hierzulande
in Hülle und Fülle vorhanden. Viele touristische Orte in Westfalen,
drehen sich rund um das Salz: von
Salinen und Gradierwerken über
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Solethermen und Salz-Radwegen
bis hin zum nagelneuen Museum
der „Westfälischen Salzwelten“.
An der Saline „Gottesgabe“
Salz wurde in früheren Zeiten aus
Wasser gewonnen, das aus den Tiefen der Erde gefördert wurde und
besonders salzhaltig war. Solche
Salzquellen sprudelten – und
sprudeln bis heute – im Teutoburger Wald, am Hellweg und im
Münsterland. Wie aber bekam man
das Salz aus dem Wasser?
Mustergültig ist das in der Saline
„Gottesgabe“ in Rheine-Bentlage
im Münsterland zu sehen. Dort ist
eine Salzgewinnungsanlage aus
der Zeit um 1750 zu entdecken. Sie
wurde vom westfälischen Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun
angelegt – demselben Mann, der
unter anderem auch die Schlösser
in Münster und Nordkirchen gebaut und Schloss Augustusburg
bei Brühl geplant hat. Während
diese glanzvollen Bauten vielbesuchte Touristenattraktionen sind,
zählt seine Saline bei Bentlage bis
heute eher zu den Geheimtipps unter den sehenswerten technischen
Kulturdenkmälern des Landes.
Das größte Bauwerk der Bentlager
Saline ist das rund 300 m lange und
etwa 13 m hohe Gradierwerk aus
aufgeschichteten
Schwarzdornbündeln – es ist das älteste seiner
Art in Westfalen. Ähnliche Gradierwerke gibt es in Bad Sassendorf,
Bad Westernkotten, Bad Oeynhausen, Bad Salzuflen und Bad Rothenfelde. Sie sorgen in den Kurparks
für gesunde Luft. Eigens zu diesem
Zweck wurde erst vor wenigen Jahren im Kurpark von Bad Hamm ein
Gradierwerk errichtet.
In früheren Zeiten aber wurden die
Gradierwerke nicht der guten Luft
wegen gebaut. Vielmehr waren sie
Industrieanlagen, die einzig dem
Zweck dienten, den Salzgehalt des
Wassers zu erhöhen. Das aus der
Erde geförderte Solewasser wurde
dazu mehrfach über die Gradierwerke geleitet. Das Wasser rieselte
über die Reisigbündel. Ein Teil des
Wassers verdunstete, das Salz hingegen nicht. So war am Ende der
Salzanteil des Wassers von 5 auf
bis zu 24 % gestiegen.
Anschließend wurde das Wasser
in flache Siedepfannen gefüllt und
erhitzt. Am Ende konnten die hart
arbeitenden „Sälzer“ aus den Pfannen das trockene Salz auskratzen.
Das geschah in einem Salzsiedehaus, das in Bentlage ebenso besichtigt werden kann. Dort werden
bis heute die Original-Siedepfannen, Feuerstätten und auch Salzlager gezeigt.
Nebenan zu besichtigten – und gerade für Familien immer einen Besuch wert – ist der Naturzoo Rheine mit seinen rund 100 Tierarten.
Bären Flamingos, Seehunde, Gibbons oder Störche können auf dem
rund 13 ha umfassenden Gelände
beobachtet werden. Besonders beliebt ist der „Affenwald“: Dort können Besucher ohne Zäune oder
sonstige Absperrungen Berberaffen erleben. Im Naturzoo gibt es ein
Bistro und reichlich Picknick- und
Spielplätze. Einen Abstecher wert
Foto: Fischer
Fotos: Strotdrees
Gradierwerke wurden erbaut, um den
Salzgehalt im Wasser zu steigern.
Die Strandaster wächst auf Salzwiesen in Meernähe – und im Sültsoid.
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Um auf die geologische Besonderheit hinzuweisen, hat der
Künstler Franz
John vor elf Jahren zur „Skulptur
Biennale“ eine
Radroute ausgetüftelt, die über
die Salzlagerstätte führt. An acht
markanten Stellen ragen blaue
Das Wasser aus den Gradierwerken wurde in Solepfannen und graue Metallsäulen
aus
gekocht, bis am Ende nur noch Salz übrigblieb – eine
Installation aus dem Sassendorfer „Salzwelten“-Museum. dem Erdboden
und weisen auf
den
unterirdischen Bodenschatz hin.
ist auch das zum Museum umgeDie Salztangente ist allerdings
baute Kloster Bentlage mit seinen
nicht als eigenständige Radroute,
weitläufigen Parkanlagen.
etwa mit einem besonderen Emblem, ausgeschildert. Ein KartenAuf der Salztangente
satz, über das Internet abrufbar,
und Schilder an den acht StatioVon Bocholt bis Epe im westlichen
nen der Salztangente, weisen auf
Münsterland können Radfahrer
die Besonderheiten und auf Seüber 80 km auf einer gigantischen
Salzlagerstätte radeln. Geologen
henswürdigkeiten in der Nähe hin.
nennen sie die „Niederrheinische
Salzpfanne“. Von ihr sieht man
Unterwegs in der Börde
aber nichts. Sie liegt rund 1000 bis
1400 m unter der Erdoberfläche, ist
Dem Salz in der Erde und den Sobis zu 400 m dick und soll unvorlequellen verdankt die 12 000-Seestellbare 200 Mio. Jahre alt sein.
len-Gemeinde Bad Sassendorf bei
Die „Salzgewinnungsgesellschaft
Soest ihren einstigen Reichtum
Westfalen“ fördert dort Salz, das in
und ihren Ruf als Heilort am Hellder Lebensmittelindustrie und in
weg. Ein interessantes Mitder chemischen Industrie verwenmach-Museum, 2015 auf dem ehedet wird. Jährlich werden etwa
maligen Bördebauernhof Haulle
2 Mio. t Salz abgebaut – oder beseingerichtet, informiert über den
begehrten weißen Stoff, über desser: sie werden unterirdisch ausgespült. Die Sole wird direkt an die
sen Naturkunde, Geschichte und
Abnehmer, etwa in die Niederlanvor allem auch: über dessen Gede oder zu den Chemiewerken
winnung und heilende Wirkung.
nach Marl gepumpt.
So können Besucher Salz vom To-
AUSFLUGSZIELE ZU PFINGSTEN
ten Meer, vom Hellweg und aus anderen Weltgegenden probieren.
Sie können in eine Salzluftkammer klettern, einen Salzkristall unter dem Mikroskop fotografieren
oder auch die elektrische Leitfähigkeit des Salzes testen.
Der Rundgang führt in museal inszenierte geologische Tiefen, an einem Gradierwerk entlang oder
auch an den heißen Arbeitsplatz
westfälischer Salzsieder. Im Obergeschoss können Besucher auf
salzweißen Liegen ausruhen und
sich mit Kriminalgeschichten vom
Hellweg berieseln lassen.
Vom Hof Haulle ist es nicht weit
zur Soletherme im Zentrum des
Ortes. Sie ist mit ihrem Innen- und
Außenschwimmbecken, einer Sauna und einer Meersalzgrotte sowie
den Außenanlagen einen Familienausflug wert.
Salzwasser im Binnenland
Wenige Kilometer östlich, in Salzkotten bei Paderborn, findet sich
der begehrte weiße Stoff nicht nur
im Ortsnamen. In der örtlichen
St. Johannes-Kirche gibt es einen
jahrhundertealten „Sälzeraltar“,
nur wenige Schritte entfernt sprudelt bis heute Salzwasser aus dem
„Kütfelsen“, dem geologischen
Wahrzeichen der Stadt – und der
Nachbau eines Gradierwerkes sowie ein Salzmuseum des örtlichen
Heimatvereins erinnern an die salzige Tradition des Ortes.
Den Salzquellen verdankt Salzkotten aber auch das „Sültsoid“. Dieser
alte Flurname bezeichnet ein rund
20 ha großes Naturschutzgebiet, das
in Westfalen seinesgleichen sucht.
Salzhaltige Quellen versorgen die
Fläche mit Wasser. Dementsprechend haben sich dort Pflanzen angesiedelt, die mit Salz gut leben
können und von Kennern eher in
Nordseenähe als im westfälischen
Süßwasser-Binnenland zu finden
sind: Salzaster, Salz-Bunge, SalzSchuppenmiere, Wilder Sellerie
und Meerstrand-Simse sind nur einige der Pflanzen, die Botaniker im
Sültsoid aufgespürt haben. Durch
das Sültsoid führen befestigte Wanderwege. Tafeln am Wegrand erläutern die Geologie sowie die Flora
und Fauna.
Auf der Salzroute
Zwischen Salzkotten im Osten
und Unna im Westen erstreckt sich
die 2015 eingerichtete „Westfälische Salzroute“. Der Radweg beginnt in Unna und führt auf dem
alten Hellweg über Land und
durch die historischen Innenstädte von Werl und Soest. Von dort
zweigt die Strecke über Bad Sassendorf in einem Schlenker nach
„Walibo“ ab – so nennen die Einheimischen den Salzort Bad Waldliesborn. Nächste Station ist Bad
Westernkotten mit dem längsten
Kurpark-Gradierwerk NordrheinWestfalens. Über Geseke radelt
man schließlich nach Salzkotten.
Endpunkt ist dort der Kütfelsen in
der Nähe des Rathauses, aus dem
bis heute salzhaltiges Wasser sprudelt.
Gisbert Strotdrees
Hier geht’s lang: Adressen, Öffnungszeiten, Eintrittspreise
Salinenpark Rheine: Der Park ist
jederzeit frei zugänglich. Führungen können vereinbart werden
beim Verkehrsverein, Tel. (0 59 71)
5 40 55, oder im Infozentrum Dreigiebelhaus, Salinenstraße 105,
48432 Rheine, Tel. (0 59 71)
9 12 78 94. Das Infozentrum an
der Saline ist täglich von 14 bis 18
Uhr besetzt.
Naturzoo Rheine – Salinenstraße
150, 48432 Rheine, Tel. (0 59 71)
16 14 80, www.naturzoo.de.
Geöffnet: Täglich von 9 bis 18 Uhr,
sonn- und feiertags bis 19 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 9 €, ermäßigt
8 €, Kinder und Jugendliche 4 €,
Familien 27 €.
Salztangente: Informationen zur
Strecke und den Stationen sind abrufbar unter www.salztangente de.
Westfälische Salzwelten – An der
Rosenau 2 (Navi-Adresse: Am
Haullenbach 1), 59505 Bad Sassendorf, Tel. (0 29 21) 9 43 34 35,
www.westfaelische-salzwelten.de.
Geöffnet: Täglich – auch montags! –
von 9 bis 17 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 6 €, ermäßigt
4 €, Familien 14 €.
SoleTherme Bad Sassendorf – Gartenstraße 26, 59505 Bad Sassendorf, Tel. (0 29 21) 5 01 46 00,
www.soletherme-badsassendorf.de.
Geöffnet: Täglich 8 bis 22 Uhr, an
jedem ersten Freitag im Monat
8 bis 21 Uhr.
Eintritt: Erwachsene (2,5 Stunden)
10 €, Kinder 6 €, an Wochenenden
10,50 €/6,50 €.
Weitere Solebäder gibt es in Westfalen in Arnsberg, Bad Oeynhausen,
Bad Lippspringe, Bad Driburg, Bad
Meinberg, Bad Salzuflen, Bad Wald-
liesborn, Bad Westernkotten, Bochum, Gelsenkirchen, Herne, Olsberg und Werne. Adressen, Öffnungszeiten und Eintrittspreise
können hier aus Platzgründen nicht
einzeln aufgeführt werden, sind aber
leicht über das Internet zu ermitteln.
Salzkottener Salzmuseum – Kirchplatz, 33154 Salzkotten, Tel.
(0 52 58) 61 49, www.heimatverein-salzkotten.de.
Geöffnet: An jedem ersten Sonntag
im Monat von 14 bis 17 Uhr. Andere Termine können für Gruppen ab
fünf Personen vereinbart werden.
Eintritt: Erwachsene 3 €, Kinder frei.
Westfälische Salzroute: Kartenmaterial, Hinweise auf Übernachtungsmöglichkeiten und Veranstaltungen sowie einen Routenplaner
bietet die Internetseite www.westfaelische-salzroute.de.
19 / 2016
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AUSFLUGSZIELE ZU PFINGSTEN
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Wo das Herz der Bäckerei schlägt
Die meisten Backstuben stehen heute nicht mehr in der Altstadt, sondern im Gewerbegebiet. Die
Betriebe haben sich stark verändert. Wie genau, das zeigen einige Bäckereien bei Führungen.
Offenes Backhaus
Wie solch ein Betrieb funktioniert,
das können Besucher im Backhaus
erleben. Die Firma öffnet regelmäßig ihre Türen für Gruppen. Die
meisten kommen nachmittags um
14 Uhr, wenn die Produktion endet.
Ab und zu gibt es auch freitagabends Führungen, wenn die Öfen
für den Samstag, den umsatzstärksten Tag, angeheizt werden.
Der Weg beginnt im Warenlager,
führt durch Teigmacherei und
Konditorei, vorbei an den Backöfen bis zur Kommissionierung.
„Wir zeigen das, was wir tun, gerne“, betont Bernhard Engel. Das
Unternehmen sieht er trotz der
Fotos: B. Lütke Hockenbeck
W
as er selbst am liebsten
mag? „So ein schönes
Schweineohr ist was Leckeres“, sagt Bernhard Engel. Ab
und zu beißt er schon morgens in
das Teilchen aus Blätterteig. Und
schwärmt dann von der karamellisierten Zuckerkruste und dem
Überzug aus dunkler Schokolade.
Die Lust am Produkt ist Bäckermeister Engel aus Höxter geblieben. Auch wenn aus dem kleinen
Kolonialwarenladen, den seine
Urgroßmutter Bernhardine im Jahr
1905 im Ortsteil Ovenhausen
gründete, längst eine Bäckerei mit
41 Filialen geworden ist. Aktuell
beschäftigt das Unternehmen
300 feste Mitarbeiter plus 150 Aushilfen. Ziel für den Jahresumsatz:
22 Mio. €.
Hier brummt es in der Nacht: Inhaber Bernhard Engel (rechts) und Bäckermeister Klaus Winkelhahn im Backhaus der Bäckerei Engel in Höxter.
Größe weiter als Handwerksbetrieb. „Wir können offen mit unseren Rohstoffen und unseren Abläufen umgehen.“
Das Bäckerhandwerk hat in den
vergangenen Jahrzehnten einen
starken Strukturwandel erlebt – im
Grunde wie die Landwirtschaft.
Kleine Betriebe, in denen der Bäckermeister frühmorgens den Teig
mit bloßen Händen knetet und seine Ehefrau vorne im Laden bedient, sind verschwunden. Geblieben sind Bäckereien, die sich neu
erfunden haben. Die einen setzen
auf viele Filialen, andere haben
sich als Spezialisten für besonders
Zwischen Teigmacherei und Backofen
Viele Bäckereien öffnen ihre Türen
für Besuchergruppen. Größere Unternehmen bieten Komplettpakete
mit Frühstück oder Kaffeeklatsch
an. Hier einige ausgewählte Angebote. Es lohnt auch die Nachfrage
beim Bäcker in der Nachbarschaft,
ob er Führungen anbietet.
Essen: Bäcker Peter, Führungen für
Gruppen inkl. Backen, Kosten: 10 €
pro Person, kostenlose Führungen
für Kindergärten und Schulen, Tel.
(02 01) 8 62 33 30, www.baeckerpeter.de.
Gütersloh: Das Stadtmarketing hat
eine Führung durch einige Bäckereien der Stadt in ihrem Programm,
historische Anekdoten und ein Früh-
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stück inklusive. Los geht’s morgens
um 6 Uhr. Die nächste offene Führung ist erst am 8. Oktober, Termine
für Gruppen gibt es auf Anfrage.
Kosten: 15 € pro Person, Tel.
(0 52 41) 2 11 36 36, www.guetersloh-marketing.de.
Höxter: Bäckerei Engel, Führungen
für Gruppen mit 25 bis 55 Personen
mit anschließendem Kaffeeklatsch,
Kosten: 6 € pro Person; vormittags
kostenlose Angebote für Schulklassen, Tel. (0 52 71) 9 66 90, www.engel-baeckerei.de.
Kirchhundem: Bäckerei Hesse im
Ortsteil Welschen Ennest, Führungen für Gruppen ab 15 Personen,
montags bis donnerstags um
kernige Brote, Eiswaffeln oder Bioprodukte etabliert.
Bernhard Engels Vater Karl beliefereferte zunächst Tante-Emma-Läden
n in
der Umgebung. Als die in den
1970er-Jahren von Supermärkten verdrängt wurden, gründete die Familie die ersten eigenen Filialen. 2001 wurde
ue
im Gewerbegebiet das neue
n ist
Backhaus errichtet. Inzwischen
sen.
es auf 3500 m2 Fläche gewachsen.
So backt man heute
einigen „Wanderjahren“ kehrte der
einstige Lehrling als Meister zurück. Inzwischen ist Winkelhahn,
der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, Verantwortlicher fürs
„Ladenbacken“. Die Kunden wollen Brote und Brötchen am liebsten
kaufen, wenn sie noch warm sind.
Also wandern viele Brote und Brötchen erst in der Filiale in den Ofen.
Im großen Backhaus kennt Winkelhahn jedes Detail. Er erzählt,
dass in den Steinplattenöfen bis
zu 90 Brote auf einmal backen
können und in den Umluftofen
580 Brötchen passen. Er zeigt die
fünf großen Behälter, in denen der
täglich neu angesetzte Sauerteig
reift, berichtet von den – möglichst
regionalen – Lieferanten und erklärt, wo der Puls des Betriebes
pocht. „In der Backstube schlagen
zwei Herzen“, sagt er. „In der Teigmacherei und im Ofen muss alles
stimmen.“
ahe
Die Führungen dort übernimmt
meistens Klaus Winkelhahn. Nach
Die meisten Brötchen werden im
Backhaus vorbereitet, aber erst vor
Ort in den Filialen gebacken.
8.30 Uhr, Kosten inkl. Frühstück:
5 € pro Person, Tel. (0 27 64)
9 34 80, www.baeckerei-hesse.de.
Lüdinghausen: Bäckerei Geiping,
montags bis freitags Führungen für
Gruppen ab 10 Personen, Kosten:
7,50 € pro Person inkl. Frühstück,
Tel.
(0 25 91)
9 18 00,
www.geiping.de.
Lünen: Bäckerei Kanne (hierher
kommt auch der bekannte
Brottrunk), kostenlose Führungen
für Gruppen mit 15 bis 40 Personen,
Tel. (0 23 06) 75 66 00, www.baeckerei-kanne.de.
Ostercappeln: Im Ortsteil Venne produziert die Waffelfabrik Meyer zu
Venne vor allem Eishörnchen. Das
angeschlossene Museum mit der
größten Backeisen-Sammlung der
Welt ist bis Dezember außer an Feiertagen täglich geöffnet, für Gruppen gibt es zudem kostenlose Führungen durch die Produktion, Anmeldung unter Tel. (0 54 76)
92 02 14, www.waffel-meyer.com.
Salzkotten: Bäckerei Lange, kostenlose Führungen für Gruppen zwischen 10 und 20 Personen, Tel.
(0 52 58) 9 85 40, www.baeckereilange.de.
Velen: Die Tourist-Info hat verschiedene
„Erlebnisbausteine“
rund ums Brot im Angebot, darunter traditionelles Holzofen-Backen
für 15 bis 20 Personen, Kosten:
9,50 € pro Person, und ein
„Kroamstutenessen“, Preis nach
Absprache, Tel. (0 28 63) 92 62 19,
www.velen.de.