Die vollständigen Seiten des Bayerischen Bezirketags Teil 2

BAYERISCHE STAATSZEITUNG
AUS DEN BEZIRKEN
NR. 17
FREITAG, 29. APRIL 2016
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VERÖFFENTLICHUNG DES BAYERISCHEN BEZIRKETAGS
Schwabens Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert über die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Fachkliniken
Fotowettbewerb:
Mittelfrankens
schönste Burgen
„Ein zeitnahes Psychiatriegesetz wäre gut“
Wo einst Markgrafen zum Feste
luden, Ritter die Schwerter kreuzten und Könige die Geschicke
des Landes lenkten, zeugen noch
heute beeindruckende Bauwerke
vom Lebensstil der damaligen
Zeit. Burgen, Ruinen und Schlösser prägen das mittelfränkische
Landschaftsbild und sind Thema
des diesjährigen Fotowettbewerbs
des Bezirks Mittelfranken. Dieser
startete jetzt und läuft noch bis
zum 27. Mai. Die schönsten Fotos werden im Anschluss nicht
nur im Foyer des Bezirksrathauses in Ansbach ausgestellt, sondern mit attraktiven Preisen, wie
etwa Gutscheinen für die Kreuzgangspiele in Feuchtwangen oder
einer Erlebnisschifffahrt auf der
MS Brombachsee, prämiert. Der
Fotowettbewerb steht in diesem
Jahr unter dem Motto „Mittelfränkische Burgen und Schlösser“. Die Residenz in Ansbach,
die Nürnberger Kaiserburg oder
die Burg Pappenheim – in der Region finden sich diverse Bauwerke aus den unterschiedlichsten
Epochen. > E.B.
Sie gelten nicht mehr als
„Irre“ – aber noch gibt es in
der Bevölkerung viele
Ängste vor psychisch
Kranken. Schwabens
Bezirkstagspräsident Jürgen
Reichert erklärt die
Aufgaben, die für die
Kliniken künftig anstehen.
Herr Reichert, vor drei Jahren
gerieten speziell die geschlossenen
Psychiatrien im Zusammenhang des
Falles Gustl Mollath massiv in die
Kritik – ist dieser Imageschaden inzwischen behoben oder sind aus Ihrer Sicht noch Nachwirkungen spürbar?
REICHERT Nachwirkungen in Form einer gewissen Verunsicherung sind
da. Zum Beispiel hat sich das
Spruchverhalten, also die Urteile,
der Gerichte verändert. Allerdings
muss klar festgehalten werden, dass
der Fall Mollath eine Sache der Justiz
und des Maßregelvollzuges war. Mit
der Akutpsychiatrie – also der Behandlung von psychisch erkrankten
Menschen in einer beschützten Station – hatte der Fall nichts zu tun.
BSZ
Aber auch mal aus der anderen
Perspektive betrachtet: Gibt es in
der Bevölkerung noch spürbare Vorbehalte gegen psychisch Kranke
oder sind diese weitgehend verschwunden?
Frühförderstelle
der Diakonie in
Neuendettelsau
BSZ
Der CSU-Politiker Jürgen Reichert ist seit
2003 schwäbischer Bezirkstagspräsident.
FOTO BSZ
REICHERT Das Thema ist nach wie vor
ein großes Stigmata, also Vorurteile
gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen, gibt es weiterhin. Allerdings wird es besser. Der
Umgang wird normaler. Wir in
Schwaben haben bereits in den
1970er Jahren mit einer Strategie
der offenen Psychiatrie begonnen,
um Vorurteile abzubauen und dies
konsequent weiterentwickelt. Seit
der Inbetriebnahme des Bezirkskrankenhauses (BKH) Kempten beim Klinikum Kempten Mitte 2015 sind alle
schwäbischen Bezirkskrankenhäuser
in eine Allgemeinklinik mit gemeinsamem Eingang integriert oder be-
Bezirk Oberbayern
lobt Preis für
Inklusion aus
„Wer, wie, was – gemeinsam
macht das Leben Spaß!“ Unter diesem Motto lobt der Bezirk Oberbayern den Inklusionspreis 2016
aus. Der Bezirk möchte diesmal
Projekte und Initiativen auszeichnen, die innovative Wege der Teilhabe für Kinder, Jugendliche und
junge Volljährige mit Behinderungen gehen. Die Ausschreibung
läuft noch bis 30. Juni 2016.
Bewerben können sich ab sofort
Organisationen, Einrichtungen,
Dienste und Vereine, die die selbstbestimmte Teilhabe von Kindern,
Jugendlichen und jungen Volljährige mit Behinderungen ermöglichen, Bestehendes neu denken
und den Prozess der Inklusion aktiv vorantreiben. Auch die Bürger
selbst können preiswürdige Ideen
vorschlagen. Die eingereichten
Projekte sollen den Prozess der Inklusion in den Bereichen Kultur,
Freizeit und Sport, Natur und Umwelt fördern. „Die Teilhabe in diesen Lebensbereichen setzt für die
Inklusion besonders wichtige Impulse“, begründet Bezirkstagspräsident Josef Mederer das Auslobungsmotto für 2016. „Wenn junge
Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam Sport treiben
oder Theater spielen, wirkt sich das
positiv auf das Zusammenleben aller Menschen aus.“
> CONSTANZE MAUERMAYER
Manchmal müssen Patienten auch fixiert werden im Bett: Bayerns Bezirke betreiben landesweit insgesamt 14 psychiatrische Kliniken.
finden sich auf einem unmittelbar
benachbarten Grundstück zu einer
Allgemeinklinik. An mehreren
Standorten nutzen alle Patienten
und Mitarbeiter des Allgemeinkrankenhauses und des BKH inzwischen
ganz selbstverständlich den gemeinsamen Eingang. Damit gehört die
Stigmatisierung von Psychiatriepatienten bei der Wahl ihrer Klinik in
Schwaben der Vergangenheit an.
Die Bezirkskliniken Schwaben als
Gesundheitsunternehmen des Bezirks nehmen hier ein bundesweites
Alleinstellungsmerkmal ein.
Bayern hat als einziges deutsches Bundesland noch kein eigenständiges Psychiatriegesetz – ein
Fehler?
REICHERT Stimmt. Aber man ist an
dem Thema dran: Es wird versucht,
alles und alle in dieser Thematik Betroffenen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und einzubinden. Das ist lobenswert, braucht
aber auch seine Zeit. Gut wäre es,
BSZ
wenn nun zeitnah auch ein Ergebnis
käme.
Im Freistaat gibt es einen staatlichen Patienten- und Pflegebeauftragten sowie eine Behindertenbeauftragte. Sind psychisch Kranke dadurch „mit abgedeckt“ oder wäre
ein eigenständiger Beauftragter eine
sinnvolle Idee?
REICHERT Wir stigmatisieren uns wieder, wenn wir einen eigenständigen
Beauftragten für psychisch Kranke
einfordern. Ein Patientenfürsprecher
oder -beauftragter ist für alle da,
auch für seelisch Kranke. Das ist die
Normalität, die wir brauchen.
BSZ
Welche Modernisierungen in
der Ausbildung von Psychiatern und
Pflegepersonal sehen Sie in den
nächsten Jahren als besonders notwendig an?
REICHERT Was den Pflegebereich betrifft, so ist eine Reform auf dem
Weg. Das wird von uns begrüßt. Bei
unserer Berufsfachschule für Kran-
BSZ
kenpflege am Bezirkskrankenhaus
Kaufbeuren wird seit 2010 die sogenannte generalistische Krankenpflegeausbildung ausprobiert. Hier werden junge Frauen und Männer in
den Fachbereichen Kranken, Altenund Kinderkrankenpflege unterrichtet. Dieser Schulversuch macht Sinn
und funktioniert in der Praxis bestens. Das ist das Ergebnis eines der
wenigen Pilotprojekte. Was die Ausbildung von Psychiatern betrifft, so
wird sich für das Fach Psychiatrie in
den nächsten ein, zwei Jahrzehnten
grundsätzlich die Frage stellen, ob
eine Aufsplitterung notwendig und
sinnvoll ist.
BSZ In welcher Form?
REICHERT Aktuell kommt
der „Einheitspsychiater“ heute mit Zusatzbezeichnungen wie Sucht, Geronto
oder Forensik aus. Daneben gibt es
die Psychosomatik und die Psychotherapie. Die Fragestellung, vor dem
man steht, lautet beispielsweise, ob
eine Spezialisierung zu einem eigen-
FOTO DPA
ständigen Facharzt für beispielsweise Abhängigkeitserkrankungen gefordert werden soll. Dabei gilt es, zu
prüfen, dass solche Neuerungen
nicht in eine Sackgasse führen.
Von den übergreifenden Fragen
hin zur Region: Welche aktuellen
Weiterentwicklungen gibt es in der
schwäbischen psychiatrischen Versorgungslandschaft?
REICHERT Eine gesicherte Grundlage
für die Außensprechstunden wäre
aus unserer Sicht wünschenswert.
Wir wollen uns in nächster Zeit dieses Themas annehmen. Außerdem
werden wir noch in diesem Jahr in
Obergünzburg (Ostallgäu) eine eigenständige psychosomatische Klinik in Betrieb nehmen. Für die Bezirkskliniken Schwaben ist dies ein
neues Betätigungsfeld, weil man
zwar psychosomatische Fachabteilungen in den einzelnen Bezirkskrankenhäusern hat, aber bislang keine
eigenständige Klinik.
BSZ
Interview: ANDRÉ PAUL
Ziele und Möglichkeiten des Einsatzes
Aufführung im Rahmen des Forensik-Symposiums
Fachtag für EX-IN-Begleiter
des Bezirks Oberpfalz
Patienten inszenieren Schillers
„Räuber“ in der Psychiatrie
Auf großes Interesse stieß der
Fachtag
„EX-IN-Genesungsbegleiter“ des Bezirks Oberpfalz. Benedikt Schreiner, Leiter der Bezirkssozialverwaltung, begrüßte
dazu rund 60 Interessierte. Sie informierten sich über die Ziele und
Möglichkeiten des Einsatzes so genannter EX-IN-Genesungsbegleiter in Theorie und Praxis. „EX-IN“
steht für Experienced Involvement
und bedeutet die Beteiligung von
Psychiatrie-Erfahrenen.
EX-IN-Genesungsbegleiter sind
Menschen mit einer meist chronischen psychischen Erkrankung,
die – neben den professionellen
Therapeuten in entsprechenden
Einrichtungen – aus ihrer Erfahrung heraus akut Betroffenen
wertvolle Unterstützung anbieten.
Die Psychiatrie-Erfahrenen absolvieren zunächst eine Ausbildung
zum „EX-IN-Experten“. Diese befähigt sie, als gleichwertige Mitglieder im Team eines Sozialpsychiatrischen Dienstes oder einer
Tagesstätte für psychisch Kranke
mitzuarbeiten. Wie dies aussehen
kann, erläuterten EX-IN-Trainer
und Genesungsbegleiter gleichermaßen. „Genesungsbegleiter sind
Hoffnungsträger für die Betroffenen“, so EX-IN-Trainerin Britta
Geishöfer.
Die Genesungsbegleiter eröffnen aber auch Sozialpädagogen
und Therapeuten neue Perspektiven auf die Lage der Betroffenen.
Ein weiterer positiver Effekt ist,
dass die Psychiatrie-Erfahrenen
eine Chance erhalten, wieder eine
Arbeit aufzunehmen. Denn nicht
wenige sind durch ihre Erkrankung aus dem Arbeitsleben ausgeschieden.
Mit dabei: Psychosoziale
Suchtberatungsstellen
Der Bezirk Oberpfalz fördert die
Beschäftigung von EX-IN-Genesungsbegleiter seit Anfang 2015 finanziell. Bislang bewilligte der Sozialhilfeausschuss des Bezirkstags
der Oberpfalz sieben solcher Stellen, von denen derzeit eine besetzt
ist. Als einer der wenigen Bezirke
hat der Bezirk Oberpfalz explizit
die Psychosozialen Suchtberatungsstellen und die dort tätigen
Suchthelfer in die Förderung mitaufgenommen. Die Suchtberatungsstelle DrugStop in Regensburg arbeite bereits seit einigen
Jahren erfolgreich mit Sucht-Erfahrenen, erläuterte deren Leiterin
Eveyln Strobel. > MARTINA HIRMER
Die Proben haben bereits vor
mehreren Wochen begonnen, die
normale Nervosität hat die Schauspieler und den Regisseur aber bereits ergriffen. Zum sechsten Mal
stellen sich Patienten der Klinik für
Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Gunst des Publikums und stellen sich auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Dieses
Jahr stehen Die Räuber von Friedrich Schiller auf dem Programm.
Die Aufführung des Theaterstücks
geschieht auch im Rahmen des Forensik-Symposiums am 17. Juni im
kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost. Es sind auch Auftritte in
anderen Kliniken und Justizvollzugsanstalten geplant.
In den vergangenen Jahren gab es
stets eine kleine Tournee, das
Stück wurde unter anderem in der
JVA Stadelheim, in Regensburg
und in der Uniklinik Nußbaumstraße dargeboten. Noch herrscht
unter den Schauspielern gute Stimmung und Anfangseuphorie aber
Regisseur Bernd Wengert glaubt,
dass es vor den Aufführungen zu
kleineren Krisen kommen könnte.
„Das Stück ist anspruchsvoll, es ist
schwer und die Darsteller werden
gefordert sein.“ Gerade die Sprache macht es vielen nicht ganz einfach: Vieles ist in die heutige Zeit
„übersetzt“, aber nicht alles. Um
die Authenzität zu bewahren, werden am Ende doch viele Zitate beibehalten. Wengert zeigt sich von
den Akteuren begeistert: „Sie sind
mit Leidenschaft und Engagement
dabei. Viele der Patienten betreten
Neuland und sind entsprechend
aufgeregt, weil sie das erste mal auf
der Bühne stehen werden“. Täglich
wird mehrere Stunden gearbeitet,
die Dialoge müssen auswendig gelernt werden.
Mitarbeiter der Klinik liefern
die musikalische Begleitung
Unterstützt werden die Patienten durch erfahrene Mitarbeiter
der Klinik. Die „Erste Allgemeine
Forensikband“ unter der Leitung
von Peter Satzger liefert den musikalischen Background zusammen
mit Mitgliedern des „ars musica
chor Ottobrunn“. Ebenso spielen
Oberarzt Markus Schlie (Cello)
und Diplom Psychologin Antonia
Boss (Geige) mit. Neu ist das Theaterprojekt nicht. Bernd Wengert
hat schon in verschiedenen Kliniken mit Patienten gearbeitet und
dabei positive Erfahrungen gesammelt. > HENNER LÜTTECKE
Der Bezirk Mittelfranken hat
eine neue Frühförderstelle der
Diakonie Neuendettelsau im Einvernehmen mit den Mitgliedern
der Krankenkassenverbände in
Bayern zugelassen. Die Einrichtung in Ansbach ist damit berechtigt, Kindern mit einer wesentlichen Behinderung beziehungsweise Kinder, die von solch einer
Behinderung bedroht sind, im medizinisch-therapeutischen
Bereich (Sprachtherapie, Ergo- und
Physiotherapie) und heilpädagogischen Bereich zu fördern. Die
Kosten der interdisziplinären
Frühförderung werden nach einer
Verordnung durch den Kinderarzt
von den zuständigen Krankenkassen und vom Bezirk Mittelfranken
übernommen.
Gegenwärtig
kommt der Bezirk finanziell für
die interdisziplinäre Frühförderung von rund 3030 Kindern in
Mittelfranken auf. > E.B.
Dead and Stoned
sind Oberfrankens
Band des Jahres
Denkbar knapp fiel das Ergebnis der diesjährigen R.I.O.!-Clubtour aus: Am Ende der Oberfrankentournee der bekannten Veranstaltungsreihe „Rock in Oberfranken“ des Bezirks Oberfranken
machten nur zwei Stimmen den
Unterschied. Die Kulmbacher
Formation Dead and Stoned
konnte schließlich die meisten
Stimmen der insgesamt rund 1000
Tour-Besucher auf sich vereinen
und ging als glücklicher Sieger aus
dem Nachwuchswettbewerb hervor. Die drei Jungs dürfen sich nun
Oberfrankens Band des Jahres
nennen und erhielten das Preisgeld in Höhe von 1000 Euro sowie
Musiker-Workshops und Festivalvermittlungen.
Vier Bands hatten die regionalen
Vorentscheide zur R.I.O.!-Clubtour im Herbst gewonnen und gingen im April auf Clubtour durch
Oberfranken. In Bamberg, Hof,
Kronach, Lichtenfels und Bayreuth machte die Tour Station. Die
Förderung des Bezirks Oberfranken ermöglichte es, die Konzerte
für die Bevölkerung kostenlos zu
halten. „Wir freuen uns, dass rund
1000 Besucher das Angebot genutzt haben, vier der derzeit besten
Bands Oberfrankens live anzusehen und sich aktiv zu beteiligen“,
sagt Samuel Rauch, Popularmusikbeauftragter des Bezirks Oberfranken und Organisator der Tournee.
Die Besucher beteiligten sich jeweils am Ende der insgesamt fünf
Konzertabende, indem sie für ihre
beiden Favoriten des Abends abstimmen konnten. > E.B.