Medizin Repor t aktuell Rheumatoide Arthritis Blick auf Komorbiditäten erweitern und neue Ansätze nutzen Eine konsequente Unterdrückung der chronischen Entzündungsreaktion ist und bleibt die primäre Aufgabe in der Rheumatologie. Komorbiditäten und Risikofakto ren sollten aber vermehrt erfasst, monitoriert und im Arztbrief angesprochen wer den. Dabei sind kardiovaskuläre Risiken hinsichtlich Mortalität und Morbidität her vorzuheben, während die mentale Gesundheit, vor allem eine begleitende behand lungsbedürftige Depression, die Krankheitskontrolle stark beeinflussen kann. Die strukturierte Erhebung von Begleiterkrankungen kann an rheumatologische Fach assistentInnen delegiert werden. ▬▬Chronisch-entzündlich rheumatische Erkrankungen sind häufig; etwa 2 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland, also etwa 1,5 Mio., sind z. B. von einer rheumatoiden Arthritis (RA), ankylosierenden Spondylitis (AS) oder Psoriasis-Arthritis (PsA) betroffen [1]. Als Systemerkrankungen gehen sie mit einigen Komorbiditäten einher, allen voran kardiovaskulären, pulmonalen, onkologischen und gastrointestinalen Erkrankungen, aber auch Osteoporose, Depression und Uveitis [2, 3]. Reduzierte Risiken unter TNF-α-Blockern So ist das kardiovaskuläre Risiko von RA-Patienten 50 % höher als in der Allgemeinbevölkerung [4]. Wie Prof. Dr. Markus Gaubitz, Münster, berichtete, ist dies maßgeblich auf die erhöhte entzündliche Aktivität zurück- von Fachassistentinnen befragt zuführen [5]. Aktuelle Daten des deutschen RABBIT-Registers zeigen die deutliche Abhängigkeit des Mortalitätsrisikos von der Krankheitsaktivität [6]. Wird diese durch eine effektive Therapie gemäß Leitlinien [7, 8] und dem Treat-to-Target-Konzept [9] kontrolliert und eine stabile klinische Remission (DAS28 <2,6) erreicht, so normalisiert sich das kardiovaskuläre Risiko weitgehend. Das bestätigt eine aktuelle Metaanalyse [10]. Danach reduzierte sich das relative Risiko von RA-, PsA- und Psoriasis-Patienten, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, unter TNF-α-Blockern respektive Methotrexat (MTX) auf 0,70 bzw. 0,72. Unter NSAR und Glukokortikoiden stieg es dagegen auf 1,18 bzw. 1,47. Zudem wurde die Mortalität günstig beeinflusst, berichtete Gaubitz [10]. Das Sterblichkeitsrisiko war unter TNFα-Blockern und Selbst-Beurteiler Anzahl der Interventionen gegen Komorbiditäten (n) 6 5 4 4,54 3 2 2,66 2,03 1,49 1 0 0,93 0,51 alle Interventionen kardiovaskuläre Erkrankungen 0,29 Infektionen 1,08 0,56 Krebs 0,31 Osteoporose Abb. 1: COMEDRA-Studie: Die Zahl der Interventionen gegen Komorbiditäten war höher, wenn rheumatologische FachassistentInnen die Komorbiditäten abfragten; die Vergleichsgruppe wurde angeleitet, selbst den DAS28 zu berechnen (modifiziert nach [15]) anderen Biologika gegenüber MTX erniedrigt (HR 0,64). Wird die Therapie dagegen nicht intensiviert, sondern langfristig mit Glukokortikoiden fortgeführt (10 mg/d Prednison), so erhöhte sich in der CAMERAStudie bei Patienten mit früher RA im Langzeitverlauf (7–8 Jahre) die Rate kardiovaskulärer Ereignisse von 4,9 % auf 17,5 % und die Mortalität von 1,6 % auf 10,5 % [11], wie Prof. Dr. Klaus Krüger, München, ergänzte. Da TNF-α-Blocker in der Dauertherapie offenbar das kardiovaskuläre Risiko kontinuierlich senken [12], kann ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko laut Krüger ein Grund dafür sein, eher zu einem TNF-α-Blocker zu greifen als üblich. Auf Depression achten Psychische Komorbiditäten treten bei Rheuma-Patienten ebenfalls häufig auf [2]. Die Evidenz für die Notwendigkeit einer zuverlässigen, rechtzeitigen Diagnostik und konsequenten Therapie steige, so Gaubitz. Dies gelte insbesondere für die Depression. Patienten mit hohem Depressions-Score erreichten signifikant seltener und später eine Remission als andere (31,3 % statt 84,3 %, p<0,001) [13]. Ziel: Umfassende Krankheits kontrolle Im Praxisalltag werden Komorbiditäten bisher oft nicht ausreichend erfasst und kontrolliert [14]. Dies zeigt auch die multinationale COMORA-Studie [2]. Im Sinne einer umfassenden Krankheitskontrolle sollten diese aber früh erfasst werden. Dies könnte durch Einbindung von rheumatologischen FachassistentInnen erfolgen. In der COMEDRA-Studie ließ sich das Management der Komorbiditäten durch Dokumentation und adäquates Management nach sechs Monaten nachhaltig verbessern [15] (Abb. 1). In Deutschland soll nun mittels der ERIKO-Studie geklärt werden, ob durch eine strukturierte Erfassung von Komorbiditäten Medizin Repor t aktuell durch die rheumatologische Fachassistenz und ein optimiertes Management auch das Risikoprofil der Patienten verbessert werden kann. Im Fokus steht dabei eine Übersetzung der komplexen Risiko-Scores in ein für den Patienten leicht verständliches Ampelsystem. ▬ Diesen Bericht und das Interview finden Sie auch auf www.aerztezeitung.de/kongresse/mwi. Literatur 1. Memorandum „Rheumatologische Versorgung von akut und chronisch Rheumakranken in Deutschland“. www.dgrh.de/fileadmin/media/Die_DGRH/ Presse/Exzerpt_Memorandum.pdf 2. Dougados M et al., Ann Rheum Dis 2014, 73:62–68 3. Canouï-Poitrine F et al., Arthritis Care Res (Hoboken) 2012, 64:919–924 4. Avina-Zubieta JA et al., Ann Rheum Dis 2012, 71:1524–1529 5. Solomon DH et al., Ann Rheum Dis 2010, 69:1920– 1925 6. Listing J et al., Ann Rheum Dis 2015, 74:415–421 7. Krüger K et al., 2012; AWMF-Register-Nr. 060-004 8. Smolen J et al., Ann Rheum Dis, doi:10.1136/annrheumdis-2013-204573 9. www.t2t-ra.com/recommendations/target-to-treatstatements 10. Roubille F et al., Ann Rheum Dis 2015, 74:480-489 11. De Hair M et al., Arthritis Rheum 2015, 67 (Suppl 10), Abstract 619 12. Nurmohamed M et al., RMD open 2015, 1:e000080 13. Leblanc-Trudeau C et al., Rheumatology 2015, 54:2205–2214 14. Desai SS et al., Arthritis Res Ther 2012, 14:R270 15. Dougados M et al., Ann Rheum Dis 2015, 74:1725– 1733 Interview mit Prof. Dr. Klaus Krüger, München Komorbiditäten besser erfassen und interdisziplinär behandeln ? Welche Empfehlungen zum Management von Krüger: Das wissen wir bisher nur für kardio- Begleiterkrankungen bei Patienten mit chronisch-entzündlichem Rheuma geben die Fachgesellschaften? vaskuläre Komorbiditäten, bei denen sich gezeigt hat, dass Patienten mit aktiver RA erhöhte Spiegel kardiovaskulärer Risikomarker und ein erhöhtes kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko aufweisen. Da TNF-α-Blocker u. a. hochpotente entzündungshemmende Medikamente sind, können sie auch die kardiovaskuläre Komorbidität günstig beeinflussen, und zwar unter allen Medikamenten, die wir in der Rheumatologie verwenden, am stärksten. Krüger: Bisher nicht allzu viel. Das Thema ist eigentlich erst seit einigen Jahren in der Diskussion. So ist zum Beispiel vor einem Jahr eine EULAR-Task-Force gebildet worden, die Empfehlungen diesbezüglich erarbeiten soll. Für die kardiovaskulären Komplikationen gibt es schon seit einiger Zeit EULAR-Empfehlungen. Dadurch haben wir eine Anleitung, wie wir mit dem Patienten umgehen sollten. Zudem gibt es einen Score, mit dem das individuelle Risiko berechnet werden kann. Wir wissen, welche Risikofaktoren relevant und welche Medikamente vielleicht problematisch sind – zum Beispiel die Dauertherapie mit Kortikoiden oder NSAR. Auch werden wir darauf hingewiesen, mit dem Patienten über Lifestyle-Management – Stichworte: Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel – zu sprechen. ? TNF-α-Blocker zeigen eine gute Wirksamkeit in der Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Welchen Einfluss haben sie auf Komorbiditäten? ? Wie wichtig ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Erfassung und Therapie von Komorbiditäten? Krüger: Sie ist extrem wichtig. Denn der zeitliche Spielraum des Rheumatologen ist sehr begrenzt. Daher wäre es schon ein Erfolg, wenn wir erreichen würden, dass der Rheumatologe in Zukunft ein Screening auf Komorbiditäten durchführt. Es wäre aber definitiv zu viel erwartet, dass er sich auch noch um die Behandlung der Komorbiditäten kümmert. Dafür brauchen wir Partner, naturgemäß in den meisten Fällen den Hausarzt. Bei einem sehr hohen Risiko kann es aber auch ein anderer Facharzt, zum Beispiel ein Kardiologe oder Psychiater, sein. Prof. Dr. Klaus Krüger Leitender Arzt Praxiszentrum St. Bonifatius, München ? Was ist die Zielsetzung der ERIKO-Studie? Krüger: Die Longitudinal-Studie ERIKO verfolgt das Ziel, unter Zuhilfenahme validierter Fragebögen Risikofaktoren und Komorbiditäten von Patienten mit rheumatoider Arthritis strukturiert zu erfassen und zu bewerten, und so zu einem verbesserten Gesundheits management beizutragen. Die Befragung und Dokumentation erfolgt überwiegend durch rheumatologische FachassistentInnen. Aus Gründen der Überschaubarkeit haben wir uns auf fünf Komorbiditäten beschränkt – Infektionen und Impfstatus, kardiovaskuläre Risiken, Osteoporose, Depression und Zahnstatus. Zusätzlich werden die gesundheitsbezogene Lebensqualität und der allgemeine Gesundheitszustand erfasst. Die Befunde werden in ein dreistufiges Ampelsystem übersetzt und bilden die Basis für die Beratung durch den Arzt. Die Studie wird mit großem Interesse und hoher Motivation aller Beteiligten durchgeführt, sodass die Rekrutierung der Zentren und gut 400 Patienten bereits abgeschlossen ist. Wir erwarten die ersten Ergebnisse im Jahr 2017. Impressum RheumaUpdate 2016, Wiesbaden, 26–27. Februar 2016 • Medizin Report aktuell Nr. 423371 in: Orthopädie & Rheuma 2/2016 • Berichterstattung: Dr. Wiebke Kathmann, Karlsruhe • Redaktion: Sabine Jost • Leitung Corporate Publishing: U lrike Hafner (verantwortlich) • Springer Medizin, Springer-Verlag GmbH, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg • © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Wiesbaden Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik.
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