TAG 2: DUNTULM CASTLE → QUIRAING, 23 KM, 990 HM WWW.PATRICK-IN-SCHOTTLAND.DE W 6° 21.430' N 57° 39.975' 7°C Endlich ins Gelände Der zweite Tag sollte ein besonderer werden: es ging endlich in die Wildnis. Das heißt: keine Straßen mehr, keine breiten Wege und zum Ende des Folgetages gar weder Trampelpfade noch eine erkennbare Route in den sagenumwobenen Highlands. Zunächst aber galt es Trinkwasser für den Tag zu organisieren, zu pumpen und zu entkeimen. Direkt neben meinem Zelt gab es zwar einen kleinen Bachlauf, der aber mit seiner mäßigen Fließgeschwindigkeit nur sehr trübes, fast braunes Wasser führte. Hier kamen meine Entkeimungspumpe und einige Tabletten, die den gleichen Zweck erfüllten aber mit weniger Aufwand anzuwenden waren, zum Einsatz. Nach den Erfahrungen des gestrigen Tages und in der Erwartung auf recht viele und teils üppige Wasserquellen zu treffen, erleichterte ich mir den Weg und befüllte lediglich die Wasserblase, aus der sich über einen Schlauch bequem trinken lässt, ohne den Rucksack dafür absetzen zu müssen. Mit ausreichenden drei Litern Fassungsvermögen verringerte sich das Gewicht des Rucksacks so um ganze drei Kilogramm. Inzwischen wechselte ich von der Straße an den felsigen und dort wo die Wellen das Ufer trafen, tiefschwarzen Strand. Der extrem harte, kalte Küstenwind und der bereits morgens einsetzende Regen machten die ersten Kilometer bis Duntulm Castle zu einer sehr ungemütlichen Wegstrecke. Später am Tage sollten sich Sonnenschein und sintflutartige Regenergüsse die Klinke in die Hand geben und meinen Tag so abwechslungsreich wie auch feucht gestalten. An der kleinen Burgruine angekommen bot sich mir ein eher trauriges wenn auch bedingt durch das Wetter mystisches Bild von einem kaum mehr als Burg erkennbaren umzäunten Steinhaufen. Duntulm Castle wurde einst als Wehrburg im 14. Jahrhundert errichtet und beherbergte bis ins 18. Jahrhundert hinein den Clan MacDonald. Da die Ruine heute ins Meer zu stürzen droht, ist sie für Besucher gesperrt. Leider sollte es mir verwehrt bleiben nach der weiteren Geschichte der ehemaligen Burg zu fragen: schließlich wollte ich so schnell es ging in die Highlands. So erreichte ich nach ein paar Kilometern auf der Straße und einem unbeschreiblichen Maß an Idylle und landschaftlicher Schönheit den Alpinen Pfad bei Trotternish Ridge. In besonderem Maße beeindruckte mich das Panorama von Flodigarry. Einer kleinen Ortschaft mit 38 großzügig verteilten Häusern, gelegen an mehreren Hügeln mit spitzen Erhebungen, wie man sie sonst nur aus dem Märchenbuch kennt. Das trübe Wetter verstärkte dieses Bild zusätzlich und ließ mich einige Minuten dort verweilen. Von der Straße bei Flodigarry aus galt es nun an einem Wanderparkplatz rechts einzubiegen. Vorher aber wollte eben dieser Parkplatz ungläubig beäugt werden. Er war nicht groß, es gab eine Infotafel und fünf parkende Autos, in denen sich die Menschen vor dem trommelnden Regen versteckten. Zugegeben: etwas spöttisch dachte ich mir still und heimlich, ohne es laut auszusprechen, „Typisch Touries!“. Später aber sollten sie mich tatsächlich einholen, da der schwere Rucksack, die sagenhafte Märchenlandschaft und meine unbändige Fotowut mich alles etwas langsamer angehen ließen. Dem schmalen Pfad vom Parkplatz aus folgte ich an zwei nicht besonders großen aber durch Wind und Wetter zu kleinen Meeren gewordenen Seen: Loch Langaig und Loch Hasco. Hier wurde der Weg etwas schwieriger und durch den aufgeweichten Erdboden sowie die starken Böen zu einer weitestgehend ungefährlichen aber dennoch anstrengenden Rutschpartie. Ein Abschnitt meiner Route der sich durchaus lohnen sollte. Denn kaum war der harsche und sehr windige Teil des Anstiegs überwunden, erhob sich ein atemberaubender Landstrich aus dem Nebel: The Quiraing. Eine naturbelassene schroffe Klippen- und Felsenlandschaft mit einem kleinen Wanderpfad, kaum breiter als 40cm, die mit etwas Fantasie zumindest streckenweise an das Bild der berühmten drei Zinnen erinnerte. Vom Zauber der Umgebung abgelenkt verweilte ich einige Zeit zwischen den Felsen, verließ den Pfad, lief und kletterte ein wenig herum, bis ich mich dazu entschloss mein Nachtlager aufzuschlagen. Es war erst später Nachmittag, aber genau hier wollte ich campen. Unweit des spontan gefundenen Zeltplatzes gab es einen kleinen See auf dem sich trotz einer Länge von nur knapp 30 m einige Wellen auftürmten. Entsprechend schwierig war es das Zelt aufzustellen, dass mehrere Minuten wie ein Schiffssegel im Wind flatterte, bis ich es letztlich bändigen und im Boden verankern konnte. Den Rest des Abends verweilte ich im schützenden Zelt, da sich durch Wind und Regen inzwischen eine klirrende Kälte durch die Luft fraß, sodass der Atem in Form kleiner Nebelwolken sichtbar wurde. Das recht klare Wasser des kleinen Sees bescherte mir trotz des Wetters ein relativ trockenes MehrgängeTütenmenü und einen Kaffee zum Tagesabschluss. Ich ärgerte mich zwar, den Mate Tee daheim vergessen zu haben, war aber dank der Eindrücke des Tages und des diversen Landschaftsbildes sehr glücklich und zufrieden. Ein Manko gab es dennoch: aufgrund der unterspülten Grasflächen, des Dauerregens und der matschigen Wege waren meine Schuhe nun von innen leicht nass und sollten bei dem nächtlich herrschenden Feuchtklima auch nicht nennenswert trocknen. Aber sind wir ehrlich: wie viele Menschen haben die Gelegenheit dazu ihr Zelt in einem so verwunschenen und nebeligen Tal aufzuschlagen? Umgeben von bedrohlich wirkenden Klippen auf der einen und einem 220 m tiefen Hang mit Blick auf Loch Fada auf der anderen Seite. Inmitten mannshoher Felsbrocken und wie sich am nächsten Morgen anhand ihrer Hinterlassenschaften herausstellen sollte, auch umgeben von Füchsen. Das war unbezahlbar und ließ großzügig über die kleinen Widrigkeiten hinwegsehen.
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