PDF ausgabe 2016-16 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 16
28. April 2016
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Wirtschaft
Bundesregierung will Kassen Investitionen in Aktien erlauben
Die Niedrigzinsen der EZB machen auch den gesetzlichen Krankenkassen zu schaffen
I
n einem neuen Gesetzesentwurf
rückstellungen“ auch in Euro denoplant die Bundesregierung, den
minierte Aktien investieren können.
gesetzlichen Krankenkassen in
Angesichts anhaltend niedriger
Sachen Finanzen unter die Arme
Zinsen dürfte das den Kassen sehr
zu greifen. Doch der Entwurf des
entgegenkommen. Der Bundesrat
„Sechsten Gesetzes zur Änderung
will diesen Teil des Gesetzesentwurfs
des Vierten Sozialgesetzbuches“
jedoch erst einmal verhindern.
ist beim Bundesrat auf Widerstand
In einer Empfehlung zum Gegestoßen. Hauptsächlich geht es
setzesentwurf fordert der Bundesrat
bei dem Gesetzesentwurf um ein
die Streichung von Artikel 3 Numverbessertes Meldeverfahren in der
mer 1 und Artikel 19. Der Bundesrat
sozialen Sicherung, die Verschlüsspricht davon, dass dieser Aspekt
„völlig losgelöst von der Intention
selung von Daten auf dem SozialDie Bundesregierung will Kassen neue Finanzanlagen ermöglides Gesetzesvorhabens“ sei. Der
versicherungsausweis und um die chen.
Foto: Flickr/Techniker Krankenkasse/CC by nc nd 2.0
Bundesrat verweist zudem auf den
sichere Kommunikation zwischen
erheblichen Diskussionsbedarf bei
Arbeitgebern und den Sozialversicherungen. Fernab von diesen Inhalten, Deutschen Apotheker Zeitung zufolge das einer derartigen Entscheidung und empenthält das Gesetz aber auch einen Artikel Gesetz beschlossen. Und damit die neuen fiehlt, die Änderungen einer „separaten Gezu neuen Finanzierungsmöglichkeiten Finanzierungsmöglichkeiten gleich mit. setzesänderung zuzuführen“. Nur so könne
Demnach sollen die Kassen zukünftig zehn eine inhaltliche Diskussion möglich sein,
der gesetzlichen Kassen.
Im März hatte die Bundesregierung der Prozent des „Deckungskapitals für Alters- auch im Hinblick auf Anlagealternativen.
Analyse
Zahl der Impfungen steigt wieder
Die Weltgesundheitsorganisation
WHO hat im Zuge der Europäischen
Impfwoche 2016 angekündigt, bis 2020
Masern und Röteln zu eliminieren. Auch
in Deutschland will man dieses Ziel erreichen. Im Zuge der Impfmüdigkeit und
der Abneigung gegenüber Impfungen in
den ökobewussten Kreisen hatte die Zahl
der Erkrankungen wieder zugenommen.
Zuletzt hatte es vor allem in Berlin im
Frühjahr 2015 einen regelrechten Masernausbruch gegeben. Die Durchimpfungsrate bei Masern und Röteln liegt
derzeit in Deutschland bei 92 Prozent,
95 Prozent sollten es sein.
Die aktuellen Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
lassen auf eine Zunahme der Impfungsraten hoffen. Im vergangenen Jahr wurden fast 1,2 Milliarden Euro an Ärzte zur
Impfung ihrer Patienten abgegeben. Das
entspricht einer Steigerung um zehn Prozent. Der stärkste Umsatz wurde bei den
Impfstoffen gegen Pneumokokken (192
Millionen Euro) erzielt. Dahinter folgen
Masern (142 Millionen Euro), Influenza
(121 Millionen Euro), Humane Papiloviren
(118 Millionen Euro) und Enzephalitis (108
Millionen Euro).
Besonders auffällig sei dem Apothekerverband zufolge der 50-prozentige
Umsatzanstieg bei den Impfungen gegen
Masern von 95 (2014) auf 142 (2015) Millionen Euro, der sich nicht zuletzt mithilfe
der breiten öffentlichen Impfdebatte infolge eines Masernausbruchs im Frühjahr
2015 in Berlin erklären lasse. „Das Motto
‚Impflücken schließen‘ der Europäischen
Impfwoche gilt jederzeit, überall und
für jedermann“, sagt Mathias Arnold,
Vizepräsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
„Jede Impfung zählt. Die Durchimpfungsraten bei Kinderkrankheiten wie
Masern müssen in Deutschland weiter
erhöht werden.“ Der Masernausbruch
vor einem Jahr habe offenbar bewirkt,
dass sich wieder mehr Menschen impfen
lassen, so Arnold weiter.
Die Steigerungen bei den genutzten
Impfstoffen halfen auch der Pharmabranche: Pfizer konnte 2015 seinen Umsatz
insgesamt um sieben Prozent auf 14,05
Milliarden Dollar steigern. Vor allem der
Kauf des Rivalen Hospira und das wachsende Geschäft mit Impfstoffen trugen
dazu bei. Ähnlich stark profitierte auch
GlaxoSmithKline vom Verkauf der Impfstoffe. Der aktuelle Quartalsbericht des
Konzerns zeigt eine deutliche Steigerung
für 2015. So stiegen die Gewinne beispielsweise im dritten Quartal um 39,3 Prozent
gegenüber dem Vorjahresquartal (2014).
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Dem Bundesrat zufolge besteht der
Diskussionsbedarf vor allem:
„- weil es sich bei der Versorgungsrücklage der gesetzlichen Krankenkassen um
Beitragsgelder und nicht um privat von
Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich angesparte Wertguthaben zur
Finanzierung von Arbeitszeitmodellen
handelt, und
- weil die in der geplanten Änderung genannten Anlageformen von der Fachebene
in dem zur Verfügung stehenden zeitlichen
Rahmen nicht ausreichend bewertet werden
können.“
Eigentlich steht im Vierten Sozialgesetzbuch, die Kassen dürften ihre Gelder
nur so anlegen und verwalten, „dass ein
Verlust ausgeschlossen erscheint, ein an-
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gemessener Ertrag erzielt wird und eine
ausreichende Liquidität gewährleistet ist“
(SGB §80).
Nachdem der Bundesrat der Bundesregierung seine Empfehlungen gegeben hat,
hat diese sechs Wochen Zeit, um darauf zu
reagieren. Dann muss das Gesetz durch
den Bundestag und anschließend durch
den Bundesrat gehen.
Wirtschaft
Tausende gefährliche Produkte in der EU
Im vergangenen Jahr wurden für über 2.000 Produkte EU-weite Gefahrenmeldungen ausgegeben
S
eit 2003 können über das Schnellwarnsystem, dem sich 31 Länder angeschlossen haben, Informationen über gefährliche
Produkte in Europa vom Markt genommen
oder auch zurückgerufen werden. Wie wichtig dieses System ist, zeigt der aktuelle Bericht der EU-Kommission. Demnach wurden im vergangenen Jahr insgesamt 2072
Warnmeldungen und 2745 Folgemaßnahmen registriert. Die Produktgruppen „Spielzeug“ und „Bekleidung, Textilien und Modeartikel“ waren am häufigsten unter den
Warnmeldungen. Das liegt auch daran, dass
diese Produkte sehr häufig und regelmäßig
konsumiert werden. Allein 27 Prozent der
über 2.000 Warnungen betrafen Spielzeug:
Das sind 555 Warnungen. Besonders häufig
wiesen die betroffenen Produkte chemischen Risiken und Verletzungsgefahren auf.
Gefährliche Produkte, die ihren Ursprung in Europa haben, machten 313 der
Warnmeldungen aus (15 Prozent). Trauriger
Spitzenreiter war hier 2015 Deutschland mit
63 betroffenen Produkten. Aus Großbritannien
kamen 46 Produkte, aus Italien 35 und aus
Polen 34 Produkte. Die meisten Gefahrenmeldungen betrafen hierzulande den Bereich
Kraftfahrzeuge.
China, Europas größter Importpartner,
war das Herkunftsland der meisten gefährlichen Produkte. Insgesamt 62 Prozent kamen
aus China. „Bis heute hat China mehr als 11.540
Mitteilungen nachverfolgt und konnte in
3.748 Fällen Abhilfemaßnahmen treffen“, so
die EU-Kommission. In vielen Fällen sei die
Ermittlung der Herkunft eines Erzeugnisses
nach wie vor schwierig.
„Wir stehen vor zwei Herausforderungen:
Online-Verkäufe, bei denen Waren per Post
direkt an die Verbraucher geliefert werden,
und die starke Präsenz chinesischer Waren, die
bereits über das Schnellwarnsystem gemeldet
wurden“, sagte Věra Jourová, EU-Kommissarin
für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung.
„Ich reise im Juni nach China, um die wichtige Zusammenarbeit mit den chinesischen
Behörden im Bereich der Produktsicherheit
zu erhöhen.“
Mittlerweile kaufen mehr als 65 Prozent
der Europäer online ihre Produkte. Zwischen
Grafik: EU-Kommission
2006 und 2015 ist die Zahl der Online-Einkäufer um 27 Prozent gestiegen. „Eine neue
Herausforderung besteht jetzt darin, auf den
Online-Handel zu reagieren, durch den Waren
von außerhalb der EU, die möglicherweise keiner Sicherheitsprüfung unterzogen wurden,
per Post direkt in die Haushalte gelangen“, so
die Kommission.
In Deutschland ist die Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für die
Meldung und Veröffentlichung von Hinweisen
zu gefährlichen Produkten zuständig. Am
22. April beispielsweise veröffentlichte die
Bundesanstalt eine Warnmeldung zu einem
„Besttoy Holz-Schiebeauto“ aus China. Der
Herstellername sei nicht bekannt, aber es
gebe eine freiwillige Rücknahme des Produkts.
Als Grund heißt es: „Die Menge an Nickel in
den Metallschrauben des Spielzeugautos ist
zu hoch (Messwert von bis zu 2,63 g/cm²).
Nickel ist ein starker Sensibilisator und kann
allergische Reaktionen auslösen, wenn der
Artikel in direkten und längeren Kontakt mit
der Haut kommt. Das Produkt entspricht nicht
der REACH-Verordnung.“
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Forschung
Krebsforschung: Uniklinik Würzburg startet Crowdfunding
Das Würzburger Uniklinikum will die Immuntherapie gegen Krebs mit eigenen neuartigen Antikörpern voranbringen
D
er Verein Hilfe im Kampf gegen
Krebs e. V. hat für ein Forschungsprojekt der Uniklinik Würzburg einen
neuen Weg eingeschlagen. Ähnlich wie
Start-ups wollen sie versuchen, mittels
Crowdfunding eine Million Euro für
eine vielversprechende KrebstherapieForschung einzusammeln: www.helpingisbeautiful.de. „Bei unserem ersten
Crowdfunding-Projekt fordern wir die
Öffentlichkeit gleichsam auf, in die eigene Gesundheit zu investieren“, sagt
Gabriele Nelkenstock, die Gründerin des
Vereins. „Wir glauben, dass Crowdfunding nicht nur eine zeitgemäße Art der
Spendenakquise ist, sondern für viele
Menschen und Unternehmen auch eine
moderne Form, sich mit einem Thema
zu identifizieren und Teil der Lösung einer großen, gesellschaftlichen Aufgabe
zu werden“, sagt Nelkenstock. Die Crowdfunding-Aktion läuft auf Spendenbasis.
Eine direkte Gegenleistung, wie man
sie von anderen Aktionen kennt, gibt es
nicht.
Hintergrund der Aktion ist die sogenannte Immuntherapie. Hierbei geht es um
eine Neuausrichtung des Immunsystems,
damit es selbst die Tumorzellen ausmerzen kann. Allerdings treffen zwar viele der
verfügbaren Wirkstoffe die Krebszellen sehr
hart, können aber leider nicht zwischen
Tumorzellen und dem umliegenden, gesunden Gewebe unterscheiden“, so Hermann
Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik
und Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg. „In der Folge kann es zu teils schweren,
unter Umständen auch lebensbedrohlichen
Nebenwirkungen kommen. In solchen Fällen müssen wir die Therapie stoppen – und
die Krebszellen können weiterwachsen.“
Seit 2010 arbeiten deshalb Forscher des
Uniklinikums an einer neuen Antikörpertherapie, die in der Lage ist, den Krebs so
präzise zu attackieren, dass kein gesundes
Gewebe geschädigt wird:
„Diese weltweit einzigartigen Antikörper werden HemiBodies genannt. Sie
besitzen, durch das Erkennen von zwei verschiedenen Antigenen/Erkennungsmotiven
auf der Oberfläche der Tumorzellen eine
Dr. Boris Nowotny an einem vom Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.“ finanzierten Chromatographie-Gerät. Die 40.000 Euro teure Maschine bereitet Proteine für die Herstellung von HemiBodies auf.
Foto: Universitätsklinikum Würzburg
extrem erhöhte Spezifität. Somit werden
nur doppelt Antigen-positive Tumorzellen
durch das körpereigene Immunsystem zerstört, das gesunde Gewebe wird verschont.“
Thomas Bumm, der Leiter der zuständigen Arbeitsgruppe, verweist darauf, dass
die maßgeschneiderten Eiweißmoleküle das
Immunsystem des Patienten so aktivieren,
dass es den Tumor zielgerichtet zerstört.
Zudem könne die HemiBody-Technologie
auf jede Tumorerkrankung zugeschnitten
werden. „Die HemiBodies produzieren wir in
unserem Labor am Uniklinikum Würzburg
selbst. Die technischen Anforderungen hierfür sind enorm“, so Bumm. „Keine andere
Arbeitsgruppe weltweit hat diese Art von
Antikörperfragmenten jemals hergestellt
oder getestet“, sagt auch Hermann Einsele,
Direktor der Medizinischen Klinik und
Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg.
„Unser Ziel ist es, diese vielversprechende
Immuntherapie in Würzburg weiterzuentwickeln und in vier bis fünf Jahren in die
klinische Anwendung zu bringen.“ Dafür
starten die Wissenschaftler im Rahmen
des Vereins nun die Crowdfunding-Aktion.
Den Beteiligten zufolge gibt es auch
Anfragen amerikanischer Biotech-Firmen,
die diese entwickelte Technologie einkaufen
wollen. Man wolle jedoch die Weiterentwicklung bis hin zum klinischen Einsatz
in Würzburg durchführen. „So soll unter
anderem sichergestellt werden, dass das
Medikament beim Patienten ankommt und
die große Potenz dieser Therapiemöglichkeiten auch klinisch geprüft werden kann.“
Dafür benötige man jedoch finanzielle Unterstützung.
„Im Gegensatz zu der mit öffentlichen
Mitteln gut geförderten Grundlagenforschung gibt es für die translationale Forschungsförderung noch großen Nachholbedarf“, sagt Matthias Frosch, der Dekan der
Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg.
Die Grundausstattung der Universitäten
und Medizinischen Fakultäten werde immer
knapper, sodass auch für extern geförderte Projekte zunehmende Engpässe in
der Co-Finanzierung aus Haushaltsmittel
bestünden.
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Forschung
Pharmakonzern will Erbgut von Millionen entschlüsseln
In den vergangenen 15 Jahren wurde von schätzungswiese 100.000 Menschen das Erbgut sequenziert
W
ährend die Diskussionen über die
moralische und ethische Verantwortung bei der Gentechnik fortschreiten,
setzen Wissenschaftler und Pharmafirmen
ihre Forschungen und Entwicklungen fort.
Der Arzneimittelhersteller AstraZeneca
hat nun angekündigt, die Genome von
Trust Sanger Institute in Cambridge soll
dieses Ziel in den kommenden Jahren umgesetzt werden.
Der Wissenschaftler Craig Venter ist
eine äußerst bekannte Größe, die sich AstraZeneca herangeholt hat. Venter ist einer
der Pioniere des Human Genom Project
Wissenschaftler erhoffen sich von der Sequenzierung der Genome sehr viel.
zwei Millionen Menschen zu sequenzieren. Zusammen mit dem Wissenschaftler
Craig Venter, dem finnischen Institut für
Molekulare Medizin und dem Wellcome
Foto: AstraZeneca
gewesen. Nach einem Streit mit dem National Institutes of Health, das steuerfinanziert
ist, hat er ein eigenes Projekt auf die Beine
gestellt.
Nachdem 2010 die ersten beiden
menschlichen Genome publiziert wurden,
wurden in den vergangenen 15 Jahren etwa
100.000 Menschen sequenziert. Insofern
ist die Zielvorgabe des Pharmakonzerns
nicht zu klein gefasst. Die Nutzung und
Erforschung von Genomen kann „neue
Einblicke in die Biologie der Krankheiten liefern, die Auswahl von Patienten für Studien
erleichtern, Behandlungen individualisieren
und neue Ansatzpunkte für Medikamente
liefern“, so das Unternehmen.
„Die Nutzung der Macht der Genome
ist die Grundlage unserer Ambitionen, die
innovativsten und wirkungsvollsten Therapien für Patienten zu entwickeln“, sagte
Menelas Pangalos von AstraZeneca. „Genome werden integraler Bestandteil unserer
Forschung, unserer klinischen Studien und
der Einführung unserer Medikamente sein.“
Wie wichtig die Genomforschung sein
kann, zeigen die jüngsten Forschungen zu
Heilung und Therapie von Krankheiten
wie HIV. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die entwickelte Genschere CrisprCas9. Ein Team chinesischer Forscher der
Guangzhou Medical University hat vor
kurzem mit der Genschere nun erstmals
einen Embryo mit einer HIV-Immunität
ausgestattet. Dafür griffen die Forscher auf
eine Mutation namens CCR5 zurück, die bei
einigen Menschen zu finden ist – bekannt
als CCR5Δ32. Diese konnten sich nicht mit
dem HIV-Virus infizieren.
Digital
Studie: Großes Potential bei Gesundheits-Apps
Zwischen 80.000 und 90.000 Gesundheits-Apps gibt es mittlerweile. Die Nachfrage steigt
D
ie Zahl der Apps, die im Gesundheitsbereich mittlerweile für Smartphones angeboten werden, wächst stetig.
Je nach Zählweise sind es allein in den Kategorien „Medizin“ und „Gesundheit und
Fitness“ zwischen 80.000 und 90.000
Apps. Der App-Markt ist groß und vielversprechend. „Verantwortungsvoll eingesetzt, können mobile Technologien in
der Medizin die Ausgestaltung zeitge-
mäßer und gleichermaßen ressourcenschonender Versorgungsangebote unterstützen“, heißt es in der aktuellen Studie
„CHARISMHA – Chancen und Risiken von
Gesundheits-Apps“ des Peter L. Reichertz
Instituts für Medizinische Informatik. „Sie
haben möglicherweise sogar das Potenzial, zur Steigerung der Leistungs- und Versorgungsqualität beizutragen, insbesondere bei der Betreuung chronisch kranker
oder älterer Personen.“ Aber auch Prävention und Gesundheitsförderung bieten
breite Anwendungsfelder.
Trotz des enormen Potentials sind Wirtschaftlichkeit und Umsatzpotential der
Branche schwer festzumachen. Nur wenige
Apps bzw. Hersteller von Apps erreichen
bei dem vielfältigen Angebot am Markt
hohe Downloadzahlen. Nur selten wird der
durch den Verkauf der Software erzielte Erlös
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Gesundheits-Apps bieten viel Chancen, aber auch
Risiken.
Foto: Flickr/Jason Howie/CC by 2.0
kostendeckend oder gar gewinnbringend
sein. Wirklich tragfähige und gewinnträchtige Geschäftsmodelle können aktuell nur
durch wenige App-Anbieter erfolgreich
umgesetzt werden, so die Studie. Dadurch
entsteht ein Missverhältnis zwischen Kosten
der Entwicklung und des Gewinns. Bei der
im Rahmen der Studie durchgeführten
Evaluation überwog der Bereich kostenfreier Angebote die der Bezahlangebote
bei weitem. Meist wird der Erlös durch den
Verkauf von Werbung in der App oder zahlungspflichtigen Zusatzangeboten erzielt.
„Für die Zukunft wäre daher wünschenswert, mHealth-basierte Lösungen
und Gesundheits-Apps z.B. für Versicherte bei nachgewiesener Wirksamkeit erstattungsfähig zu machen.“ Dies könnte
die Situation sowohl auf Anwender- wie
Herstellerseite entspannen und einen
wesentlichen Beitrag zur Bereitstellung
qualitativ hochwertiger Apps leisten.
Die noch fehlende finanzielle Perspektive etlicher Apps sollte jedoch nicht als
Grund dafür angeführt werden, da es noch
keine Qualitätsstandards und -kontrollen
in diesem Bereich gibt:
„Es sollte darauf hingewirkt werden,
zusätzliche Informationspflichten der Hersteller zu den Inhalten und Funktionalitäten von Gesundheits-Apps einzuführen,
ähnlich wie dies bereits im Kontext der
Alterseinstufung von Apps durch die StoreBetreiber selbst abgefordert wird. Ebenso
sollten Hersteller durch die Store-Betreiber
dazu verpflichtet werden, vollständige
Angaben zum Datenschutz sowie zu den
Kontaktdaten und Inhalten der Apps und
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ihren Finanzierungsquellen zu machen.“
Um die Potenziale von mHealth und
Gesundheits-Apps in die Realität transferieren zu können, sollte zudem der Ausbau
telemedizinischer Infrastrukturen vorangetrieben werden. Denn mHealth kann die
Gesundheitsversorgung verbessern und
gleichzeitig Zugangsbarrieren und Kosten
senken. So könnten Apps als MonitoringHilfen die Liegedauer in Krankenhäusern
reduzieren. Für das US-amerikanische Gesundheitswesen wurde für die Behandlung
von Diabetes eine mögliche Kostenersparnis von etwa 15 Prozent durch „remote
health monitoring“ hochgerechnet, die
überwiegend im stationären Bereich und
in der Pflege erlöst werden könnten. Eine
kanadische Studie ermittelte eine durchschnittliche Kostenreduzierung nach operativen Eingriffen im Krankenhaus um
233 US-Dollar dank eigener Kontrollen per
App statt persönlichen Arztbesuchen in
risikoarmen Fällen.
Gesundheitspolitik
Glyphosat: Umweltministerium fordert strenge Zulassung
Deutschland solle das Monsanto-Pestizid nur zulassen, wenn, es klare Auflagen gäbe
D
as Bundesumweltministerium will der
Wiederzulassung des umstrittenen
Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in
der EU nur unter Vorbehalt zustimmen. Das
Mittel habe gravierende Auswirkungen auf
viele Pflanzen und Tiere, sagte Staatssekretär
Jochen Flasbarth in einem am Donnerstag
veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. „Der Wirkstoff kann also
dann nur wiederzugelassen werden, wenn es
Auflagen zum Schutz der Artenvielfalt gibt.“
Negative Effekte auf Feldvögel oder andere Arten müssten nachhaltig ausgeglichen
werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat bereits seine Zustimmung für die
Genehmigung des Einsatzes von Glyphosat
gegeben.
„Feldvögel verlieren durch die Herbizide
wichtige Nahrungsquellen“, sagte Flasbarth.
Um das zu verhindern, müssten Landwirte
zusätzlich Ausgleichsmaßnahmen vorneh-
men. „Da alle bestehenden Zulassungen für
glyphosathaltige Mittel nach einer Wiedergenehmigung auf den Prüfstand kämen, hätte
eine solche Vorschrift eine große Tragweite“,
erklärte der Staatssekretär. Zugleich plädierte
Flasbarth dafür, dass die Wiederzulassung
nur für kurze Zeit gelten sollte. „Angesichts
der Diskussionen über gesundheitliche Auswirkungen, für die das Umweltministerium
ja nicht zuständig ist, hielte ich einen kurzen
Zeitraum für richtig.“ Das Mittel steht im
Verdacht, beim Menschen Krebs auslösen zu
können. Die Befürchtungen stützen sich auf
eine entsprechende Studie der WHO.
Flasbarth hält es für möglich, dass es bei
den nationalen Nutzungsbestimmungen für
Glyphosat innerhalb der EU zu deutlichen Unterschieden kommt. „In Deutschland verbietet
das Pflanzenschutzgesetz zum Beispiel, Unkräuter auf Wegen und Plätzen mit Herbiziden,
also auch mit Glyphosat, zu bekämpfen.“ In
Frankreich dürfe Glyphosat nicht in Hausund Kleingärten verwendet werden, weil die
Regeln für Pflanzenschutzmittel in Haus- und
Kleingärten generell sehr restriktiv seien.
Anfang März hatte die EU eine Entscheidung über die Wiederzulassung von Glyphosat
vertagt, da keine Mehrheit für den Beschluss
zustande kam. Dies soll spätestens im Mai
nachgeholt werden. Vor allem Grüne und
Umweltschutzorganisationen protestieren
gegen die Wiederzulassung der Chemikalie.
Bauernverbände dringen dagegen auf eine
weitere Freigabe der massenhaft versprühten
Chemikalie.
Glyphosat wird seit den 70er Jahren in
der Landwirtschaft eingesetzt. Der US-Agrarkonzern Monsanto vertreibt Glyphosat unter
dem Markennamen Roundup und erzielte
damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von
4,8 Milliarden Dollar. Auch andere Konzerne
produzieren das sogenannte Totalherbizid.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
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