Rund ums Recht EXTRA 1/2016 Handlungshilfe für die Erstberatung - Abmahnungen Service Ansprechzeiten Abt. Arbeits- und Sozialrecht: Hannover Montag bis Donnerstag 07:30 Uhr bis 16:00 Uhr Freitag 07:30 bis 13:00 Uhr Bochum Montag bis Donnerstag 07:00 bis 16:00 Uhr Freitag 07:00 bis 13:00 Uhr Kontakte Abt. Arbeits- und Sozialrecht Standort Hannover Königsworther Platz 6 30167 Hannover Tel.: 0511 7631-332, 309,413, 280 Fax: 0511 7631-723 E-Mail: [email protected] Abt. Arbeits- und Sozialrecht Standort Bochum Alte Hattinger Str 19 44789 Bochum Tel.: 0234 319-214, 212, 217 Fax.: 0234 319-201 E-Mail: [email protected] Impressum Herausgeber: IG BCE Vorstandsbereich 3 Abt. Arbeits- und Sozialrecht Verantwortlich: Ralf Sikorski Erschienen im Mai 2016 Redaktion: Peter Voigt Abmahnungen – Was ist zu unternehmen und was ist gerade nicht zu unternehmen? Wird einer Kollegin oder einem Kollegen durch die Arbeitgeberseite z.B. vom Vorgesetzen eine Abmahnung erteilt, stellt sich immer die Frage nach der rechtlichen Bedeutung und den rechtlich zu ergreifenden Maßnahmen. Definition: Eine Abmahnung liegt vor, wenn die Arbeitgeberseite durch eine berechtigte Person in einer für die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Vertragsverstöße und Pflichtwidrigkeiten beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, d.h. mit einer Kündigung, ggf. einer fristlosen außerordentlichen Kündigung, zu rechnen ist. (zwingender) Inhalt einer Abmahnung: Rechtswirksame Abmahnungen müssen einen bestimmten Inhalt haben. Dieser notwendige Inhalt ergibt sich aus den Funktionen einer Abmahnung. Erforderliche Funktionen einer Abmahnung sind - die Rügefunktion und die Warnfunktion. Der abgemahnten Person muss von der Arbeitgeberseite deutlich gemacht werden, dass sie nicht bereit ist, ein bestimmtes (Fehl-)Verhalten der/des Beschäftigten hinzunehmen, und für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden. Die Rügefunktion einer Abmahnung ist nur gewahrt, wenn das konkrete Fehlverhalten der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers klar, deutlich und ausreichend konkretisiert dargestellt wird. Bloße Hinweise wie „aufgrund der Ihnen bekannten Vorkommnisse“ oder „aus gegebenem Anlass“ genügen der Rügefunktion nicht, so dass in solchen Fällen keine wirksame Abmahnung vorliegt. Fehlerquelle der Arbeitgeber Eine weitere Fehlerquelle bei der Erteilung von Abmahnungen unterlaufen Arbeitgeber häufig, indem sie in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen und gar ihren über ggf. über Jahre angesammelte Ärgernisse über des „Abzumahnenden“ einfügen. Ist jedoch eine dieser Pflichtverletzungen von der Arbeitgeberseite nicht zu beweisen oder es handelt sich ein einem Vorwurf um gar keine Abmahnwürdige Pflichtverletzung (wie z.B. der Kleidungsstil in Betrieben ohne Kleiderordnung), so ist die Abmahnung insgesamt unwirksam. Vorbereitung einer Kündigung Die Abmahnung dient (zudem und oftmals) der Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung und ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Soll der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin lediglich auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung hingewiesen werden, ohne dass die Arbeitgeberseite eine spätere verhaltensbedingte Kündigung beabsichtigt, bedarf es keiner Abmahnung. Es genügen dann eine Ermahnung, eine Verwarnung oder ein Verweis, ggf. die Verhängung einer Betriebsbuße. Soll der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin durch die Abmahnung zu vertragsgerechtem Verhalten veranlasst werden, ist es aus Arbeitgebersicht erforderlich, dass dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin neben der Rüge des falschen Verhaltens auch das vertragsgemäße Verhalten dargestellt wird und der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin somit mit dem vorgeworfenen vertragswidrigen Verhalten konfrontiert wird. Beispiel: Eine Arbeitnehmerin, die zu spät zur Arbeit gekommen ist, ist von der Arbeitgeberseite in einer Abmahnung zunächst darauf hinzuweisen, wann Arbeitsbeginn im Betrieb des Arbeitgebers ist. Danach ist der Arbeitnehmerin in der Abmahnung mitzuteilen, dass sie an einem bestimmten Tag erst zu einer genau zu bezeichnenden Uhrzeit zur Arbeit erschienen ist. Der darüber hinaus erforderlichen Warnfunktion wird seitens des Arbeitgebers genüge getan, wenn für die Arbeitnehmerseite unmissverständlich zum Ausdruck kommt, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall gefährdet ist. Es wird nicht verlangt, dass expressis verbis die fristgerechte oder fristlose Kündigung angedroht wird. Vielmehr genügt es, wenn sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Wenn das Verhalten eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin mehrfach abmahnt und dabei regelmäßig mit der Kündigung gedroht wird, kann hierdurch der Warnhinweis abgeschwächt werden. In solchen Fällen müsste die letzte Abmahnung vor einer Kündigung besonders eindringlich gestaltet sein (z.B. „letztmalige Abmahnung“), um der Arbeitnehmerseite klar zu machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr tatsächlich zum Ausspruch einer Kündigung führen werden. nach einer (späteren) Kündigung folgendem Kündigungsschutzprozess geklärt werden. Und kann in solch einem Prozess die Abmahnung „beseitigt“ werden, gewinnt der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin meist auch den Prozess gegen die Kündigung. Form: Die Abmahnung ist an keine bestimmte Form gebunden, insbesondere bedarf sie nicht der Schriftform. In einem ggf. nachfolgenden Prozess auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte oder in einem späteren Kündigungsschutzprozess ist die Arbeitgeberseite darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Abmahnung sowie für die Richtigkeit der abgemahnten Pflichtwidrigkeit. Keine Frist: Für die Erteilung einer Abmahnung greift keine Frist, auch keine tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfrist. Unabhängig hiervon kann das Recht zur Abmahnung jedoch verwirkt sein. Die Verwirkung setzt voraus, dass neben dem in seiner Länge umstrittenen Zeitmoment noch ein Umstandsmoment hinzutreten muss, das regelmäßig eine individuelle Betrachtung erforderlich macht. Werden in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt und ist eine dieser Pflichtverletzungen vom Arbeitgeber nicht zu beweisen oder stellt aus sonstigen Gründen keine Pflichtverletzung dar, ist die Abmahnung insgesamt aus der Personalakte zu entfernen. Es bestehen Risiken: Sollte die Entfernung aus der Personalakte, ggf. gerichtlich erstritten werden oder eine Gegendarstellung gefertigt werden und zur Personalakte gereicht werden oder gerade nicht? Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte: Nur ausnahmsweise ist eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung zu empfehlen. Solch eine Klage wird in juristischen Kreisen auch gerne als sog. „Beweissicherungsverfahren“ für die Arbeitgeberseite bezeichnet. Denn eines ist sicher, vor Gericht gewinnt jede Partei - eine in der Sache, die andere an Erfahrung. Und die Erfahrung aus einem verlorenen Abmahnungsprozess ist, dass die Arbeitgeberseite zukünftig rechtsicher abmahnen wird. Gewinnt die Arbeitgeberseite den er den Arbeitsgerichtsprozess in der Sache hat er die Gewissheit eine juristisch haltbare Abmahnungen ausgesprochen zu haben, die Grundlage einer verhaltensbedingten Kündigung sein kann. Gerade bei formfehlerhaften Abmahnungen soll doch die Arbeitgeberseite denken, eine wirksame Abmahnung zu haben. Ob dies der Fall ist kann auch noch in einem ggf. Eine Klage gegen eine Abmahnung ist somit nur zu empfehlen, wenn der/die abgemahnte Arbeitnehmer(in) Sonderkündigungsschutz genießt, z.B. als Betriebsrat oder schwerbehinderter Mensch und unter Umständen in Großbetrieben, wenn das Arbeitsklima durch ein Verfahren nicht spürbar belastet wird. Gegendarstellung fertigen, ja - zur Personalakte reichen, vielleicht: Zum Anfertigen einer Gegendarstellung unter Zuhilfenahme und Benennung von Zeugen kann uneingeschränkt geraten werden, ob die zur Personalakte zu reichen ist oder nicht, ist jedoch vom Einzelfall abhängig. Auch hier gilt, dass es ggf. empfehlenswert sein kann, die Arbeitgeberseite in dem Glauben zu lassen, eine wirksame Abmahnung erteilt zu haben. Es gibt jedoch Fälle, da sollte die Arbeitgeberseite durchaus darauf hingewiesen werden, dass kein Fehlverhalten der Arbeitnehmerseite vorlag; dies ist jedoch stark vom Einzelfall abhängig, z.B. auch von der Struktur des Betriebes und des betroffenen Person an sich. Beschwerde beim Betriebsrat: Auch hier gilt die juristische Weisheit: Es kommt darauf an. Vom Grundsatz her kann es hilfreich sein, auch über den Betriebsrat gegen die Abmahnung vorzugehen; ob es jedoch überhaupt sinnvoll ist gegen eine Abmahnung vorzugehen ist vorher genau zu prüfen. Anspruch auf betriebsöffentliche Rücknahme Abmahnung? Nur in absoluten Ausnahmefällen, z.B. wenn der Arbeitgeber in der Abmahnung ehrverletzende Behauptungen aufgestellt oder den Arbeitnehmer gar öffentlich, z.B. auf einer Betriebsversammlung, „angeprangert“ hat, kann die Arbeitnehmerseite von der Arbeitgeberseite einen (betriebs)öffentlichen Widerruf der Abmahnung verlangen. Empfehlung: Abmahnungen immer erst rechtlich prüfen lassen, denn nicht immer ist ein Vorgehen gegen eine Abmahnung sinnvoll. Wie oben dargelegt ist nur in einigen Fällen ein juristisches Vorgehen gegen die Arbeitgeberseite empfehlenswert. Peter Voigt, Abt. Arbeits- und Sozialrecht, Hannover
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