Licht und Materie im Verbund Erstmals Röntgenpolaritonen

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM160509_Roentgenpolaritonen.pdf
Licht und Materie im Verbund
Erstmals Röntgenpolaritonen vermessen
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
Siliziumkristall, der durch einen speziellen Schnitt und eine optimierte Oberflächenbearbeitung die
Erzeugung und Unterdrückung eines hochreinen Polarisationszustandes für Röntgenlicht
ermöglicht.
Wenn Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt, kann es nicht nur abgelenkt oder absorbiert werden
und dabei Atome oder Moleküle anregen. Bei der Wechselwirkung können auch Verbundzustände
aus Materie und Licht entstehen, die weder das eine noch das andere sind und daher einen
eigenen Namen tragen - Polaritonen. Diese Zwitterteilchen, die ihren Namen in Anlehnung an die
Teilchen des Lichts, die Photonen tragen, haben jetzt Forscher von DESY in Hamburg, der ESRF
Licht und Materie im Verbund
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in Grenoble, des Helmholtz-Instituts Jena und der Friedrich-Schiller-Universität Jena erstmals im
Bereich harter Röntgenstrahlung hergestellt und präzise vermessen. Die überraschenden
Entdeckungen, die sie dabei gemacht haben, stellen sie im Fachjournal "Nature Photonics" dar.
Hybrid aus Atomen und Licht
Die Erzeugung von Polaritonen ist besonders gut mit Atomen möglich, deren Kerne sehr scharfe
Anregungszustände, sogenannte Resonanzen, haben. Im Röntgenbereich ist hierfür das
Mössbauer-Isotop des Eisens (57Fe) ideal, dessen Atomkern eine energetisch extrem schmale
Resonanz bei einer Energie von 14,4 Kilo-Elektronenvolt (keV) aufweist. Für ihr Experiment haben
die Forscher periodische Stapel von jeweils unter zwei Nanometer dicken Schichten aus 57Fe und
nichtresonantem 56Fe, dem am häufigsten vorkommenden Isotop des Eisens, hergestellt. Strahlt
man in solch eine periodische Anordnung von Atomen unter einem bestimmten Winkel
Röntgenlicht einer Synchrotronstrahlungsquelle ein, arbeitet das Schichtsystem als Verstärker für
diese Röntgenstrahlung: Es kommt zu einer Resonanz, und zwar bei genau der gleichen Energie,
wie sie die Atomkerne des 57Fe aufweisen. "In so einer Kombination von zwei resonanten
Systemen kommt es zu einem bemerkenswerten Phänomen", erklärt Johann Haber, Erstautor der
Studie und Doktorand bei DESY. "Die Resonanzen der Röntgenstrahlung und der Atomkerne
scheinen sich regelrecht aus dem Weg zu gehen, denn es bildet sich ein Hybrid aus Atomen und
Licht, welches zwei neue Resonanzen mit unterschiedlichen Energien aufweist, die vorher nicht
vorhanden waren. Dies ist ein sogenannter kollektiver Effekt, der durch die gemeinsame
Wechselwirkung einer großen Zahl von Atomkernen mit der Röntgenstrahlung entsteht."
Signal der Atomkerne mit sehr hoher Empfindlichkeit vom Hintergrund trennen
Der energetische Abstand dieser neuen Resonanzen hängt stark von der Wechselwirkung
zwischen Kernen und Röntgenstrahlung ab. In ihrem Experiment konnten die Forscher jetzt
erstmals die spektrale Struktur der Resonanzen eines solchen Systems mit extrem hoher Präzision
bestimmen. Dabei half ihnen ein neuartiges Detektionsverfahren, das von einem Team um den
Jenaer Forscher Ingo Uschmann entwickelt worden war. Sie nutzten geschickt aus, dass sich die
Schwingungsrichtung des Röntgenlichtes bei der Wechselwirkung mit den Atomkernen ändert. "Mit
Hilfe speziell geschnittener Siliziumkristalle können wir Strahlung mit einer bestimmten
Schwingungsrichtung selektieren, während senkrecht dazu schwingendes Licht um bis zu acht
Größenordnungen unterdrückt wird", erklärt Kai Schulze aus dem Jenaer Team. "Dadurch können
wir das Signal der Atomkerne mit sehr hoher Empfindlichkeit vom Hintergrund trennen." Diese
Methode ermöglichte bereits in den letzten Jahren die Entdeckung von quantenoptischen
Phänomenen im Röntgenbereich.
Damit konnten die Forscher die beiden neuen Resonanzen vermessen, die nur 37,3
Nano-Elektronenvolt weit auseinanderliegen und auf die Entstehung von Polaritonen
zurückzuführen sind. "Die Ergebnisse konnten wir hervorragend mit einem eigens dafür
entwickelten quantenoptischen Modell theoretisch beschreiben", so Johann Haber.
"Dass wir erstmals solche Polaritonen im Röntgenbereich präparieren und vermessen konnten, ist
ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur hochpräzisen Erzeugung von Strahlungsfeldern an
modernen Röntgenquellen, insbesondere an den neuen Röntgenlasern", erklärt DESY-Forscher
Ralf Röhlsberger, der die Arbeitsgruppe leitete. "Die gleichzeitige Emission vieler identischer
Photonen beim Zerfall von nuklearen Polaritonen könnte extrem schmalbandige, nichtklassische
Lichtquellen im Röntgenbereich ermöglichen und Anwendungen in der Präzisionsspektroskopie
eröffnen." Gleichzeitig ist das Experiment ein weiterer wichtiger Schritt zur Etablierung von
Quantenoptik im Röntgenbereich.
Erstmals Röntgenpolaritonen vermessen
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Original-Publikation:
Johann Haber et al.: Collective strong coupling of X-rays and nuclei in a nuclear optical lattice,
Nature Photonics (2016)
Kontakt (in Jena):
Kai Schulze
Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Max-Wien-Platz 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 947267
E-Mail: [email protected]
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