Menschen mit einer Beeinträchtigung in der Privatwirtschaft

Menschen mit einer Beeinträchtigung in
der Privatwirtschaft: Wie gelingt die
Integration?
Forum Supported Education, Steinhölzli Berufsbildung,
29. April 2016
Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik und Sozialversicherungen SAV /
Präsident Compasso
Schweizerischer Arbeitgeberverband,
Das Thema berufliche Integration ist für die
Arbeitgeber relevant!
2
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Fakten
 die Fehlentwicklung der IV bis anfangs der 2000er-Jahre machte eine
radikale Kehrtwende notwendig: von der Rentenversicherung zur
Eingliederungsversicherung;
 IV hatte bei der AHV beinahe CHF 15 Milliarden Schulden!
 mehrere IV-Reformen brachten gute Resultate in der Eingliederung, doch
die IV hat immer noch beinahe CHF 13 Milliarden Schulden! Der Patient IV
ist immer noch schwer krank!
 bis 2018 sollen rund 17‘000 Rentnerinnen und Rentner den Weg zurück ins
Erwerbsleben finden!
 Schlüsselfaktor für den Erfolg der beruflichen Eingliederung sind die
Arbeitgeber!
3
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Der SAV!

45 Branchenverbände

41 Regionalverbände

4 Einzelmitglieder

über 100‘000 Unternehmen

rund 2 Millionen Arbeitnehmende

Arbeitsmarkt-Sozialpolitik-Bildung

Metathemen: Zuwanderung/offener
Arbeitsmarkt und demografische
Alterung!
4
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Arbeitgeber setzen sich für berufliche Integration ein!
Treiber 1
IV auf Intensivstation
 2003 über 28’000 gewichtete Neurenten
 Rezept IV-Sanierung: von der Rentenversicherung zur Eingliederungs-
versicherung;
 grosse Erfolge durch Sensibilisierung und dank gezieltem Engagement der
Arbeitgeber und guter Koordination aller Beteiligten: 2013 weniger als die
Hälfte gesprochene Neurenten gegenüber 2003!
 zwischen 2012 und 2015 konnten die Arbeitgeber zusammen mit den
IV-Stellen und weiteren Partnern 75’000 beeinträchtigen Personen
ermöglichen, die Stelle zu behalten oder eine neue Stelle zu finden!
5
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Arbeitgeber setzen sich für berufliche Integration ein!
Treiber 2
Demographischer Wandel
 Megatrend «demografische Alterung» bringt riesige Herausforderungen
für die Finanzierung der Sozialversicherungen, die Gesundheitskosten
und den Arbeitsmarkt;
 Arbeitsmarkt: Diskussion um Fachkräftemangel ist erst der Anfang.
Vorhandene inländische personelle Ressourcen werden viel besser
genutzt werden müssen  auch das Potenzial von Menschen mit
gesundheitlichen Beeinträchtigungen!
6
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Exkurs: Demografischer Wandel als weltweiter
Megatrend – 3 Treiber (UNO)
 Lebenserwartung – Geburtenrate – Migration
 Weltbevölkerung: 7,28 Mia. 2014, 9,6 Mia. 2050
 Anteil über 60-Jährige weltweit: gut 10% 2014 (knapp 800 Mio.), 22% 2050
(gut 2 Mia.)
 regional unterschiedliche Entwicklungen führen aber zu starken
Verschiebungen der Wirtschaftskraft
 massive Auswirkungen insbesondere auf Gesundheitswesen,
Arbeitsmärkte und Sozialversicherungssysteme
7
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Der demografische Wandel in der Schweiz
 Lebenserwartung im Alter 65:
 1948: 12,4 Jahre Männer, 14 Jahre Frauen
 2030: 21,8 Jahre Männer, 24,7 Jahre Frauen
 Bevölkerungsentwicklung in Mio.:
 2015: 8,3, 2030: 9,5, 2045: 10,2
 Anteil über 65-Jährige an Gesamtbevölkerung:
 2015: 1,5 Mio. / 29,1%, 2030: 2,2 Mio. / 39,6%, 2045: 2,7 Mio. / 48,1%
 Geburtenrate:
 2015: 1,42 / 2030: 1,47 (Anteil EWR: 1,48 / 1,56; Nicht-EWR: 2,2 / 2,2)
 Jährliche Zunahme Neurentner:
 2000: 15’000 / 2005: 25’000 / 2010: 35’000 / 2030: 60’000
8
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Haupt-Herausforderungen der demografischen
Alterung für Wirtschaft und Gesellschaft
 Arbeitsmarktpolitik
 Veränderungen von Angebot und Nachfrage: wachsender Arbeitskräftebedarf
 Veränderung der betrieblichen Personalstrukturen
 Sozialpolitik
 Zunehmende Belastung der sozialen Sicherungssysteme
 Steigender Finanzierungsbedarf
 Wachstumspolitik
 Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial: fehlende personelle Ressourcen
gefährden den Wohlstand und verringern das Beitragssubstrat zur Finanzierung
der Sozialversicherungen («Demografiesteuer»!)
9
Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Herausforderungen für die Arbeitgeber
 die demografischen Herausforderungen am schweizerischen Arbeitsmarkt
und in der Sozialpolitik sind zwei Seiten derselben Medaille
 Megatrend demografische Alterung spielt weltweit, aber auch in der
Schweiz: Arbeitgeber können sich nicht darauf verlassen, den
Arbeitskräftebedarf über Zuwanderung decken zu können (also nicht nur
wegen der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative MEI)!
 UBS (Konjunkturanalyse 2. Quartal 2014): in den nächsten 10 Jahren
wächst die Lücke an Arbeitskräften in CH auf ca. eine halbe Million
Vollzeitäquivalente an! (Digitalisierung hat zwar Einfluss und führt zu
weiteren strukturellen Anpassungen, bricht aber den Trend nicht)
10 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Relevanz der «Beruflichen Eingliederung» von
Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen
für die Arbeitgeber…
 durch den demografischen Wandel wird es immer wichtiger, brach
liegendes Potenzial an Arbeitskräften besser zu nutzen
 auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Thema «Berufliche
Eingliederung» relevant. Denn der Verlust eines Mitarbeitenden
verursacht hohe Kosten. Für Mitarbeitende auf der ausführenden
Ebene und im unteren Management werden die Kosten auf 30 bis
50% des Jahresgehalts geschätzt. Mit zunehmender Position und
Spezialisierung steigen auch die Kosten.
11 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Fokussiertes Engagement der Arbeitgeber für
die berufliche Eingliederung: compasso!
12 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Aktive Rolle der Arbeitgeber: www.compasso.ch!
 Compasso ist das Dach-Informationsportal für Arbeitgeber zu
Fragen der Beruflichen Eingliederung von Menschen mit
gesundheitlichen Beeinträchtigungen (www.compasso.ch).
 Der Verein Compasso ist breit abgestützt und steht unter dem Patronat
des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Über 45 Mitglieder aus der
Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor – von kleineren bis zu
grossen Arbeitgebern und Branchenverbänden – verbinden darin ihre
Interessen.
 Compasso verfügt über ein starkes Netzwerk mit Krankentaggeld- und
Unfallversicherern, der IV-Stellenkonferenz, der Suva, dem Pensionskassenverband, Behindertenorganisationen und -institutionen sowie mit
Anbietern von Integrationsdienstleistungen.
 viele regionale Aktivitäten ergänzen Compasso in den Regionen!
13 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Compasso hat eine ambitionierte Vision!
 Vision
 Frühzeitige Erkennung gesundheitlicher Probleme von Mitarbeitenden sowie
Einleiten von rechtzeitigen Massnahmen
 Vermeidung von Abgängen aus dem ersten Arbeitsmarkt
 Unterstützung beim Prozess der (Wieder-)Eingliederung
 Mission
 Entwicklung von Strategien und Pflege von Prozessen zur Unterstützung von
Arbeitgebern und Koordination der Systempartner zur Früherkennung und
(Wieder-)Eingliederung
 Entwicklung neuer Ideen und interdisziplinärer Austausch
 Sensibilisierung und aktive Kommunikation für die Arbeitgeber, die Systempartner
und die Öffentlichkeit
14 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Compasso fokussiert auf die Eingliederung von
beeinträchtigen Personen mit oder ohne Anstellung
15 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Wie gelingt berufliche Integration?
16 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Erfolgsfaktoren der beruflichen Eingliederung
 Arbeitgeber sind sensibilisiert und schaffen zusammen mit ihren Kadern
und Mitarbeitern die erforderliche positive Kultur im Umgang mit
Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Führung!)
 Arbeitgeber brauchen einfache, praxisorientierte Instrumente zur
Unterstützung der Eingliederungsprozesse und klar strukturierte
Unterstützungsangebote der verschiedenen Systempartner (IV,
Privatversicherer, SUVA, Ärzte, Behindertenorganisationen,
Integrationsdienstleister etc.)
 Arbeitgeber brauchen zielorientierte gesetzliche Rahmenbedingungen,
aber keine starren, praxisuntauglichen Vorgaben (keine Quoten!);
Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit und Wiedereingliederung sind auch
situative Prozesse!
17 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Arbeitgeber brauchen gezielte Unterstützung!
 Sensibilisierung als zwingende Voraussetzung;
 doch der gute Wille der Arbeitgeber alleine reicht nicht aus: der
Umgang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Betrieb ist
anforderungsreich und nicht per se Kerngeschäft der
Unternehmung;
 Es braucht deshalb konkrete, praxisorientierte Instrumente und
Prozesse zur Unterstützung von eingliederungsbereiten
Arbeitgebern und betroffenen Arbeitnehmenden, die sich
gemeinsam erfolgreich um den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit
und die Wiedereingliederung kümmern!
18 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Das Potenzial der jungen Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Speziellen!
19 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Fakten
 IV-Neurenten junger Erwachsener gehen nicht zurück: 3’000
Menschen unter 30 Jahren erhalten jährlich neu eine IV-Rente, die
meisten von ihnen gestützt auf psychische Beeinträchtigungen!
 aktuelle Forschungsergebnisse: je jünger die Betroffenen, desto
geringer die Zahl beruflicher Massnahmen durch die IV; bei
mindestens der Hälfte der jungen IV-Neurentner würde die Chance
bestehen, sie mit geeigneten Massnahmen arbeitsmarktfähig zu
machen, statt sie in Rente zu schicken!
20 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Gute Absichten des Bundesrats im Rahmen
der Vorlage zur Weiterentwicklung der IV…
 Früherkennung und Früherfassung von gesundheitlichen
Schwierigkeiten in Schule und Ausbildung
 Verstärkung der Zusammenarbeit mit dem Case Management
Berufsbildung
 kontinuierliche Beratung und Begleitung von Jugendlichen über die
Übergänge Schule – Ausbildung – Arbeitswelt
 bessere Beratung und Unterstützung der Arbeitgeber
21 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
… doch gehen sie zu wenig weit und sind noch
zu wenig zielorientiert!
 Forderung SAV: konsequente Ausrichtung aller Massnahmen auf
eine möglichst hohe Integrationsquote im ersten Arbeitsmarkt!
 Setzen der richtigen Anreize: «keine Rente unter 30!»
 Ausnahmen sind zu definieren (bspw. bei schweren
Geburtsgebrechen)
 im Übrigen enge Begleitung der beeinträchtigen Jugendlichen über
klar strukturierte Etappen mit entsprechenden Teilzielen; finanzielle
Absicherung über ein zu definierendes Modell mit «Taggeldern»
(keine Verlagerung auf Sozialhilfe)
22 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Fazit: Wie gelingt die Integration?
 immer mehr Arbeitgeber sind sensibilisiert und bereit, in Menschen mit
gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu investieren und ihr Potenzial für den
ersten Arbeitsmarkt zu nutzen – aus Überzeugung!
 erforderlich sind jedoch gut aufeinander abgestimmte Prozesse und
professionelle Angebote der verschiedenen Systempartner mit einem klaren
Fokus auf die Bedürfnisse der zu integrierenden Personen und der
Arbeitgeber!
23 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016
Besten Dank für Ihr Engagement und Ihre
Aufmerksamkeit!
Martin Kaiser
Leiter Sozialpolitik und Sozialversicherungen SAV (www.arbeitgeber.ch)
Präsident Verein Compasso (www.compasso.ch)
[email protected] / [email protected]
24 Schweizerischer Arbeitgeberverband, Forum Supported Education, 29.4.2016