Wirtschaft in Baden-Württemberg 23 Stuttgarter Zeitung | Stuttgarter Nachrichten Nr. 2 | April 2016 „Kein Dekor drankleben“ Der Maschinenbau verlangt ganz eigene Gestaltungskriterien, sagt Stefan Grobe. Interview I ntelligentes Design sorgt nach Ansicht von Stefan Grobe nicht nur für spannende Formen, sondern auch für positive Kosteneffekte für das Produkt. Mit seinem Büro in Dettenhausen bei Tübingen hat er schon mehr als 50 Designpreise für Projekte im Maschinenbau eingeheimst. Zum Beispiel? Da würde ich das Unternehmen Dürr nennen, für das wir seit vier Jahren arbeiten, um eine eigene, markenspezifische Produktsprache für die Produkte zu erreichen. Da können wir auf sehr positive vertriebliche Erfolge nach Einführung eines neuen Industriedesigns wirklich stolz sein. Herr Grobe, sagt die Schönheit eines Gegenstandes immer auch schon etwas über seine Funktion aus oder ist sie im schlimmsten Fall nur ein trügerisches Versprechen? Es ist eine Kernaufgabe von gutem Design, dass die Gestaltung intuitiv vermittelt, wie das Produkt funktioniert. Der Nutzer muss sofort erfassen können, wo sich Elemente öffnen, bewegen oder verschieben lassen und wie sich die Anlage steuern lässt. Produktsprache und Produktfunktionalität sind untrennbar verbunden. Das Produkt muss immer auch zeigen: So funktioniere ich! Wie ist das zu erklären? Nehmen Sie beispielsweise Produkte aus der Qualitätssicherung. Design kann hier dem Produkt einen neuen, eigenständigen Charakter verleihen, der dem hohen Kaufpreis auch einen entsprechenden optischen Wert entgegenstellt. Steht der Kunde dann vor der Wahl zwischen Produkten vergleichbarer Funktion, entscheidet er sich immer für das ansprechendere, intelligentere Produkt. Das gilt auch für die Gestaltung von Maschinen? Das gilt sogar in besonderem Maße für technische Produkte. Gutes Design zeigt die Hochwertigkeit und positio„Das Image des deutschen niert die Marke des Herstellers. Das Design hat außerDesigns ist weltweit sehr dem eine wichtige Bedeutung positiv.“ für den Anwender der Maschine. Das Produkt muss Defortec-Geschäftsführer Stefan Grobe klar zeigen: Habe ich funktionelle Besonderheiten an mir, die mich im Wettbewerb differenzieren? Bin ich zuverlässiger? Wie sicher bin ich zu bedienen? Wie einfach ist die Wartung? Darüber hinaus muss das Produkt insgesamt spontan begeistern, dies ist ja die Kernaufgabe von gutem Design. So wird ein potenzieller Kunde, wenn er über die Messe läuft, sofort erkennen, hoppla, die haben ein tolles neues Produkt, das gefällt mir, das schaue ich mir direkt an. Ist die traditionelle Maschinenbaubranche offen genug für Designfragen? Bis etwa zur Jahrtausendwende musste man wirklich noch missionieren gehen: Wollen Sie nicht mal Design machen? Diese Zeiten sind vorbei. Gerade im Maschinenbau hat sich das in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Unternehmer sind heute sehr viel aufgeschlossener. Ästhetik, Design und eine stärkere funktionale Nutzerorientierung wurden als vertriebliche Faktoren erkannt. Es gibt sehr viele Positivbeispiele am Markt, auch im Maschinenbau, bei denen Unternehmer durch die Integration von Design sehr erfolgreich geworden sind. Würden Sie sagen, Produktsprache muss, um größtmögliche Wirkung zu erzielen, durchgängig angewandt werden – von der Maschine bis zum Briefpapier? Es ist schon richtig: je ganzheitlicher, desto erfolgreicher. Aus diesem Grund gestalten wir häufig ganze Produktfamilien. Aber man muss auch authentisch bleiben. Es nützt nichts, wenn man sich eine Art Maske aufsetzt. Das Design muss zum Charakter des Unternehmens und seiner Produkte passen. Ich warne auch davor, Designelemente als Dekor funktionsfrei an die Produkte dranzukleben. Irgendwann liegen solche Elemente in der Ecke. Ein professionelles Produkt muss das Ziel sein, bei dem Design und Funktion sauber integriert sind. Welches Produkt aus dem Alltagsleben würden Sie als besonders gelungen bezeichnen? Ganz klar, da muss man das Apple-Beispiel nennen. Das ist eine Fortsetzung der Bauhaus-Schule. Dieter Rams, der das BraunDesign prägte, hat viele Dinge, die heute Apple macht, in den Siebzigern, teilweise in den sechziger Jahren schon entworfen. Es gibt da kleine Taschenradios, die sehen genauso aus wie der erste MP3-Player. Diese Reduktion, die Apple macht, ist natürlich schon eine tolle Geschichte. Sie sind konsequent bis ins Detail. Da stimmt alles. Das geht bis zur Unterseite eines Laptops, wo man früher gesagt hätte, das interessiert doch keinen Menschen. Rams arbeitete auch an der berühmten Ulmer Hochschule für Gestaltung, die sich wiederum auf das Bauhaus bezog. Ist dieses Erbe auch für Ihre Arbeit wichtig? Aber natürlich. Wir erkennen das verstärkt international, zum Beispiel in den Märkten China und Indien. Das Image Eine Seilwinde mit besonderem Design, die auf der diesjährigen Bauma in München, der weltgrößten Baufachmesse, präsentiert wurde. Fotos: Defortec des deutschen Designs, eben in der Tradition zum Bauhaus, ist ein weltweit sehr positives. Wir werden international immer beauftragt, „deutsches“ Design zu entwickeln. Wie sieht deutsches Design aus? Reduktion auf das Wesentliche, hohe Qualität nach außen zeigen, saubere technische Lösungen bis ins Detail. Ganz wichtig sind auch markenspezifische Wiedererkennungsmerkmale. Im Automobilbau wären das zum Beispiel signifikante Kühlerelemente wie die BMW-Niere oder der Audi-Singleframe. Wo liegen die Unterschiede zwischen Industriedesign und Consumerdesign? Wir haben bei den Industrieanlagen und im Maschinenbau einen anderen Zielkunden. Die Produkte unterliegen einer anderen Bewertung. Da geht es mehr um Langlebigkeit, Sicherheit, Usability und auch um die Frage: Wie robust ist das Produkt? Wie gut lässt es sich transportieren? Kann ich einfach Modifikationen für besondere Anforderungen vornehmen? Das Geschäft ist praktisch frei von kurzlebigen Modetrends. Wir haben Produkte in der Investitionsgüterindustrie, die seit langer Zeit auf dem Markt sind und bis heute noch zeitgemäß wirken. Es geht im Industriedesign immer um langlebiges, zeitloses Design. Wohin geht das Industriedesign? Muss alles immer kleiner, multifunktioneller oder über Apps steuerbar werden? Wir entwickeln bereits Maschinen, die über ein iPad zu steuern sind. Was momentan sicher noch die Ausnahme darstellt, wird in Zukunft verstärkt auftreten. Unabhängig vom iPad werden heute schon für komplexe Steuerungen grafische Bedienoberflächen, sprich User-Interfaces notwendig, die von uns im gleichen Zug mit dem Produktdesign entwickelt werden. Das Gespräch führte Rüdiger Bäßler. DER PREISTRÄGER Praktiker Designlösungen für komplexe technische Systeme verspricht Stefan Grobes Unternehmen mit Sitz in Tübingen-Dettenhausen. In der Kundenliste des Designbüros, dessen Name übrigens ein Akronym für „design for technology“ ist, stehen bekannte Namen der Maschinenbaubranche, so zum Beispiel Dürr, Licon oder GP Solar. Bevor sich Geschäftsführer Grobe 1997selbstständig machte, absolvierte er 1994 mit Auszeichnung das Studium zum diplomierten Industrial Designer an der Universität Essen. Vor allem das Thema „Design-to-Cost“ propagiert der Unternehmer. Er versteht darunter die Entwicklung eines intelligenten Designs, das eine kostensparende Produktion und eine rasche Rentabilität der Designentwicklungskosten ermöglicht. Schwerpunkte sind die Kunststoff- und Metallverarbeitung sowie die Labor-und Medizingerätetechnik. Stefan Grobe erhielt schon mehr als 50 internationale Designpreise und war immer wieder auch selbst Juror. rub
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