Neues_aus_dem_Reich_der_Mitte

ILLUSTRATIONEN: MYDEADPONY/COLAGENE/MARIECLAIRE-COPYRIGHT.COM; ISTOCK
Gesundheit
Neues
aus dem
Reich
der
Mitte
Wissenschaftler bestätigen jetzt: Der Darm ist nicht nur das
Zentrum der körperlichen Gesundheit, er steuert auch unsere Gefühle.
Darum sollten wir ihm viel mehr Aufmerksamkeit gönnen
TEXT: BARBARA ESSER
Sie galten lange als igitt, aber seit einiger Zeit sind
sie die neuen Stars. Die Rede ist von den Bakterien.
Jene vor allem, die wir im Darm mit uns herum­
tragen. Das menschliche Mikrobiom – so nennen
Mediziner die 100 Billionen Mikro­Organismen, die
jeden von uns besiedeln – zählt etwa 1000 verschie­
dene Arten von Bakterien. Allein die Mikroben der
Darmflora wiegen anderthalb bis zwei Kilo. Hygiene­
hysteriker mögen solche Zahlen in Schnappatmung
versetzen, aber die gute Nachricht ist: Darm­Bakte­
rien sind prima, sofern es die richtigen sind. Sie
machen einen wichtigen Job. Und sie haben, neues­
ten Erkenntnissen zufolge, nicht nur Einfluss auf
unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Psyche.
Das Mikrobiom in unserem Darm, dem sich
Forscher in der ganzen Welt neuerdings mit großem
Enthusiasmus zuwenden, ist so individuell wie wir
selbst. Herkunft, Gene, Ernährung und Lebens­
gewohnheiten prägen es. Wie machtvoll es ist, findet
man gerade erst heraus. „Wir sind“, sagt Viola
Andresen, Gastroenterologin am Israelitischen Kran­
kenhaus in Hamburg, „noch am Beginn, das alles zu
verstehen. Aber alle Experten sind sich einig, dass
die Bakterien sowohl beim Entstehen als auch bei
der Behandlung von Krankheiten eine große Rolle
spielen.“ Von der Analyse der bakteriellen Bauch­
4/2016 DONNA
99
Gesundheit
bewohner erhoffen sich Wissenschaftler Aufschlüsse
zu neuen Therapien gegen eine ganze Reihe körperlicher und seelischer Krankheiten. Diabetes zum Beispiel, multiple Sklerose, entzündliche Darmerkrankungen, aber auch Alzheimer oder Depressionen.
Alles nur eine Frage der richtigen Bakterien?
Nun, die Sache ist komplex. Mit seiner tennisplatzgroßen Oberfläche und einer Länge von im Schnitt
sechs Metern ist der Darm der am dichtesten besiedelte Lebensraum der Welt. Unter seinen Bewohnern
tummeln sich freundliche ebenso wie unangenehme
Gesellen. Je nach Zusammensetzung kann sich der
Keim-Mix in unseren Eingeweiden sowohl positiv als
auch negativ auf die Gesundheit auswirken. Auf welche Weise sich die Mikroben gegenseitig bestärken
oder befehden, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Außer Frage steht, dass eine große Bakterienvielfalt
im Darm gesund ist. Ebenso wie die Tatsache, dass
Antibiotika und auch der übertriebene Einsatz von
Desinfektionsmitteln diese Vielfalt auf ungesunde Weise reduzieren, weil sie neben den schlechten auch Armeen von guten Bazillen eliminieren. Beide Bakterienkiller sollten deshalb mit Bedacht eingesetzt werden.
Unser Bauch hat viel
Erfahrung und denkt mit
Wenn heute oft vom Bauchgehirn die Rede ist,
dann auch deshalb, weil der Darm eine eigene
Schaltstelle ist, deren Einfluss man lange unterschätzt hat. Als einziges Körperorgan besitzt er
ein vom Gehirn unabhängiges Nervenzellengeflecht. Und zwar ein gigantisches – bestehend aus
100 Millionen Nervenzellen. „Der Darm könnte
sogar ohne Verbindung zum Gehirn tagelang komplett autonom arbeiten“, sagt Michael Schemann,
Professor an der TU in München.
Über den Vagusnerv ist der Darm mit dem
Gehirn verbunden und liefert ihm elementare
Botenstoffe. 95 Prozent des Wohlfühl-Hormons
Serotonin werden im Darm gebildet. Das gern zitierte Bauchgefühl bekommt damit eine neue Bedeu-
100 DONNA 4/2016
95
Prozent
des Wohlfühlhormons
Serotonin
werden im
Darm gebildet
tung. Und es wird noch spannender: Inzwischen
weiß man, dass die Bakterien im Darm an der Produktion einiger zentraler Neurotransmitter beteiligt
sind – und damit Einfluss auf unsere Stimmungen
nehmen. Neben Serotonin werden auch der Belohnungsstoff Dopamin und Noradrenalin unter der
Mithilfe von Bakterien produziert. Leider funktioniert das Ganze auch in die andere Richtung: mit
Darmmikroben, die an der Entstehung von angstfördernden Stoffen beteiligt sind. „Bis vor wenigen
Jahren hätte sich kaum ein Forscher getraut zu
behaupten, dass Bakterien im Darm unsere Gefühle
und unser Verhalten steuern“, sagt der deutsche
Neurowissenschaftler Roman Stilling, der den Einfluss der Darmbakterien auf das Gehirn untersucht.
Inzwischen habe sich diese Haltung stark geändert.
Auf eine darmfreundliche
Ernährung kommt es an
Kann man die gesunden Mikroben füttern? In gewisser Weise schon. Zum Beispiel durch Lebensmittel wie frisches Gemüse, Vollkorn, Hülsenfrüchte.
Weil sie einen idealen Nährboden für die wohltuenden Bakterien bilden, nennt man sie prebiotische
Lebensmittel. Auch inulinhaltiges Gemüse (Inulin
ist ein löslicher Ballaststoff) wie Chicorée oder Knoblauch haben diesen Effekt. Probiotische Lebensmittel hingegen enthalten selbst lebende Mikroorganismen. Sie ergänzen und stützen die Bakterienvielfalt
im Darm. Dazu zählen Joghurt (am besten natur),
Buttermilch, Kefir, Tofu sowie Sauerkraut, das durch
!
NEU
Bindegewebsschwäche?
seine Fermentation gutwillige Bakterien produziert.
Etliche Versuche legen den Schluss nahe, dass der
unterschiedliche Bakterienmix uns zu besseren oder
schlechteren Futterverwertern macht. Als wegweisend gilt ein Experiment amerikanischer MikrobenForscher. Diese hatten keimfrei aufgezogene Mäuse
mit unterschiedlichen Bakterienkulturen geimpft.
Die eine Gruppe bekam Mikroben übergewichtiger
Menschen eingepflanzt, die zweite Gruppe erhielt
die Keime von normalgewichtigen. Das Ergebnis:
Die Mäuse der ersten Gruppe legten deutlich zu –
obwohl sie nur wenig mehr fraßen als die Nager der
zweiten Gruppe. Nach fünf Wochen hatten sie
15 Prozent mehr Körperfett als die Empfänger der
„schlanken“ Mikroben.
Neue, sogenannte Bakteriendiäten leiten aus
solchen Erkenntnissen ihr Konzept ab, durch Gabe
bestimmter Bakteriencocktails leichter abnehmen zu
können. Allein: Bislang fehlen dafür die Belege.
Erwiesen ist jedoch, dass unsere Mitbewohner sehr
sensibel auf veränderte Essgewohnheiten reagieren
– im Guten wie im Schlechten. „Wenn sich die Bedingungen im Darm durch eine Ernährungsumstellung ändern, können sich bestimmte Bakterientypen
stärker ausbreiten“, erklärt Michael Blaut, der als
Professor für gastrointestinale Mikrobiologie am
Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam den bakteriellen Siedlern nachspürt. So weiß
man aus Versuchen, dass die Darm-WG-Bewohner
auf weniger gesunde Ernährung mit viel tierischen
Produkten schon nach einem Tag reagieren und unter anderem Stoffe produzieren, die im Verdacht stehen, die Blutgefäße zu schädigen. Umgekehrt, das
konnten Forscher in Harvard nachweisen, lässt eine
obst- und gemüsereiche Speisekarte mit Vollkornprodukten binnen Tagesfrist die guten Mikroben anwachsen. Fertiggerichte und Fast Food sind – wundert uns das? – einer ausgeglichenen Darmflora nicht
zuträglich. Weil diese Lebensmittel faserarm sind,
verkümmern die Mikroben, die sich gemeinhin von
diesen Ballaststoffen ernähren. Womöglich sogar auf
Nimmerwiedersehen, wie Experimente mit Mäusen
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Gesundheit
vermuten lassen. Auch zu viel Fett und Zucker stehen im Verdacht, das Mikrobiom zu beeinträchtigen,
weil die Darmschleimhaut angegriffen wird und sich
schädliche Bakterien dadurch stärker vermehren
können. Fleisch aus Massentierhaltung ist wegen
seines oft hohen Antibiotika-Gehalts ebenfalls ein
Feind einer gesunden Mikroflora.
Sind Probiotika die
neuen Wundermittel?
Es klingt verlockend: „Wenn Bakterien tatsächlich
unsere Psyche beeinflussen, dann sollte man sich das
doch zunutze machen“, sagt Andrew Allen. An dem
irischen University College Cork experimentierte der
Psychologe jüngst mit der Bakterienart Bifidobacterium longum 1714, die er seine Probanden einen
Monat lang einnehmen ließ. Bei einem anschließenden Stresstest reagierten die Teilnehmer, die die Bakterienpillen
genommen hatten, deutlich gelassener als eine unbehandelte
Kontrollgruppe. In einem anderen Versuch wurden Freiwilligen
über 30 Tage lang zwei Mikrobenarten (Bifidobakterien und
Laktobazillen) verabreicht. Die
Folge: Der Pegel des Stresshormons Cortisol sank signifikant. Zwar wird es die pauschale Bakterienpille für gute Laune und Widerstandskraft – im Medizinerjargon Psychobiotika genannt – so schnell nicht geben. Auch weil man noch
nicht entschlüsselt hat, wie genau die Mikroben mit
den bereits vorhandenen Darmbakterien interagieren. Aber dass Probiotika mit ihren hoch dosierten
Bakterienstämmen eine gesunde Artenvielfalt im
Darm und damit das Wohlbefinden unterstützen
können, ziehen Experten nicht mehr in Zweifel.
Die Hamburger Ernährungsmedizinerin
Andresen setzt Probiotika häufig bei Patienten mit
Reizdarmsyndrom ein. „Weil man nicht vorhersagen
kann, welcher Bakterienstamm wie wirkt, muss man
etwas herumprobieren“, sagt sie. Oft schlagen die
Mittel gut an und verschaffen Reizdarm-Geplagten
Linderung. Menschen mit der entzündlichen
Darmerkrankung Colitis ulcerosa können ebenfalls
von der Gabe probiotischer Mittel profitieren. Auch
nach einer Antibiotika-Behandlung, einer Darmspiegelung oder einem Magen-Darm-Infekt machen Probiotika aus der Sicht von Expertin Andresen Sinn.
„Für die Darmflora ist das sicher gut. Aber man sollte keine Wunder erwarten.“
So sei die Versprechung, dass Probiotika die
Immunabwehr stärken und Erkältungskrankheiten
abwehren, nicht belegt. Zu den am besten erforschten Bakterienstämmen zählen Lactobacillus acidophilus, Bifidobacterium longum, Lactobacillus rhamnosus, Bifidobacterium bifidum und Lactobacillus
casei. Die Bakterienfamilien sollten auf der Verpackung genannt sein. Bei Bakterien macht es die
Masse – schließlich müssen sie
einen langen Weg durch den Verdauungstrakt zurücklegen und
sich gegen dort bereits vorhandene Bakterien behaupten. Experten empfehlen eine Dosis von
Minimum 100 Millionen Mikroorganismen pro Tag. Manche
raten sogar zu zwei bis zehn
Milliarden. Die Kulturen werden
oft als „koloniebildende Einheiten“ in Zehnerpotenzen auf den Verpackungen angegeben (z. B. 3x107
entspricht 30 Millionen). Auch Joghurts und probiotische Drinks enthalten Millionen von Bakterien.
Wer reichlich davon zu sich nimmt, sollte das bei der
Dosierung der probiotischen Nahrungsergänzung
berücksichtigen. Da sie im Dickdarm wirken sollen,
sollten Probiotika nicht vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Durch die Liegeposition können sie im Dünndarm hängen bleiben, wo sie wenig
Sinn machen und im Zweifel sogar Unannehmlichkeiten bereiten. Wer unter entzündlichen Darmerkrankungen leidet, sollte zuvor mit dem Arzt abD
klären, ob sich Probiotika auch empfehlen.
„Wenn Bakterien
die Psyche beeinflussen,
sollte man sich
das zunutze machen“
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DR. ANDREW ALLEN
Darmspiegelung: der beste Schutz vor Krebs
●
WARUM IST EINE DARMSPIEGELUNG WICHTIG?
Nach wie vor ist Darmkrebs in Deutschland die zweithäu­
figste Krebserkrankung. Fast 64 000 Menschen waren allein
2014 mit der Diagnose konfrontiert. 26 000 Darmkrebs­
patienten erlagen ihrem Leiden. Dennoch sind die Erkran­
kungszahlen in der letzten Zeit zurückgegangen – vor
allem bei den Frauen, die später und seltener an Darm­
krebs erkranken als Männer. Wohl weil sie sich in der
Regel gesünder ernähren und häufiger zur Vorsorge ge­
hen. Weil er sich langsam – oft über zehn bis 15 Jahre
und in 90 Prozent der Fälle aus gutartigen Schleimhaut­
wucherungen – entwickelt, lässt sich Darmkrebs über
Vorsorgeuntersuchungen meist verhindern. Bei den Unter­
suchungen werden die Wucherungen, sogenannte Poly­
pen, gleich mitentfernt. „Mit der Darmspiegelung können
wir Vorstufen von Darmkrebs entdecken und beseitigen”,
sagt der Münchner Gastroenterologe Wolfgang Wegerle.
● WIE VORBEREITEN? In Deutschland geht nur jeder
Fünfte zur Darmspiegelung. Vielen graut vor der Vorberei­
tung der endoskopischen Untersuchung. Manche reagie­
ren sehr sensibel auf die Darmreinigung mit Koliken oder
Kreislaufproblemen. „Das Abführen ist nicht angenehm”,
Dr. Willmar Schwabe
Format: / Seite quer c, x mm
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räumt Gastroenterologe Wegerle ein, „aber meistens kein
Problem.” Empfindlichen Patienten empfiehlt er, die
Vorbereitung über einen größeren Zeitraum zu dehnen.
Z. B. körnerhaltige Kost schon sieben Tage vor der Endosko­
pie abzusetzen und schwer Verdauliches wie Rohkost zu
meiden. „Wer empfindlich auf Abführmittel reagiert, sollte
möglichst keine Mittel nehmen, die zusätzlich mit Tabletten
kombiniert werden, und etwas mehr Wasser nachtrinken”,
rät der Arzt. Sicher, es gibt Angenehmeres als eine
Darmspiegelung. Aber neben dem Sinn der Früherken­
nung erfüllt sie noch einen weiteren guten Zweck. In dem
gut geputzten Darm lassen sich gute Bakterien leichter
ansiedeln, weil sie auf weniger Gegenspieler stoßen. Eine
probiotische Kur schlägt besser an.
WEM WIRD SIE EMPFOHLEN? Allen ab 50 Jahren.
Versicherte haben einmal jährlich Anspruch auf einen
chemischen Okkult­Blutstuhltest, der verborgenes Blut im
Stuhl nachweist. Ab 55 Jahren bezahlt die Krankenkasse
eine Vorsorge­Darmspiegelung. Einige Kassen bieten die
Untersuchung schon ab 50 Jahren an. Bei negativem
Befund muss die Koloskopie in der Regel erst nach zehn
Jahren wiederholt werden. Infos: www.darmkrebs.de
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