Die Seele der Tiere Was unsere Lieblinge fühlen 2 E I NFAC H . GUT . LEBEN Die Legende lebt … … auf de schwäbsche Eisebahne 2 MAI 05/2016 D 4,00 EUR CH 7,00 SFR IT/LUX 4,50 EUR DIE WUNDERBARE WELT DER ÖLE So gut, so gesund: 10 heimische Sorten im Vergleich FÜR DICH, LIEBE MAMA! Ein schönes Päckchen zum Verwöhnen SüsseVersuchung Betörende Erdbeer-Rezepte, romantische Plätze & duftender Blütenzauber Münster: Pumpernickels Geheimnis Goldrausch in Deutschland Dornröschen von der Alb > 116 42 Mai 2 16 natur & garten 16 Ja, ich will dort hin Die schönsten Plätze für den schönsten Tag im Leben – und viele weitere romantische Stunden. 24 Dornröschen von der Alb Es war einmal ein Klostergarten, der von allen vergessen schien. Bis Susanne Weber kam … 34 Farbenfrohes Alpenblühen So entsteht ein Steingarten. 42 Und ewig lockt der Flor Warum Nachtviole, Seifenkraut oder Silberblatt am stärksten duften, wenn es dunkel wird. 142 Vom Seelenleben der Tiere Was fühlen Hunde, Katzen, Kühe? Blick in eine verborgene Welt. 4 Servus 100 küche 52 Rund und süß Mythen und Rezepte rund um die Erdbeere. 66 Kochen mit Aphrodite „Liebe geht durch den Magen“-Menü. 74 Schwarzwälder Böllesuppe Omas Kochbuch: ein fast vergessenes Rezept aus Lörrach. 76 Liebling aus Versehen Prünte’s Pumpernickel gehört zu Münster wie der Dom. 80 Saumäßig gut Wirtshausklassiker: Pfälzer Saumagen von der Mußbacher „Eselsburg“. 82 Brutzeln und wenden Köstliche Pfannkuchen-Rezepte. wohnen 100 Der Herr des Ringes Ein Meisterkoch aus dem Münsterland fand in Osnabrück ein Stadthaus, das unter mächtigem Schutz steht. 106 Blühende Laternen Fundstück: alte Kutschenlampen mit neuem Leben und Blumen erfüllt. 110 Eine Feier für die Liebe Die Bezauberndste auf jeder Hochzeit ist und bleibt natürlich die Braut. Gleich danach kommt jedoch die festlich-romantische Dekoration. 116 Schöne Überraschung Frühstück ans Bett? Blumenstrauß auf dem Kaffeetisch? Ein Ständchen? Von uns bekommt die Mama zum Muttertag ein Verwöhnpaket mit selbst gemachten Badekugeln. ZUSATZFOTOS COVER: SHUTTERSTOCK, STEPHAN SAHM, JULIA ROTTER Inhalt 0 66 136 16 128 standards 58 FOTOS INHALT: KATHARINA GOSSOW, EISENHUT & MAYER, THOMAS DREXEL, STEFAN PFEIFFER, KONRAD LIMBECK, MIRCO TALIERCIO, OKAPIA BILDARCHIV, YOUR PHOTO TODAY land & leute 128Begegnung im Bad Woraus besteht ein guter Rasier pinsel? Was muss das Haar haben? Woher muss er kommen? Klar, aus Nürnberg, aus der Meister manufaktur Thäter. 136Friedl mit den Turteltauben brauchtum 38Wenn die Maibraut … Der Mai ist der Monat der Hoffnung. 124Frühling, wir kommen Nördlingen feiert das Stabenfest. 168Goldrausch in Hunding Alte Zeiten: Traum vom Reichtum. Alle schauen zu, alle sind gespannt, wenn der oberbayerische Hoch zeitstauberer seine beiden weißen Liebesboten aus der Kraxe holt. Himmlische Momente. 150Rulla, rulla, rulla-la Auf de schwäbsche Eisebahne ... so rollt die inoffizielle Schwabenhymne los. Gab es die besungene Bahn wirklich? Wer stieg ein? Wir reisen den Fragen nach. Dossier: Das flüssige Wunder Sorgsam und schonend gewonnenes Öl ist eine wunderbare Energiequelle, die wir uns zunutze machen können. Ab Seite 58 3Vorwort 6Briefkasten, Ortsnamen 8Mundart: Sumpfdotterblume 10Servus im Mai 22Der Garten-Philosoph 30Unser Garten, Mondkalender 46Natur-Apotheke: Gänseblümchen 48Was unserem Körper jetzt guttut 50Schönes für draußen 90Schönes für drinnen 120Schönes Zuhause: Dekotipps für den Mai 122Schöne Erinnerungen: Wo bist du, altes Haus? 132Michael Köhlmeier: Sochiti Loch und Kogolkin Pach 162Doris Knecht: Ein Bekenntnis zur Vielwetterei 166ServusTV: Sehenswertes im Mai 170Impressum, Ausblick Titelfoto: Eisenhut & Mayer Servus 5 DOSSIER Die Welt der Öle Mohnöl Walnussöl Haselnussöl Traubenkernöl Leinöl Distelöl Ein Tropfen Energie Pflanzenöle gehören zu den wertvollsten Elixieren, die uns die Natur schenkt. Samen und Kerne bergen Säfte, die köstlich schmecken und das Wohlbefinden steigern. Wer die aromatischen Kraftquellen anzapfen will, muss schonend und sorgsam vorgehen. TEXT: ELISABETH RUCKSER FOTOS: KONRAD LIMBECK 58 Servus D Hanföl Sonnenblumenöl Leindotteröl as Tröpfchen Fett, mit dem Pflanzen ihre Samen ausstatten, ist winzig. Aber es versorgt das Wunder Keimling mit allem, was es braucht, um in ein Pflanzenleben zu starten. Auch für uns Menschen sind Öle lebensnotwendig. Wir brauchen sie, sie tun uns gut – innerlich wie äußerlich. Verborgen in Nüssen oder Kernen nutzen wir sie schon immer. Die Kultur der Ölgewinnung gibt es dagegen bei uns noch nicht sehr lange. In die Küchen Mitteleuropas hielt Pflanzenöl erst vor gut 100 Jahren Einzug. Sieht man von ein paar Ausreißern ab – etwa der Lausitz, bekannt für ihr Leinöl, oder Württemberg mit seiner traditionellen Mohnölherstellung – regierten bis ins 20. Jh. Butter und Schmalz. Öl brannte in Lampen. Heute ist die Auswahl an heimischen Pflanzenölen beeindruckend. Geschmack und gesundheitliche Wirkung sind am größten, wenn diese Kriterien erfüllt werden: biologische Herstellung der Rohprodukte, schonende Verarbeitung bei niedrigen Temperaturen, Verzicht auf chemische Zusätze. Lesen Sie dazu auch die Reportage der Ölmühle von Illingen auf der nächsten Seite. RUND UMS ÖL Kürbiskernöl Herstellung: Hochwertige Pflanzenöle werden durch Vermahlen bzw. Pressen (von kalt bis warm) gewonnen. Je weniger Hitze das Grundprodukt dabei ausgesetzt ist, desto mehr wertvolle Inhaltsstoffe bleiben erhalten. Die Kaltpressung mittels Schnecken- oder Stempelpresse ist eine sehr ursprüngliche Art. Aufbewahrung: Öle sind empfindliche Nahrungsmittel; sie mögen es dunkel und kühl. Also am besten in den Kühlschrank mit ihnen? Nicht unbedingt, denn bei manchen Sorten können im Öl enthaltene Wachse (etwa bei Sonnenblumenkernen, die mit Schale gepresst wurden) im Kühlschrank ausflocken. Das hat auf die Qualität keinen Einfluss, bewirkt aber optische Veränderungen und dass das Öl nicht gut aus der Flasche rinnt. Erhitzen: Hochwertige Pflanzenöle sollten nur gering oder gar nicht erhitzt werden – durch zu viel Wärme gehen flüchtige Stoffe verloren. Ab dem sogenannten Rauchpunkt beginnt Öl stark zu rauchen, riecht unangenehm, und es bilden sich gesundheitsschädliche Substanzen. Langsames Braten, Dünsten oder Backen (im Inneren eines Gebäckstücks herrschen kaum Temperaturen über 100 °C) funktioniert bei den meisten Ölen. Wer für seine KernölEierspeise gern die Zwiebeln in etwas Kürbiskernöl anschwitzt, darf das auch weiterhin, aber sehr sanft bitte … ➻ Servus 59 DOSSIER Die Welt der Öle Illinger Schätze Im baden-württembergischen Enzkreis stehen prächtige Walnussbäume. Aus ihren Früchten presst Jürgen Krauth feinstes Speiseöl. Genauso wie er es von seinen Vorfahren gelernt hat. TEXT: THOMAS G. KONOFOL FOTOS: HARDY MUELLER Ö lmüller sind sie schon seit mehr als 150 Jahren, die Krauths aus Illingen. Jürgen, 56, ist der Spross in sechster Generation. Er hat studiert, Karriere gemacht als Gesundheitswissenschaftler und ist schließlich doch zurückgekehrt zu den Wurzeln der Familie. In der goldenen Lebensmitte, exakt zwei Tage vor seinem 50. Geburtstag, war es so weit: Der gut dotierte Akademiker räumte seinen Projektleiter-Schreibtisch bei der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart und betreibt seither die Ölmühle seiner Vorväter. Das war im Jahr 2010. Ein mutiger Schritt: „Ich musste erst herausfinden, ob das Konzept realistisch war, ob eine Familie heute von traditioneller Speiseölherstellung noch leben kann“, sagt Jürgen Krauth, Vater von Paulina, 17, und Kilian,15. Stolz zeigt er uns seine Ölmühle mit der historischen Originaleinrichtung. Den Kollergang mit den beiden 2,20 m hohen Mahlsteinen aus Quarzsandstein, die Schrotmühle, die drei hydraulischen Stempelpressen. 60 Servus Zuverlässig wie eh und je, die gute alte Stempelpresse. Schichtweise füllt Jürgen Krauth die Walnusskerne in den Presszylinder. Die Mechanik arbeitet mit einem Druck von bis zu 300 Bar. Alles steht da wie zu Kaisers Zeiten. Voll funktionstüchtig! Bis in die Nachkriegsjahre pressten die Krauths hauptsächlich Mohn für die Kleinbauern aus der Umgebung. Doch der Markt veränderte sich. Bald verdrängten industriell gefertigte Speiseöle die kaltgepressten Pflanzenöle. Viele Mühlen waren nicht mehr existenzfähig, 1962 musste auch Ulrich Krauth, der Vater von Jürgen, seine Ölmühle schließen. Aber er selbst war es schließlich auch, der mehr als 40 Jahre später seine Mühle wieder zum Leben erweckte. „Wie der Prinz, der Dornröschen wachküsste“, sagt Jürgen Krauth und schmunzelt. TÜCHTIG, DIE BETAGTE DAME Anfangs wollte Vater Ulrich nur seine Rente aufbessern, aber bald blühte auch ein Stück Familiennostalgie auf. Er war der letzte seiner Familie, der das Ölmüllerhandwerk noch richtig gelernt hatte. Er wollte diesen Schatz seinen Kindern und Enkeln reichen. Wissenschaftler Jürgen Krauth ist überzeugt: „Unser Handwerk beruht auf Erfahrungswissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird – das findet man nicht in schlauen Büchern.“ Heute sichert die Ölmühle wieder die Existenz der Familie. Auch dank der heimischen Walnüsse, die zentnerweise von den prallen Bäumen fallen. Wir sehen, wie Öl entsteht. Jürgen Krauth schaufelt jetzt Kerne auf die alte Dezimalwaage. Mit der Rechten fährt er prüfend durch die Nüsse. Er ist zufrieden. „Wenn es schön raschelt, sind die Kerne trocken genug. Feuchte Nüsse neigen zum Schimmeln. Das mindert den Ölertrag.“ Für die Pressung seiner Nussöle schwört Jürgen Krauth auf die 110 Jahre alte Stempelpresse: „In Qualität und Ausbeute ist sie unschlagbar, wir machen hier keine Museumsspielerei!“ Mindestens zehn Kilo braucht er, damit die betagte Dame tüchtig arbeitet. In Schichten von je einem Kilo füllt Jürgen Krauth die unzerteilten Kerne – sie sind nbehandelt und nicht erwärmt – in den u Presszylinder. Dazwischen legt er je eine Metall- und eine Gewebeplatte. „Die erste für gleichmäßigen Druckaufbau, effektive Auspressung und saubere Trennung der Pressreste, die zweite verhindert das Fest kleben der Reste am Metall.“ Und so funktioniert’s: Erst senkt sich ein Kolben in den Zylinder ab, er verdichtet das Pressgut. Das ist die Vorpressung. Bei der Hauptpressung dagegen drückt der Press zylinder nach oben. Der Pressdruck geht von einer über Transmissionsriemen angetriebenen Hydraulikpumpe aus, die sich ab- und wieder anschaltet, wenn der Druck die Idealwerte über- oder unterschreitet. HANDWERK, DAS MAN SCHMECKT „In der Spitze erreicht die Presse 300 Bar, das entspricht einem Pressdruck von 150 Tonnen“, sagt Jürgen Krauth. „So gewinne ich aus 12 Kilo Nusskernen etwa acht Liter Öl, ein satter Ertrag von rund 65 Prozent!“ Was zurückbleibt, Fest- und Bitterstoffe, bildet den „Presskuchen“, ein Festschmaus für die Schweine der Bauern. Das kalt (d. h. bei normaler Raumtemperatur von 20 ° bis 22 °C) gepresste Walnusskernöl läuft jetzt durch die perforierte Innenwand des Zylinders in eine Rinne, dann über ein Rohr in den Eimer. Ein Sieb fängt gröbere Schwebstoffe und Restpartikel der Walnusskerne auf. Von zusätzlichem Filtrieren hält der Ölmüller nichts: „Die feineren Schwebstoffe lasse ich im Öl, sie sind Geschmacksträger und sorgen für eine gute Naturtrübung.“ Der anfänglich dicke Strahl wird allmählich dünner. Vor der Flaschenabfüllung muss das Öl zwei Tage ruhen. Die Kaltpressung mit der Stempelpresse braucht Geduld und Zeit. Eineinhalb Stunden dauert ein Durchgang. 16 Pressungen schafft Jürgen Krauth pro Tag. Ein Viertel ist Eigenproduktion für den Verkauf, drei Viertel sind Lohnpressungen wie früher. Inzwischen verarbeitet Jürgen Krauth auch die Saaten der regionalen Biobauern in einer modernen Presse zu Leinund Mohnöl. Zurück zum Walnussöl. Wir probieren ein Löffelchen und wissen sogleich, warum man dieses Öl auch „flüssiges Gold“ nennt: Das Aroma ist mild-nussig, so schmeckt unverfälschte Natur, so schmeckt gutes Handwerk. 3 Im Zentrum des historischen Mühlenraums steht der Wärmeofen, darauf gestapelt Metall- und Gewebeplatten. Dahinter: Kollergang mit Mahlsteinen, rechts Stempelpresse mit Presszylinder, vorne Edelstahleimer für das gesiebte Öl. Unten: Walnussöl, die Hausspezialität, mit Presskuchen, Walnusskernen, Schlafmohnkapseln, Leinölpflanzen. ✽ Ölmühle Illingen Mühlstraße 1, 75428 Illingen, Tel.: 07042/225 80, oelmuehle-illingen.de ➻ Servus 61 DOSSIER Die Welt der Öle MOHNÖL WALNUSSÖL SONNENBLUMENÖL Schlafmohn ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Sein Mohnöl wird aus den Samen gepresst. Enthalten sind diese im Inneren der Mohnfrucht, einer kugeligen Kapsel von etwa 5 cm Größe. Mohn wird in zwei Gruppen unterteilt: Schüttmohn, auch Sehender Mohn, und Schließmohn, auch Blinder Mohn. Die Unterscheidung kommt von der Form der Mohnkapsel: Beim Schüttmohn öffnen sich zur Reife kleine Löcher, aus denen die Samen (etwa durch Wind) herausgeschüttelt werden. Die Kapsel des Schließmohns bleibt geschlossen. Er ist der typische Hofbaum schlechthin: der Nussbaum. 160 Jahre kann er alt werden, und seine Früchte galten bereits unseren Vorfahren als wertvoller Lebensmittelvorrat. Die Anthroposophen schätzen Walnüsse als „Gehirnnahrung“, und tatsächlich zählt Walnussöl zu den vitaminreichsten Ölen (E und B-Komplex). Die strahlende Sonnenanbeterin stammt ursprünglich aus Nordamerika. Dort wurde sie bereits vor 3.000 Jahren zur Ölgewinnung genützt. Gepresst werden die Samen der Blume; eine einzige Blüte kann bis zu 2.000 Kerne enthalten. Sonnenblumenöl ist eines der Öle, das am häufigsten in unseren Küchen anzutreffen ist, entsprechend groß ist die Qualitätsbandbreite. Es sollte nicht über 120 °C erhitzt werden. Sein feiner, leicht nussiger Geschmack macht es zu einem hervorragenden Marinieröl, zum Beispiel für Kartoffelsalat. Zur Ölgewinnung eignen sich die Samen von Blaumohn, Graumohn und Weißmohn. In Deutschland sind nur morphinfreie Sorten zum Anbau zugelassen. Mohnöl ist bis etwa 120 °C erhitzbar, sein feiner Geschmack entfaltet sich aber am besten kalt. Das hocharomatische Öl wird aus den Nusskernen ohne Schale gewonnen, hat einen niedrigen Rauchpunkt von etwa 130 °C und sollte hauptsächlich kalt – vor allem für Salate – verwendet, allenfalls nur minimal erwärmt werden. Wird Walnussöl aus ungerösteten Nüssen gewonnen, schmeckt es nussig-mild und sehr fein. Das Öl aus gerösteten Walnusskernen besitzt hingegen ein äußerst kräftiges Nussaroma. HASELNUSSÖL LEINÖL DISTELÖL Die Haselnuss ist die einzige Nuss, deren Ursprung in Europa liegt. Nachdem sie nicht besonders anspruchsvoll ist, ist sie seitdem weit herumgekommen. Den Kelten, Germanen und Wikingern war der Haselnussbaum heilig, aus seinem Holz wurden etwa Wünschelruten gemacht. Im antiken Griechenland wiederum galt die Haselnuss als Symbol der Fruchtbarkeit. Lein gehört zu den weltweit ältesten Ölsaaten. Es gibt Funde von Leinsamen in Syrien, die älter als 8.000 Jahre sind. Auch in Europa war die Pflanze mit den himmelblauen Blüten früh weit verbreitet. Man baute sie von der Donau bis nach Norddeutschland und vom Bodensee bis zum Ärmelkanal an. Aus den fasrigen Pflanzenteilen des Leins (oder Flachses) wurde auch Gewebe hergestellt. Heute wird sogar vermutet, dass sich der menschliche Körper aufgrund der langen gemeinsamen Tradition auf Leinöl sehr gut „eingestellt“ hat. Die Pflanze, aus der Distelöl gewonnen wird, war jahrhundertelang für ihren Farbstoff berühmt: die Färberdistel oder der Falsche Safran. Vor über 5.000 Jahren verwendeten sie die Ägypter, um Leinwände zu färben, die sie zur Einbalsamierung der Mumien benötigten. Auch das Öl aus den Samenkernen – die Pflanze gehört wie die Sonnenblume zu den Korbblütlern – wurde bereits in der Antike für Salben oder in Lampen eingesetzt. Haselnussöl schmeckt leicht süßlich und erinnert an Nougat. Es kann relativ hoch erhitzt werden und ist auch als Kosmetiköl (etwa in selbst gemachten Hautcremes) gut geeignet. 62 Servus Die erfreuliche Nachricht: Leinöl macht glücklich. Es enthält viele Omega-3-Fettsäuren, die die Produktion des Glückshormons Serotonin anregen. Allerdings ist es nicht lange haltbar und sollte so wenig wie möglich erhitzt werden. Eine Besonderheit sind die sogenannten High-OleicSonnenblumen-Sorten. Bei ihnen wurde durch züchterische Maßnahmen eine ähnliche Zusammensetzung der Fettsäuren wie bei Olivenöl erreicht sowie eine höhere Hitzestabilität. Distelöl hat einen sehr niedrigen Rauchpunkt und sollte nur kalt verwendet werden. Lange Zeit galt Distelöl als gesundheitliche Wunderwaffe, da es den höchsten Gehalt an Omega-6-Fettsäuren aufweist. Mittlerweile ist aber bekannt, dass nicht die Säure selbst, sondern das richtige Verhältnis von Omega 3 zu Omega 6 wichtig für eine gesunde Ernährung ist. LEINDOTTERÖL TRAUBENKERNÖL HANFÖL Der Lein- oder Saatdotter ist eine uralte Kulturpflanze. Sie war schon in der Eisenzeit in Europa weit verbreitet. Leindotter ist nicht mit dem Lein verwandt, aber sein Name leitet sich von dieser Pflanze ab: „Unkraut des gesäeten Leins. Wird wegen des kleinen gelben Saamens Dotter genennet“, hält das „Teutsch-lateinische Wörter-Buch“ 1741 fest. Wenn die Wahrheit im Wein liegt, was steckt dann in den Kernen? Ein wunderbarer mostig-traubiger Geschmack und eine Menge an sogenannten OPC (oligomeren Procyanidinen). Diese sekundären Pflanzenstoffe halten die mehrfach ungesättigten Fettsäuren auch bei hohen Temperaturen zusammen. Traubenkernöl gehört daher unabhängig von seiner Herstellungsart zu den Ölen, die bis etwa 190 °C erhitzt werden können. Hanf ist eine sehr alte Kulturpflanze. Bereits vor Tausenden von Jahren dienten seine Samen zur Ölgewinnung und die Pflanzenfasern zur Herstellung von Geweben, Seilen oder Dämmmaterial. Selbst Papier wurde aus Hanffasern gemacht. Die welt berühmte Gutenberg-Bibel aus dem Jahr 1455 wurde auf Hanfpapier gedruckt. Segel aus Hanf brachten Christoph Kolumbus auch nach Amerika. In der Landwirtschaft wird Leindotter gern als s ogenannte Stützfrucht zwischen Linsen gesetzt. Die Samen enthalten bis zu 45 Prozent Öl mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren. Unmittelbar nach dem Pressen ist das Öl – es wird auch Camelinaöl genannt – dunkel. Nach kurzer Zeit setzen sich Partikel ab, und man erhält eine hellgelbe Flüssigkeit. In der Volksmedizin wird Leindotter als antiseptisches und schmerzlinderndes Mittel eingesetzt. Das Pressen des Öls ist aufwendig. Die eher kleinen Kerne haben zirka 10 bis 16 Prozent Ölgehalt, der im Kaltpressverfahren nur zu einem Teil genützt werden kann. Je nach Verfahren benötigt man daher 50 bis 200 kg Traubenkerne für einen Liter Öl. In Trauben gemessen beträgt der Wert noch einmal das Zehnfache. Hanf ist mit der Brennnessel und dem Hopfen verwandt. Sein Öl wird aus den Samen, die durch eine spröde Schale gut geschützt in den Früchten der Pflanze liegen, gewonnen. Kalt gepresstes Hanföl hat eine gelblich-grüne Farbe und enthält wertvolle Linolensäure. Es schmeckt ziemlich intensiv, daher sollte man es in der Küche eher sparsam einsetzen und am besten gar nicht erhitzen. KÜRBISKERNÖL ZUSATZFOTOS: MAURITIUS IMAGES, JUNIORS Das dickflüssige, dunkle Elixier wird aus den Kernen des Ölkürbisses gewonnen. In Österreich ist es – wie das Leinöl in Deutschland – das einzige Öl mit geschützter geografischer Angabe (g. g. A.). Sein Geschmack ist nussig-würzig bis intensiv-erdig. Der Fachbegriff, den Profis dafür verwenden, lautet „pyrazinig“. Dazu ein kleiner Exkurs für alle Freunde der kulinarischen Physik: Als Pyrazine bezeichnet man Aromastoffe, die für „röstigen“ Geruch verantwortlich sind und die durch die sogenannte MaillardReaktion (die auch Fleisch beim Braten bräunt) zwischen 60 und 80 °C entstehen. Weltweit gibt es rund 800 Kürbisarten, aber nur eine wird für die Ölherstellung verwendet. Ausgehend von der Steiermark, wird der Ölkürbis heute auch in Deutschland, Ungarn oder Tschechien angebaut. Etwas Besonderes ist das Herstellungsverfahren für steirisches Kürbiskernöl g. g. A. mittels Stempelpresse: Die Kerne werden vermahlen, mit Wasser sowie Salz vermischt, erwärmt oder geröstet und schließlich zwischen Platten geschichtet und gepresst. Kürbiskernöl sollte nicht zu hoch erhitzt werden (maximal 120 °C), seine Inhaltsstoffe wirken antioxidativ. Und seine Farbstoffe färben wunderbar – leider auch Kleidung. Tipp: befleckte Teile sofort in die pralle Sonne legen, die die Kürbiskernölflecken ausbleicht. ➻ DOSSIER Die Welt der Öle GUGELHUPF MIT HASELNUSSÖL ZUTATEN FÜR 1 GUGELHUPFFORM Zeitaufwand: 25 Minuten plus 1 Stunde Backzeit 4 Eier 225 g Zucker abgeriebene Schale von ½ Zitrone ⅛ l Haselnussöl ⅛ l Wasser 280 g Mehl 2 Msp. Backpulver 1 Msp. Salz 25 g Kakao 64 Servus ZUBEREITUNG 1. Eier trennen, Eigelb mit Zucker schaumig rühren. Zitronenschale dazugeben, Öl und Wasser in die Masse einschlagen. 2.Mehl mit Backpulver versieben, Eiweiß mit Salz zu steifem Schnee schlagen. 3.Mehl unter die Eigelbmasse heben, zuletzt den Schnee unterziehen. 4.Teig in zwei etwa gleich große Hälften teilen. Kakao vorsichtig in die eine Hälfte einrühren. 5.Gugelhupfform einfetten und mit Mehl ausstreuen. Die helle Teigmasse in die Form füllen, dann die dunkle Kakaomasse darauf verteilen. Nun einen Kochlöffelstiel ein paar Zentimeter, aber keinesfalls bis zum Boden, in die Masse eintauchen und vorsichtig einmal rundherum durch den Teig ziehen, damit das Innere des Gugelhupfs ein schönes Muster bekommt. 6.Den Gugelhupf im vorgeheizten Rohr zuerst 10 Minuten bei 180 °C, dann weiter mit 160 °C (insgesamt ca. 1 Stunde) backen, bis er schön aufgegangen ist. Tipp: Haselnussöl verleiht dem Kuchen eine leichte Nougatnote. Man kann aber je nach Vorliebe auch andere Ölsorten verwenden: zum Beispiel Mohnoder Sonnenblumenöl. GUT ZU WISSEN Gesunde Säuren: Pflanzenöle gelten vor allem wegen ihres hohen Gehalts an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren als besonders gesund. Einige davon kann unser Körper nicht selbst herstellen, deshalb müs sen wir sie mit der Nahrung zu uns nehmen. Zu diesen sogenannten essenziellen Fettsäu ren gehören die Omega-3-Fettsäure AlphaLinolensäure und die Omega-6-Fettsäure. Wichtig ist auch das Verhältnis der beiden Fettsäuren zueinander. Wie das genau aus sehen soll, darüber scheiden sich zwar die wissenschaftlichen Geister, eines scheint aber klar: Wir sollten mehr Omega 3 zu uns nehmen und nicht zu viel Omega 6. ✽ Servus-Tipp: Glasflaschen mit weißem Bügelverschluss zum Ansetzen und Aufbewahren von Kräuterölen gibt es auf www.servusmarktplatz.com ÖLE & KRÄUTER Angesetzte Aromaöle für Küche oder Hausapo theke bestechen durch Geschmack und Wirkung. Außerdem sind sie leicht zuzubereiten und be wahren den Duft von Sommer und Frische übers ganze Jahr. Das Prinzip dabei ist simpel: Man nimmt Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian oder Liebstöckel, steckt einige Zweige davon in eine passende Flasche und gießt mit dem gewünschten Öl auf (zum Beispiel aus Trauben- oder Sonnenblumenkernen), bis alles bedeckt ist. Wichtig ist dabei, dass die Kräuter trocken sind, sonst besteht Schimmelgefahr. Geschmacklich noch ausgeprägter und sehr farb intensiv werden die Öle mit dieser Methode: Von Würzkräutern wie Petersilie oder Basilikum die Blätter abzupfen (Gesamtmenge ca. 30 g), kurz blanchieren und mittels Küchenpapier mög lichst trocken pressen. Mit 100 ml Öl zu einer feinen Paste mixen, weitere 400 ml Öl zufügen und die Mischung 1 bis 2 Tage durchziehen lassen. Zuletzt durch ein Mulltuch abseihen und in Flaschen füllen. Auf Basis von Heilkräutern sind gute Öle auch hochwertige Kosmetikprodukte oder Naturheilmittel. Am leichtesten ist Johanniskrautöl her zustellen. Es ist seit der Antike als natürliches Antidepressivum bekannt; äußerlich angewendet ist es ein wunderbares Badeöl und hilft auch bei Sonnenbrand oder Hexenschuss. Für die Zuberei tung Blüten, Blätter und Stiele des Johanniskrauts im Sommer mit einer Schere abzwicken und dicht, aber nicht gepresst in ein Glas mit Schraubdeckel füllen. Mit Pflanzenöl (zum Beispiel Distel öl) aufgießen, dann das Glas zuschrauben und in die pralle Sonne stellen. Zwei Wochen stehen lassen, bis das Öl eine strahlend rote Farbe ent wickelt hat. Dann durch einen Kaffeefilter in eine Kanne gießen, kurz rasten lassen und langsam in Flaschen füllen. Servus 65 Jetzt im Abo! 12 Ausgab + Buch „Die en Na Apotheke tur- “ € 45,90 Kostenlose Lieferung Buch „Die Natur-Apotheke“ Die beliebte Kolumne aus Servus in Stadt & Land von den Natur‑Apothekerinnen Karin Buchart und Miriam Wiegele – erheblich erweitert und aktualisiert. Großformat, 144 Seiten, durchgehend vierfarbig. Einfach bestellen per Telefon: 089/858 53-567, per E-Mail: [email protected] oder im Internet: servusmagazin.de/abo EINFACH . GUT . LEBEN servusmagazin.de/abo
© Copyright 2024 ExpyDoc