Abmahnungen

Rund ums Recht
EXTRA 1/2016
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- Abmahnungen
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Herausgeber:
IG BCE
Vorstandsbereich 3
Abt. Arbeits- und Sozialrecht
Verantwortlich: Ralf Sikorski
Erschienen im Mai 2016
Redaktion:
Peter Voigt
Abmahnungen –
Was ist zu unternehmen und was ist gerade nicht zu unternehmen?
Wird einer Kollegin oder einem Kollegen durch die
Arbeitgeberseite z.B. vom Vorgesetzen eine Abmahnung
erteilt, stellt sich immer die Frage nach der rechtlichen
Bedeutung und den rechtlich zu ergreifenden Maßnahmen.
Definition:
Eine Abmahnung liegt vor, wenn die Arbeitgeberseite durch
eine berechtigte Person in einer für die Arbeitnehmerin bzw.
den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und
Weise Vertragsverstöße und Pflichtwidrigkeiten beanstandet
und damit den Hinweis verbindet, dass im
Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des
Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, d.h. mit einer Kündigung,
ggf. einer fristlosen außerordentlichen Kündigung, zu
rechnen ist.
(zwingender) Inhalt einer Abmahnung:
Rechtswirksame Abmahnungen müssen einen bestimmten
Inhalt haben. Dieser notwendige Inhalt ergibt sich aus den
Funktionen einer Abmahnung.
Erforderliche Funktionen einer Abmahnung sind
-
die Rügefunktion und
die Warnfunktion.
Der abgemahnten Person muss von der Arbeitgeberseite
deutlich gemacht werden, dass sie nicht bereit ist, ein
bestimmtes (Fehl-)Verhalten der/des Beschäftigten
hinzunehmen,
und
für
den
Wiederholungsfall
arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden.
Die Rügefunktion einer Abmahnung ist nur gewahrt, wenn
das konkrete Fehlverhalten der Arbeitnehmerin bzw. des
Arbeitnehmers klar, deutlich und ausreichend konkretisiert
dargestellt wird. Bloße Hinweise wie „aufgrund der Ihnen
bekannten Vorkommnisse“ oder „aus gegebenem Anlass“
genügen der Rügefunktion nicht, so dass in solchen Fällen
keine wirksame Abmahnung vorliegt.
Fehlerquelle der Arbeitgeber
Eine weitere Fehlerquelle bei der Erteilung von
Abmahnungen unterlaufen Arbeitgeber häufig, indem sie in
einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen und gar ihren
über ggf. über Jahre angesammelte Ärgernisse über des
„Abzumahnenden“ einfügen. Ist jedoch eine dieser
Pflichtverletzungen von der Arbeitgeberseite nicht zu
beweisen oder es handelt sich ein einem Vorwurf um gar
keine Abmahnwürdige Pflichtverletzung (wie z.B. der
Kleidungsstil in Betrieben ohne Kleiderordnung), so ist die
Abmahnung insgesamt unwirksam.
Vorbereitung einer Kündigung
Die Abmahnung dient (zudem und oftmals) der Vorbereitung
einer verhaltensbedingten Kündigung und ist, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, Voraussetzung für eine
verhaltensbedingte Kündigung.
Soll der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin lediglich auf
die ordnungsgemäße Vertragserfüllung hingewiesen
werden, ohne dass die Arbeitgeberseite eine spätere
verhaltensbedingte Kündigung beabsichtigt, bedarf es
keiner Abmahnung. Es genügen dann eine Ermahnung, eine
Verwarnung oder ein Verweis, ggf. die Verhängung einer
Betriebsbuße.
Soll der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin durch die
Abmahnung zu vertragsgerechtem Verhalten veranlasst
werden, ist es aus Arbeitgebersicht erforderlich, dass dem
Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin neben der Rüge des
falschen Verhaltens auch das vertragsgemäße Verhalten
dargestellt wird und der Arbeitnehmer bzw. die
Arbeitnehmerin
somit
mit
dem
vorgeworfenen
vertragswidrigen Verhalten konfrontiert wird.
Beispiel:
Eine Arbeitnehmerin, die zu spät zur Arbeit gekommen ist,
ist von der Arbeitgeberseite in einer Abmahnung zunächst
darauf hinzuweisen, wann Arbeitsbeginn im Betrieb des
Arbeitgebers ist. Danach ist der Arbeitnehmerin in der
Abmahnung mitzuteilen, dass sie an einem bestimmten Tag
erst zu einer genau zu bezeichnenden Uhrzeit zur Arbeit
erschienen ist.
Der darüber hinaus erforderlichen Warnfunktion wird seitens
des Arbeitgebers genüge getan, wenn für die
Arbeitnehmerseite unmissverständlich zum Ausdruck
kommt, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses im
Wiederholungsfall gefährdet ist.
Es wird nicht verlangt, dass expressis verbis die fristgerechte
oder fristlose Kündigung angedroht wird. Vielmehr genügt
es, wenn sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass im
Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses
gefährdet ist.
Wenn
das Verhalten eines Arbeitnehmers/einer
Arbeitnehmerin mehrfach abmahnt und dabei regelmäßig
mit der Kündigung gedroht wird, kann hierdurch der
Warnhinweis abgeschwächt werden.
In solchen Fällen müsste die letzte Abmahnung vor einer
Kündigung besonders eindringlich gestaltet sein (z.B.
„letztmalige Abmahnung“), um der Arbeitnehmerseite klar zu
machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen
nunmehr tatsächlich zum Ausspruch einer Kündigung führen
werden.
nach
einer
(späteren)
Kündigung
folgendem
Kündigungsschutzprozess geklärt werden. Und kann in
solch einem Prozess die Abmahnung „beseitigt“ werden,
gewinnt der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin meist
auch den Prozess gegen die Kündigung.
Form:
Die Abmahnung ist an keine bestimmte Form gebunden,
insbesondere bedarf sie nicht der Schriftform.
In einem ggf. nachfolgenden Prozess auf Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte oder in einem späteren
Kündigungsschutzprozess ist die Arbeitgeberseite
darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer
ordnungsgemäßen Abmahnung sowie für die Richtigkeit der
abgemahnten Pflichtwidrigkeit.
Keine Frist:
Für die Erteilung einer Abmahnung greift keine Frist, auch
keine tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfrist.
Unabhängig hiervon kann das Recht zur Abmahnung jedoch
verwirkt sein. Die Verwirkung setzt voraus, dass neben dem
in seiner Länge umstrittenen Zeitmoment noch ein
Umstandsmoment hinzutreten muss, das regelmäßig eine
individuelle Betrachtung erforderlich macht.
Werden in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen
gerügt und ist eine dieser Pflichtverletzungen vom
Arbeitgeber nicht zu beweisen oder stellt aus sonstigen
Gründen keine Pflichtverletzung dar, ist die Abmahnung
insgesamt aus der Personalakte zu entfernen.
Es bestehen Risiken:
Sollte die Entfernung aus der Personalakte, ggf. gerichtlich
erstritten werden oder eine Gegendarstellung gefertigt
werden und zur Personalakte gereicht werden oder gerade
nicht?
Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte:
Nur ausnahmsweise ist eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung zu empfehlen. Solch eine Klage wird in juristischen
Kreisen auch gerne als sog. „Beweissicherungsverfahren“
für die Arbeitgeberseite bezeichnet. Denn eines ist sicher,
vor Gericht gewinnt jede Partei - eine in der Sache, die
andere an Erfahrung. Und die Erfahrung aus einem
verlorenen
Abmahnungsprozess
ist,
dass
die
Arbeitgeberseite zukünftig rechtsicher abmahnen wird.
Gewinnt die Arbeitgeberseite den er den Arbeitsgerichtsprozess in der Sache hat er die Gewissheit eine juristisch haltbare Abmahnungen ausgesprochen zu haben, die Grundlage einer verhaltensbedingten Kündigung sein kann.
Gerade bei formfehlerhaften Abmahnungen soll doch die
Arbeitgeberseite denken, eine wirksame Abmahnung zu
haben. Ob dies der Fall ist kann auch noch in einem ggf.
Eine Klage gegen eine Abmahnung ist somit nur zu
empfehlen, wenn der/die abgemahnte Arbeitnehmer(in)
Sonderkündigungsschutz genießt, z.B. als Betriebsrat oder
schwerbehinderter Mensch und unter Umständen in
Großbetrieben, wenn das Arbeitsklima durch ein Verfahren
nicht spürbar belastet wird.
Gegendarstellung fertigen, ja -
zur Personalakte reichen, vielleicht:
Zum Anfertigen einer Gegendarstellung unter Zuhilfenahme
und Benennung von Zeugen kann uneingeschränkt geraten
werden, ob die zur Personalakte zu reichen ist oder nicht, ist
jedoch vom Einzelfall abhängig. Auch hier gilt, dass es ggf.
empfehlenswert sein kann, die Arbeitgeberseite in dem
Glauben zu lassen, eine wirksame Abmahnung erteilt zu
haben.
Es gibt jedoch Fälle, da sollte die Arbeitgeberseite durchaus
darauf hingewiesen werden, dass kein Fehlverhalten der
Arbeitnehmerseite vorlag; dies ist jedoch stark vom Einzelfall
abhängig, z.B. auch von der Struktur des Betriebes und des
betroffenen Person an sich.
Beschwerde beim Betriebsrat:
Auch hier gilt die juristische Weisheit: Es kommt darauf an.
Vom Grundsatz her kann es hilfreich sein, auch über den
Betriebsrat gegen die Abmahnung vorzugehen; ob es jedoch
überhaupt sinnvoll ist gegen eine Abmahnung vorzugehen
ist vorher genau zu prüfen.
Anspruch auf betriebsöffentliche Rücknahme Abmahnung?
Nur in absoluten Ausnahmefällen, z.B. wenn der Arbeitgeber
in der Abmahnung ehrverletzende Behauptungen aufgestellt
oder den Arbeitnehmer gar öffentlich, z.B. auf einer
Betriebsversammlung, „angeprangert“ hat, kann die
Arbeitnehmerseite von der Arbeitgeberseite einen (betriebs)öffentlichen Widerruf der Abmahnung verlangen.
Empfehlung:
Abmahnungen immer erst rechtlich prüfen lassen, denn
nicht immer ist ein Vorgehen gegen eine Abmahnung
sinnvoll. Wie oben dargelegt ist nur in einigen Fällen ein
juristisches Vorgehen gegen die Arbeitgeberseite
empfehlenswert.
Peter Voigt, Abt. Arbeits- und Sozialrecht, Hannover