Zukunft Telekommunikation – TK-Tag Hessen 2010 - Hessen-IT

„Zukunft Telekommunikation – TK-Tag Hessen
2010“ - Erfolgreicher Expertenaustausch in
Schloss Reinhartshausen
Welche Spielregeln braucht der Telekommunikationsmarkt von morgen? Welche
Leitplanken müssen EU, Bund und Länder setzen, um einen optimalen Rahmen
für Geschäftskunden und Privatkunden zu schaffen und die durch IKT-Nutzung
prognostizierten Effizienzgewinne für Deutschland nutzbar zu machen? Wie
können auch künftig Anreize für Investitionen geschaffen bzw. erhalten werden?
Diese Fragen standen im Fokus der Expertenrunde beim traditionellen TK-Tag
des Hessischen Wirtschaftsministeriums am 16. September in Schloss
Reinhartshausen in Eltville im Rheingau.
Hessen trägt dazu bei, die richtigen Spielregeln für die Netze von morgen
zu entwerfen
„Der TK-Tag Hessen hat inzwischen Tradition – einmal im Jahr treffen sich
ausgewiesene Experten der TK-Branche in Hessen, um hier trefflich und
zielführend über die wesentlichen regulatorischen Herausforderungen zu streiten
und damit den Weg für geeignete Regeln für morgen zu ebnen. Hessen setzt
sich für geeignete Rahmenbedingungen ein – auf Bundesebene beispielsweise
im Bundesrat, im Beirat der Bundesnetzagentur und in der
Wirtschaftsministerkonferenz. Dazu müssen wir mit der Branche, den
Stakeholdern, immer wieder kommunizieren“, sagte Dr. Michael Hann,
Geschäftsführer der HA Hessen Agentur GmbH, in seiner Begrüßungsrede vor
rund 90 Teilnehmern der Veranstaltung.
Vorbildliche Zielsetzungen und Maßnahmen zum Breitbandausbau in
Deutschland
Dr. Peter Stuckmann von der Europäischen Kommission in Brüssel betonte in
seiner Key Note die hohe Bedeutung, die die EU dem Breitbandausbau
einräume, da das schnelle Internet eine Grundlage für Wachstum, Wohlstand
und soziale Integration sei. Daher sei es das Ziel der Kommission bis zum Jahr
2020 einen breitbandigen Zugang mit 30 Mbit/s für alle Europäer bereitzustellen.
Dr. Stuckmann wies hierbei auf die vorbildlichen Zielsetzungen und Maßnahmen
zum Breitbandausbau in Deutschland hin, führte aber auch aus, dass sich
Deutschland zwar beim Breitbandverbreitungsgrad im Durchschnitt der EU
befinde, beim Mobilfunkbreitband allerdings noch Nachholbedarf bestünde.
Brauchen wir eine andere Form der Regulierung für
Geschäftskundenanbieter?
Jim Niblett von der britischen Regulierungsbehörde Ofcom führte anschließend
in die Podiumsdiskussion über die Frage, welche Leitplanken EU, Bund und
Länder setzen sollten, um einen optimalen Rahmen für Geschäftskunden und
Privatkunden zu schaffen, ein. Sein Vortrag hatte die Untersuchung der GEREK,
des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische
Kommunikation, zu Wettbewerbsproblemen in Bezug auf die Bereitstellung von
Kommunikationsdiensten für „High-End“-Geschäftsanwender im Fokus. Hierbei
seien die Möglichkeiten einer Stärkung des Wettbewerbs in diesem „High-EndSegment“ des Marktes betrachtet worden. Ein Ergebnis der 2009 gestarteten
Untersuchung sei, dass es einen Bedarf für mehr Wettbewerb im
Geschäftskundenbereich gebe. GEREK werde demnächst eine Empfehlung zur
geeigneten Umsetzung bspw. in Marktanalysen und Regulierungsverfügungen
veröffentlichen,
In der anschließenden Podiumsdiskussion zeigte sich, dass auch für den
deutschen Markt eine Differenzierung des Rechtsrahmens für
Geschäftskundenanbieter wünschenswert wäre. Auch müssten, so Dr. Andreas
Peya von der Verizon Deutschland GmbH, die bestehenden Rechtsregeln von
der Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von
Geschäftskundenanbietern angewandt werden. Dr. Vesta von Bossel von der
Deutschen Telekom verwies abschließend darauf, dass eine einheitliche und
präzise Begriffsverwendung (TKG und europäisches Recht kennen den Begriff
des „Geschäftskunden“ nicht) notwendig sei, ein Problem, das auch die GEREKUntersuchung feststellt.
VATM stellt Marktkonzept „Open Access“ vor
Nachdem Dr. Kurt Reichinger von der österreichischen Rundfunk und Telekom
Regulierungs-GmbH einen Praxis-Überblick über die Rahmenbedingungen für
den NGA-Ausbau in Österreich gegeben hatte, stellte Jürgen Grützner das
Marktkonzept „Open Access“ des Verbands der Anbieter von
Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) vor. Basis dieses Konzepts
sei, so Jürgen Grützner, dass die TK-Infrastruktur mit dem Glasfaserausbau vor
dem größten Umbruch seit Schaffung des Kupfernetzes stünde. Bei einer hierfür
notwendigen Zeitdauer von 15 Jahren seien Kosten zwischen 40 und 50 Mrd.
Euro zu erwarten. Diese gewaltigen Investitionen seien nur dann zu stemmen,
wenn die Investoren Planungssicherheit hätten, die Interessen aller Marktakteure
berücksichtigt würden und sie ohne Wettbewerbsbehinderungen arbeiten
könnten. Das VATM-Marktkonzept „Open Access“ sieht daher den
Glasfaserausbau bis zum Endkunden vor und möchte Regulierungseingriffe
durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Branche auf Open Access
vermeiden. Das VATM-Modell käme insoweit einem Paradigmenwechsel gleich,
da es zunächst auf eine ex-ante Preisregulierung verzichten würde. Die
Bundesnetzagentur würde jedoch – quasi als Schiedsrichter – über die
geeigneten Regulierungsinstrumente verfügen, sofern die freiwillig vereinbarten
Spielregeln nicht eingehalten würden.
Brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der TK-Regulierung?
Die Frage nach der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels wurde zur
Kernfrage der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern aller wichtigen
Verbände der Branche. Markus Isermann von der Deutschen Telekom führte
zwar zu Beginn der Diskussion aus, dass die Regulierung der „alten Kupferwelt“
nicht einfach der „neuen Glasfaserwelt“ übergestülpt werden könne und dass
deshalb ein Paradigmenwechsel nötig sei. Für Dr. Stephan Albers vom
Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) ist ein Paradigmenwechsel
zu weit gegriffen, notwendig sei vielmehr eine kontinuierliche Regulierung.
Thomas Mosch vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation
und neue Medien (BITKOM) verwies darauf, dass es aus seiner Sicht in der
„neuen Glasfaserwelt“ keinen alles beherrschenden Monopolisten mehr geben
werde, daher sollten die Spielregeln durchaus aus der Branche heraus gestaltet
werden. Ins gleiche Horn stieß auch Benedikt Kind vom Bundesverband
Glasfaseranschluss (BUGLAS): Dort wo die Partner sich einig seien, sei eine
Regulierung überflüssig. Allerdings sei eine Moderation notwendig. Nach
Einschätzung von Dr. Iris Henseler-Unger von der Bundesnetzagentur
übernimmt die deutsche Regulierungsbehörde zunehmend auch die Rolle eines
Mediators. Völlig abgeschafft werden könne die Regulierung aber auch in der
„neuen Glasfaserwelt“ nicht, denn man müsse sich weiterhin für Interoperabilität
und Diskriminierungsfreiheit einsetzen. Brancheninterne Vereinbarungen
könnten zudem kartellrechtliche Probleme aufwerfen.
Eines der zentralen Ergebnisse des TK-Tags Hessen war daher die Feststellung,
dass man auch weiterhin dort Regulierung brauchen wird, wo die Branche nicht
aus eigenem Antrieb wettbewerbsfördernde Spielregeln einhält. Allerdings muss
die Regulierung sich der dynamischen Entwicklung des
Telekommunikationsmarktes anpassen
In einem Extrakästchen:
Weitere Informationen zum TK-Tag Hessen und die Vorträger vom 16.
September finden Sie unter www.hessen-it.de/tk-tag.
Christoph Hahn