Noch immer viel zu viele Arbeitsunfälle

Ihre Gesprächspartner:
Dr. Johann Kalliauer
Präsident der AK Oberösterreich
Mag. Andreas Neubauer
Leiter AK-Abteilung „Kompetenzzentrum
Betriebliche Interessenvertretung“
Noch immer viel zu viele Arbeitsunfälle:
Sicherheitsvertrauenspersonen
brauchen mehr Rechte!
Pressekonferenz
Donnerstag, 12. Mai 2016, 10 Uhr
Arbeiterkammer Linz
20.215 Arbeitsunfälle in Oberösterreich
dringender Handlungsbedarf in der Prävention
Im Jahr 2015 gab es in Österreich 101.468 Arbeitsunfälle (davon 11.210 Wegunfälle), in Oberösterreich 20.215 Arbeitsunfälle (davon 2.102 Wegunfälle). Österreichweit wurden 1.093 Berufskrankheiten anerkannt, in Oberösterreich 238. „Jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel. Ein großer Teil der Arbeitsunfälle ließe sich
vermeiden, wenn die Prävention ernster genommen würde“, stellt AK-Präsident
Dr. Johann Kalliauer fest. Er fordert deshalb mehr Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat und mehr Rechte für Sicherheitsvertrauenspersonen. Fast 4.000 oberösterreichische Betriebe entziehen sich derzeit ihrer Verpflichtung zur Nominierung
einer Sicherheitsvertrauensperson. Viele der Sicherheitsvertrauenspersonen klagen
über mangelnde Unterstützung im Betrieb, über Zeitdruck und dass sie die Tätigkeit nicht so ausüben können, wie sie es gerne täten. Das ergab eine aktuelle Umfrage der Arbeiterkammer Oberösterreich.
Diese Zahlen zeigen, dass es großen Handlungsbedarf in der Prävention von Unfällen und Berufskrankheiten einerseits und in der Unterstützung von Sicherheitsvertrauenspersonen andererseits gibt. Die Arbeiterkammer Oberösterreich startete
deshalb einen Schwerpunkt zur Information und Stärkung der Sicherheitsvertrauenspersonen und eine Umfrage zur Erhebung der Probleme von Sicherheitsvertrauenspersonen.
Verantwortung der Arbeitgeber
Die Arbeitgeber/-innen sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der
Arbeitnehmer/-innen am Arbeitsplatz zu sorgen. Umgekehrt haben alle Mitarbeiter/-innen das Recht, den Arbeitsplatz am Ende des Tages wieder gesund und unverletzt verlassen zu können.
Die vom Betrieb zu bestellenden und weisungsfreien Sicherheitsvertrauenspersonen können als Akteure/-innen im Arbeitnehmerschutz einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter/-innen leisten. Eine wesentliche Grundlage für ein sicheres Arbeitsumfeld ist die optimale Zusammenarbeit
zwischen den Sicherheitsvertrauenspersonen, den Betriebsratsmitgliedern, den
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Präventivfachkräften (Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner/-innen) und der
Unternehmensleitung.
Nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) haben die Sicherheitsvertrauenspersonen die Aufgabe, Arbeitsschutzprobleme im Betrieb zu erkennen und
entsprechende Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Sie vertreten die Sicherheitsund Gesundheitsinteressen ihrer Kollegen/-innen gegenüber dem Arbeitgeber/der
Arbeitgeberin und den zuständigen Behörden und Stellen (z.B. Arbeitsinspektorat).
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
Von der AUVA wurden im Jahr 2015 folgende Schadensfälle österreichweit anerkannt: 1.093 Berufskrankheiten und 101.468 Arbeitsunfälle, davon 11.210 Wegunfälle und 90.258 Arbeitsunfälle im engeren Sinn. In Oberösterreich gab es im letzten Jahr 238 Berufskrankheiten und 20.215 Arbeitsunfälle (2.102 Wegunfälle und
18.113 Arbeitsunfälle im engeren Sinn).
Trotz aller Fortschritte im Arbeitnehmerschutz gibt es aufgrund dieser Zahlen
dringenden Handlungsbedarf in der Prävention von Unfällen und Berufskrankheiten. Denn jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel, jede Berufskrankenheit ist eine zu
viel!
Befragung der Sicherheitsvertrauenspersonen
Die Arbeiterkammer achtet darauf, dass die Sicherheitsvertrauenspersonen als
Arbeitnehmervertreter/-innen bestmöglich unterstützt und sie in ihrer verantwortungsvollen Rolle gestärkt werden. Mit einer breit angelegten Befragung unter den
über 11.000 Sicherheitsvertrauenspersonen sollten die Bedürfnisse und Anliegen
erhoben werden. Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativ auswertbaren
Zahl an beantworteten Fragebögen.
Sicherheitsvertrauenspersonen fehlen
In 3.780 Betrieben, in denen (zumindest) eine Sicherheitsvertrauensperson bestellt
sein müsste, ist keine nominiert. Diese beachtliche Zahl zeigt, wie sorglos viele
Arbeitgeber/-innen mit ihrer gesetzlich verankerten Fürsorgepflicht umgehen.
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Sicherheitsvertrauenspersonen sind vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin zu
bestellen, wenn regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer/-innen im Betrieb beschäftigt werden. Die konkrete Anzahl richtet sich nach der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerzahl. Die Bestellung der Sicherheitsvertrauenspersonen bedarf
der Zustimmung der zuständigen Belegschaftsorgane und ist dem zuständigen
Arbeitsinspektorat zu melden.
Um die Zahl der Betriebe ohne Sicherheitsvertrauensperson(en) zu reduzieren,
fordert die AK verpflichtende Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat, ob die
Sicherheitsvertrauenspersonen (in ausreichender Zahl) bestellt sind.
Zeitdruck verhindert Tätigkeit der Sicherheitsvertrauenspersonen
41 Prozent der befragten Sicherheitsvertrauenspersonen sagen, dass sie ihre Tätigkeit nicht so ausüben können, wie sie das gerne machen würden. Und von diesen
wiederum geben 78 Prozent Zeitdruck in der Arbeit als Grund dafür an, dass sie
ihre Funktion nicht wahrnehmen können. 60 Prozent stoßen auf mangelndes Interesse des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin oder der Kollegen/-innen.
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Nur wenig Zeit für die Funktion der Sicherheitsvertrauensperson
Der Zeitdruck spiegelt sich auch in der Frage nach dem Zeitaufwand wider: Fast
vier Fünftel der Befragten, genauer 79 Prozent, wenden weniger als drei Stunden
pro Monat für ihre Tätigkeit als Sicherheitsvertrauensperson auf.
Deshalb die AK-Forderung: Freistellung für die Tätigkeit als Sicherheitsvertrauensperson im Ausmaß von mindestens fünf Stunden pro Monat pro Sicherheitsvertrauensperson.
Auch bei der Teilnahmemöglichkeit an Weiterbildungen
für Sicherheitsvertrauenspersonen hapert es
Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin ist verpflichtet, der Sicherheitsvertrauensperson
die für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche und notwendige Zeit (unter Anrechnung auf die Arbeitszeit) zur Verfügung zu stellen, die Kosten für ihre Ausbildung zu bezahlen, und (unter Bedachtnahme auf die betrieblichen Belange) eine
regelmäßige Weiterbildung zu ermöglichen.
Nur 24 Prozent der befragten Sicherheitsvertrauenspersonen können an relevanten
Weiterbildungen teilnehmen. Besucht werden die Kursangebote zu 42 Prozent bei
AK-Einrichtungen.
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Warum können sich Sicherheitsvertrauenspersonen nicht weiterbilden?
Für 38 Prozent der Befragten ist Zeitdruck in der Arbeit der Hauptgrund, warum
sie keine relevanten Weiterbildungen besuchen können, 33 Prozent haben derzeit
kein Interesse und für immerhin 16 Prozent gibt es zu wenig Unterstützung durch
den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin.
Wenn die Möglichkeit zu optimaler Aus- und Fortbildung gegeben ist, können
Sicherheitsvertrauenspersonen ihren Aufgaben wesentlich besser wahrnehmen
und damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter/-innen beitragen.
Deshalb die AK-Forderung: Freistellung für Weiterbildung (unter Bedachtnahme
auf die betrieblichen Belange) im Ausmaß von mindestens einer Woche in der
Funktionsperiode (vier Jahre).
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Arbeitsinspektorate und Sicherheitsvertrauenspersonen:
Zusammenarbeit muss verbessert werden
Sicherheitsvertrauenspersonen werden bei Betriebsbegehungen durch das Arbeitsinspektorat nur sporadisch beigezogen und sie bekommen selten den Bericht darüber. Das geht sowohl aus der Umfrage hervor als auch aus vielen Aussagen von
Sicherheitsvertrauenspersonen in AK-Seminaren.
Die Sicherheitsvertrauenspersonen sind Vertreter/-innen der Arbeitnehmer/-innen
und somit Anlaufstelle für die Beschäftigten, die Probleme im Arbeitnehmerschutz aufzeigen oder Verbesserungsmöglichkeiten vorbringen. Dieses Potential
sollte von den Arbeitsinspektoraten stärker genutzt werden.
Daher die AK-Forderungen:
 Verpflichtende Beiziehung der Sicherheitsvertrauensperson(en) und des Be-
triebsrats bei Betriebsbegehungen durch das Arbeitsinspektorat – Anpassung
des Arbeitsinspektionsgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes.
 Verpflichtende Übermittlung der Protokolle der Betriebsbegehungen an die
Sicherheitsvertrauensperson(en) und den Betriebsrat – Anpassung des Arbeitsinspektionsgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes.
Arbeitspsychologen als verpflichtende Präventivfachkraft
Studien und Auswertungen der Krankenstandszahlen zeigen, dass die psychischen
Belastungen in der Arbeitswelt eine immer größere Rolle spielen. Im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sind Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner/-innen
verpflichtend als Präventivkräfte heranzuziehen.
Um die psychischen Belastungen in der Arbeitswelt systematisch aufzeigen und
entsprechende Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Vermeidung setzen zu können,
bedarf es aber auch der Beiziehung speziell ausgebildeter Arbeitspsychologen/innen.
Daher die AK-Forderung: Verpflichtender Einsatz von Arbeitspsychologen/-innen
als Präventivfachkraft – Anpassung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes.
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Zusammenfassung der AK-Forderungen:

Verpflichtende Beiziehung der Sicherheitsvertrauensperson(en) und des
Betriebsrats bei Betriebsbegehungen durch das Arbeitsinspektorat – Anpassung des Arbeitsinspektionsgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Verpflichtende Übermittlung der Protokolle der Betriebsbegehungen an
die Sicherheitsvertrauensperson(en) und den Betriebsrat – Anpassung des
Arbeitsinspektionsgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Freistellung für die Tätigkeit als Sicherheitsvertrauensperson im Ausmaß
von mindestens mindestens fünf Stunden pro Monat pro Sicherheitsvertrauensperson.

Freistellung für die Weiterbildung im Ausmaß von mindestens einer Woche pro Funktionsperiode (vier Jahre).

Verpflichtende Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat, ob Sicherheitsvertrauenspersonen (in ausreichender Zahl) bestellt sind – Anpassung des
Arbeitsinspektionsgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Verpflichtender Einsatz von Arbeitspsychologen/-innen als Präventivfachkräfte – Anpassung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes.
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