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SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Interview der Woche – Manuskript
Autor:
Gesprächspartner:
Redaktion:
Sendung:
Uwe Lueb
Michael Fuchs (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSUBundestagsfraktion im Deutschen Bundestag
Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin
Samstag,23.4.2016, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR
SWR Interview der Woche vom 23.4.2016
SWR: Herr Fuchs, diese Woche hat die Diskussion über die Zukunft der Rente neue Fahrt
aufgenommen. Die Junge Union und Bundesfinanzminister Schäuble haben einen Vorschlag der OECD
aufgegriffen und fordern eine längere Lebensarbeitszeit. Will die Union Wähler abschrecken?
M.F.: Das wollen wir sicherlich nicht. Aber ich halte es auch für notwendig, dass man ehrlich ist. Und
Wolfgang Schäuble hat meiner Meinung nach zu Recht darauf hingewiesen, dass die steigende
Lebenserwartung, die ja nun sehr erfreulich ist für uns alle, das wir auch alle wollen, natürlich dazu
führt, dass die Lebensarbeitszeit irgendwann mal verlängert werden muss. Es geht aber jetzt zuerst
einmal darum, und das hatten wir auch im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart, dass wir eine
Flexibilisierung beim Ausstieg aus dem Arbeitsleben hinbekommen. Heißt, dass jemand der will, länger
arbeiten kann und auch was davon hat, weil er dann eine höhere Rente bekommt. Wenn er aber sich
nicht gesundheitlich beispielsweise so fühlt, dass er das machen kann, dass er dann halt eben auch mit
dem üblichen Rentenalter aussteigen kann. Das wollen wir hinbekommen. Das muss aber noch
diskutiert werden. Und am Ende des Tages muss man natürlich überlegen, ob es noch möglich ist, eine
Rente mit 65 respektive 67 hinzubekommen, wenn die Menschen immer deutlich älter werden.
SWR.: Bleiben wir doch mal bei diesem Vorstoß. Linke und SPD lehnen das ab. Die sagen, Menschen
mit niedrigen Einkommen hätten oft auch eine niedrigere Lebenserwartung. Und wenn man will, dass
die länger arbeiten, betrüge man sie um ihre Rente. Da ist doch was dran?!
M.F.: Na ja, das mit der Lebenserwartung ist ja ein Durchschnittswert, den die gesamte Bevölkerung
hat. Da gibt’s sicherlich auch Menschen mit niedrigem Einkommen, die Gott sei Dank eine längere
Lebenserwartung haben. Aber ich will mal zwei Zahlen nennen…
SWR: Es ist doch bekannt, dass Menschen mit höheren Einkommen eine höhere Lebenserwartung
haben.
M.F.: Das wird so gesagt. Ich habe die Statistiken auch gesehen. Aber die waren nicht so wirklich
hundertprozentig aussagekräftig. Aber lassen Sie mich was Anderes sagen: Wissen Sie, die Rente
wurde 1956, das heutige System wurde 1956 eingeführt. Damals war die Lebenserwartung eines
Mannes 67 Jahre. Die einer Frau 71. Das hat sich total verändert. Mittlerweile ist die Lebenserwartung
eines Mannes annähernd bei 79 und bei einer Frau von über 80 bis 82 schon. Das zeigt doch, dass wir
etwas ändern müssen. Wenn die Lebenserwartung so steigt, wie das jetzt über die letzten Jahrzehnte
geschehen ist und momentan sogar noch schneller steigt, weil die Medizin immer weiter kommt, dann
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müssen wir Dinge verändern. Das ist in meinen Augen vollkommen logisch. Denn es kann nicht sein,
dass die Zeit verkürzt wird oder gleich bleibt, in der man in die Rentenkasse einzahlt, aber die
Erwartung danach Rente zu beziehen deutlich steigt, ohne dass das irgendwelche Folgen hat.
SWR: Dieses Jahr stehen noch Landtagswahlen bevor. Kommendes Frühjahr dann im
bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Wird die Bundesregierung nach der
Sommerpause überhaupt noch regieren, regieren können, oder sind wir dann im Dauerwahlkampf?
M.F.: Also, das wünsche ich mir nicht. Man kann sowieso darüber diskutieren, ob es sinnvoller wäre, die
Wahlperioden zu verlängern. Denn wir brauchen ja am Anfang einer Legislaturperiode schon mal ein
halbes Jahr, bis die neue Bundesregierung sich, ich sage mal, zusammengerüttelt hat und anfängt zu
arbeiten. Wenn wir dann schon anderthalb Jahre vor der nächsten Wahl wieder aufhören, dann haben
wir ja eigentlich nur knapp zwei Jahre Regierungsmöglichkeit. Das halte ich nicht für klug. Also, wir
haben auch auf der anderen Seite so viel Arbeit noch und so viele Gesetze noch über die Rampe zu
bringen, dass wir mal mindestens bis Ende diesen Jahres, oder ich sag mal bis ins Frühjahr hinein,
weiter arbeiten werden daran und dann in die Wahlkämpfe einsteigen. Viel zu viele Wahlkämpfe haben
wir mittlerweile in Deutschland.
SWR: Wie lang soll denn so eine Wahlperiode sein, wenn Sie davon sprechen, dass man sie verlängern
könnte?
M.F.: Also, ich würde es für klug halten, wenn sowohl Bundestag als auch, was ja in den meisten
Ländern nebenbei schon der Fall ist, fünf Jahre als Legislaturperiode hätten. Da könnte man sogar noch
überlegen, ob man die Landtagswahlen ein Stück weit zusammenlegt, so ungefähr wie die „Midterms“
in USA, dass so in der Hälfte ein Stück weit gewählt wird und damit natürlich ein bisschen entzerrt wird
und auch diese Dauerwahlkämpfe für die führenden Politiker aufhören. Denn in dem Moment, wo die im
Wahlkampf sind, können sie nicht in Berlin arbeiten.
SWR: In den Umfragen haben Union und SPD stark an Zustimmung verloren, ausgehend vom letzten
Wahlergebnis jeweils rund 20 Prozent - nicht Punkte, sondern 20 Prozent der Stimmen. Im neuen ARDDeutschlandtrend kommt die Union noch gerade auf 33 Prozent, die SPD auf 21. Wie kann denn die
Union wieder stärker werden?
M.F.: Also, wir müssen uns schon sehr intensiv damit beschäftigen, was die Gründe dafür sind. Die
Gründe sind geschwundenes Vertrauen in unsere Möglichkeiten, diese Flüchtlingskrise vernünftig zu
bewältigen. Ich glaube aber, dass sich das in dem nächsten halben Jahr zeigen wird, dass wir auf dem
richtigen Weg sind. Es kommen ja schon deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Die Integration
wird geleistet. Wir sind dabei vernünftige Gesetze zu machen. Wir sind auch dabei, endlich vernünftige
Rückführungen von Flüchtlingen, die keine Berechtigung in Deutschland haben, zu machen. Da sind
allerdings die Länder gefordert. Und wenn das in den Ländern nicht funktioniert, dann kann man das
nicht der Bundesregierung anlasten, sondern da sind die Länder in einer erheblichen Verantwortung.
Wir haben jetzt Gesetzesvereinfachungen zur verbesserten Rückführung gemacht. Das müssen wir
noch etwas intensivieren. Aber, ich glaube, dass wir damit, wenn wir wirklich zeigen, dass wir das
Problem erkannt haben und adressieren und dass wir so schnell wie möglich in Umsetzung hinein
kommen, das Vertrauen wieder zurückgewinnen können. Und zwar beide Parteien.
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SWR: Bis zur Bundestagswahl hat die Große Koalition noch Einiges vor. Zum Einen die
Lebensleistungsrente. Sie haben gesagt, nun dürfe man aber nicht den Fehler machen, das Wachstum
zu gefährden durch Sozialausgaben - etwa bei der Lebensleistungsrente. Wenn Sie sich in der Union
damit durchsetzen, wird das also nichts damit, oder?
M.F.: Naja, ich meine, wir müssen eines sehen: es kann jetzt keine zusätzliche Belastung der
Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Unternehmen geben. Wir brauchen bei den Unternehmen mit
Sicherheit alle Intensität, dass möglichst viele Leute eingestellt werden können. Und dass die
Unternehmen auch in der Lage sind, diese Leute in den Arbeitsprozess zu integrieren. Das ist nicht
einfach. Und wenn wir die Unternehmen auffordern das zu tun, dann dürfen wir nicht zusätzliche
Belastungen für die Unternehmen machen.
SWR: Aber die Lebensleistungsrente steht im Koalitionsvertrag.
M.F.: Die Lebensleistungsrente steht im Koalitionsvertrag, aber als Arbeitsposten und nicht wie sie
ausgestaltet werden kann. Jedenfalls darf sie zusätzlich bei der Rente, also in den
Sozialversicherungssystemen, kein Geld kosten. Wenn, dann ist das wiederum eine
gesamtgesellschaftliche Leistung und muss steuerfinanziert werden. Nun ist mit der Steuerfinanzierung
das momentan auch nicht so ganz so einfach, denn wir sind zwar bei der „Schwarzen Null“, Gott sei
Dank, aber die Flüchtlingsproblematik kostet jede Menge Geld. Und wir wollen die „Schwarze Null“ nicht
gefährden. Wir haben ganz klar vereinbart, das steht auch im Koalitionsvertrag, dass wir keine
Neuverschuldung mehr wollen. Das haben wir erreicht. Meiner Meinung nach sehr wichtig, weil wir
keine zusätzlichen Kosten für zukünftige Generationen mehr aufbringen wollen.
SWR: Noch immer steht eine Einigung bei der Erbschaftssteuer aus. Vor allem die CSU drängt ja auf
großzügige Ausnahmen. Ist das aber nicht eine Frage der Gerechtigkeit, dass Erben großer Vermögen
Steuern zahlen, so wie andere auch? Da könnten Sie bei den Menschen ja punkten, die das Gefühl
haben abgehängt zu sein.
M.F.: Man muss ja mal eines sagen: sieben Prozent der Bürger in Deutschland zahlen überhaupt nur
Erbschaftssteuer. 93 Prozent zahlen keine und finden das ganz lustig, dass sie sieben Prozent zahlen.
SWR: …die 93 Prozent erben vermutlich nicht so viel.
M.F.: Wir haben ja erhebliche Freibeträge und dadurch kommt es dazu, dass 93 Prozent keine
Erbschaftssteuer zu zahlen haben. Eins darf aber nicht passieren: dass Familienunternehmen aus der
Substanz Erbschaftssteuer zahlen müssen. Substanzbesteuerung würde bedeuten, dass die
Investitionskraft dieser Unternehmen geschädigt wird. Und wenn die Investitionskraft geschädigt wird,
dann werden Arbeitsplätze geschädigt. Und am Ende sind diejenigen, die scheinbar von höherer
Erbschaftssteuer profitieren, weil sie sie nicht selbst zahlen müssen, diejenigen, die geschädigt werden,
weil die Arbeitsplätze bei den Familienunternehmen kaputtgehen.
SWR: In Deutschland gibt es immer wieder Demonstrationen gegen das geplante Handelsabkommen
zwischen der EU und den USA, „TTIP“. Verstehen Sie die Vorbehalte der Menschen, oder eher nicht?
M.F.: Nein, gar nicht. Ich muss das wirklich deutlich sagen. Ich habe mich in meinem ganzen
beruflichen Leben, schon vor der Zeit, als ich in den Deutschen Bundestag gekommen bin, mit
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Außenhandelsabkommen beschäftigt. Als Großhändler muss man das ja, als Außenhändler. Ich kann
nicht verstehen warum wir, gerade bei TTIP, ein solches, Entschuldigung, Theater machen. Es hat
sich nebenbei um die gesamten Abkommen, die wir früher gemacht haben, nehmen Sie mal Korea etc.,
niemand gekümmert. Ich habe nie irgendwelche Demos gesehen oder sonst was. Die Amerikaner
haben in vielen Bereichen höhere Standards als wir. Und ich mache es mir ganz einfach: Fragen Sie
mal VW nach amerikanischen Umweltstandards. Dann werden die Ihnen erzählen, dass die deutlich
härter sind als unsere. Die Amerikaner haben auch im Bereich von Lebensmitteln und vor allen Dingen
Arzneimitteln höhere Standards. Wir sind hier Rheinland-Pfälzer. Gehen Sie mal zu Boehringer
Ingelheim und fragen nach den Zulassungsstandards der Amerikaner für Arzneimittel. Die hätten gerne
europäische Regeln. Wir müssen diese Standards gleichziehen. Wir müssen die im internationalen
Kontext in ganz Europa mit den Amerikanern gleichziehen. Für uns ist Amerika der wichtigste
Handelspartner. Wir haben riesige Exporte nach USA. Und ich weiß nicht warum hier so getan wird als
könnten wir das vernachlässigen.