PM Semmelroth

„Kultur ist das entscheidende Element für unser Zusammenleben“
Felix Semmelroth steht für eine neue Koalition nicht mehr zur Verfügung /
Bilanz seiner Amtszeit
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Ich habe heute Oberbürgermeister Peter Feldmann gemäß der Hessischen
Gemeindeordnung gebeten, mich zum 1. Juli dieses Jahres in den Ruhestand zu
versetzen. Zu diesem Schritt habe ich mich in Abwägung der Gesamtlage
entschlossen. Für ein temporäres Verbleiben im Amt bis Ende dieses Jahres sehe
ich keinen sachlichen Grund, wenn die Nachfolge im Juli durch eine Neuwahl
geregelt wird.
Zehn Jahre als Frankfurter Kulturdezernent sind eine beachtliche Zeitspanne. Kultur
hat in unserer Stadt immer eine besondere Rolle gespielt. Walter Wallmann hat sie
als Ferment der Kommunalpolitik bezeichnet; ich würde weiter gehen: Sie ist das
entscheidende Element für unser Zusammenleben. Kultur darf weder der
Ökonomisierung unserer Gesellschaft noch dem politischen Pragmatismus
untergeordnet werden. Das Unerwartete, das Verblüffende, das Kreative, das
Zweckfreie sind für die Entwicklungsfähigkeit einer Großstadt wie Frankfurt
unverzichtbar. Es ist die Kultur einer offenen Bürgergesellschaft, die unsere Stadt
immer ausgezeichnet hat. Dieses Erbe muss unabhängig von jeglicher
koalitionspolitischer Konstellation bewahrt werden.
Mit großer Freude und Dankbarkeit blicke ich auf meine Amtszeit zurück. Die
Anstrengungen haben sich gelohnt. Es ist gelungen, die Kulturstadt Frankfurt
weiterzuentwickeln, indem die Infrastruktur nicht nur erhalten, sondern ausgebaut
wurde. Die in die Jahre gekommenen Häuser am Museumsufer, wie beispielsweise
das Deutsche Architekturmuseum, das Deutsche Filmmuseum oder das Museum
Angewandte Kunst, wurden saniert und haben sich – teilweise unter neuer Direktion
– auch inhaltlich neu aufgestellt. Große Summen wurden investiert: Der Neubau des
Historischen Museums öffnet im Herbst 2016 erstmals seine Tore an einem
Bürgerwochenende, die Wiedereröffnung des Gesamtkomplexes ist ein Jahr später,
für Herbst 2017 geplant. Mit dem Caricatura Museum hat Frankfurt ein eigenes
Museum für Komische Kunst und ist mit den Karikaturen der legendären „Neuen
Frankfurter Schule“ zu einem Publikumsmagneten der internationalen Satire-Szene
geworden.
Während das sanierte Museum Judengasse gerade eröffnet wurde, steht die
Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau des Jüdischen Museums kurz bevor. Das
neue Haus wird sich mit der Geschichte und Gegenwart des Judentums aus einer
europäischen Perspektive und in Wechselwirkung zu anderen Kulturen
auseinandersetzen. Dem Jüdischen Museum obliegt es auch, Führungen in der neu
gebauten Erinnerungsstätte an der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle
anzubieten. Diese thematisieren die historischen Hintergründe der Deportationen aus
Frankfurt am authentischen Ort und beziehen die Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus ein.
Eine wesentlich größere Ausstellungsfläche hat das MMK mit der Dependance im
TaunusTurm hinzugewonnen, so dass die bedeutende Sammlung der
Gegenwartskunst und noch mehr Wechselausstellungen präsentiert werden können.
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Ein kulturelles Glanzlicht der vergangenen Jahre ist der spektakuläre unterirdische
Erweiterungsbau des Städel Museums, in dem auf rund 2 600 Quadratmetern
zusätzlicher Ausstellungsfläche Werke zeitgenössischer Kunst vorgestellt werden.
Auch das Deutsche Romantik-Museum im Großen Hirschgraben nimmt Konturen an,
der Spatenstich wird im Juni erfolgen. Dieser Erfolg ist außerordentlichem
bürgerschaftlichen Engagement zu verdanken, der auch Wirkung auf die unter
Konsolidierungsdruck stehenden kommunalen Geldgeber hatte. Dadurch konnte die
einmalige historische Chance ergriffen und der einzigartige Sammlungsbestand der
deutschen Romantik demnächst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden. Auch die Fliegende Volksbühne von Michael Quast wird im Großen
Hirschgraben im Cantate-Saal eine feste Spielstätte finden.
Um die hohe Qualität und die große Vielseitigkeit der Frankfurter Ausstellungshäuser
national und international noch bekannter zu machen, wurde 2008 die Dachmarke
„Museumsufer Frankfurt“ gegründet. Dadurch wurden nicht nur neue
Besucherschichten erschlossen, es entwickelten sich ebenfalls exzellente
Kooperationen zwischen den Ausstellungshäusern. Darüber hinaus wird dank der
Gründung der MuseumsBausteine Frankfurt GmbH eine fristgerechte und
kostengünstige Bauweise bei kulturellen Projekten ermöglicht, wie beispielsweise
beim Bau des Jüdischen Museums oder beim für die Museen vorgesehenen
Zentraldepot.
Für Frankfurt als nationalen und internationalen Standort von künstlerischer
Produktion und Lehre wurde ebenfalls viel erreicht. Durch den Übergang der
Städelschule zum Land Hessen stehen jetzt langfristig ausreichend Mittel bereit, die
Kunsthochschule adäquat auszustatten und weiterzuentwickeln. Das Renommee der
Professoren, die hier lehrten und lehren sowie die Studierenden, die oftmals im
internationalen Kunstbetrieb reüssieren, sind von hohem Wert für den Ruf Frankfurts
als Kulturstadt.
Die Oper Frankfurt ist mehrfach zur „Oper des Jahres“ gekürt worden. Auch dem
Schauspiel bescheinigen Publikum und Kritik ein qualitativ herausragendes
Ensemble bei meist ausverkauften Vorstellungen. Die Alte Oper schreibt ihre
Erfolgsgeschichte fort und rückt zeitgenössisches Musikschaffen in den Vordergrund.
Mit „Pegasus“ hat sie ihr Programm auch auf die Allerkleinsten ausgerichtet.
Zur hohen Qualität und dem internationalen Ansehen der Frankfurter
Kulturlandschaft tragen vor allem ihre glänzenden Protagonisten bei. Die
Institutsleiter und Intendanten haben Großartiges für Frankfurt geleistet. Kontinuität
und, wo nötig, Wechsel bei den Personalien garantieren den Ausbau und die
inhaltliche Fortentwicklung des kulturellen Fundaments.
Zu den Errungenschaften für die Kultur gehört ebenfalls das transparente
Fördermodell für die freie Theaterszene, das in einem partizipativen Arbeitsprozess
mit den Theatermachern entstanden ist. Der neu konstituierte Theaterbeirat legte im
letzten Jahr erstmalig seine Empfehlungen vor und verdeutlichte die Notwendigkeit
einer erhöhten Förderung für die freie Szene. Ein Garant für die künstlerisch
anspruchsvolle Auseinandersetzung mit aktuellen und kritischen Themen ist das
Künstlerhaus Mousonturm, das sich nach einer Sanierungs- und Umbauphase auch
inhaltlich neu erfunden hat. Der Mousonturm spielt international in der ersten Liga der
freien Produktions-zentren.
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Für die Literaturstadt Frankfurt ist es geglückt, wichtige Akteure längerfristig an
Frankfurt zu binden, um mit ihnen gemeinsam das literarische Leben zu gestalten.
Frankfurt beheimatet namhafte Verlage und ist zudem Standort der weltgrößten
Buchmesse, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Deutschen
Nationalbibliothek. Literaturhaus, Hessisches Literaturforum, Romanfabrik sowie
zahlreiche weitere Veranstalter bieten ganzjährig ein abwechslungsreiches
Programm aus Lesungen und Diskussionsrunden. Dieses Programm wird durch die
im biennalen Wechsel stattfindenden städtischen Literaturfestivals „literaTurm“ und
„Frankfurter Lyriktage“ sowie das Lesefest „Open Books“ zur Frankfurter Buchmesse
ergänzt.
2008 wurde zudem ein großangelegtes Investitionsprogramm für den Zoo
beschlossen, das den Borgori-Wald als neues Zuhause für die Menschenaffen, die
Verlagerung und Umgestaltung der Eingangssituation sowie den Neubau der
Bärenanlage umfasste. Der Zoo definiert sich in seiner Neukonzeption als
Artenschutzzentrum und die neuen Tieranlagen werden modernsten
tiergärtnerischen Erfordernissen gerecht. Für diesen Herbst ist der Baubeginn für die
neue Pinguinanlage geplant.
Glücklicherweise ist es trotz harter Konsolidierungsmaßnahmen gelungen, den
Kulturhaushalt auf seinem Niveau ohne Beschädigungen bestehen zu lassen. Die für
das Funktionieren und den Ruf der Kulturstadt Frankfurt so bedeutsamen Strukturen
konnten erhalten werden.
Vieles ist getan, einiges steht noch an: Von hoher gesellschaftlicher sowie kultureller
Bedeutung ist die Wiedererlangung eines kommunalen Kinder- und Jugendtheaters
in Frankfurt, eine der zentralen Aufgaben für die kommenden Jahre. Zudem bleibt
das Museum der Weltkulturen eines der großen Desiderate.
Der große Erfolg der Kulturstadt Frankfurt, die hervorragende Qualität und Vielfalt der
Programme sowie das gute Gelingen der durchgeführten Projekte ist auf die
Kompetenz aller Akteure zurückzuführen. Ich bedanke mich bei den vielen
Menschen, die mir großes Vertrauen entgegengebracht und meine Arbeit unterstützt
haben. Besonders danken möchte ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für
die vertrauensvolle und fachkundige Zusammenarbeit. Hervorheben möchte ich auch
das gelungene Zusammenspiel mit den Intendanten und Museumsleitern. Ich
wünsche ihnen allen, dass die begonnenen Projekte erfolgreich fortgeführt und
abgeschlossen werden, damit Frankfurt auch in den nächsten Jahren als Kulturstadt
zukunftsfähig bleibt.
Das Ausscheiden aus der Politik ist für mich ein persönlicher Einschnitt und bietet
zugleich neue Gestaltungsmöglichkeiten. Der Rückzug aus dem politischen Amt
schafft Raum, Interessen nachzugehen, die bisher aus zeitlichen Gründen zu kurz
gekommen sind. Ein Vorhaben ist es, mich vermehrt wieder der wissenschaftlichen
Arbeit zu widmen.
Ich bitte um Verständnis für meine Entscheidung.
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