Netztechnik und Netzführung – Vorlesung SS 2013 Kapitel 10 Netzführung Themenübersicht 1. Aufgaben der Netzführung im Überblick 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.1Das (n-1)-Kriterium einfach und erweitert 2.2 Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit 3. Überwachung von Schaltanlagen 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln 5. Abschaltkoordination 6. Durchführung von Schalthandlungen – zur Freischaltung von Betriebsmitteln 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz Seite 1 1. Aufgaben der Netzführung im Überblick Systemsicherheit Einhaltung und -zuverlässigkeit Leistungsbilanz - Reaktion auf Netzstörungen Abschaltkoordination Überwachung von Durchführung von Schaltanlagen Schaltungen 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; Systemsicherheit und zuverlässigkeit Die Grundvoraussetzungen für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems sind: A) Die elektrischer Wirkleistung auf der Erzeugungsseite muss in jedem Augenblick genau der von den Verbrauchern geforderten Wirkleistung entsprechen. B) Die Übertragung der Leistung von der Erzeugungs- zur Verbraucherseite muss jederzeit sichergestellt werden. Die Netzführungsaufgaben zur Einhaltung der Grundvoraussetzung A) wird unter Punkt 7 dieses Kapitels behandelt. Im Folgenden werden die Einzelaufgaben zur globalen Netzführungsaufgabe B) vorgestellt. 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.1 Das (n-1)-Kriterium einfach und erweitert • Die Definition des (n-1)-Kriteriums wurde bereits in Kapitel 9 behandelt. Die Netzsicherheitsrechnung liefert die (n-1)-Verletzungsbefunde noch einfach als Verletzung der Systemparameter – z.B. im (n-1)-Fall wird ein Betriebsmittel mit mehr als 100% seines Grenzstromes belastet, bzw. ein kritischer Spannungswert wird unterschritten. Von diesen Befunden lässt sich noch nicht ohne weiteres ableiten, ob es bei deren Eintreten zu einer unkontrollierten Störungsausweitung kommt. Zudem ist zu berücksichtigen mit welcher Wahrscheinlichkeit der kritische (n-1)-Fall auftreten wird. • Beim erweiterten (n-1)-Kriterium ist zu überprüfen ob eine Verletzung der Systemparameter nur z.B. eine Stunde - während einer kurzen Lastspitzeauftritt oder über einen längeren Zeitraum droht. die Verletzung der Systemparameter unmittelbar zu weiteren Reaktionen im Netz führen oder die Verletzung für eine definierte Zeit tolerabel ist – z.B. Überlastung einer Freileitung um 10% über Nennstrom lässt keine sofortige Schutzauslösung erwarten; die Verletzung von Systemparametern führt zwar zu Folgereaktionen, die ihrerseits aber „nur“ einen definierten Störungszustand in einer eng begrenzten Netzregion herbeiführen. 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.1 Das (n-1)-Kriterium einfach und erweitert Die Netzführung hat die Aufgabe, aus diesen Überprüfungen zu beurteilen, ob der jeweils vorliegende (n-1)-Befund unter allen Umständen zu vermieden, oder ob er tolerabel ist. Das Bild illustriert die Anwendung des erweiterten (n-1)-Kriteriums. Das klassische n-1 Kriterium ist erweitert um folgenden Aspekt: Eine Überlastung von ca. 15-25 % der Betriebsmittel-Engpasswerte wird toleriert, wenn durch korrektive Maßnahmen (z.B. korrektives Schalten, Redispatch usw.) der Dauerengpasswert nach kurzer Zeit (z.B. 1 h) erreicht wird ja Anwendung des differenzierten n-1 Kriteriums: Störungsausweitung mit begrenztem Versorgungsausfall und Überlastung von Betriebsmitteln > 125 % wird unter Risiko- und Wahrscheinlichkeitsbetrachtung toleriert Unkontrollierte Störungsausweitung durch Folgeausfälle (überregionaler Versorgungsausfall, Spannungskollaps usw.) werden nicht toleriert nein 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.2 Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit • Eine wichtige Aufgabe der Netzführung ist das Eingreifen in den Betrieb des Netzes, wenn die Netzsicherheit unmittelbar oder innerhalb des Planungshorizontes nicht mehr gegeben ist. Ein unmittelbarer Verlust der Netzsicherheit passiert durch Eintreten des (n-1)-Falles oder eines n-(1+x)-Falles. In diesem Fall sind kurative Eingriffe in den Netzbetrieb erforderlich. Ein Verlust der Netzsicherheit innerhalb des Planungshorizonts erfordert präventive Eingriffe in den Netzbetrieb. • In Kapitel 1 wurden die kurativen und präventiven Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit angesprochen. 2.2.1 Kurative Eingriffe: – im Falle einer bereits eingetretenen oder im (n-1)-Fall zu erwartenden Betriebsmittelüberlastung (Überstrom): a) korrektives Schalten: Wiederzuschaltung abgeschalteter Übertragungsleitungen und Transformatoren – soweit dies kurzfristig möglich ist; Ein- oder Ausschaltung von Sammelschienenkupplungen; Stufing von Querregeltransformatoren; Umschaltung von Erdschlussgebieten im HS- und MS-Netz; Veranlassung von wirksamen Schaltmaßnahmen im benachbarten Netzgebiet; b) Eingriffe in die Wirkleistungserzeugung von Kraftwerken zur Veränderung der Lastflüsse im Netz innerhalb der eigenen Regelzone – strombedingter Redispatch - oder zwischen Regelzonen (strombedingter Cross-Border Redispatch) 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.2 Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit 2.2.1 Kurative Eingriffe: Redispatch: Bei Normalbetrieb wird der Kraftwerkseinsatz von den Betreibern bzw. deren Beauftragten (EET) festgelegt (Dispatching). Zielfunktion hierbei ist in der Regel „Minimierung der Erzeugungskosten“. Bei Redispatch erfolgt – auf Veranlassung des ÜNB - eine Verlagerung der Erzeugung zwischen mindestens zwei Kraftwerken (Leistungsabsenkung x MW im KW A gegen Leistungserhöhung x MW im KW B) so, dass durch den damit veränderten Lastfluss im Netz die Gefährdung der Stromversorgung in der konkreten Situation beseitigt wird. Die Zielfunktion hierbei ist „Sicherstellung der Stromversorgung“. Die durch den Eingriff entstehenden Mehrkosten bei den Erzeugungskosten sind durch den eingreifenden Netzbetreiber angemessen zu vergüten (§13 1a EnWG). 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.2 Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit 2.2.1 kurative Eingriffe: im Fall einer bereits eingetretenen oder im (n-1)-Fall zu erwartenden Verletzung der Spannungsgrenzwerte: a) korrektives Schalten: Zu- oder Abschaltung von Kompensationsanlagen im Netz; Aktivierung von SVC; Abschaltung leerlaufender HöS-Übertragungsleitungen; b) Eingriffe in die Wirkleistungserzeugung von Kraftwerken zur Erhöhung der Kapazität der Blindleistungskompensation mit Synchrongeneratoren – spannungsbedingter Redispatch. Das ist in der Regel nur in der Nähe des Spannungsproblems wirksam. In diesem Fall kann der Redispatch analog zum strombedingten Redispatch erfolgen (Leistungsabsenkung im Kraftwerk A um Blindleistungskompensation zu ermöglichen und Ausgleich der abgesenkten Leistung in Kraftwerk B) oder durch Anfahren eines stehenden Kraftwerkes C mit Minimalleistung zum Zweck der Blindleistungskompensation und Absenken eines Kraftwerkes D zum Wirkleistungsausgleich; 2. Einhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems; 2.2 Eingriffe der Netzbetreiber zur Einhaltung der Netzsicherheit 2.2.2 präventive Eingriffe: im Fall einer im Rahmen der Abschaltplanung oder Engpassprognose erkannten Betriebsmittelüberlastung oder Spannungsgrenzwertverletzung im (n-0)- oder (n-1)-Fall a) korrektive Netzmaßnahmen: Absage einer bereits geplanten Schaltmaßnahme im eigenen oder im benachbarten Netzgebiet; Planung von Sonderschaltungen; Errichtung von Netzprovisorien; Vorbereitung von Schaltmaßnahmen von Kompensationsanlagen; b) Eingriffe in die Wirkleistungserzeugung von Kraftwerken durch präventiven Redispatch in der Regelzone oder Cross-Border; Umplanung von Reparaturmaßnahmen in Kraftwerken; Verschiebung von Kraftwerksrevisionen; 3. Überwachung von Schaltanlagen Mit dem Einsatz des Prozessrechner als Leitsystem in der Netzführung ist die Bedienung und Detailüberwachung von Schaltanlagen eines gesamten Überwachung von Netzgebietes von der zentralen Leitstelle eines Netzgebietes möglich und seit Schaltanlagen mehreren Jahrzehnten gelebte Praxis in Deutschland. Erste Voraussetzung dafür ist einheitliches Datenmodell für alle Schaltanlagen des überwachten Netzgebietes, mit dem das gesamte Meldespektrum der Schaltanlagen unterschiedlicher Größen, Typen und Epochen abgedeckt wird. Das Datenmodell des zentralen Leitrechners muss z.B. sowohl das Gefahrmeldespektrum einer moderne gasisolierten Schaltanlage (SF6Anlage) als auch das einer älteren Druckluft-gesteuerten Freiluftschaltanlage beinhalten. Zur Reduktion des Meldeumfangs können Einzelmeldungen der Schaltanlagen auch zu Sammelmeldungen zusammengefasst diese dann in die zentrale Leitstelle auch übertragen werden, wenn die Auflösung in Einzelmeldungen erst vor Ort erforderlich ist. Bei der Überwachung von Wandlern, Leistungs- und Trennschaltern ist es in der Netzleitstelle z.B. unerheblich, in welcher Phase bzw. in welchen Schalterpol ein Fehler aufgetreten ist. Das ist nur bei der Fehlerbehebung vor Ort wichtig. Die nächsten beiden Bilder zeigen Beispiele für die Zusammenfassung von Einzelmeldungen in der Schaltanlage, die zu Sammelmeldungen für die Netzleitstelle zusammengefasst sind. PZ (Primär-Zentrale) steht hier für Netzleitstelle und AZ (Anlagen-Zentrale) für die Vor-OrtMeldungen. 3. Überwachung von Schaltanlagen Beispiel für die Zusammenfassung von Überwachungsmeldungen für die Netzleitstelle 3. Überwachung von Schaltanlagen Beispiel für die Zusammenfassung von Überwachungsmeldungen für die Netzleitstelle 3. Überwachung von Schaltanlagen • • Die Überwachung der Schaltanlagen über die Netzleitstellen erlaubt es, Schaltanlagen aller Spannungsebenen und Größen –unabhängig von deren Bedeutung für die Netzsicherheit unbesetzt zu betreiben. Neben der Überwachung der netzrelevanten Funktionalität der Schaltanlagen werden auch der Objektschutz – soweit Einrichtungen dafür vorhanden - und die Funktionalität der Fernwirktechnik überwacht. Im Notfall kann eine Schaltanlage für eine begrenzte Zeit von der Netzleitstelle auch indirekt überwacht werden, wenn die für die Ankopplung an die zentrale Leitstelle erforderlichen Nachrichtenwege oder die Fernwirktechnik ausfallen. Es sind dann allerdings keine Schalthandlungen möglich und im HSund MS-Netz ist die Überwachung der Erdschlüsse sicherzustellen. Die Nachübertragung und die Fernwirktechnik sind heute so ausgereift, dass Ausfälle der Schaltanlagenüberwachung sehr selten geworden sind und somit die zentrale Schaltanlagenüberwachung eine Routineaufgabe der Netzleitstellen geworden ist. 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln Reaktion auf Eine weitere Aufgabe der Netzführung ist die Reaktion auf Störungsmeldungen aus der Schaltanlagenüberwachung und bei Ausfall von Betriebsmitteln durch Ansprechen der Schutzeinrichtungen. Netzstörungen 4.1 Störungsmeldungen aus der Schaltanlagenüberwachung Bei Einlaufen einer Überwachungsmeldung aus einer Schaltanlage muss sich das Netzführungspersonal folgende Fragen stellen: a) Welche Bedeutung hat diese Meldung für die Funktionalität der Schaltanlage bzw. des Netzbetriebes? Welche Funktionen der Schaltanlage sind davon betroffen? b) Sind Einrichtungen der Schaltanlage kurzfristig, mittelfristig oder erst nach längerer Zeitdauer gefährdet? c) Ist Servicepersonal in der Schaltanlage, das ggf. die Meldung ausgelöst hat? Zur Beantwortung der Fragen a) und b) ist auch Expertenwissen erforderlich. Dazu ist es sinnvoll, dem Netzführungspersonal ein Nachschlagewerk an die Hand zu geben, in welchem der jeweilige technische Hintergrund der einzelnen Störungsmeldungen und die Auswirkungen auf die Funktionalität der Schaltanlage erläutert ist. 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln Beispiele für eine Nachschlagewerk für Störungsmeldungen Schaltfeld-bezogene Meldungen 1. Leistungsschalter 2. Schaltfehlerschutzgerät 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln Das Einlaufen jeglicher Störungsmeldung muss vom Netzführungspersonal an das zuständige Servicepersonal gemeldet werden – es sei denn, Frage c) trifft zu („hausgemachte Störungs-meldung liegt vor). Es ist allerdings zu entscheiden, ob das Servicepersonal außerhalb der Arbeits-zeiten – also nachts und an Wochenenden bzw. Feiertagen – mit einer Behebung der identifizierten Störung zu beauftragen ist, oder ob eine Meldung während der Normalarbeitszeit ausreicht. Ein Beispiel soll dies aufzeigen: • Einlaufen der Störungsmeldung aus Station Adorf – Schaltfeld „Leitung nach Bestadt“ Leistungsschalter EIN/AUS GESPERRT N2 1.) Sofortige Anordnung an des Servicepersonal, in die Station Adorf zu fahren; 2.) Evakuierung des Leistungsschalters im Schaltfeld Bestadt durch Aufheben des Schaltfehlerschutzes per Schlüsselschalter; 3) Wenn möglich, Einrichten eines Ersatzschalterbetriebes in der Station Adorf für das Schaltfeld Bestadt – oder Abschaltung der Adorf- Bestadt in Bestadt; 4) Reparatur des Leistungsschalters in der Normalarbeitszeit. • Einlaufen der Störungsmeldung aus Adorf – Schaltfeld Netzkuppler 2: SFS DC 220/12/5 V FEHLT 1.) Setzen einer Blockade im Netzleitsystem für Schaltfeld Netzkuppler 2 in Adorf; 2.) Verständigung des Servicepersonals in der Normalarbeitszeit mit Anordnung einer kurzfristigen Störungsbeseitigung; 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln 4.2 Schutzsignale mit Ausschaltung von Betriebsmitteln • Auslösung von Übertragungsleitungen – Freileitungen 1.) Auswertung der eingelaufenen Schutzsignale, - ob es sich um Erdkurzschluss (= erfolglose Wiederzuschaltung nach Kurzunterbrechung der gestörten Phase), 2-polige oder 3-polige Kurzschlüsse mit oder ohne Erdbeteiligung handelt. - ob die Schutzauslösung selektiv und die Auslösung folgerichtig war; 2.) Beurteilung der Auslöseursache aufgrund der Witterungslage – Gewitter, Schneesturm, Sturm; bei Gewitter und einpoligem Erdkurzschuss oder 3-poligem Kurzschluss mit Erdbeteiligung ist ein Blitzeinschlag als Störungsursache zu schließen und eine Probeschaltung zu erwägen; bei Schneesturm und 2-poligen Kurzschlüssen ohne Erdbeteiligung ist auf „Seiltanzen“ als Ursache zu schließen; eine Probeschaltung sollte erst nach Abklingen des Schneesturms erwogen werden; bei ruhiger Witterung oder Sturm ist bei allen Kurzschlüssen auf einen Defekt der Übertragungsleitung zu schließen und eine Kontrolle der Leitung beim Servicepersonal anzufordern. Da dem Netzbetreiber auch die Verkehrssicherungspflicht obliegt, ist eine Leitungskontrolle bei vermuteten Defekt umgehend anzuordnen (z.B. Leiterseile hängen zu Boden; umgebrochener Mast gefährdet den Verkehr) 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln • Auslösung von Übertragungsleitungen – Erdkabel Bei Kurzschlüssen von Erdkabeln ist in allen Fällen auf einen Defekt des Betriebsmittels zu schließen – oft durch Fremdeinwirkung (Baggerarbeiten in der Kabeltrasse) und eine Fehlersuche durch das Servicepersonal anzuordnen. Da bei Erdkabeldefekten das Problem der Verkehrssicherung nachrangig ist, kann – je nach Bedeutung des Erdkabels für die Elektrizitätsversorgung – die Fehlersuche auch bei Normalarbeitszeit angeordnet werden. • Auslösung von Transformatoren Auswertung der eingelaufenen Schutzsignale, Bei Auslösung durch inneren Differenzialschutz und Buchholzschutz ist auf einen Defekt im Transformator zu schließen und eine Untersuchung des Transformators durch entsprechendes Personal (Trafoexperten) anzuordnen. Bei Auslösung durch äußeren Differenzialschutz, Distanzschutz oder U0-Schutz ist auf eine Störung in der Peripherie des Transformators zu schließen. Bei angespannten Netzverhältnissen ist eine Probeschaltung nicht auszuschließen. Fällt dies Erfolglos aus, muss das Servicepersonal in die betreffende Schaltanlage beordert werden. 4. Reaktion auf Netzstörungen durch Ausfall bzw. Störungen an Betriebsmitteln • Auslösung von Sammelschienen Auswertung der eingelaufenen Schutzsignale ob ein echter Sammelschienenfehler vorliegt ob ein Versagen einer Schutzeinrichtung bzw. eines Leistungsschalters vorliegt; - Bei echtem Sammelschienenfehler: Wenn möglich, ist ein Sammelschienenwechsel durchzuführen und die Schaltanlage wieder in Funktion zu setzten; In jedem Fall ist des Servicepersonal umgehend in die betroffene Schaltanlage zu beordern um den Defekt an der Sammelschiene zu orten und – soweit möglich – zu beheben um eine rasche Wiederinbetriebnahme der Schaltanlage zu ermöglichen; - Bei Versagen einer Schutzeinrichtung bzw. eines Leistungsschalters: Identifizierung des gestörten Betriebsmittels; Zuschaltung aller nicht gestörten Betriebsmittel Veranlassung einer Kontrolle des gestörten Betriebsmittels je nach Art (Freileitung, Kabel, Trafo) und Bedeutung für den Systembetrieb sofort oder in der Normalarbeitszeit; 5. Abschaltkoordination Zur Durchführung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an Netzbetriebsmitteln – Übertragungsleitungen, Transformatoren, Geräte in Schaltanlagen – Abschaltmüssen diese abgeschaltet werden und stehen dem Netz nicht zur koordination Leistungsübertragung zur Verfügung. Auch Erneuerungen, Verstärkungen und der Neubau von Übertragungsleitungen und Schaltanlagen sowie Austausch von Transformatoren erzwingt Abschaltungen mit Schwächung des Netzes. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass Kraftwerke mit Anschluss in HS- und HöS-Netz ebenfalls regelmäßig einer planmäßigen Jahresrevision unterzogen werden müssen und somit temporär nicht für eine Einspeisung in das Netz zur Verfügung stehen. Es ist die Aufgabe der Abschaltkoordination, die erforderliche Abschaltung von Netzbetriebsmitteln und die Jahresrevision der systemrelevanten Kraftwerke so zu planen, dass das gesamte vorgesehene Jahresrevisionsprogramm der Netz- und Kraftwerksbetreiber so geplant wird, dass dadurch die Einhaltung der Netzsicherheit – wie unter Punkt 2 erläutert – gewährleistet wird. Im HSund HöS-Netz ist dabei nicht nur das eigene Netzgebiet zu betrachten, sondern auch die vertikal und horizontal angrenzenden Fremdnetze. Die Abschaltkoordination eines HS- bzw. HöS-Netzbetreibers umfasst deshalb auch eine enge Kooperation mit den Kraftwerksbetreibern und den Netzpartnern. 5. Abschaltkoordination Ablauf der Jahresabschaltkoordination: • Anmeldung der Bau- und Betriebsabteilungen aller für das Folgejahr geplanten Arbeiten im Netz mit Angabe der abzuschaltenden Betriebsmittel sowie Zeitdauer und bevorzugter Termin der Abschaltung bis zu einem festgesetzten Termin; Anmerkung: Nicht jede Arbeit kann zu einem beliebigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Manche Arbeiten sind witterungsabhängig und bevorzugt in der warmen Jahreszeit durchzuführen. Zudem sind die Netzbetreiber oft auf die Terminvorgaben der ausführenden Fremdfirmen und Spezialisten (z.B. Leistungsschaltermonteur) abgewiesen. a) Anmeldung der Revisionspläne der Kraftwerksbetreiber für das Folgejahr bis zu einem festgesetzten Termin; b) Erste Prüfung der angemeldeten Abschaltungen im Netz und der angemeldeten KraftwerksRevisionspläne auf „Systemverträglichkeit“ mittels Netzsicherheitsberechnungen; c) Im Falle auftretender Befunde – Anfrage der Netzführung zur Prüfung auf Verschiebbarkeit einzelner Netzabschaltungen und ggf. auch von Kraftwerksrevisionen mit dem Ziel eine systemverträgliche Abschaltplanung zu erreichen. Diese Anweisung geht an die Netzbetreiber-internen Bau und Betriebsabteilungen und an Kraftwerksbetreiber. d) Rückmeldung der Bau- und Betriebsabteilungen sowie der angefragten Kraftwerksbetreibern hinsichtlich Machbarkeit der vorgeschlagenen Terminverschiebungen. 5. Abschaltkoordination Ablauf der Jahresabschaltkoordination e) Die Punkte c) und d) werden ggf. mehrmals durchlaufen, da es für die Verschiebung von Netzabschaltungen und Kraftwerksrevisionen aus Sicht der Systemverträglichkeit in der Regel mehrere Optionen gibt. Falls nicht alle im ersten Schritt angefragten Verschiebungen von Netzarbeiten bzw. Kraftwerksrevisionen ohne größerem Aufwand möglich sind, werden alternative Verschiebungen solange angefragt, bis ein systemverträglicher Jahresabschaltplan vorliegt. f) Falls sich nach Durchlaufen mehrere Iterationsschritte keine Lösung ergibt, ist der Netzbetreiber – hier die Netzführung – berechtigt, geplante Netzschaltungen abzulehnen und eine Verschiebung von Kraftwerksrevisionen anzuweisen. Das Recht des Netzbetreibers zur Verschiebung von Kraftwerksrevisionen ist unter § 13 Abs.1a EnWG verankert. g) Nach Vorliegen eines systemverträglichen Abschaltplanes für das Folgejahr wird dieser Plan mit den benachbarten Netzen ausgetauscht. h) Überprüfung der Abschaltplanungen der benachbarten Netzbetreiber und der eigenen Abschaltplanung auf Systemverträglichkeit; i) Im Falle auftretender Befunde Abstimmung zwischen den Netzbetreibern möglicher Anpassungen der Abschaltplanungen und – bei Bedarf – erneute Anfrage bzw. Anweisung zur Verschiebung von Netzarbeiten bzw. Kraftwerksrevisionen; 5. Abschaltkoordination Ablauf der Jahresabschaltkoordination j) Im Falle auftretender Befunde Abstimmung zwischen den Netzbetreibern möglicher Anpassungen der Abschaltplanungen und – bei Bedarf – erneute Anfrage bzw. Anweisung zur Verschiebung von Netzarbeiten bzw. Kraftwerksrevisionen; k) Verbindliche Bekanntgabe einer mit allen Beteiligten abgestimmten Jahresabschaltplanung Dieser Abstimmungsprozess wurde im letzten Jahr –nach entsprechender Novellierung des EnWG und der zunehmenden kritischen Netzsituationen nach Stilllegung mehrerer Großkraftwerke zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und dem Verband der Kraftwerksbetreiber vereinbart. Nach derzeitiger Schätzung wird dieser Prozess etwa 4 – 5 Monate laufen. Geplant ist der Start von Schritt a) ab 01.08. und der Abschluss von Schritt k) bis 01.12. der folgenden Kalenderjahre. Ein analoger Prozess wird von ENTSO-E im Rahmen der Network-Codes vorgeschlagen. • Die nachgelagerten Spannungsebenen (HS, MS und NS) richten ihre Abschaltplanung – soweit erforderlich – nach den Vorgaben des Betreibers der jeweils vorgelagerten Spannungsebene. 5. Abschaltkoordination Laufende Abschaltkoordination Die Abschaltkoordination ist während des laufenden Jahres zu aktualisieren und zu ergänzen. Es sind störungsbedingte Abschaltungen, Kraftwerksausfälle und kurzfristig erforderliche Terminverschiebungen der geplanten Abschaltungen zu berücksichtigen. Letztlich ich die Jahresabschaltplanung auf eine Tagesabschaltplanung herunter zu brechen. Dem verantwortlichen Netzführungspersonal liegt somit täglich eine Liste abzuschaltender und bereits abgeschalteter Betriebsmittel und Kraftwerke vor. Unmittelbar vor jeder Abschaltung ist deren Systemverträglichkeit zu überprüfen (siehe hierzu auch Kapitel 9 „Netzsicherheitsrechnung“). 6. Durchführung von Schalthandlungen – zur Freischaltung von Betriebsmitteln Diese Netzführungsaufgabe gliedert sich in folgende Schalthierarchie: a) Schaltverfügung: Durchführung von Die Schaltverfügung ist die höchste Hierarchiestufe und berechtigt zur Schaltungen Festlegung des Schaltzustandes im Netz. Nur die Netzführungsstelle mit Schaltverfügung ist autorisiert eine Entscheidung zur Veränderung des aktuellen Sachaltzustandes im Netz zu treffen. In der Regel hat die zentrale Leitstelle eines Netzbetreibers die Schaltverfügung für das gesamte zugeordnete Netzgebiet. b) Schaltanweisungsberechtigung Das ist die nächste Hierarchiestufe. Sobald ein Schaltanweisungsberechtigter bzw. die Leitstelle mit Schaltanweisungsberechtigung von der Stelle mit Schaltverfügung eine Freigabe für die Aboder Zuschaltung definierter Netzbetriebsmitteln erhalten hat, darf der Schaltanweisungsberechtigte die Ausführung der Schaltungen planen und anweisen. Das kann z.B. das Abarbeiten einer Tagesabschaltplanung sein, die von der Stelle mit Schaltverfügung an eine Stelle mit Schaltanweisungsberechtigung delegiert hat. c) Schaltberechtigung Die unterste Hierarchiestufe ist die Schaltberechtigung. Die Stelle mit Schaltberechtigung darf die von der Stelle mit Schaltanweisungsberechtigung angewiesenen Schalthandlungen ausführen. 6. Durchführung von Schalthandlungen – zur Freischaltung von Betriebsmitteln • • • Die genannten Hierarchiestufen sind dann von Bedeutung, wenn das Netzführungskonzept eines Netzbetreibers hierarchisch gegliedert ist – siehe Kapitel 5 unter Punkt 3.1.1 oder Teile des Netzgebietes nicht von der zentralen Leitstelle überwacht und gesteuert werden können. Wenn Überwachung und Steuerung des Netzes in der Hand einer zentralen Netzleitstelle liegt, und alle Schalthandlungen über Schaltprogramme eines Prozessrechners abgewickelt werden, führt die Stelle mit Schaltverfügung die Schaltungen selbst durch. Die Freigabe der Schaltung erfolgt durch Start des Schaltprogrammes. Das Schaltprogramm ist Schaltbefehlsgeber und schaltdurchführende Stelle – übernimmt somit die Rolle des Schaltanweisungsberechtigten und des Schaltberechtigten. Zur Schaltdurchführung gehört auch die Erteilung der Verfügungserlaubnis an das Servicepersonal vor Ort. Mit der Verfügungserlaubnis stellt die zentrale Leitstelle ein Netzbetriebsmittel dem Servicepersonal zur eigenen Verfügung – üblicherweise im freigeschalteten Zustand (= spannungsfrei geschaltet) bzw. in einem anderen definierten Zustand. Damit kann das Servicepersonal im Rahmen des mit der zentralen Leitstelle vereinbarten Zeitfensters und im Rahmen des vereinbarten Zwecks über das Netzbetriebsmittel frei verfügen. Nach Ablauf des vereinbarten Zeitfensters oder nach Anforderung durch die zentrale Leitstelle muss das Servicepersonal die Verfügungserlaubnis an die zentrale Leitstelle von der sie die Verfügungserlaubnis bekommen hat wieder zurückgeben. 6. Durchführung von Schalthandlungen – zur Freischaltung von Betriebsmitteln • Für die zentrale Leitstelle gilt: kein Zugriff auf Betriebsmittel für die Verfügungserlaubnis an Netzservicepersonal erteilt wurde; - somit auch keine Verantwortung für diese Betriebsmittel; • Für das Netzservicepersonal gilt: Kein Zugriff auf Betriebsmittel für die keine Verfügungserlaubnis der zentralen Leitstelle erteilt wurde; - somit auch keine Verantwortung für diese Betriebsmittel; Mit der Verfügungserlaubnis wird somit die Verantwortung für Netzbetriebsmittel zwischen zentraler Leitstelle und Netzservicepersonal transferiert. Die Gesamtverantwortung der zentralen Leitstelle für die Netzsicherheit bleibt davon unberührt. • Erteilung und Rücknahme von Verfügungserlaubnissen werden sowohl in der zentralen Leitstelle als auch beim Netzservicepersonal dokumentiert. Dokumentiert werden: Betriebsmittelbezeichnung Schaltzustand bei Erteilung und Rücknahme der Verfügungserlaubnis; Uhrzeit der Erteilung und Rücknahme der Verfügungserlaubnis; Namen der beteiligten Personen in der Leitstelle und beim Netzservice; 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz Einhaltung der Leistungsbilanz bedeutet: Die elektrischer Wirkleistung auf der Erzeugungsseite muss in jedem Augenblick genau der von den Verbrauchern geforderten Wirkleistung Leistungsbilanz Diese Netzführungsaufgabe obliegt nur den Übertragungsnetzbetreiber und besteht aus folgenden Teilaufgaben: • Laufende Einhaltung der Systembilanz durch Vorhaltung und Abruf von Regelleistung; (Primärregelung, Sekundärregelung, Minutenreserveleitung) – Näheres siehe Kapitel 12 „Verbundbetrieb“. • Bildung und Überwachung des Regelzonen-Ist-Saldos (Randintegral); Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt, sind die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) für die Einhaltung der Wirkleistungsbilanz in Ihrer Regelzone verantwortlich. Grundvoraussetzung um diese Aufgabe zu erfüllen ist eine permanente Messung dieser Leistungsbilanz. Die Leistungsbilanz in einer Regelzone ist dann eingehalten, wenn die Erzeugungsleistung innerhalb der Regelzone zuzüglich eines vereinbarten Exportleistungssaldos bzw. abzüglich eines vereinbarten Importleistungssaldos beträgt. Falls die Frequenz vom Sollwert (= 50,000 Hz) abweicht, muss zusätzlich noch der Beitrag der Primärregelung in der Regelzone wirksam sein. Einhaltung 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bildung und Überwachung des Regelzonen-Ist-Saldos Um festzustellen, ob die Wirkleistungsbilanz der Regelzone eingehalten ist oder nicht, muss der Regelzonen-Ist-Saldo dem Regelzonen-Soll-Saldo gegenübergestellt werden. Der Regelzonen-Ist-Saldo ergibt sich aus der zeitgleichen Summe aller Wirkleistungsflüsse der Übertragungsleitungen, über welche die Regelzone mit den benachbarten Regelzonen verbunden ist – also Verbindungen von Netzknoten im eigenen Netz zu Netzknoten im Nachbarnetz (kurz: Kuppelleitungen). Beispiel TenneT-Regelzone: Folgende Wirkleistungsflüsse werden am Tag X um 08.33 Uhr gemessen und in die zentrale Leitstelle übertragen: Leitung TenneT – Amprion: 1100 MW Richtung Amprion Leitung TenneT – 50 Hertz: 2000 MW Richtung TenneT Leitung TenneT – EnBW TN: 850 MW Richtung EnBW TN Leitung TenneT – Österreich: 250 MW Richtung TenneT Leitung TenneT – Dänemark: 500 MW Richtung Dänemark Leitung TenneT- Niederlande: 1500 MW Richtung Niederlande Leitung TenneT – Tschechien: 900 MW Richtung TenneT Bei der Saldobildung werden Lastflüsse aus der Regelzone positiv und in die Regelzone negativ gezählt. Saldo = 1100 MW – 2000 MW + 850 MW – 250 MW + 500 MW + 1500 MW – 900 MW = + 800 MW 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bildung und Überwachung des Regelzonen-Ist-Saldos Beispiel TenneT-Regelzone: Ergebnis: Der Regelzonen-Ist-Saldo beträgt + 800 MW – d.h. in der TenneT-Regelzonen wird um 800 MW mehr Wirkleistung erzeugt als dort verbraucht wird. Einfluss der Istwertaufschaltungen: Sollte eine Wirkleistungserzeugung in der eigenen Regelzone dem Saldo einer anderen Regelzone oder eine Wirkleistungserzeugung in einer fremdem Regelzone dem Saldo der eigenen Regelzone zuzuordnen sein, so wird geht die Messung dieser Wirkleistungserzeugung in die Ist-Salden der korrespondierenden Regelzonen ein. Fortsetzung des Beispiels der TenneT-Regelzone Von der aktuellen Wirkleistungserzeugung der Kernkraftwerks Gundremmingen sollen 25% der Regelzone TenneT zugeordnet werden – dies ist der E.ON-Anteil an Gundremmingen, der in den Bilanzkreis von E.ON in der Regelzone TenneT wirksam werden soll. Messwert der aktuelle Wirkleistungserzeugung in Gundremmingen um 08.33 Uhr = 2358 MW; Davon sollen 25% = 589,5 MW dem Regelzonensaldo der TenneT zugeordnet werden. Damit wird die der Regelzone zugeordnete Wirkleistungserzeugung um 589,5 MW erhöht und der Gesamtsaldo beträgt nach Berücksichtigung dieser Istwertaufschaltung 800 MW + 589,5 MW = + 1389,5 MW 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bildung und Überwachung des Regelzonen-Ist-Saldos Einfluss der Istwertaufschaltungen: Da das Kernkraftwerk Gundremmingen an das HöS-Netz von Amprion angeschlossen ist, muss der Anteil von 25% der Wirkleistungserzeugung von der Erzeugung in der Regelzone von Amprion abgezogen werden. Beispiel: Ergibt sich am Tag X um 08.33 Uhr bei Amprion ein Regelzonen-Ist-Saldo aus den Wirkleistungsmessungen der Amprion-Kuppelleitungen von 550 MW Export, so wird durch Abzug der 25% des Messwertes der aktuellen Wirkleistungserzeugung in Gundremmingen (= 589,5 MW) ein Importsaldo von 550 MW – 589,5 MW = 39,5 MW d.h. nach der Berücksichtigung der Istwertaufschaltung wird die Wirkleistungserzeugung in der TenneT-Regelzone um 589,5 MW erhöht und die der Amprion-Regelzone um 589,5 MW reduziert womit sich eine Korrektur der „Regelzonen- Netto-Ist-Salden“ bei TenneT von + 800 MW auf 1389,5 MW und bei Amprion von + 500 MW auf – 39,5 MW ergibt. Alle zur Bildung des Regelzonen-Ist-Saldos erforderlichen Wirkleistungsmesswerte werden zyklisch (gemäß ENTSO-E Bestimmungen Zykluszeit ≤ 5 sec) in die zentrale Leitwarte der ÜNB über mindestens 2 unabhängige Nachrichtenwege übertragen und dort zu einem Saldo zusammengeführt. Der Ausfall eines Summanden wird sofort signalisiert und der Saldo entweder mit dem 2. übertragenen Messwert oder einen von Hand eingegebenen Wert ergänzt. Zusätzlich werden die Zählwerte im ¼-Stundenraster übertragen und daraus das ¼-Stundenintegral des Regelzonensaldos gebildet, das in die Abrechnung des ungewollten Austausches eingeht. 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Laufende Überwachung der Wirkleistungsbilanz in der Regelzone Die Wirkleistungsbilanz ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Regelzonen-Ist-Saldos mit dem Regelzonen-Soll-Saldo unter Berücksichtigung des Beitrages der Primärregelung bei einer Netzfrequenz ≠ dem Sollwert. Wirkleistungsbilanz in MW = Soll-Saldo Psoll – Ist-Saldo Pist + k x (fsoll – fist) Psoll in MW: ∑ aller Regelzonen-überschreitenden Fahrpläne = der vereinbarte Austausch elektrischer Energie zwischen Bilanzkreisen der eigenen Regelzone mit den benachbarten Regelzonen; Psoll ändert sich im ¼-Stunden-Raster; Pist in MW : siehe Regelzonen-Ist-Saldo k in MW/Hz: resultierender Proportionalitätsfaktor der frequenzabhängigen Wirkleistungsänderung in der Regelzone. Die frequenzabhängige Wirkleistungsänderung entsteht durch den Einfluss der Primärregelung (Wirkleistungserhöhung bei f < 50 Hertz, Wirkleistungsreduzierung bei f> 50 Hz), und dem Einfluss der frequenzabhängigen Verbrauchern (Selbstregeleffekt des Netzes) fsoll in Hz: 50,000 Hz bzw 49,995 Hz oder 50,005 Hz bei Korrekturen der Synchronzeit. Fist in Hz: gemessenen Ist-Frequenz 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Laufende Überwachung der Wirkleistungsbilanz in der Regelzone Beispiel für eine Berechnung der Wirkleistungsbilanz zum Zeitpunkt Tag X 08.33 Uhr bei TenneT: Soll-Saldo: 1400 MW Ist-Saldo: 1389,5 MW k: 1500 MW/Hz Soll-Frequenz: 50,000 Hz Ist-Frequenz: 49,950 Hz Wirkleistungsbilanz in MW = Soll-Saldo Psoll – Ist-Saldo Pist + k x (fsoll – fist) = 1389,5 MW – 1400 MW + 1500 MW/Hz x (49,950 Hz – 50,000 Hz) = - 10,5 MW - 75 MW = - 85,5 MW Die Wirkleistungsbilanz in der TenneT-Regelzone um 08.33 zeigt ein Erzeugungsdefizit von 85,5 MW, das mit einem entsprechenden Abruf von positiver Sekundärregelleistung behoben werden muss. Das Ergebnis der Berechnung der Wirkleistungsbilanz wird auch Area-Control-Error (ACE) genannt. Der ACE ist durch Sekundärregel- und wenn erforderlich – zusätzlich durch Minutenreserveleistung auszugleichen. 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bedienung und Betrieb des Fahrplanmanagements In Kapitel 1 wurde gezeigt, dass die Zählpunkte aller Ein- und Ausspeisungen aus dem Gesamtnetz Bilanzkreisen innerhalb einer Regelzone zuzuordnen sind. Für einen Austausch elektrischer Energie zwischen den einzelnen Bilanzkreisen sind beim zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sog. Fahrpläne anzumelden. Ein Fahrplan beschreibt den für eine ¼-Stunde mit konstanter Leistung beabsichtigte Transfer elektrischer Energie zwischen Bilanzkreisen. Regelzonen-interne Fahrpläne Bei einem Energie-transfer vom Bilanzkreis (BK) Stadtwerke A zum Bilanzkreis (BK) Grünstrom von 50 MW in der Zeitperiode 12.00 – 16.30 Uhr ist von beiden BK folgender Fahrplan beim ÜNB anzumelden: BK Stadtwerke A: BK Stadtwerke A an BK Grünstrom: 50 MW von 12.00 bis 16.30 Uhr; BK Grünstrom: BK Grünstrom von BK Stadtwerke A: 50 MW von 12.00 bis 16.30 Uhr; Das Fahrplanmanagement der BK und des ÜNB übersetzten diese Anmeldung in eine Zeitreihe aus 4 x 4 + 1 x 2 = 18 ¼-Stunden-Fahrplänen in der Zeit von 12.00 – 16.30 Uhr. Erfolgt für den Tag X kein weiterer Energieaustausch zwischen den beiden BK, sind die übrigen ¼-Stundenwerte mit dem Fahrplan 0 belegt. Regelzonen-interne Fahrpläne können bis zu 16-Stunden nach Erfüllung von den BK angepasst werden. Dabei müssen sich die Anmeldungen der korrespondierenden BK immer zu „Null“ saldieren. 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bedienung und Betrieb des Fahrplanmanagements Regelzonen-überschreitende Fahrpläne Sind BK Stadtwerke A und BK Grünstrom in unterschiedlichen Regelzonen, müssen diese für einen Energietransfer über die Regelzonengrenze entsprechende BK in den korrespondierenden Regelzonen haben. Der BK Stadtwerke A in Regelzone 1 kann nur einen Fahrplan in den BK Stadtwerke A in Regelzone 2 aber nicht in den BK Grünstrom in Regelzone 2 anmelden. Es ist dann anzumelden: Vom BK Stadtwerke A bei ÜNB 1 und ÜNB 2 BK Stadtwerke A in Regelzone 1 an BK Stadtwerke A in Regelzone 2: 50 MW von 12.00 bis 16.30 Uhr; von BK Stadtwerke A bei ÜNB 2 BK Stadtwerke A in Regelzone 2 an BK Grünstrom in Regelzone 2: 50 MW von 12.00 bis 16.30 Uhr; Vom BK Grünstrom an ÜNB 2: BK Grünstrom von BK Stadtwerke A: 50 MW von ….. usw. Das Fahrplanmanagement der ÜNB prüft alle Fahrplananmeldungen auf Plausibilität – d.h. für Regelzonen-interne Fahrpläne eines BK muss eine Gegenanmeldung des korrespondierenden BK vorliegen. Regelzonen-überschreitende Fahrpläne werden zwischen den ÜNB abgeglichen. ÜNB 1 prüft, ob bei ÜNB 2 die identische Regelzonen-überschreitende Fahrpläne angemeldet wurden. Das Fahrplanmanagement bildet pro BK saldierte Fahrpläne und für die Regelzone Austauschsalden – aufgeteilt auf die korrespondierenden Regelzonen und einen Regelzonengesamtsaldo = Soll-Saldo 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Bedienung und Betrieb des Fahrplanmanagements Regelzonen-überschreitende Fahrpläne Regelzonen-überschreitende Fahrpläne dürfen nach Erfüllung nicht mehr verändert werden. Beispiel TenneT-Regelzone am Tag X Periode 08.30 – 08.45 Uhr: Regelzonengesamtsaldo: 1400 MW Export Regelzonenaustauschsalden: Export an RZ Amprion: 500 MW Export an RZ EnBW-TN: 250 MW Export an RZ Swissgrid: 150 MW Export an RZ TenneT NL: 1200 MW Export an RZ Frankreich (RTE): 1000 MW Import aus RZ Österreich (APG): 250 MW Import aus RZ Tschechien (CEPS): 1100 MW Import aus RZ 50 Hertz: 200 MW: 250 MW Import aus Dänemark : 100 MW Grundsätzlich können Fahrpläne nur in direkt benachbarten Regelzonen angemeldet werden. Innerhalb Deutschlands gilt dies aber nicht. Damit kann TenneT auch Fahrpläne bei den nicht benachbarten Regelzonen RTE und Swissgrid anmelden. 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Ermittlung der ungewollten Austausches zwischen den Regelzonen – wird in Kapitel 12 „Verbundbetrieb“ erläutert. • Leistungsbilanz bei Verteilnetzbetreibern Grundsätzlich sind auch die Verteilnetzbetreiber (VGB) verpflichtet, ihren Netzgebietssaldo auszuweisen und undefinierte Energieflüsse auszugleichen. Der Netzgebietssaldo bei den VGB wird wie folgt nach Vorliegen der entsprechenden Zähler- und Fahlplanwerte gebildet: a) Physikalischer Netzsaldo: ∑ aller Zählpunkte an den Grenzen des Netzgebietes zum vorgelagerter Netzbetreiber und zu den nachgelagerten Netzbetreibern + ∑ aller gemessenen Kraftwerkseinspeisungen in das Netzgebiet; b) Verbrauch im Netzgebiet: ∑ aller Lastprofilkunden + ∑ aller Zählpunkte der gemessenen Kunden + Netzverluste (Es wird angenommen, dass die zur Deckung der Netzverluste beschaffte Energie genau den Netzverlusten entspricht. Damit ist der Verlustbilanzkreis stets ausgeglichen) - Fahrpläne der an den ÜNB weitergegeben nicht gemessenen Einspeisungen aus EEG-Anlagen; 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Leistungsbilanz bei Verteilnetzbetreibern Die Differenz zwischen physikalischem Netzsaldo und Verbrauch im Netzgebiet ist die Leistungsbilanz des Verteilnetzbetreibers. Die Differenz wird dem Differenzbilanzkreis der VNB zugeordnet, der damit unausgeglichen bleibt und Ausgleichsenergie des ÜNB beansprucht. Beispiel: Physikalischer Netzsaldo eines VNB in der Periode 11.30 – 11.45 Uhr = 850 MWh; Verbrauch der Lastprofilkunden: 300 MWh; Verbrauch der gemessenen Kunden: 230 MWh; Beschaffter Netzverlustersatz = verbrauchte Netzverluste: 35 MWh; Fahrpläne für nicht gemessene Einspeisung aus EEG-Anlagen: 220 MWh; Leistungsbilanz VNB von 11.30 – 11.45 Uhr: 850 MWh – ( 500 MWh + 380 MWh + 35 MWh - 180 MWh) = 850 – 735 = 115 MWh 115 MWh landen im Differenzbilanzkreis. Der VNB hat damit mehr bezogen, als sich durch den Saldo des definierten und gemessenen Verbrauches und der definierten Einspeisung ergeben haben. Die Differenz ist der Saldo der Abweichung von den definierten Werten der Lastprofilkunden, der Netzverluste und der nicht gemessenen Einspeisung aus EEG-Anlagen. 7. Überwachung und Einhaltung der Leistungsbilanz • Leistungsbilanz bei Verteilnetzbetreibern Einspeisung aus vorgelagertem Netz Netzgebiet des VNB Va Vb Ea Vc Eb S Ausspeisung in nachgelagerte Netz Differenzbilanzkreis A Übertragungsnetzbetreiber E a: gemessene Einspeisung E b: durch Fahrplan definierte Einspeisung V a: Verbrauch gemäß Lastprofile V b: Verbrauch gemessener Kunden V c: Netzverluste S: Leistungsbilanz VNB A: Ausgleichsenergie ÜNB
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