PDF - Katholische Kirche beim hr

Clemens Scheitza, Frankfurt
hr1-Sonntagsgedanken am 5. Mai 2016
Christi Himmelfahrt - der würdige Vatertag
Heute ist das Fest Christi Himmelfahrt. An diesem Tag haben die Freunde und Freundinnen Jesu damals seine Auffahrt in den Himmel erlebt, so erzählt die Bibel. Immer 40
Tage nach Ostern wird Himmelfahrt gefeiert. Damit fällt das Fest auf einen Wochentag,
den Donnerstag. Ein Ferientag mitten in der Woche. Wenn ich zurückdenke, war für
mich dieser Feiertag immer etwas märchenhaft. Märchenhaft: Mir diese Himmelfahrt
vorzustellen. Märchenhaft aber vor allen Dingen deshalb, weil die Schule für kleine Ferien unterbrochen war. Und wir regelmäßig an diesem Tag einen Ausflug mit meiner Familie unternahmen. Das hing mit dem Vatertag zusammen. Christi Himmelfahrt ist ja
auch zugleich Vatertag. Wenn die Mütter den Muttertag haben, dann steht den Vätern
auch ein Ehrentag zu. Ganz sicher meint das die Floristikindustrie. Blumen fand ich damals zu langweilig. Deshalb hab ich meiner Mutter Pfefferminzbonbons geschenkt, Vivils. Das entsprach auch eher meinem Budget. Mein Vater bekam dafür Zigarren. Je
älter ich wurde, desto teurere. Mein Vater revanchierte sich. Die ganze Familie, Vater,
Mutter und vier Kinder wurden ins Auto gepackt, und wir fuhren aufs Land zum so genannten Abkochen. Genauer gesagt auf eine Wiese in den Hintertaunus. Dort hat mein
Vater Feuer gemacht, auf einer selbst gebastelten Konstruktion hat er dann versucht,
einen Topf zu platzieren. Darauf wurde eine Suppe gekocht. Das dauerte furchtbar lang.
Unser Hunger wuchs und wuchs. Doch das nahmen wir hin, denn unser Vater kochte.
Und das war etwas Besonderes. Das einzige Mal im Jahr. Währenddessen hat er uns
aus seiner Jugend erzählt. Er erzählte, wie er auf dem Bauernhof aufgewachsen ist, von
seiner Liebe zur Natur. Er schwärmte von der Schönheit der Wälder, dem duftenden
Gras. Von seinem Zuhause. Und wir saßen da, wir kleinen Städter, und lauschten ihm
gespannt, mitten in dieser schönen Natur.
Später habe ich das mit meiner Familie versucht. Aber das ging vollkommen daneben.
Es fehlten die schönen Geschichten, es fehlte die Begeisterung meines Vaters, es fehlte, dass wir uns an diesem Tag ein Stück näherkamen.
Man kann Vatertag auch anders feiern. Auf unserer Fahrt zu unserem Rastplatz haben
wir damals schon junge Männer auf der Wanderung gesehen, meist alkoholisiert, häufig
mit einem Bollerwagen, bepackt mit möglichst viel Alkohol. So geht Vatertag auch. Das
war nicht die Art meines Vaters.
Musik
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Meine Erinnerungen an Christi Himmelfahrt sind also stark vom Vatertag geprägt – von
unseren ganz besonderen Ausflügen mit meinem Vater. Aber das find ich gar nicht so
schlecht. Ich meine: Himmelfahrt und Vatertag passen tatsächlich ganz gut zusammen.
Sie haben einen engen Bezug. Himmelfahrt ist für mich keine räumliche Bewegung: von
der Erde weg, in ferne Höhen. Sie hat für mich eher symbolische Bedeutung. Ein Bild
dafür, dass Jesus auf seinen Vater verweist - zum Himmel. Als seine Kraft, als unsere
Kraft.
Ich spreche von Gott als dem Vater, so zum Beispiel im „Vaterunser“. Das ist für mich
ein Bild: der Unvorstellbare wird vorstellbar. Natürlich könnte ich Gott auch als Mutter
bezeichnen. So hat mein Gott väterliche und mütterliche Züge. Gott ist barmherzig und
gerecht, er hält mich geborgen und tröstet mich, wie Mutter und Vater.
All diese mütterlichen und väterlichen Eigenschaften Gottes kommen besonders im
Gleichnis vom verlorenen Sohn zum Ausdruck, finde ich. Da entlässt ein Vater seinen
Sohn auf dessen Wunsch aus der behüteten Umgebung, dem sicheren Nest. Er traut
ihm sein eigenes Leben zu. Er fördert den Freiheitsdrang seines Sohnes. Er möchte
dessen Unabhängigkeit und aufrechten Gang. Als der Sohn scheitert, nimmt er ihn ohne
Frage, ohne Zorn in die Geborgenheit seines Hauses wieder auf. Er gibt ihm die Hand
zu einem Neuanfang. Ein Vater, der die Freiheit zulässt und fördert. Ein Vater mit der
festen Zusage: du kannst jederzeit zu mir in die Geborgenheit zurückkommen. So sehe
ich meinen Gott.
Manchmal erscheint mir die Kirche aber eher wie ein übervorsichtiger Vater oder eine
übervorsichtige Mutter, die das eben nicht kann: ihre Kinder loslassen. Übervorsichtig ist
sie, weil sie Angst hat, ihre Kinder zu verlieren. Und genau das geschieht dann auch.
Kirche muss mehr wie Gott in diesem Gleichnis sein: barmherziger Vater und barmherzige Mutter, die den Kindern etwas zutraut. Dazu ruft ja gerade auch sehr eindrücklich
Papst Franziskus auf.
Mein Gott traut mir etwas zu. Das bestätigen mir auch die Bibeltexte von Christi Himmelfahrt. In den katholischen Gottesdiensten heute wird aus dem Lukas-Evangelium vorgelesen: Jesus segnet seine Jünger und wird währenddessen zum Himmel emporgehoben. In der ausführlicheren Version, der Apostelgeschichte, ist von zwei Engeln die Rede. Sie weisen die Freunde und Freundinnen Jesu zurecht: „Ihr Männer von Galiläa,
was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apostelgeschichte 1,11). Gemeint ist:
Die Freundinnen und Freunde Jesu sollen nicht erstarren und zum Himmel schauen. Ihr
Blick soll auf die Erde gerichtet sein. Jetzt sollen sie die Nachfolge Jesu antreten. Sie
sollen miteinander einen Himmel auf Erden vorbereiten, das Reich Gottes. Gottvater
vertraut ihnen. Sie müssen sich nicht abhängig machen von Vätern oder Müttern, die sie
bevormunden oder klein halten wollen. Gott entlässt sie an Himmelfahrt endgültig in die
Selbstständigkeit.
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Musik
Die Bibel geht bei ihren Geschichten von Christi Himmelfahrt von einem drei Etagengebäude aus: mit Himmel, Erde und Hölle. Dieses Weltbild gibt es natürlich längst so nicht
mehr. Das heißt aber nicht, dass auch das nicht mehr gilt, was uns mit dem Himmel versprochen ist.
„Himmel“ steht für mich für meine Sehnsucht nach unendlicher Geborgenheit. Dieselbe
Sehnsucht hatte Jesus in seinem Leben, bis zu seiner Todesstunde am Kreuz. Und diese Sehnsucht haben die Freunde und Freundinnen Jesus nach dessen Tod bestätigt
gesehen. Sie haben erlebt und erzählen davon: Jesus ist in seiner Auferstehung endgültig in dieser unendlichen Geborgenheit angekommen.
Mit Christi Himmelfahrt beschreibt die Bibel auch gleichzeitig den Abschied der Jüngerinnen und Jünger von Jesus. Er ist nicht mehr leibhaftig bei ihnen. Jetzt müssen sie
erwachsen werden. Sie müssen Verantwortung übernehmen. Sie - und in ihrer Nachfolge ich als Christ - sind frei. Ich kann diese Botschaft weitergeben und weiterleben. Sie
lautet: Ihr müsst keine Angst um euch haben, da ist ein Vater, der euch auffängt. Bei
ihm seid ihr alle Zeit aufgehoben. Dieser Vater traut euch etwas zu: ihr könnt die Welt
dem Himmel etwas näherbringen. Er hält die Hand über euch. Wenn ihr euch so gehalten fühlt, wird euch das die Kraft geben, die Welt menschlicher zu gestalten. Wenn ihr
euch gehalten fühlt, wird so euer Handeln authentisch sein, so wie Jesus Handeln authentisch war. So werdet ihr auch andere Menschen überzeugen.
Das erinnert mich an meinen Vater, an unsere Ausflüge zum Vatertag. Sein Handeln
und seine Erzählungen stimmten so überein, dass wir uns bei seinen Geschichten und
ihm zu Hause fühlten. Er war uns ganz nah. Wir fühlten uns bei unserem Vater aufgehoben. Ein Vatertag, der die Botschaft von Christi Himmelfahrt in sich hatte.
Zum Nachhören als Podcast
http://www.hr-online.de/website/radio/hr1/index.jsp?rubrik=23808
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