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Die
Branchenzeitung www.verlage.verdi.de | www.druck.verdi.de | www.papier.verdi.de
D R U C K + PA P I E R 2 . 2 0 1 6
DRUCK
PAPIER
Collage: werkzwei, Fotos: Werner Bachmeier, iStockphoto
Nr. 2 | April 2016 | Jahrgang 154
Das Leben wird teurer – wir auch
Trotz niedriger Inflation: Preise für viele Alltagsgüter steigen. Deshalb braucht es
ordentliche Tariferhöhungen
Kai Meier schlägt wütend die Zeitung
zu. »Die Preise purzeln wie noch nie«,
heißt es dort in einer Überschrift.
Wenn er so was schon liest. Was
nützt es ihm, wenn Laptops, digitale
Kameras und Fernseher billiger werden. Und Flugtickets. Von seinem
Lohn als Helfer in einer Druckerei
kann er sich eine Flugreise mit seiner
Familie ohnehin nicht leisten. Das
Leben wird teurer! Um das festzustellen, muss man nur mal einkaufen.
Kartoffeln, Gemüse, Obst, Marmelade, Fisch, Brot, Schokolade, Kaffee,
alles kostet mehr. Kai Meier schüttelt
den Kopf – das bildet er sich doch
nicht nur ein. Tut er nicht.
Mieten steigen
Zwar sind die Verbraucherpreise
im vergangenen Jahr nur um 0,3
Prozentpunkte gestiegen. Aber bei
den verschiedenen Produkten und
Dienstleistungen gibt es deutliche
Unterschiede. Lebensmittel und
Bekleidung kosteten mehr, Kommu-
|
Michaela Böhm
nikation und Technik wurden billiger.
Nettokaltmieten sind gestiegen,
ebenso wie die Preise im öffentlichen
Nahverkehr. Gerade hat Kai Meiers
Sohn ihm ein Schreiben hingelegt,
dass das Schülerticket teurer wird;
der Vermieter hat eine Mieterhöhung
ab Juni angekündigt und die Stromnachzahlung wird fällig. Wie soll er
das bezahlen, wenn sein Lohn nicht
steigt?
Fünf Prozent mehr Geld
ver.di fordert für die rund 140.000
Beschäftigten der Druckindustrie fünf
Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit
von zwölf Monaten. Kai Meier findet
das richtig. Natürlich weiß er, dass
die Situation in der Druckindustrie
schwierig ist. Doch die Beschäftigten
in Druckereien bringen ebenso volle
Leistung wie Belegschaften in anderen Branchen. Und haben deshalb
genauso Anspruch auf mehr Lohn.
Zumal sich die Einkommen in der
Druckindustrie in den vergangenen
Jahren viel langsamer und niedriger
entwickelten als in anderen Wirtschaftszweigen, etwa der Chemie
oder der Metall- und Elektroindustrie.
Noch schlechter als in der Druckbranche ist die Einkommensentwicklung
nur im Hotel- und Gaststättengewerbe. Deshalb brauchen »die Beschäftigten der Druckindustrie eine
deutlich spürbare Verbesserung ihrer
Einkommen«, wie der stellvertretende
ver.di-Vorsitzende Frank Werneke
betont.
Kein Ergebnis zum Auftakt
Kai Meier ahnt, dass es wieder eine
schwierige Tarifrunde werden wird.
In der ersten Verhandlungsrunde am
7. April in Berlin legte der Bundesverband Druck und Medien (bvdm)
kein Angebot vor. »Die Arbeitgeber
verweigern den Beschäftigten die
Wertschätzung, die sie verdienen«,
kritisierte Andreas Fröhlich von ver.di.
Mehr zur Tarifrunde in der Druckindustrie: Seiten 3, 4 und 5.
Aus dem Inhalt
Union blockiert
Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen: erst unzureichend,
dann verwässert, schließlich
auf Eis gelegt.
Seite 6
Streik von 1976
Wie die Drucker vor 40
Jahren die Tarifautonomie
verteidigten. Seiten 8 und 9
Leidenschaft Buch
Auszubildende zur Medientechnologin Druckverarbeitung – ein Porträt. Seite 14
Neuer Online-Auftritt:
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NÄCHSTE AUSGABE
Die nächste Ausgabe
erscheint nur online
Ende Mai 2016.
2
D R U C K + PA P I E R 2 . 2 0 1 6
S t ric h ä t z u n g
AUSGABE
Illustration: Thomas Klefisch
… hat einen klaren Schwerpunkt: die Tarifrunde in der
Druckindustrie. ver.di fordert für die rund 140.000 Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld. Das untermauern
wir mit guten Argumenten, denen ausgerechnet der
Bundesverband Druck und Medien (bvdm) kurz vor
Drucklegung ein weiteres hinzugefügt hat: Die Stimmung in der Branche hellt sich auf. Laut einer Anfang
April vorgelegten Befragung beurteilen die Unternehmen ihre Lage und ihre Perspektiven deutlich besser
als zuletzt. 35 Prozent der Firmen ordnen Überstunden an (Vorjahr: 31 Prozent). Es gibt in der Tarifrunde
also keinen Anlass zur Zurückhaltung.
Von der Konjunktur abgesehen: Grund zum Lohnverzicht gibt es sowieso nicht. Zum einen leisten die
Kolleginnen und Kollegen in den Druckereien gute
Arbeit. Zum anderen wird das Leben teurer – trotz
niedriger Inflation. Denn die Preise für viele Güter des
täglichen Bedarfs steigen weiter. Das muss durch höhere Löhne ausgeglichen werden.
Wichtig ist: Zusammenhalten. Nur gemeinsam
können die Belegschaften ihre Lage verbessern. Das
gilt für die Druckerinnen und Drucker, die Verlagsangestellten und
Redakteur/innen.
Und das gilt für
Beschäftigte mit
Werkvertrag, für
Leiharbeiter und
Stammkräfte. Leider
hat die Regierung
ihr Versprechen
bislang nicht umgesetzt, gegen die Spaltung in den Betrieben vorzugehen. Die Gewerkschaften machen dafür weiter Druck.
ver.di zehrt dabei auch von den Erfahrungen der
Vergangenheit. Die Vorgängerorganisation IG Druck
und Papier hat in vielen Auseinandersetzungen gezeigt, dass kämpferische Gewerkschaften erfolgreich
sein können. So auch beim Lohnkonflikt vor 40 Jahren, an den wir in dieser Ausgabe erinnern. Damals
wie heute ist klar: Als reine Stellvertreterin kann
die Gewerkschaft nichts erreichen. Ohne das Engagement der Kolleginnen und Kollegen geht es nicht.
Im Betrieb, in Tarifrunden, gegenüber der Politik.
Foto: Astrid Sauermann
Schokolade für Waffenfreunde
Daniel Behruzi
Manchmal kriege ich Anfälle von Radikal.
Dann recke ich kämpferisch die linke Faust
und rufe wie früher: »Afghanistan, Syrien,
Türkei – bei jeder Schweinerei ist die
BRD dabei« oder »Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!«
Dabei hüpfe ich um meinen Wohnzimmertisch – bis meine Tochter reinkommt und
sagt: »Papa, bist du wieder peinlich?« Was
früher selbstverständlich war, ist jetzt das
neue Peinlich. Dagegen heute selbstverständlich: Sigmar Gabriel verteidigt regelmäßig deutsche Waffenverkäufe in Rekordmengen: Wir verkaufen ja nur an Freunde
und Partner und die müssen versprechen,
dass sie die Waffen niemals benutzen. Weil
man Freunden vertraut, glauben wir ihnen,
dass sie mit den Waffen nur Fluchtursachen
bekämpfen wollen. Deshalb bekommt Katar
Panzer von Deutschland. Vermutlich hat
Franz Beckenbauer – der WM-Botschafter für 2022 – persönlich dafür gebürgt,
dass »der Scheich« ein »Supertyp« ist.
Niemals würde er die Panzer benutzen.
D ie M e l du n g h i n t er der Za h l
2008
2010
23
2012
2014
unterbeschäftigt/nicht mehr
aktiv auf Jobsuche
arbeitslos gemeldet
Quelle: IMK u. a. 2015
www.iags-project.org/documents/iags_report2016.pdf
Die ausländischen Bauarbeiter auf den
Stadionbaustellen sterben ja auch so
wie die Fliegen. Katar will die Panzer
gewiss nur aufstellen, um Hooligans in
Schach zu halten. Und Saudi-Arabien
ist eh nur Wüste und Öl – da dienen
die Panzer eher als extravagante Quads
für Picknick-Ausflüge der Königsfamilie.
Auch die Türkei will deutsche Waffen
nicht benutzen, versichert der Präsident
und Freund der türkischen Pressefreiheit, Recep Tayyip Erdoğan. Waffen
seien wie Schokolade: Es ist immer gut,
einen Vorrat davon im Haus zu haben,
falls unangemeldet Fremde zu Besuch
kommen. Ich befürchte, es dauert keine
zwei Monate mehr, bis Angela Merkel
im deutschen Fernsehen Erdoğan »einen
lupenreinen Demokraten« nennt. Viele
sagen: Früher ging’s uns gut, heute
geht’s uns besser. Besser wäre, es ginge
uns heute wieder gut. Und linke Slogans
wären nicht peinlich. Sondern selbstverständlich.
Robert Griess
Prozent der Menschen in der Euro-Zone sind
erwerbslos oder unterbeschäftigt. Seit Beginn der
Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hat sich die Arbeitslosigkeit damit deutlich verschärft. Die Folge: Vor allem
in Südeuropa verarmen große Teile der Bevölkerung. Das
hat auch mit der Politik Deutschlands und der EU-Kommission zu tun, die den Schuldnerstaaten Kürzungsprogramme diktieren. Doch mit Sozialabbau, Privatisierungen und Massenentlassungen wird die Krise nicht überwunden. Im Gegenteil. Die Gewerkschaften plädieren
daher für eine Kehrtwende – für ein soziales Europa.
Grafik: werkzwei, Detmold
DIESE
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3
Tarifru n de D rucki n du s t rie
»Beschäftigte haben sich das verdient«
DRUCK+PAPIER: Der ÖkonomieProfessor Peter Bofinger, einer von
fünf sogenannten Wirtschaftsweisen, empfiehlt Lohnzuwächse von
drei Prozent, aber nicht fünf, wie
ihr das jetzt fordert. Wie begründet
ihr eure Forderung?
Andreas Fröhlich: Ganz einfach:
Die Kolleginnen und Kollegen der
Druckindustrie haben sich das verdient. Leistungsverdichtung durch
anhaltenden Personalabbau, hohe
Arbeitsbelastung durch Schicht- und
Wochenendarbeit und mehr Stress,
weil in immer kürzerer Zeit höchste
Qualität geliefert wird – das muss
sich auch in der Bezahlung niederschlagen.
Cartoon: Reinhard Alff
Eure Forderung ist so hoch wie die
der IG Metall. Diese bezeichnet
die Ertragslage der Unternehmen
in der Metall- und Elektroindustrie
allerdings als »durchschnittlich bis
exorbitant gut«. Davon kann in der
Druckindustrie keine Rede sein.
Richtig ist, dass die Druckindustrie
eine kriselnde und schrumpfende
Branche ist. Aber in den meisten
Zeitungsverlagen werden immer
noch gute Gewinne erzielt und
Teilbranchen wie der Online- und
Digitaldruck wachsen. Wer glaubt,
dass Arbeitsplätze durch Lohnzurückhaltung gerettet werden, irrt.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen
dafür sorgen, dass die Branche für
hoch qualifizierte Beschäftigte attraktiv bleibt – auch mit guten Löhnen.
Sonst wandern sie in besser zahlende
Branchen ab. Die Beschäftigten der
Druckindustrie dürfen nicht abgehängt werden.
Foto: Stefanie Herbst
Ganz Deutschland im Tarifkampf? Das ist gar nicht abwegig. Im Frühsommer geht
es für 3,8 Millionen Metaller und mehr als zwei Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst um mehr Geld, mittendrin die Druckindustrie. Ist das gut? Kann das
helfen? Fragen an Andreas Fröhlich.
Andreas Fröhlich
Mitglied der ver.diVerhandlungsführung
breite Bewegung für mehr Lohn gibt,
ist das auch für uns beflügelnd, keine
Frage. Aber jeder muss letztlich selbst
für seinen Abschluss kämpfen. Und
für uns wird es keinesfalls eine einfache Tarifrunde. Die Zeitungsverleger
In der Druckindustrie und anderswo
haben in den Tarifverhandlungen für
gibt es immer weniger tarifgebunRedakteur/innen an Tageszeitungen
dene Betriebe und damit weniger
streikbereite Belegschaften. Wie wollt bereits die Richtung klargemacht:
Sie wollen eine Laufzeit von drei
ihr gegensteuern?
Jahren, Nullmonate und nicht einmal
Künftig wollen wir auch Betriebe
die Inflation ausgleichen. Und da im
beteiligen, die bislang nur auf der
Zeitungsverlegerverband zum Teil
Zuschauertribüne saßen und sich
die gleichen Personen sitzen wie im
sicher sein konnten, von TarifauseiArbeitgeberverband der Druckinnandersetzungen nicht behelligt zu
werden. Wir werden besonders ein
dustrie, ist davon auszugehen, dass
Auge auf sogenannte OT-Unternehwir wieder eine zähe und schwierige
men (ohne Tarifbindung) haben. Diese Tarifrunde zu bewältigen haben.
sind zwar Mitglied im ArbeitgeberverDer Arbeitgeberverband hat eure
band, wenden aber keinen Tarifvertrag an und beeinflussen dennoch die Forderung als realitätsfern bezeichGeschäfte im Verband. Wir werden in net.
der Tarifauseinandersetzung gezielt
Das ist die übliche Reaktion. Unsere
tariflose Betriebe zu Lohnverhandlun- Tarifforderung ist in den Augen der
Arbeitgeber immer abwegig. Davon
gen auffordern.
lassen wir uns nicht irritieren. Wichtig
ist, dass unsere Forderung für unsere
Hilft es, dass auch die IG Metall und
andere in ver.di für höhere Löhne und Mitglieder vor dem Hintergrund ihrer
Gehälter streiten? Segelt ihr im Schat- Lebens- und Arbeitssituation realitätsnah ist. Das ist unser Maßstab.
ten der Großen mit?
Wenn es in der ganzen Republik eine
Interview: Michaela Böhm
Zeitplan der Tarifrunde
17. Februar: Die ver.di-Tarifkommission hat entschieden,
das Lohnabkommen zum
31. März 2016 zu kündigen. Zugleich beschloss sie
einstimmig eine Forderung
von fünf Prozent mehr Geld
bei einer Laufzeit von zwölf
Monaten.
7. April: Erste Verhandlungsrunde in Frankfurt am Main
blieb ohne Ergebnis.
1. Mai: Ende der Friedenspflicht – ab jetzt kann
ver.di die Beschäftigten der
Druckindustrie zu Streiks
aufrufen.
3. Mai: Zweite Verhandlungsrunde in Köln
!
Aktuelle Infos
zur Tarifrunde
www.bit.ly/tarif16
4
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Alle zusammen!
Tarifru n de 2 0 1 6
Es könnte eine mächtige Tarifbewegung werden: Beschäftigte in Druckereien
und Redakteur/innen an Tageszeitungen streiten gemeinsam für mehr Geld.
Und die Verlagsangestellten gucken nicht nur zu | Michaela Böhm
beschließt Tarifforderung
Tarifkommission
Æ
An Übernahme gewöhnt
Und auch in Baden-Württemberg muss es
nicht immer gut gehen. »Die Angestellten können sich künftig nicht mehr darauf verlassen,
dass es ihre Kollegen und Kolleginnen aus der
Druckindustrie schon richten werden«, hieß
es in einem ver.di-Flugblatt aus Stuttgart von
2014. »Das haben viele Angestellte bei uns bereits vergessen oder befassen sich nicht damit«,
sagt Elke Lang, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der »Heilbronner Stimme«. Sie hätten
sich daran gewöhnt, dass der Abschluss der
Druckindustrie auch das nächste Mal wieder
übernommen werde.
Wie eine Tarifforderung entsteht
Æ
Kein Automatismus mehr
Baden-Württemberg ist eine Ausnahme. In
anderen Bundesländern gibt es diesen Automatismus schon seit Ende der 1990er nicht
mehr. Die Zeitungsverleger orientieren sich
nicht mehr am Abschluss der Druckindustrie,
sondern setzen in eigenständigen Verhandlungen auf Einschnitte und Verschlechterungen. Das hat Folgen. Fast überall fallen
die Tarifabschlüsse für Verlagsangestellte
schlechter aus als in der Druckindustrie. Mal
ist das Lohnplus niedriger, mal die Laufzeit
länger, mal gibt es mehr Nullmonate. Ganz
schlecht sieht das Ergebnis in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aus: Dort erhielten
die Zeitungsverlagsangestellten 2014 nur eine
Einmalzahlung von 240 Euro – und keine dauerhafte Erhöhung.
Es gibt Angestellten-Abteilungen in Zeitungsverlagen, die bereit sind, sich für ihren
Tarifvertrag einzusetzen und notfalls zu streiken. Doch Auslagerungen in tariflose Betriebe
machen die Gegenwehr schwer. »Wir müssen
insgesamt feststellen, dass sich viele Angestellte wenig für ihren Tarifvertrag engagieren«,
sagt die bayerische ver.di-Landesfachbereichsleiterin Christa Hasenmaile.
Æ
Vor zwei Jahren ging es gerade noch einmal gut. 2014 wurde der Tarifabschluss der
Druckindustrie für die Angestellten in den
baden-württembergischen Zeitungsverlagen
übernommen. Die Verlagsangestellten bekamen, was die Drucker/innen erstreikt hatten:
drei Prozent mehr Gehalt im ersten Jahr und
ein Prozent im folgenden Jahr. Früher war
es üblich, dass die Zeitungsverleger den Abschluss der Druckindustrie ohne Änderungen
übertrugen. Vor zwei Jahren stand diese
Praxis auf der Kippe, weil die Verleger eigenständige Verhandlungen forderten. Am Ende
akzeptierten sie das Tarifergebnis der Druckbranche schließlich doch noch.
diskutieren
wählen/entsenden
Æ
Kommentar
Stellenanzeige: »Wir bieten eine 40-Stunden-Woche (locker mehr), ein leistungsabhängiges Gehalt, 24 Tage Urlaub und kleine
Extras, wenn wir mit Ihnen zufrieden sind.«
Klingt nicht prickelnd. Kein Urlaubsgeld,
keine Jahresleistung, ein unsicheres Gehalt,
zu wenig Urlaub und eine lange Arbeitswoche.
Doch so sehen Arbeitsbedingungen aus,
wenn sich Arbeitgeber durchsetzen und
keine Gewerkschaft sie daran hindert. ver.di
kann aber nur dann ordentliche Tarifverträge
abschließen, wenn es genügend widerständige Mitglieder in den Betrieben gibt. Wie
in der Druckindustrie, wo Helfer/innen und
Facharbeiter/innen eins ums andere Mal ihren
Tarifvertrag verteidigen und verbessern. Ebenso
wie Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen. Nur die Angestellten in Druckereien
und Verlagen überlassen – bis auf Ausnahmen – die Durchsetzung einer Tariferhöhung
anderen. Zeit, dass sich das ändert. Weil die
gesamte Branche in Tarifauseinandersetzungen
steckt, sind die Voraussetzungen, gemeinsam
Stärke zu beweisen, besser denn je.
Also: Mitmischen statt zugucken. Danach
fühlt sich das erkämpfte Tarifplus auch viel besser an. Versprochen.
ver.di-Mitglieder
Bis eine Tarifforderung steht, hat sie einen
langen Weg hinter sich. Die ver.di-Mitglieder debattieren bundesweit in den Bezirken über die Forderung und schicken ihre
gewählten Tarifkommissionsmitglieder mit
dem Beschluss in die Tarifkonferenz. Dort
wird noch einmal beraten und schließlich
über die Forderung abgestimmt.
Grafik: werkzwei, Detmold
Mitmischen statt zugucken
5
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Wer von höheren Löhnen profitiert
Zunächst einmal gelten Tariferhöhungen für alle Gewerkschaftsmitglieder
in tarifgebundenen Unternehmen.
Denn nur sie haben einen Anspruch
auf tarifliche Leistungen. Allerdings
weiß jeder, dass die Tarifregelungen
für Nicht-Mitglieder in der Regel
ebenfalls gelten. Das ist ungerecht.
Der Arbeitgeber tut das, um sie nicht
durch schlechtere Arbeitsbedingungen und Einkommen zum Gewerkschaftseintritt zu bewegen. Wichtig
ist, Kollegen und Kolleginnen, die
noch nicht Mitglied sind, zu erklären,
warum sie mit ihrer Haltung die Arbeitnehmerseite schwächen und die
der Arbeitgeber stärken.
Aktuelle Tarifrunden
Branche
Druckindustrie
Gewerkschaft
ver.di
Beschäftigte
Forderung
1 Jahr Laufzeit
140.000
5%
Bund, Gemeinden
ver.di
2.140.000
6%
Metallindustrie
IG Metall
3.800.000
5%
Bankgewerbe
ver.di
243.900
4,9 %
Deutsche Telekom
AG, Servicegesellschaften
ver.di
50.800
5%
Bauhauptgewerbe
IG BAU
675.000
5,9 %
Tageszeitungsjournalisten
dju in ver.di
14.000
5%
Wer höhere Löhne und Gehälter durchsetzt, tut aber nicht
nur etwas fürs eigene Konto,
sondern wirkt indirekt auch
auf tariflose Betriebe und den
gesetzlichen Mindestlohn.
Das geht so: Im Westen arbeitet
jeder zweite Beschäftigte in einem
Betrieb mit Branchentarifvertrag.
Darüber hinaus profitiert fast ein
weiteres Drittel von tariflichen Leistungen, weil der Betrieb einen Firmentarifvertrag anwendet oder sich
am Tarifvertrag orientiert. Im Osten,
Foto: privat
Was hältst du vom
Girls’Day?
Maxine Musterfrau (16) lernt beim pharmazeutischen Sekundärpackmittelhersteller August
Faller KG in Waldkirch in Baden-Württemberg.
Das ist eine richtig gute Sache. Dadurch bekommt man einen ganz anderen Einblick in
typische Männerberufe. Sonst stellt man es sich
viel schwerer vor, als Mädchen in so einem Bereich zu arbeiten. In der achten Klasse war ich
selbst bei einem Girls‘Day dabei; das war cool.
Auch viele meiner Freundinnen haben mitgemacht. Allerdings haben sich die meisten dann
doch für einen Beruf im sozialen oder kaufmännischen Bereich entschieden. Sie finden aber
richtig gut, was ich mache.
Für mich war immer klar: 24 Stunden im
Büro sitzen, das ist nichts für mich, ich brau-
wo die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder niedriger ist, sieht es mit der Tarifbindung schlechter aus. Für nicht mal
jeden Dritten gilt ein Branchen- oder
Firmentarifvertrag. Aber 30 Prozent
der Beschäftigten in tariflosen Firmen
profitieren davon, dass sich der Arbeitgeber am Tarif orientiert.
Tariferhöhungen haben auch
positive Folgen für den gesetzlichen
Mindestlohn. Der liegt zurzeit bei 8,50
Euro pro Stunde. Bis zum 30. Juni 2016
soll die Mindestlohnkommission über
eine Anpassung entscheiden. Orientierung sollen die Tarifabschlüsse sein.
Schaut man sich die Tarifentwicklung
der beiden vergangenen Jahre an,
sollte die Erhöhung knapp 50 Cent
betragen. Das hat Thorsten Schulten,
Mindestlohnexperte des Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung, errechnet.
Damit läge der Mindestlohn bei knapp
neun Euro. Der ver.di-Vorsitzende
Frank Bsirske hält das immer noch für
zu wenig und fordert zehn Euro pro
Stunde. Schließlich soll die Kommission bei ihrer Empfehlung neben der
Tarifentwicklung noch andere Faktoren
einbeziehen, etwa wie positiv sich der
Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt und
die Volkswirtschaft auswirkt.
M ei n S t a n dpu n k t
che etwas in den Händen. Jetzt mache ich
im ersten Jahr eine Ausbildung zur Packmitteltechnologin, als einziges Mädchen unter
lauter Männern. Komisch fühlt sich das nicht
an, alle Kollegen haben mich richtig gut aufgenommen. Ab und zu höre ich mal einen
Spruch, aber nur zum Spaß. Man lernt, sich
durchzusetzen.
Bald findet im Betrieb wieder ein Girls’Day
statt. Vielleicht bekommen Schülerinnen
dadurch ja Lust, eine Ausbildung bei uns zu
machen. Mehr Mädchen – das wäre cool.
-kah
6
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Union blockiert selbst kleine Verbesserungen
»Ich will, dass in einem Betrieb nicht Beschäftigte erster, zweiter und dritter Klasse arbeiten.«
Das sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beim ver.di-Kongress im vergangenen
Jahr. Doch schon der Koalitionsvertrag löste
dieses Versprechen nicht ein.
Bereits der erste Gesetzentwurf vom November 2015 war nicht dazu geeignet, die Spaltung der Belegschaften und die Schlechterstellung von Beschäftigten mit Werkvertrag oder in
Leiharbeit zu beenden. Er enthielt zwar einige
Verbesserungen. So sollten Leiharbeiter nicht
mehr als Streikbrecher eingesetzt werden können. Firmen sollte es untersagt werden, illegale
Werkverträge im Nachhinein als Leiharbeit zu
deklarieren. Doch ein Großteil der DGB-Forderungen blieb unberücksichtigt (siehe Tabelle).
Dennoch ließen die Unternehmerverbände
kein gutes Haar an dem Vorhaben. »Hochbürokratisch« und »völlig praxisfern« sei dieses – und natürlich: eine Gefährdung für den
Standort Deutschland. In der Folge wurden die
Regelungen noch weiter verwässert. Ein neuer
Gesetzentwurf vom Februar 2016 enthielt keine
Kriterien zur Abgrenzung illegaler Werkverträge
von regulärer Beschäftigung mehr. Er ermöglichte auch tariflosen Unternehmen, Leiharbeiter länger als 18 Monate einzusetzen. Einige
Konzernvertreter zeigten sich nun zufrieden.
Foto: Werner Bachmeier
Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen: erst unzureichend, dann verschlechtert, schließlich auf Eis gelegt | Daniel Behruzi
Am 9. April demonstrierten rund 3.000 Beschäftigte in München gegen die CSU-Blockade.
Andere legten jetzt erst richtig los. So auch der
Bundesverband Druck und Medien (bvdm), der
vor »unnötigen, wettbewerbsschädlichen Überregulierungen« warnte. Laut bvdm das »größte
Manko«: das Verbot von Streikbrechereinsätzen
für Leiharbeiter. Ein offenes Ohr fanden die
Verbände bei der CSU, die den Gesetzentwurf
bis dato blockiert. Der DGB-Vorsitzende Reiner
Hoffmann nannte das einen »klaren Bruch des
Koalitionsvertrags«. Der ver.di-Vorsitzende Frank
Bsirske kritisierte: »Die CSU will Leiharbeit und
Werkverträge weiter als Instrument zur Entsicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und zur Lohndrückerei missbrauchen.«
Dagegen setzen sich die Gewerkschaften weiter
zur Wehr.
Um Missbrauch zu verhindern, braucht es mehr
Stichwort
Das fordern die Gewerkschaften
Gleiche
Bezahlung
Leiharbeiter müssen ab dem ersten Einsatztag die gleiche
Bezahlung und dieselben Arbeitsbedingungen haben wie
Stammkräfte
1. Gesetzentwurf vom November 2015
Gleiche Bezahlung von Leih- und Stammarbeitern nach neun Monaten, mit Zuschlagstarifvertrag bis zu zwölf Monate
Ungleiche Bezahlung von Leih- und Stammarbeitern mit Tarifvertrag bis zu 15 Monate
möglich
Höchstüberlassungsdauer
Leiharbeiter dürfen nur für eine begrenzte Zeit auf einem
Arbeitsplatz eingesetzt werden
Leiharbeiter dürfen höchstens 18 Monate auf
einem Arbeitsplatz eingesetzt werden, mit
Tarifvertrag auch länger
Einsatz von Leiharbeitern bis zu 24 Monate
auch ohne Tarifvertrag
Abgrenzung
Klare gesetzliche Kriterien zur Abgrenzung von Werk- und
Arbeitsverträgen
✔
Acht Kriterien zur Abgrenzung von
Werk- und Arbeitsverträgen
Ó
Beweislast
Die Beweislast trägt der Arbeitgeber, nicht der Beschäftigte;
er muss im Zweifel nachweisen, dass der Werkvertragseinsatz
legal ist
Ó
nicht enthalten
Ó
Rechte des
Betriebsrats
Informations- und Vetorechte von Betriebsräten beim Einsatz
von Fremdfirmen
Verbot von
Streikbruch
Es soll verboten werden, Leiharbeiter als Streikbrecher
einzusetzen
✔
Verbandsklagerecht
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, sodass nicht nur
einzelne Beschäftigte gegen Missstände bei Werkverträgen
vorgehen können
Ó
Der DGB fordert weitergehende Schritte zur Regulierung von Leiharbeit und
Werkverträgen. Das Arbeitsministerium will davon nur wenig umsetzen.
2. Gesetzentwurf vom Februar 2016
Informationsrechte
✔
Verbot von Streikbruch
nicht enthalten
enthalten
nicht enthalten
nicht enthalten
Informationsrechte
✔
Ó
teils umgesetzt
Verbot von Streikbruch
nicht enthalten
Ó nicht enthalten
D R U C K + PA P I E R 1
2.2016
7
drupa 2016 – ein Ausblick
Seit der Jahrhundertwende prophezeien Fachleute am Ende jeder drupa, die
nächste werde ganz im Zeichen des Digitaldrucks stehen. Doch dieses Mal
scheint die Prognose wahr zu werden: Bei der drupa 2016 werden digitale
Druckverfahren tatsächlich dominieren.
Rund 1.650 Aussteller aus über 50 Ländern
werden vom 31. Mai bis zum 10. Juni ihre Produkte in den Düsseldorfer Messehallen präsentieren. Mit elf Tagen ist die diesjährige drupa
etwas kürzer; dafür folgt die nächste Messe
bereits in drei, nicht wie sonst in vier Jahren.
In den konventionellen Druckverfahren
werden schon noch Weiterentwicklungen zu
sehen sein – aber keine Quantensprünge mehr.
Ein Indiz für die »Digitalisierung« der drupa ist,
dass viele der großen Materiallieferanten des
Offsetdrucks – große Farb- oder Lackhersteller
wie Sun, Flint und Huber oder actega/Terra –
nicht mehr ausstellen. Und die Hersteller von
Offsetdruckmaschinen werden mit zum Teil
deutlich reduzierten Standgrößen und kleineren Maschinenparks da sein.
In den konventionellen Druckverfahren
werden sich die Innovationen vor allem auf
das automatisierte Rüsten und Bedienen von
Maschinen konzentrieren.
Beim Digitaldruck wird es in Düsseldorf
viel Neues geben. Insbesondere der Inkjet
hat große Technologiesprünge gemacht:
Druckqualität, Breite und Schnelligkeit der
Ausgabeeinheiten von Fuji und anderen geben
ihm Auftrieb. Sogar die Integration in konventionelle Druckmaschinen ist möglich, zum
Beispiel in der neuen »Primefire«-Speedmaster
von Heidelberg. Vor allem aber hält der Digitaldruck Einzug in den Bereich von Verpackungen
und Etiketten.
Sportlich wird es nach dem Druck. Müller-Martini, Horizon, manroland websystems
Keine drupa ohne ver.di
Der Stand (Nr. FG02.1) unserer Gewerkschaft
befindet sich auf dem Freigelände zwischen
den Hallen 1, 2 und 3. Dort soll vor dem Hintergrund technischer Rationalisierungen über
die Sicherung von Arbeitsplätzen, gute Arbeitsbedingungen, Aus- und Weiterbildung,
Gesundheitsschutz und Mitbestimmung
informiert und diskutiert werden. Der ver.diStand ist Treffpunkt für Gewerkschafter/innen und alle, die es werden wollen.
Wir freuen uns auf euch!
und andere werden neue Lösungen präsentieren, um digitale Kleinstauflagen intelligent,
schnell und kostengünstig weiter zu verarbeiten.
Auch die klassischen Akzidenzdrucker zeigen,
mit welchen Technologien Kleinauflagen kostengünstig veredelt werden können. Welche
Entwicklungen gibt es beim Lackieren, Stanzen,
Laminieren?
Grundvoraussetzung für die Nutzung der digitalen Systeme für individualisierte Produkte ist
die durchgängige Vernetzung der Produktionsschritte durch personalisierte Daten. Der Messeveranstalter kündigt für die drupa vollmundig
den »Megatrend Print 4.0« an. Ob dieses Versprechen eingelöst wird, muss sich zeigen.
Und dann natürlich noch die spannende
Frage der letzten drupa: 2012 sorgte das israelische Unternehmen Landa mit seiner Nanographic-Printing-Technologie für Aufsehen. Bei dem
Verfahren werden winzige Pigmentpartikel einer
speziellen Nano-Tinte aufgebracht, um konturenscharfe Digitaldruckbilder zu erreichen. Wie
weit ist Firmenchef Benny Landa vier Jahre später tatsächlich? Funktioniert sein System? Lohnt
es sich? Und vor allem: Wollen wir wirklich mit
Nanopartikeln drucken, die die Gesundheit
derjenigen gefährden könnten, die damit in der
Produktion in Berührung kommen?
Eine ganz neue Dimension eröffnet schließlich der 3D-Druck. Bislang zählen viele diesen
eigentlich nicht zur Druckindustrie, gehört er
doch mehr in den profanen Bereich der Teilefertigung. Auf der drupa 2016 wird er aber breit
vertreten sein.
-kke
drupa 2016: keine Trends, sondern
»Notwendigkeiten«?
Vom 6. bis 8. Juni veranstaltet ver.di in Dortmund ein Seminar über die Auswirkungen
technischer Investitionen und die Mitbestimmung im Betrieb (mit Messerundgang).
Inhalte u.a.:
• Print-on-Demand, Web-to-Print, Printshop
im Web … als Geschäfts- und Produktionsmodelle
• Vernetzung und Integration von Geschäftsund Produktionsprozessen
• Die Druckerei als digitale Fabrik? Wo steht
der Mensch? Perspektiven in Weiterverarbeitung, Veredelung und Logistik: personalisierte, individuelle, passgenau auf den
Kunden zugeschnittene Produkte
• Der neue Trend: statt »Wettrüsten« hin zu
Problemlösungen in der Drucktechnik?
• Bustransfer und Messebesuch der drupa
in Düsseldorf mit Fachführung zu ausgewählten Schwerpunkten
• Investitionsentscheidungen für neue Maschinen und Technologien – Informations-,
Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte
nach dem Betriebsverfassungsgesetz
• Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und
»Gute Arbeit«
• Tarifvertragliche und gesetzliche Ansatzpunkte und Möglichkeiten für Betriebsräte
• Wozu braucht es Weiterbildung? Professionalisierung und Qualifizierung von Beschäftigten – Handlungsmöglichkeiten für
Betriebsräte
Infos und Anmeldung: www.bit.ly/drupaSem
V era n s t a lt u n g
Zukunft der Druckindustrie
Im Rahmen der drupa lädt der Bezirksfachbereich FB 8 Düsseldorf/Linker Niederrhein am
7. Juni ab 18 Uhr zur Veranstaltung »Zukunft
der Druckindustrie« ein. Mit Dr. Heike Krämer (Bundesinstitut für Berufsbildung), Frank
Werneke (ver.di) und Jens Neutag (Kabarettist). Ort: DGB-Haus Düsseldorf, Artur-HauckSaal, Friedrich-Ebert-Str. 34 – 38.
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Vor 40 Jahren:
Streik für Tarifautonomie
Deutschland im Frühjahr 1976. In der Druckindustrie tobte ein Tarifkonflikt mit bis dato ungekannter Härte. Die ver.di-Vorläuferorganisation
IG Druck und Papier hatte zum Streik aufgerufen. Der Unternehmerverband reagierte sofort mit flächendeckenden Aussperrungen. Zwar war die
Grundkonstellation die übliche: Die Beschäftigten wollten angemessene
Lohnerhöhungen, die Unternehmer wollten sie nicht zugestehen. Doch
es ging um viel mehr. Die IG Druck und Papier kämpfte auch für ihre
Autonomie, gegen staatliche Vorgaben in der Tarifpolitik. Als einzige Gewerkschaft. Und am Ende mit Erfolg.
| Daniel Behruzi
»Man hat als Kollege gespürt, dass die Gewerkschaft was will«, erinnert sich Berthold
Balzer, der seinerzeit als Schriftsetzer in einer
kleinen Druckerei im hessischen Lauterbach
arbeitete. »Es war der erste strukturierte
Arbeitskampf in der Branche, der mit vielen
Versammlungen, Diskussionen und Infoblättern vorbereitet wurde.« Nach einer sehr
intensiven und transparent geführten Debatte
beschloss die gewerkschaftliche Tarifkommission ihre Forderung: Erhöhung der Facharbeiterlöhne um neun Prozent und eine überproportionale Steigerung für Hilfskräfte.
Schon das war ein Politikum. Denn die Bundesregierung hatte in ihren »Lohnleitlinien«
beschlossen, dass die Einkommen nur um fünf
Prozent steigen sollten – was Reallohnverluste
bedeutet hätte. Die IG Metall schloss nur wenig
darüber, bei 5,4 Prozent ab. Fortan galt dies
als »tarifpolitische Schallmauer«, die von keiner
Gewerkschaft durchbrochen werden sollte. Das
gängige Argument: Angesichts der ersten großen Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit sollte
eine »zurückhaltende Lohnpolitik« den Unternehmen Investitionen erleichtern und damit
Arbeitsplätze sichern.
Die Erfahrungen der Drucker und Setzer waren jedoch ganz andere: Die technologischen
Umbrüche – wie die Umstellung von Blei- auf
Fotosatz – hatten zur Folge, dass größere Investitionen meist einen dramatischen Stellenabbau nach sich zogen. Die Rechnung des sozialdemokratischen Kanzlers Helmut Schmidt, »die
Gewinne von heute sind die Investitionen von
morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen«, ging ganz offensichtlich nicht auf. Schon
deshalb waren die Belegschaften nicht bereit,
auf Lohnerhöhungen zu verzichten.
Massenhafte Aussperrungen
»Es ging für uns auch um Grundsätzliches«, betont Ernst Heilmann, der sich als junger Drucker
am Arbeitskampf beteiligte. »Die Gewerkschaft
wollte über ihre Tarifpolitik selbst bestimmen
und sich nicht vorschreiben lassen, wie viel sie
zu fordern hat.« Für die Unternehmer war es
ebenfalls ein fundamentaler Konflikt, den sie
mit allen Mitteln führten. So verkündete der
Bundesverband Druck am 28. April 1976 – nur
vier Stunden nachdem die Gewerkschaft zu ersten Arbeitsniederlegungen aufgerufen hatte –
flächendeckende Aussperrungen. 16.000 Streikenden standen plötzlich 68.800 Ausgesperrte
gegenüber. Vor allem die Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände hatte auf
die ersten bundesweiten Aussperrungen der
Nachkriegsgeschichte gedrängt.
»Wir standen vor dem Betrieb und haben
unsere Arbeitskraft angeboten, aber sie haben
uns nicht reingelassen«, erzählt Ernst Heilmann,
der seine Ausbildung in einer kleinen Hamburger Druckerei absolvierte. »Das war heftig, so
was hatte es bis dahin noch nicht gegeben.«
Auf einmal standen tausende Beschäftigte auf
der Straße. Und das kurz vor dem 1. Mai. Die
traditionellen Maikundgebungen wurden zu
großen Solidaritätsdemonstrationen für die
Drucker. Auch wenn es im DGB einige Kritik
an den Forderungen der IG Druck und Papier
gegeben hatte – angesichts der massenhaften
Aussperrungen rückten die Gewerkschaften
zusammen.
Während eines Schlichtungsversuchs beendete der Unternehmerverband die Aussperrung. Doch die Tarifkommission der IG Druck
und Papier lehnte den Schlichterspruch von 5,9
Prozent plus sozialer Komponente einstimmig
ab. »Im Streik und wegen der Aussperrung
war eine Dynamik entstanden, sodass sich die
Kollegen darauf nicht mehr einlassen wollten«,
erklärt Berthold Balzer diesen Beschluss. Der
Streik wurde wiederaufgenommen – als »Totalstreik« mit fast 70.000 Beteiligten.
Kein »Tapezierer-Streik«
Und das sei kein »Tapezierer-Streik« gewesen,
betont der Gewerkschafter. Soll heißen: Die
Kolleginnen und Kollegen blieben während des
Arbeitskampfs nicht zu Hause und tapezierten
ihre Wohnung, sondern waren aktiv. So zum
Beispiel, als bekannt wurde, dass ein ehemaliger Maschinensetzer der »Fuldaer Zeitung«
versuchte, eine Notausgabe zu machen. Er
arbeitete mittlerweile in der Verwaltung eines
Städtchens in der Rhön. »Wir sind alle rausgefahren und haben den Bürgermeister des Ortes
rausgeholt, damit er seinen Angestellten zurückpfeift – das hatte Erfolg«, so Berthold Balzer. Auch die Auszubildenden engagierten sich.
»Einmal haben wir in der Berufsschule einen
Streik organisiert und sind mit allen Klassen zur
Kundgebung gegangen«, berichtet Ernst Heilmann. »Der Lehrer hatte nichts dagegen – er
war Gewerkschaftsmitglied.«
Am 13. Mai einigten sich beide Seiten
schließlich auf einen Kompromiss: Die Löhne
wurden um sechs Prozent plus Einmalzahlung
erhöht. Rechnerisch bekamen die Beschäftigten dadurch 6,3 Prozent mehr, die unteren
Lohngruppen profitierten stärker. »Sicherlich
war der Abschluss, betrachtet man allein die
Zahlen, kein glänzender Erfolg«, zog der spätere IG-Medien-Vorsitzende Detlef Hensche in
einem Buchbeitrag Bilanz. Dennoch sei es ein
Foto: Bonner Fotografen /dpa
Der Streik und die Medien
Begleitet wurde der Tarifkonflikt von einer
Hetzkampagne der Medien. Eine Untersuchung des Instituts für Publizistik der FU
Berlin kam zu dem Schluss: »Statt eine ausgewogene Vermittlung von Informationen
und Meinungen zu bieten, beschränkt sich
die Berichterstattung eindimensional auf eine
fast ausschließliche Darbietung der Unternehmerstandpunkte bei gleichzeitiger Unterdrückung des Gewerkschaftsstandpunktes.«
In manchen Fällen provozierte dies den aktiven Widerstand der Belegschaften. So sollten
in der »Frankfurter Neuen Presse« und in der
»Bild« am 4. Mai 1976 diffamierende Kommentare erscheinen. Die Beschäftigten der
Frankfurter Societätsdruckerei und von Madsack in Hannover forderten daraufhin den
Abdruck einer eigenen Stellungnahme und
drohten mit Wiederaufnahme des ausgesetzten Streiks. Die Chefredaktionen entschieden
schließlich, den betreffenden Kommentar aus
dem Blatt zu nehmen – was den Druckern
freilich sofort den Vorwurf des »Eingriffs in
die Pressefreiheit« einbrachte.
Eine wichtige Erkenntnis aus dem Streik
von 1976 war, dass die gewerkschaftlichen
Medien selbst stärker genutzt werden müssen. Während des Arbeitskampfs erschien die
DRUCK+PAPIER im Zweitagesrhythmus. In
den folgenden Auseinandersetzungen 1978
und 1984 legte die Gewerkschaft auf gute
Öffentlichkeitsarbeit ein noch deutlich größeres Augenmerk.
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Fotos (2): dpa
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Ausgesperrte Drucker protestieren am 30. April 1976 vor
dem Verlagshaus von Gruner + Jahr in Hamburg (Foto
links oben). Demo der IG Druck und Papier am 12. Mai
1976 in Berlin-Kreuzberg (oben). Mit dabei: Schriftsteller
Günter Grass (3.v.r.). Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und
seine Regierung wollten den Gewerkschaften »Lohnleitlinien« vorschreiben (unten). Die IG Druck und Papier ließ
sich das nicht gefallen.
politischer Erfolg gewesen. »Es war ein Kampf
um die Tarifautonomie und um die gewerkschaftliche Handlungsfreiheit. Es war ein Sieg
über die herrschende Ideologie, nach der die
Arbeiter und Angestellten nur still ihre Opfer
bringen sollten – auf dem Altar des imaginären
Wachstums und angeblich arbeitsplatzschaffender Investitionen. Es war ein Zeichen, dass
Widerstand auch in der Krise nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist.«
F ak t e n
1. Welle: 16.000 Streikende, bis zu 68.800
Ausgesperrte
2. Welle: bis zu 70.000 Streikende
Statt 21,5 Millionen Tageszeitungen
wurden während des Streiks nur etwa
1,5 Millionen Exemplare gedruckt.
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M e l du n g E N
Betriebsratswahl nach
Entlassungen
Nachdem 72 Beschäftigte der
Druckerei Albert Horn im hessischen Hattersheim im Januar
gekündigt wurden, haben sich
die rund 140 verbliebenen
Kolleginnen und Kollegen auf
Initiative von ver.di zur Wahl
eines Betriebsrats entschlossen. Denn im Zuge der Entlassungen hat sich gezeigt, dass
Beschäftigte gerade in solchen
Situationen eine Interessenvertretung brauchen. »Ohne
Betriebsrat entscheidet der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei
über Betriebsänderungen, zum
Beispiel eine Teilschließung«,
erläutert ver.di-Landesfachbereichsleiter Manfred Moos.
Zudem wollen einzelne
ver.di-Mitglieder im Betrieb
tarifliche Ansprüche geltend
machen, die ihnen bislang zum
Teil verweigert wurden. Die
Druckerei, die hauptsächlich
Glückwunschkarten produziert,
ist an den Tarifvertrag der
Papierverarbeitung gebunden.
C.H.Beck verweigert
weiterhin Tarifvertrag
Im Konflikt um einen Tarifvertrag für die gut 80 Beschäftigten der C.H.Beck-Druckerei
in Nördlingen (siehe D+P
1.2016) sah es zwischenzeitlich nach einem Kompromiss
aus. Demnach sollten der zum
Jahreswechsel gekündigte
Überleitungstarifvertrag unverändert wieder in Kraft gesetzt,
die Wochenarbeitszeit vorübergehend um 2 auf 37 Stunden
angehoben und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende
2018 ausgeschlossen werden.
Zudem sollte ein neuer Bolero-Klebebinder mit eigenen
Beschäftigten und nicht per
Werkvertrag betrieben werden,
was 10 bis 15 Arbeitsplätze
sichern würde. Doch von diesen Zusagen rückte die Geschäftsleitung wieder ab und
verweigerte die Unterschrift
unter einen entsprechenden
Tarifvertrag.
Protest ignoriert
Bonner »General-Anzeiger« schließt Druckerei | Gundula Lasch
Auf dem Bottlerplatz, vor der Geschäftsstelle des Bonner »GeneralAnzeigers«, wehen rote ver.di-Fahnen. Über 100 Beschäftigte sind am
Mittag des 5. März zu einer Kundgebung zusammengekommen und
machen auf Transparenten deutlich,
worum es ihnen geht: »Druckerei
erhalten! Gegen Massenentlassung
und Altersarmut!« Doch schon zehn
Tage später endet in der Druckerei
des »General-Anzeigers« die letzte
Schicht.
Am 11. Februar hatte die Geschäftsführung des Blatts verkündet,
die hauseigene Druckerei kurzfristig
zu schließen und den Druckauftrag
auszuschreiben. Das kostet die Jobs
von rund 80 Beschäftigten – die
Hälfte von ihnen Leiharbeiter. Ein
Großteil der Stammbeschäftigten hat
Jahrzehnte beim »General-Anzeiger«
gearbeitet. Zum Beispiel der Drucker
Max Zehnt, der seit 16 Jahren im Be-
trieb ist. »Da setzt einer den Rotstift
an und lässt eine ganze Mannschaft
über die Klinge springen, die viele
Jahre gute Arbeit geleistet hat – ein
Unding«, kritisiert der 52-Jährige.
Gemeinsam mit seinen Kolleginnen
und Kollegen will er die Schließung
nicht ohne Protest hinnehmen.
Unterstützung bekommen sie von
ver.di, dem DGB, der SPD und der
Linkspartei, und nicht zuletzt von
ihrer Leserschaft. Rund 3.800 Menschen unterzeichneten eine Petition
für den Erhalt der Druckerei.
Verhandlungen abgebrochen
Doch die Geschäftsleitung setzte sich
über alle Proteste hinweg: Seit dem
14. März wird die Zeitung im Druckhaus der »Rhein-Zeitung« in Koblenz
gedruckt. Der Redaktionsschluss in
Bonn musste deshalb vorverlegt werden, Transportkosten entstehen. Das
nehmen die rheinischen Verlegerfa-
Protestaktion am 5. März in der Bonner Innenstadt
Mitarbeitergeführtes Unternehmen abgelehnt
Schon im November 2015 hatte der Betriebsrat des Bonner »General-Anzeigers« den Vorschlag unterbreitet, das
Druckzentrum zukünftig als mitarbeitergeführtes Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben: Gründung einer
GmbH, Überführung des Produktionskapitals (Maschinen
und Anlagen) vom Mutterkonzern, Ermittlung des Kapitalbedarfs und Varianten der Finanzierung (durch das
Unternehmen, ehemalige Beschäftigte und Banken).
Doch der Vorschlag wurde von der geheim tagenden
Eigentümerversammlung ebenso abgelehnt wie eine
Machbarkeitsstudie, die ver.di finanzieren wollte.
Fotos (2): Jürgen Seidel
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milien Neusser und Dumont (siehe
Kasten) offenbar in Kauf.
Betriebsrat und ver.di versuchten,
sich mit dem Arbeitgeber über einen
Sozialplan und Interessenausgleich
sowie die Gründung einer Transfergesellschaft zu einigen. Doch
schon nach der zweiten Runde brach
Geschäftsführer Thomas Regge die
Verhandlungen ab und kündigte die
einseitige kurzfristige Gründung einer
Transfergesellschaft an. Nun geht der
Fall vor die Einigungsstelle. »Wir haben den Kündigungsvorschlägen des
Arbeitgebers widersprochen«, berichtet der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Hinrik von Normann.
Die Betroffenen müssen nun wohl
nach neuen beruflichen Perspektiven
suchen. So auch der 59-jährige Vitale
Giovanni, der 23 Jahre beim Bonner
»General-Anzeiger« gearbeitet hat.
»Wo soll ich denn in meinem Alter
noch einmal neu starten?«
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Gute Gewinne
Der Bonner »General-Anzeiger« erscheint sechsmal
wöchentlich mit einer Auflage von rund 72.000 Exemplaren. Der Verlag gehört zu 82 Prozent der H. Neusser Besitz- und Verwaltungs-GmbH und zu 18 Prozent
der Kölner Mediengruppe M.DuMont-Schauberg
GmbH und Co.KG. Die letzte veröffentlichte Bilanz des
Verlages (2014) weist bei einem Umsatz von 47 Millionen Euro vor Abzug von Sonderbelastungen noch
einen Rohgewinn vor Steuern von 4,6 Millionen Euro
aus, dazu ein Bilanzkapital von fast 18 Millionen Euro.
Wirtschaftliche Probleme sehen anders aus.
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Gallisches Bergedorf
Infos:
Aktuelle
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bergedorf
Die nächsten Opfer des Kahlschlags im Funke-Konzern: Nachdem 2015 in den Druckzentren
Hagen und Essen 120 Jobs vernichtet wurden, sollen nun 39 Arbeitsplätze in der Druckvorstufe der »Bergedorfer Zeitung« in Hamburg gestrichen werden. Doch die Beschäftigten weh-
Foto: ver.di
ren sich – und haben bereits für große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt | Daniel Behruzi
Beschäftigte der »Bergedorfer Zeitung« gehen wieder auf die Straße.
Die Belegschaft der »Bergedorfer Zeitung« wird von manchen auch »das
gallische Dorf« genannt. »Wir sind
gewerkschaftlich gut organisiert und
haben uns immer zur Wehr gesetzt«,
erklärt die Betriebsratsvorsitzende
Ingrid Lesniak. »Und jetzt müssen
wir erneut auf die Straße.« Denn
ohne Druck kommt man im FunkeKonzern – der die Zeitung im Zuge
des großen Springer-Funke-Deals
2013/2014 übernommen hat – offenbar nicht weiter. Das zeigt schon
die Art, wie das Management die
Schließung der Druckvorstufe bekannt gab: Monatelang war eine
Ausgründung angekündigt, doch
dann wurde am 29. Februar plötzlich
das komplette Aus für die Vorstufe
verkündet. Einbeziehung des Betriebsrats in den Entscheidungsprozess? Fehlanzeige.
Auch sonst macht der Medienkonzern deutlich, dass er wenig von
Mitbestimmung und Tarifverträgen
hält: Bereits Ende 2014 hatte die
»Bergedorfer Zeitung« den Verband
Druck und Medien Nordwest verlassen, ohne Betriebsrat oder Gewerkschaft auch nur zu informieren.
Anfang dieses Jahres wechselte sie
im Verband der Zeitungsverleger
in den Status »ohne Tarifbindung«.
Durch die Tarifflucht werden für alle
Beschäftigten der »Bergedorfer Zeitung« die tariflichen Leistungen in
Frage gestellt. Deshalb fordern ver.di
und der Deutsche Journalisten-Verband, sämtliche Vereinbarungen im
Rahmen eines Anerkennungstarifvertrags wieder in Kraft zu setzen. Für
diese Forderung legten die Beschäftigten bereits zweimal die Arbeit nieder. Nach einem ersten Warnstreik in
der Druckvorstufe am 1. März traten
knapp eine Woche später Vorstufe,
Verlag und Redaktion gemeinsam in
einen mehrstündigen Streik.
Beschäftigte halten zusammen
»Dass die Kolleginnen und Kollegen
zusammenhalten, hat bei uns Tradition«, sagt Betriebsrätin Lesniak.
»Alle Beschäftigten fragen sich, wie
ihre Zukunft aussieht, wenn nun
als Erstes die Vorstufe geschlossen
wird.« Denn bisher habe das Geschäftsmodell des Hamburger Blatts
Quersubventionen erlaubt: Ging es
der Vorstufe wirtschaftlich schlecht,
konnte der Verlag aushelfen – und
umgekehrt. Auch sozialverträgli-
che Lösungen waren in früheren
Krisenzeiten leichter zu finden, da
Beschäftigte, deren Stelle wegfiel, in
anderen Bereichen eingesetzt werden
konnten.
Die geplante Teilbetriebsschließung in Hamburg begründet die
Geschäftsleitung mit einem konzerninternen Kostenvergleich. Betriebsrat
und Gewerkschaft wollen ein Alternativkonzept vorlegen, um den Weiterbetrieb zu ermöglichen. Und sie
setzen auf Öffentlichkeit. Mit ihren
Aktionen haben die Beschäftigten
bereits weit über die Stadtgrenzen
hinaus Aufmerksamkeit erregt. Nicht
nur Politiker verschiedener Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft,
sondern auch SPD-Abgeordnete des
Bundestags fordern von Funke, sich
der »medienpolitischen Verantwortung« zu stellen und die Zukunft der
Regionalzeitung zu sichern. »Funke
wollte die Beschäftigten überrumpeln«, sagt ver.di-Landesfachbereichsleiter Martin Dieckmann. »Aber
diese haben sich gewehrt und binnen
kurzer Zeit musste sich die Konzernleitung auf eine Weise rechtfertigen,
wie sie es nicht gewohnt war.«
Bundesweit haben sich etliche
Betriebsräte, Gewerkschafter, Kirchenvertreter und viele andere mit
den Bergedorfer Kolleginnen und
Kollegen solidarisiert. »Auf dem
Infobrett in der Druckvorstufe, wo
die Soli-Schreiben aushängen, ist gar
nicht mehr genug Platz«, freut sich
Ingrid Lesniak. »Das ist eine tolle
Motivation, nicht aufzugeben.«
Mediengruppe Thüringen
Jobabbau auch im Osten: Bei
der Mediengruppe Thüringen
streicht Funke rund 150 Stellen
und bezeichnet das auch noch als
»Zukunftsprogramm«:
www.bit.ly/funkJob
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M e l du n g E N
Mondi schließt Werk
Die Mondi Group legt ihr
Werk im westfälischen Sendenhorst still. Der Betrieb, in dem
seit 1968 unter wechselnden
Eigentümern Industriesäcke
für die Baustoffbranche, die
chemische Industrie und die
Landwirtschaft hergestellt
werden, stellt spätestens Ende
Oktober die Produktion ein.
120 Beschäftigte verlieren ihren
Job. Das, obwohl der Konzern
seinen operativen Gewinn
2015 um satte 25 Prozent
steigerte. ver.di-Sekretärin
Ute Eggert kritisierte, das
Werk sei ohne Not geschlossen
worden. Sie betonte, das
Unternehmen habe bei den
Sozialplanverhandlungen
keinerlei Verantwortung für
die Standortschließung übernommen. »Und jetzt lesen
wir, dass Mondi im letzten
Geschäftsjahr einen Überschuss
von 957 Millionen Euro erwirtschaftet hat.«
-fb
V o rmerke n
Typotage 2016
Die 17. Tage der Typografie
tragen den Titel »GERADE –
Design und soziale Verantwortung« und finden vom 2. bis
4. September in BerlinWannsee statt. Als Mediengestalter/in, Grafikdesigner/in, Fotograf/in geht es nicht
nur darum, Dinge »schön« zu
machen. Mit der Form können
auch Inhalte, die weit über eine
Werbeaussage hinausgehen,
visualisiert und transportiert
werden. In den Vorträgen und
Workshops bringen wir fachliche Weiterbildung und soziales Engagement zusammen.
Es referieren u.a.:
Dirk Uhlenbrock, Erste Liga,
Essen; Petra Beiße, handlettering studio, Wiesbaden;
Jörg Schmidt und
Martin Stiehl, Institut für
Gebrauchsgrafik, Frankfurt;
Peter Reichard, Designmacherei, Offenbach
Infos und Anmeldung:
www.tage-der-typografie.de
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P o r t rä t
Fotos (2): Thomas Einberger
Aufgeben
gibt’s nicht
Hoch türmt sich das Mangfallgebirge hinter Brannenburg auf. Der Kirchbach plätschert ins Tal hinunter. Die Luft ist frisch, es riecht nach Dung und
schon ein wenig nach Frühling, aber weiter oben fahren sie noch Ski. Karin
Hoffmann steht mit ein paar Kollegen vor dem ver.di-Bildungszentrum und
raucht. Ein Päuschen, bevor es im Seminarraum weitergeht. Sie genießt es,
frei zu haben und nachdenken, lernen und diskutieren zu dürfen – bis spät
in die Nacht, unter Gleichgesinnten. »Es werden Probleme gewälzt, es wird
aber auch Blödsinn gemacht und gelacht und gefeiert«, sagt sie. Im Haus
Brannenburg am nördlichen Alpenrand kann die 56-Jährige entspannen.
Fern von Ulm und ihrer Firma im Industriegebiet Donautal. Fern auch von
den Konflikten, an denen sie sich als Betriebsrätin täglich abarbeitet. »Kraft
tanken, ist wichtig«, sagt sie zu. »Ich brauche Kraft für alles.« | Monika Goetsch
Rund 220 Beschäftigte hat die Firma Höhn, die
auf Verpackungen und Displays spezialisiert
ist. Als ein Kollege Karin Hoffmann 1994 vorschlug, sich in den neunköpfigen Betriebsrat
wählen zu lassen, war sie vor allem neugierig.
Und fand es merkwürdig, »einzige Frau zwischen lauter Anzug- und Kofferträgern« zu
sein. Inzwischen hat sich die einstige Männerdomäne verändert. Immer mehr Frauen sind
nachgerückt. Karin Hoffmann wuchs in ihre
Aufgabe hinein und machte sich immer unentbehrlicher.
Seit zwei Jahren ist die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende freigestellt. Es gibt eine
ganze Menge für sie zu tun. 2014 hat das Unternehmen vier Gesellschaften zur Höhn GmbH
verschmolzen. Schon einige Monate zuvor
wurde der Standort Biberach aufgelöst. Ende
2014 ist der Arbeitgeber aus dem Tarif ausgestiegen. Das Management sprach Kündigungen
aus. Die Firma beschäftigte Leiharbeiter. Und
unlängst wurden Verträge mit drei neuen Beschäftigten zu Konditionen abgeschlossen, die
mit den früheren Verhältnissen nicht mehr viel
zu tun haben: 40-Stunden-Woche, kein Tariflohn. Eine Ungerechtigkeit, die für Unfrieden
sorgt und Ängste bei denjenigen Kolleginnen
und Kollegen schürt, deren Löhne höher und
deren Verträge besser sind.
Schlechtes Betriebsklima
Früher, erzählt Karin Hoffmann, habe die Arbeit
Spaß gemacht. Das Betriebsklima war gut. Man
aß gemeinsam in der Kantine, die inzwischen
geschlossen wurde; man trank Kaffee aus echten Tassen, nicht aus Pappbechern wie heute.
Alles hatte seine Ordnung, die Beschäftigten
waren tariflich abgesichert. Doch seit der Juniorchef den Betrieb seines Vaters übernommen
habe, sei dort »das Gespür für Gerechtigkeit
und Menschlichkeit verloren gegangen«. Karin
Hoffmann ist von der Politik der Firma, in der
sie nun schon 35 Jahre lang arbeitet, mehr als
enttäuscht.
Die Gewerkschafterin sitzt in Gremien und
Besprechungen, sie besucht die Kolleginnen
und Kollegen an den Maschinen. Sie ist allseits
beliebt, wird geschätzt für ihre Verbindlichkeit
und Diskretion, hört zu, versucht zu helfen –
und rennt doch immer wieder gegen Wände
an. Das lässt sie nicht kalt, im Gegenteil. Sie
kann nicht gut abschalten, nimmt alles mit
nach Hause. »Die menschlichen Schicksale berühren sie«, sagt auch ihre Freundin Herlinde
Foto: Kay Herschelmann
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Beim ver.di-Bundeskongress im September 2015 in Leipzig
Rohrbacher, die bei ver.di in Ulm arbeitet. Auch
gesellschaftlich, findet Karin Hoffmann, liegt
vieles im Argen. Die Kriege. Der Terror. Das
aufgeheizte Klima um die Flüchtlinge. »Die
Menschheit wird immer egoistischer«, sagt
sie. »Jeder denkt nur an sein eigenes Wohlbefinden, die Solidarität bricht auseinander, in
den Betrieben, im Privaten.« Das klingt pessimistisch. Aber ihr Blick ist freundlich, sie lacht
viel und gern, strahlt Zuversicht und Tatkraft
aus, die auch ihre Freunde schätzen. »Sie kann
etwas umsetzen«, sagt ein Freund und Berater,
Reinhard Gumz, ehemals Gewerkschaftssekretär in Ulm. »Und sie ist dabei sehr hartnäckig.
Wenn sie jemanden überzeugen will, steigt sie
dem auf die Zehen.«
Auch wenn sie manchmal schier verzweifelt, sie resigniert nicht so schnell. Ihr Engagement hat unter den zwanzig Jahren Betriebsratsarbeit nicht gelitten. »Es ist sehr wichtig,
dass man sich einsetzt, im Betrieb und in der
Gesellschaft«, sagt sie. »Und es ist auch etwas
sehr Schönes, das Gefühl zu haben, Gutes zu
tun.«
mit ihrem Mann oder ihrem Sohn, der inzwischen erwachsen ist und immer wieder zu
Besuch kommt. Ist es richtig schlimm, guckt
sie, ob »irgendein blöder, gut schmalziger Film
kommt«, und legt sich auf die Couch. Nach
besonders harten Tagen verbringt sie manchmal ganze Wochenenden auf dem Sofa. Aber
sie geht auch gern in der Natur spazieren, um
sich abzulenken, engagiert sich für die Ulmer
Freidenker, trifft Freundinnen, geht schick aus,
isst was Gutes – Schweinefilet mit Spätzle und
Sauce, dazu ein Glas Württemberger Rotwein.
Mal hilft eine Fußreflexzonenmassage zu entspannen, mal ein Opernbesuch. In Usedom hat
die Familie eine kleine Ferienwohnung, die sie
immer wieder für ein paar Tage bezieht.
Und ab und zu findet Karin Hoffmann Abstand und Anregung auch bei einer Weiterbildung in wunderbarer Umgebung, wie im ober-
bayerischen Brannenburg. »Die Verdrängung
der Vernunft durch Irrationalität« lautet der
Titel ihres Seminars. Es geht um ein Thema, das
sie brennend interessiert: die Flucht vieler Menschen vor der Wirklichkeit, der weiträumige
Trend zu Wellness und Esoterik und falschen
Versprechungen. Karin Hoffmann will mehr
darüber wissen, warum viele nur noch um den
eigenen Nabel kreisen und woher die Angst,
die Feindseligkeit, die Illoyalität kommen, die
sie beobachtet.
Miteinander kämpfen
Und natürlich möchte sie wissen, wie man den
Leuten Mut machen kann, sich der Wirklichkeit
zu stellen, füreinander einzustehen, miteinander zu kämpfen. Denn sie ist überzeugt: »Wenn
keiner mehr kämpft, haben wir alle verloren.«
»Man lernt dazu«
Das sei diese Überzeugung, dass man etwas
verändern kann, erklärt auch Herlinde Rohrbacher. Ihre Freundin sei nun mal »ein kämpferischer Typ, mit großem Gerechtigkeitssinn, geradlinig und sehr engagiert«. Ein zupackender
Mensch, auf den man sich verlassen könne.
Die Jahre haben Karin Hoffmann gelehrt,
bei den eigenen Überzeugungen zu bleiben,
egal wie groß der Gegenwind sein mag. Und
auch mal auf die Bremse zu treten und an sich
selbst zu denken. Früher, erzählt sie, war sie
eher eine, die für andere zurücksteckte. Inzwischen weiß sie, was sie selbst braucht, und
setzt sich auch dafür ein. Das sei ja das Schöne
am Älterwerden: »Man lernt dazu.«
Wenn sie nach einem Arbeitstag voller
Probleme nach Hause kommt, nimmt sie sich
Zeit, zur Ruhe zu kommen. Sie diskutiert gern
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Karin Hoffmann genießt die Natur und spannende Diskussionen im ver.di-Bildungszentrum Haus Brannenburg.
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A u s b i ld u n g s b e r u f e
Leidenschaft für Bücher
Maxine Musterfrau wird Medientechnologin Druckverarbeitung bei Clausen & Bosse in Leck | Stefan Zimmer
Die große blaue Bolero von Müller-Martini schnurrt gleichmäßig vor sich
hin. Die Maschine zieht sich einmal quer durch die ganze Produktionshalle.
An einem Ende steht Maxine Musterfrau vor einem Touchscreen und überprüft die Produktion. Am anderen Ende verlassen eingeschweißte Päckchen
mit dicken Taschenbüchern die Fertigungsstraße auf einem Förderband.
Die Bolero trägt bedruckte Papierbögen zusammen, fräst die Ränder ab,
leimt den Buchrücken ein und legt die Taschenbuchumschläge mit dem
Die junge Frau ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Medientechnologin Druckverarbeitung bei Clausen & Bosse. Die Buchdruckerei
gehört zur CPI-Gruppe, einem der größten
Unternehmen der europäischen Druckindustrie, und liegt in Schleswig-Holstein an der
dänischen Grenze. Hier werden Taschenbücher und Hardcover von Kleinstauflagen bis
zu Massenproduktionen von einer Million
Exemplaren gedruckt, zum Beispiel der Bestseller »Fifty Shades of Grey«.
Der relativ neue Ausbildungsberuf Medientechnologe Druckverarbeitung ersetzte
2011 den Industriebuchbinder. Neben der
Spezialisierung auf die Buchproduktion gibt
es Medientechnologen Druckverarbeitung
auch noch für die Zeitungs- und Akzidenzherstellung. Aber bei Maxine war die Entscheidung klar: »Weil ich leidenschaftlich
gerne Bücher lese. Früher hat mich nur der
Inhalt interessiert. Jetzt, in der Ausbildung,
kam das Interesse für die Hülle dazu. Was
man da alles machen kann, die verschiedenen Veredelungsformen, das find ich toll.«
Viele Möglichkeiten
Und es ist einiges möglich in der industriellen Buchherstellung. Die Motive auf den
Buchrücken verschönern Medientechnologen auch mit Glitzer- oder UV-Lack oder mit
Hoch- oder Mikroprägungen. Und neben reinem Papier arbeiten sie mit edlen Ledereinbänden. »Wir verarbeiten Druckerzeugnisse
und fügen die Einzelteile zu einem Endprodukt, dem fertigen Buch, zusammen«, umschreibt Maxine ihren Beruf. Das fängt beim
Einrichten der Maschinen und Bindestraßen
an und hört bei der Endkontrolle der fertigen
Produkte auf. »Wir lernen, wie die verschie-
denen Maschinen funktionieren und wie man
sie im Notfall repariert«, so Maxine. Die industriellen Produktionsprozesse zu planen und auszuführen, sind zwar die Hauptbestandteile der
Ausbildung, aber auch die Instandhaltung der
Maschinenparks gehört zum Verantwortungsbereich ausgebildeter Medientechnologen.
»Verschleißteile oder Kleinteile wechseln, so
was machen wir, aber für komplette Reparaturen haben wir eine eigene Werkstattabteilung«,
berichtet die Auszubildende.
Damit das fertige Buch den strengen Qualitätskontrollen genügt, machen die Fachkräfte
während der Produktion immer wieder Stichproben und justieren ihre Maschinen unter Umständen nach. »Bei einem Taschenbuch muss
zum Beispiel die Rückenzeile exakt passen, der
Umschlag darf sich nicht verschieben und die
einzelnen Buchseiten müssen exakt abgefräst
sein«, erklärt Maxine. Zur Ausbildung gehört
auch der handwerkliche Ursprung des Berufs.
»In einer Handbuchbinderei lernen wir, wie die
ganze Produktion von Hand funktioniert, zum
Beispiel für Kleinstauflagen«, so die angehende
Medientechnologin.
Nach der Ausbildung könnte sie sich daher
auch vorstellen, in die handwerkliche Buchbinderei zu gehen oder sich in diesem neuen Beruf
noch weiterzubilden. Als Druck- und Medientechnikerin oder Industriemeisterin könnte sie
in die mittlere Führungsebene aufsteigen. »Ich
würde mich freuen, hier bleiben zu können,
aber ob ich übernommen werde, weiß ich momentan noch nicht«, so Maxine.
Laut ihrem Betriebsrat Bernd Johannsen
haben sich die Chancen dafür aber in den vergangenen Jahren verbessert, denn man wolle ja
die Qualität im Hause halten. Auch außerhalb
von Clausen & Bosse sähe Maxines berufliche
Zukunft vielversprechend aus. Als Medientech-
Foto: Privat
passenden Anpressdruck um den Buchblock herum.
nologin Druckverarbeitung beherrscht sie
die unterschiedlichsten Maschinenparks im
Buchdruck. Und den wird es immer geben, ist
sie überzeugt. »Es ist immer etwas anderes,
wenn man ein Buch in der Hand hat, darin
blättern kann – das fehlt am Bildschirm halt
schon.«
Infobox
Medientechnologe Druckverarbeitung ist eine
dreijährige duale Ausbildung mit den Spezialisierungen zur Zeitungs-, Akzidenz- und Buchproduktion. Zu einzelnen Produktionsschritten gibt es
noch verschiedene Wahlqualifikationen.
Wesentliche Anforderungen:
•Beobachtungsgenauigkeit
•Verantwortungsbewusstsein
•Reaktionsgeschwindigkeit und Entscheidungs-
fähigkeit
•Technisches Verständnis
•Teamfähigkeit
•Flexibilität für neue, individuelle Aufgaben
Wesentliche Ausbildungsinhalte:
•Verarbeitungsaufträge und Abläufe planen
•Verarbeitungsanlagen einrichten und konfigurieren
•Produktionsprozesse steuern und überwachen
•Verarbeitungstechnologien und -prozesse erlernen
•Instandhaltung von Verarbeitungsanlagen
•Betriebliche Kommunikation
Interaktive Infos unter
www.karriere-papier-verpackung.de
D R U C K + PA P I E R 2 . 2 0 1 6
I n t er n a t i o n a l e s
Foto: Christian v. Polentz/transitfoto.de
Solidarität bringt Durchbruch
15
B i l du n g s s t ä t t e
Keine Flüchtlinge
in Lage-Hörste
Nach Angaben der Bezirksregierung Detmold gibt es keine
Erfolgreicher Protest: Smurfit Kappa Polen verhandelt jetzt über Tarifverträge | Helma Nehrlich Pläne mehr, das Heinrich-Hansen-Haus in Lage-Hörste als
Frühlingsbotschaft für die Smurfitgeblich, über kollektive Tarifregelunder Blockade und Tarifverhandlungen Notunterkunft für Asylsuchende zu nutzen. Welchem
Kappa-Beschäftigten in Polen: Was
gen zu verhandeln und die Arbeitsbe- für die Belegschaften der fünf polniZweck die ehemalige ver.diAnfang März noch als verhärteter
dingungen zu verbessern.
schen Werke.
Konflikt erschien, wandelte sich binIn Polen selbst machten die BeBildungsstätte stattdessen dienen soll, ist noch unklar. »Der
nen zwei Wochen in Hoffnung auf
schäftigten mit Autokorsos und AkEuropaweite Unterstützung
Verkaufsprozess ist angelaueinen baldigen Tarifabschluss. OffenDie Vertreter der polnischen ZZP
tionen vor den Werkstoren auf ihre
Forderungen aufmerksam. Doch das
fen«, sagte Christoph Schmitz
bar korrigiert das Management des
waren wütend: Seit Jahren warben
polnische Management verhandelte
auf Nachfrage. Zu den Details
irischen Verpackungsriesen seinen
sie Mitglieder in den Smurfit-Kappazunächst nicht mit der Gewerkschaft.
wollte sich der ver.di-Sprecher
Kurs gegenüber den polnischen BeWerken in Gdansk, Pruszkow und
Stattdessen sollte es Lohnaufschläge
anderswo. Ein beträchtlicher Teil der
nicht äußern.
legschaften.
für Einzelne nach Gutdünken geben.
rund 600 Produktionsarbeiter ist beEntschieden ist hingegen,
Am 1. März 2016 sah es noch so
ZZP-Sprecher Rafal Tomasiak kritiwie es mit den Beschäftigten
aus: In einem Nobelhotel im Berliner
reits eingetreten – unter schwierigen
der Bildungsstätte weitergeht.
Stadtzentrum spricht Konzernchef
Bedingungen: Gewerkschaftssekresierte: »Unsere Beschäftigten in den
»Deutlich mehr als die Hälfte«
Tony Smurfit vor Branchenvertretern
täre durften zeitweise nicht in die Be- polnischen Werken liefern Qualität.
von ihnen seien auf andere
über die weitere Expansion des Osttriebe, Vorarbeiter waren angehalten, Sie haben ein Recht, bei Entlohnung
und Arbeitsbedingungen mitzureden.« Stellen vermittelt worden:
Gespräche am Arbeitsplatz zu untereuropageschäfts. Draußen stehen
Gewerkschafter der polnischen Poly15 innerhalb von ver.di
binden, ZZP-Infomaterial sollte nicht
Gewerkschaft erhält Zugang
und drei weitere zu einem
graphie-Gewerkschaft ZZP, des Dach- verteilt werden. Dagegen wehrten
Aktionen wie die in Berlin und die
sich die polnischen Kollegen, machanderen Arbeitgeber in der
verbandes UNI Global Union sowie
Ankündigung einer europaweiten
Region. »In einigen wenigen
von ver.di. Sie erinnern den Vorstand
ten die Verhältnisse öffentlich und
UNI-Kampagne führten schließlich
Fällen« hätten Kolleginnen und
an den Unternehmenskodex, der
erhielten europaweit Unterstützung.
zum Durchbruch. Bei der UNI-EuroKollegen einen Aufhebungsallen Belegschaften GewerkschaftsIn einem Protestbrief forderten euund Arbeitnehmerrechte zusichert.
vertrag unterzeichnet und
ropäische Schwestergewerkschaften
pa-Konferenz in Rom am 16. März
Denn in Polen versucht die ZZP vereine Abfindung genommen
von Smurfit Kappa Polen ein Ende
überbrachten ZZP-Kollegen die
oder seien vorzeitig in RuheErfolgsnachricht: Lohnerhöhungen
von vier bis sechs Prozent für alle
stand getreten, so Schmitz.
gewerblichen Beschäftigten sind nun Den entsprechenden Sozialzugesichert, auch Prämien für lange
plan hatte der Betriebsrat im
Betriebszugehörigkeiten. UnverzügDezember unterzeichnet.
lich beginnen Verhandlungen über
Lohntabellen und Eingruppierungen.
I mpre s s um
Die eigentlichen Tarifverhandlungen
DRUCK+PAPIER – die ver.disollen im Sommer starten.
Branchenzeitung – erscheint
Außerdem: Die ZZP erhält regugedruckt für die Mitglieder der
lären Zugang zu den Betrieben, darf
Alt-Fachgruppen Druckindustrie
dort Infoständer aufstellen, Ausund Zeitungsverlage sowie Pahänge anbringen und ihre Mitglieder pier- und Kunststoffverarbeitung
versammeln. »Dzie˛ kuje˛ bardzo« –
als Beilage zur ver.di-MitgliederDanke für die solidarische Unterstützeitung PUBLIK. 154. Jahrgang.
Herausgeber: Vereinte Dienstzung, hieß es deshalb in Rom.
Protestaktion am 1. März in Berlin
leistungsgewerkschaft, Bundesvorstand/Fachbereich Medien,
Semi n ar
Kunst und Industrie, Frank
nehmensberatung) sowie Unternehmens- und BeschäfBsirske und Frank Werneke.
Verlagskonferenz für Betriebsräte
tigtenvertretern aus Verlagshäusern.
Redaktion: Daniel Behruzi,
Die digitale Transformation in den Verlagen!? Was ist
Michaela Böhm, Andreas
das? Was passiert da? In welcher Weise sind Beschäf5. – 6. Juli 2016 in Berlin, Seminargebühr: 345 Euro
Fröhlich (verantwortlich), PaulaThiede-Ufer 10, 10179 Berlin,
plus Hotelkosten (99 Euro). Freistellung und Kostentigte und deren Interessenvertretungen davon betrofTelefon: 030.6956-2318,
fen? Wie sieht eine bestmögliche Unterstützung der
übernahme gem. §§ 37.6 i.V.m. 40 BetrVG sowie nach
Telefax: 030.6956-3654,
betrieblichen Akteure und insbesondere der Betriebsräte
§ 65 Abs.1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG und § 96 Abs. 4
[email protected].
aus? Das werden wir im Plenum und in Praxisforen
und 8 SGB IX
Korrektorat: Hartmut
unter anderen diskutieren mit: Frank Werneke (stellverBreckenkamp. Design und
Dieses und weitere Seminare findet ihr unter:
tretender ver.di-Vorsitzender), Horst Röper (FORMATT
Vorstufe: werkzwei, Detmold.
Medienforschungsinstitut), Christian Hasselbring (Unter- www.verlage-druck-papier.verdi.de/service/seminare
Druck: apm AG, Darmstadt.
16
D R U C K + PA P I E R 2 . 2 0 1 6
Hi s t o ri s c h e Serie
1900
1950
2000
150 Jahre jung
»Von der Buchdruckergewerkschaft zu ver.di« heißt das Motto i n diesem Jubiläumsjahr.
Wir erinnern an Wegmarken. Druck+Papier kann das auf eigene Weise tun, denn
unsere Branchenzeitung hat diese Entwicklung von Beginn an dokumentiert.
Besonnenheit bewahren
Im Kampf um den Neunstundentag kam es im
Oktober 1891 zum Bruch der »Tarifgemeinschaft« aus gewerkschaftlichem Buchdruckerverein und dem Buchdruckerverband der
Prinzipale. Zwischen beiden war 1873 – nach
14-wöchigem Streik – erstmals ein Flächentarifvertrag vereinbart worden. Im »Neunstundenkampf« um eine Stunde weniger Arbeitszeit brachen die Prinzipale jegliche Gespräche
ab. Der folgende Streik brachte den Gehilfen
im Januar 1892 eine böse Niederlage. Die Gewerkschafter müssten der Tarifgemeinschaft
»keine Thräne nachweinen«, man sei vielmehr
»von einem drückenden Alpe befreit«, könne
»nun wieder frei aufatmen«, schrieb der
spätere Redakteur Ludwig Rexhäuser zuvor
auf der Titelseite des »Correspondent« vom
18. Oktober 1891:
»Wohlan denn, die vermeintlichen Retter
des Gewerbes werden bald genug einsehen,
was für einen Streich sie sich selbst gespielt
haben, dadurch, dass sie mit der schroffen
Abweisung der Verkürzung der Arbeitszeit
den Verhandlungen der Tarifkommission ein
so jähes Ende bereiteten. Oder wollte man die
Gehilfenvertreter nur erschrecken, um sie zum
Abstehen von ihrer Hauptforderung zu veranlassen? Uns scheint es so, wenn wir bedenken,
dass der hierauf gerichtete Einfluss auf die
Prinzipalvertreter von Leipziger Verlagsbuchhändlern, welche doch allein an der Niedrighaltung des Tarifs ein wesentliches Interesse
haben, ausgegangen ist. Am Abende vor dem
Abbruche der Verhandlungen hatten sich einige Prinzipalvertreter dahin ausgesprochen,
einen versöhnlichen Ausgleich herbeizuführen,
doch scheinen sie am Morgen des folgenden
Tages zu einer entgegengesetzten Meinung
gebracht worden zu sein und zwar durch die
Leipziger Prinzipale, welche gleichzeitig Selbstverleger sind.
Die Gehilfen haben die Besonnenheit
bewahrt, sie haben sich nicht ins Bockshorn
jagen lassen. Sie werden vorläufig ihre Forderung ... vertagen, nicht aber von derselben abstehen ... Gewiss werden die Gehilfen sich stets
bereit halten, ihrer Forderung nach Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auch den nötigen Nachdruck durch eventuelle Arbeitseinstellung zu geben, doch betrachten sie diese
immer nur als äußerstes Mittel, um zum Ziele
zu gelangen, zu einem unüberlegten Streiche
werden sie sich aber selbst durch geschicktere Kniffe als den zuletzt angewandten nicht
verleiten lassen.«
-neh
A U F L Ö S U N G U N D G E W I NN E R / I n n e n D E S P R E I S R Ä TS E LS
Ziffern im Schriftsatz – eine Wissenschaft für sich
»Mediäval«, das Lösungswort des letzten Preisrätsels, kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »mittelalterlich«. Mediävalziffern werden seit dem 12. Jahrhundert verwendet, als
die arabischen Ziffern die römischen abzulösen
begannen, so Wikipedia. Während Versalziffern von 0 bis 9
in Druckschriften
alle gleich breit
sind und alle
Mediävalziffern:
die Höhe von
Corporate ASC , Demi, 32 pt
Großbuchstaben
(Versalien) aufweisen, haben
die Mediävalzif- Versalziffern:
fern 0, 1 und 2 Corporate A, Demi, 32 pt
1234567
1234567
die Höhe von Kleinbuchstaben (Minuskeln), die
3, 4, 5, 7 und 9 Unterlängen sowie die 6 und
8 Oberlängen von Kleinbuchstaben. Außerdem
sind die Dickten von Mediävalziffern variabel
und dem Charakter der jeweiligen Schrift angepasst. Mediävalziffern wirken innerhalb von
fortlaufendem
P R I M A S
K O N S U M
Text
harmonischer
L
T
R E G A L
A
O
A D E B A R
M I K A D O und eleganter
N
M E D I A E V A L
R
als Versalziffern.
M
T
E R L
D
R
P A P E R
E
S I G E L Letztere wiederum
A N A
I R A D E
R I A
sorgen in Tabellen
L A K U N E
U M F A N G
E G O N
F E S
I D E E und anderen ZahlE
Z I F F E R N
K
kolonnen für mehr
O R D E R
F
O E S E R
L
O
A G E N S
O
H Übersichtlichkeit. M I M I K
T
S A L T O (hem)
Die Gewinner/innen des Rätsels in
DRUCK+PAPIER 1.2016 sind:
1. und 2. Preis:
01109 Dresden;
16761 Henningsdorf
(je ein Grafikband)
3. Preis:
, 33332 Gütersloh
(Plakat aus Büttenpapier mit Setzkastenplan)
4. und 5. Preis:
, 31547
Rehburg-Loccum;
, 49586 Merzen
(Kurzgeschichten »Risse im Balkon«)
6. und 7. Preis:
, 73527 Schwäbisch
Gmünd;
, 06246 Bad Lauchstädt
(ver.di-Kaffee aus fairem Handel, 500 g)
8. und 9. Preis:
, 79110 Freiburg
im Breisgau;
, 89079 Ulm
(ver.di USB-Stick)
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