erstbewertung - Dr Wilhelm Mecklenburg

RA Dr W Mecklenburg
Zu den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen A20 Elbquerung
(schleswig-holsteinischer Abschnitt) vom 28. April 2016 (Verkündung)1
Stand: 2. Mai 2016
1.
Mit einer rechtlich teilweise fragwürdigen Entscheidung hat das Bundesver­
waltungsgericht die bei ihm in erster und letzter Instanz anhängigen Klage­
verfahren in Sachen A20 Elbquerung Schleswig Holstein weitgehend mit
Klageabweisungen abgeschlossen. Der Planfeststellungsbeschluss wurde für
rechtswidrig erklärt nur in Bezug auf die klagenden Naturschutzverbände
(BUND, LNV, NABU) und zwar ausschließlich wegen Verstoßes gegen
Vorschriften der Wasserrahmenrichtlinie, die zugleich Verstöße gegen Vor­
schriften der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UV­
P-Richtlinie) darstellen. Verpasst wurde die Gelegenheit zu einer rechtskon­
formen Neujustierung der schleswig-holsteinischen Ausweisungspolitik von
europäisch geschützten Gebieten (Natura2000) ebenso wie die, die Verant­
wortlichkeiten für Leib und Leben der zukünftigen Tunnelnutzer auch in fi­
nanzieller Hinsicht dem Regelungsprogramm des Planfeststellungsbeschlus­
ses zuzuordnen und damit einer verbindlichen Lösung zuzuführen.
2.
Die nach dem auf europäischer Grundlage erlassenen Umweltrechtsbehelfs­
gesetz bestehende Anfechtungsmöglichkeiten auch von Privatklägern und
Gemeinden bei schweren Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung hat
das Gericht, obwohl dies in der mündlichen Verhandlung durchaus anders
wahrgenommen werden konnte, nicht zugestehen mögen.
3.
Gelungen ist die Klageabweisung gerade bei der klagenden Gemeinde nur,
weil das Gericht der Planfeststellungsbehörde gestattet hat, den Planfeststel­
lungsbeschluss während der mündlichen Verhandlung in vielfacher Hinsicht
zu ändern. Der Forderung der Kläger, die Frage nach der Zulässigkeit eines
derartigen - seit Jahren bei deutschen Gerichten üblichen - Vorgehens dem
europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, ist das Gericht
nicht nachgekommen. Viele Forderungen, denen jetzt in der mündlichen
Verhandlung stattgegeben wurde, bestehen immerhin seit etwa 10 Jahren.
4.
Hinsichtlich der schwierigen und in der mündlichen Verhandlung lange er­
örterten Frage der Tunnelsicherheit greift das Gericht eine Protokollerklä­
rung das Landes auf, wonach eine hauptamtliche Feuerwehr (Tunnelwache)
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Der Verfasser hat im gerichtlichen Verfahren die Elbfähre, die Gemeinde Kollmar und den
Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein vertreten. Die nachfolgenden Ausführungen
erfolgen nicht im Rahmen dieser Mandatierungen und stellen ausschließlich die eigene Auf­
fassung des Verfassers dar.
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
Kurze Anmerkungen auf der Grundlage der Verkündung am 28. April 2016
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eingerichtet werden soll. Ungeklärt bleibt die Frage der Finanzierung, ob­
wohl gerade die vom Land in der mündlichen Verhandlung beschworene Fi­
nanzierungsverantwortung der Gemeinde angesichts der konkreten Haus­
haltsverhältnisse der betroffenen 1700-Seelen-Gemeinde Kollmar einen
schwer wiegenden Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit bedeutet
(die erforderlichen Mittel betragen mindestens 50% der Haushaltssumme
der Gemeinde). Unberücksichtigt blieb auch der Hinweis der Kläger, dass
die Einrichtung einer Tunnelwache wegen der erforderlichen bisher nicht
vorgesehenen Bauten eine zuvorige Änderung des Planfeststellungsbe­
schlusses erfordert. Genau diese Änderung wollte das Land in der mündli­
chen Verhandlung aber auch auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts nicht
zugestehen. (Der Planfeststellungsbeschluss wäre dann übrigens auch in Be­
zug auf die Gemeinde rechtswidrig gewesen mit entsprechenden Kostener­
leichterungen für die Gemeinde.)
5.
Wohl auch rechtlich bedenklich ist in diesem Zusammenhang ohnehin, dass
das Gericht das deutsche Umsetzungskonzept der EU-Tunnelsicherheits­
richtlinie anscheinend für ohne Weiteres rechtskonform hält.
6.
Keine Erwähnung fand in der Verkündung das Problem der Übertragung
von Wegebaulasten auf die Gemeinden gegen deren Willen, obwohl auch
dies einen Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit darstellt.
7.
Im Naturschutz deutete das Gericht - angesichts der Rechts- und Sachlage
überraschend - an, dass Rastvogelgebiete, soweit nur zeitweilig benutzt,
nicht als Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Die schweren
rechtlich relevanten Versäumnisse des Landes bei der Ausweisung auch von
FFH-Gebieten ordnet das Gericht der Lösung im Folgeabschnitt (B431A23) zu, unterstellt aber gleichwohl derzeit "ein vorläufiges positives Ge­
samturteil" für die Planung in diesem Abschnitt. Mit der Verweisung auf den
Folgeabschnitt neutralisierte das Bundesverwaltungsgericht zugleich dem
Angriff auf die Korridorwahl: Mit den jetzigen Urteilen ist der Elbquerungs­
punkt der A20 abschließend festgelegt. Auch die substantiierten Einwendun­
gen zum Fledermausschutz erklärte das Bundesverwaltungsgericht für unbe­
achtlich.
8.
Für den Klimaschutz, der in der Verkündung keine Erwähnung fand, scheint
der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts dem 4. Senat folgen zu wollen,
dass die nach der UVP-Richtlinie zu prüfenden "Auswirkungen eines Pro­
jekts auf das Klima" jedenfalls nicht solche Auswirkungen umfassen, die für
den Klimawandel relevant sind. Dies ist nicht nur rechtlich bedenklich, son­
dern auch um so bedauerlicher, als das Umweltbundesamt jüngst erst gefor­
dert hat, die gesamte A20 von Westerstede (Niedersachsen) bis Hohenfelde
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
Kurze Anmerkungen auf der Grundlage der Verkündung am 28. April 2016
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(Schleswig-Holstein) aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen - maß­
geblich wegen der gravierenden Auswirkungen auf das Klima.
9.
Während sich der Ansatz des Bundesverwaltungsgerichtes, eine gemeinsa­
me Umweltverträglichkeitsprüfung für die beiden Hälften des Tunnels nicht
für erforderlich zu halten, in den Rahmen seiner Rechtsprechung (wenn
auch nicht unbedingt in die es Europäischen Gerichtshofs) einfügt, ist es
rechtsstaatlich als durchaus bedenklich anzusehen, dass die klare Anforde­
rung des schleswig-holsteinischen Verwaltungs- (und Verfassungs-) Rechts,
Planungen wie die des Elbtunnels, die mit der Übertragung von Zuständig­
keiten auf andere Bundesländer verbunden sind, nur auf der Grundlage eines
(hier nicht abgeschlossenen) Staatsvertrages betrieben werden dürfen, vom
Gericht ignoriert wird.
10.
Trotz der massiven Schützenhilfe durch das Bundesverwaltungsgericht
bleibt die Zukunft der A20 aber ungewiss. Die Vollziehbarkeit des Planfest­
stellungsbeschlusses für die schleswig-holsteinische Tunnelhälfte ist nach
wie vor für viele Jahre gehemmt, da die Vollziehbarkeit des Planfeststel­
lungsbeschlusses nicht nur der niedersächsischen Tunnelhälfte, sondern
auch des Abschnittes B431 bis A23 in Schleswig-Holstein und des Ab­
schnittes Drochtersen-Elm in Niedersachsen abgewartet werden müssen.
Bemerkenswert, dass das vorläufige positive Gesamturteil auch den zuletzt
genannten Abschnitt umfasst, obwohl dessen Pläne erst 2017 ausgelegt wer­
den sollen.
11.
Mit dem Baubeginn der Elbquerung kann jedenfalls in diesem Jahrzehnt
nicht mehr gerechnet werden und danach auch nur, wenn sowohl der Bund
erhebliche Geldmittel (nicht unter 500 Mio Euro) bereit stellt und ein Inves­
tor für den restlichen Betrag (1 Mrd Euro) gefunden wird. Die zur Refi­
nanzierung der Privatinvestitionen mindestens erforderlichen Verkehrsmen­
gen werden sich übrigens erst einstellen, wenn sowohl die gesamte A20 in
Niedersachsen als auch in Schleswig-Holstein gebaut sind.
12.
All dies steht ohnehin unter dem Vorbehalt, dass die Anforderungen der
Wasserrahmenrichtlinie tatsächlich erfüllt werden können. Sicher ist dies
nicht. Aber es gibt andererseits natürlich schon das vorläufige positive Ge­
samturteil des Gerichts für die Folgeabschnitte.
Dr W Mecklenburg, Rechtsanwalt
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