Programmheft »Jazz Piano

Elbphilharmonie
Konzerte
2015/2016
Jazz Piano
Avishai Cohen Trio
Yaron Herman & Ziv Ravitz
Omer Klein Trio
Tord Gustavsen Project
Stefano Bollani
Hans Lüdemann Trio Ivoire
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BMW EFFICIENTDYNAMICS.
WENIGER VERBRAUCH. MEHR FAHRFREUDE.
Jazz Piano
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Niederlassung
Hamburg
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Sechs Konzerte in der Laeiszhalle, jeweils 20 Uhr
Freude am Fahren
Avishai Cohen Trio
»Cohens Songs umgibt eine magische Aura«, befand Die Zeit. Als
Zauberlehrling mit dabei: Shootingstar-Pianist Nitai Hershkovits.
Mi, 30. September 2015 / Großer Saal
Yaron Herman & Ziv Ravitz
Niemand tobt mit solch koboldhafter Spielfreude über die Tasten wie
Yaron Herman. Dazu: Omer Kleins ehemaliger Drummer Ziv Ravitz.
Mi, 7. Oktober 2015 / Kleiner Saal
WAS FÜR EIN AUFTRITT.
DER NEUE BMW 7er.
Omer Klein Trio
Energie, Eleganz, Eloquenz: Omer Klein hat sich endgültig in die
»Sahne­kategorie der Jazzpianisten« (Jazz Forum) hochgespielt.
Di, 17. November 2015 / Kleiner Saal
Tord Gustavsen Project
Perfektes Zusammenspiel von technologischer Innovation und stilsicherem Design: Der neue
BMW 7er setzt mit wegweisenden Neuerungen, wie z. B. der BMW Gestiksteuerung, dem
hocheffektiven BMW Laserlicht, dem ferngesteuerten Parken und dem BMW Touch Command,
neue Maßstäbe in Sachen Komfort und Fahrfreude.
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Süderstraße 133-141
20537 Hamburg
Tel.: 040-55301-20
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21033 Hamburg
Tel.: 040-55301-40
Filiale Elbvororte
Osdorfer Landstraße 50
22549 Hamburg
Tel.: 040-55301-50
Mi, 24. Februar 2016 / Kleiner Saal
Stefano Bollani solo
Zu Recht gilt Bollanis Spiel als ironisch und kommentierend;
der Daily Telegraph nannte ihn »The Slapstick Virtuoso«.
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Offakamp 10-20
22529 Hamburg
Tel.: 040-55301-10
Der Norweger erschafft Kompositionen von fast sakraler Intensität.
An seiner Seite: die deutsch-afghanische Sängerin Simin Tander.
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Friedrich-Ebert-Damm 120
22047 Hamburg
Tel.: 040-55301-30
Mi, 2. März 2016 / Kleiner Saal
Hans Lüdemann Trio Ivoire
Hans Lüdemann spürt mit seinem Trio den afrikanischen Wurzeln
des Jazz nach – und holt sie behutsam in die Gegenwart.
So, 17. April 2016 / Kleiner Saal
In Kooperation mit der Karsten Jahnke Konzertdirektion.
Die Pianisten der Reihe Jazz Piano spielen auf einem Flügel von Steinway & Sons.
zur Reihe Jazz Piano
Global Jazz
Jazz vereint heute so viele Einflüsse wie nie zuvor – besonders in Israel
Israel galt auf der internationalen Landkarte des Jazz lange als weißer Fleck. Seit
einigen Jahren aber sprießen israelische
Top-Jazzer aus dem Boden wie Wüstengras
nach dem Regen. Avishai Cohen, Yaron
Herman und Omer Klein, die ersten drei
Acts der Reihe Jazz Piano, stehen beispielhaft für diese erfreuliche Entwicklung,
die eigentlich nur folgerichtig ist. Denn
im multikulturellen Schmelztiegel Israel
fließen die Musiktraditionen europäischer
und afrikanischer Immigranten mit orientalischen Elementen zusammen – eine
wahre Fundgrube für kreative Masterminds, gerade im stilistisch offenen und
beweglichen Jazz. In den 90er Jahren
kehrte zudem die erste Musikergeneration
in die Heimat zurück, die in den USA groß
geworden war und ihre Erfahrung nun
an neu gegründeten Jazz-Unis weitergab;
ähnlich, wie es in der Klassik schon früher
geschehen war. So entstanden enge Beziehungen zwischen den Hochschulstandorten Jerusalem und Tel Aviv auf der einen
und New York und Boston auf der anderen
Seite. Nicht lange, und an der East Coast
traten sich junge, zu Hause erstklassig
ausgebildete Israelis auf die Füße, um von
hier aus die Clubs und Labels zu erobern.
Auch die Biografien von Avishai Cohen,
Yaron Herman und Omer Klein folgen diesen Pfaden, die in einen wahrhaft globalen
Modern Jazz auf extrem hohem spieltechnischem Niveau münden. Und während
sich die Anfang-30er Herman und Klein
in Paris bzw. Düsseldorf niedergelassen
haben, ist Cohen inzwischen nach Israel
zurückgekehrt und fördert dort schon
wieder neue Wunderkinder. Unter denen,
die er 2014 auf dem Sampler All Original
versammelte, war auch der 25-jährige
Piano-Shootingstar Nitai Hershkovits.
HAMBURG EMPORIO
Nitai Hershkovits
Wieder andere Spielformen von (inter-)
nationalem Jazz sind in den drei übrigen
Konzerten von Jazz Piano anzutreffen. Den
krassesten Gegenpol zu den Israelis bildet
– klimatisch wie musikalisch – der Norweger Tord Gustavsen mit seinem typisch
skandinavischen, kontemplativen Tonfall.
Das Trio Ivoire des in Hamburg geborenen Pianisten Hans Lüdemann erkundet
die afrikanischen Wurzeln des Jazz und
bezieht dabei regionaltypische Instrumente wie das Balafon ein, eine Marimba
mit Kürbissen als Resonanzkörper. Mit
allen Wassern dieser Welt gewaschen ist
schließlich der Italiener Stefano Bollani,
dessen Improvisationslust vor nichts und
niemandem Halt macht. Sein jüngstes
Album widmete er Frank Zappa – und
beantwortete mit seiner verspielten
Hommage dessen legendäre Frage »Does
humor belong in music?« ein für alle Mal.
Clemens Matuschek
Mi, 30. September 2015 / Avishai Cohen Trio
Avishai Cohen Trio
Avishai Cohen bass
Nitai Hershkovits piano
Daniel Dor drums
»Seit Menschengedenken dürfte es kein
Trio gegeben haben, bei dem der Bassist an
einem Abend so viele Töne hervorbringt
– immer neu, immer anders, immer hemmungslos und leidenschaftlich artikuliert«,
staunte das Hamburger Abendblatt 2012
über Avishai Cohens Gastspiel im St. Pauli
Theater: »So viel spontanes Schaffen aus
einem gewaltigen Fundus an spieltechnischen Möglichkeiten und musikalischem
Wissen erlebt man nur bei den Größten.«
Mit umjubelten Folgeauftritten in der
Laeiszhalle sowie beim Elbjazz-Festival
hat sich Cohen zum Hamburger Stammgast und Publikumsliebling hochgespielt;
und so ist es nur konsequent, dass der
dynamische Israeli nun die neueste Ausgabe von Jazz Piano eröffnet.
1970 in einem Kibbuz in der Nähe von
Jerusalem geboren, lernt Cohen zunächst
Klavier und spielt brav Bach-Fugen. Erst
die Begegnung mit der Musik von Jaco
Pastorius, dem urgewaltigen Bassisten von
Weather Report, bringt ihn zum Bass – und
zu seiner wahren Berufung. Zum Studium
zieht er 1992 nach New York, wo er bald
überall auftritt. Hier trifft er seinen Mentor, Chick Corea. Der geniale Keyboarder
und Mit-Erfinder des Fusion ist der ideale
Lehrer für den neugierigen und experimentierfreudigen Cohen. Bis 2003 spielt
er in Coreas wechselnden Formationen.
Heute ist Avishai Cohen längst auf Augenhöhe mit seinen Idolen; ein Weltstar, der
mit so illustren Musikern wie Herbie Hancock, Bobby McFerrin, Wynton Marsalis,
der R’n’B-Sängerin Alicia Keys und dem
Israel Philharmonic Orchestra musiziert
und zahlreiche Alben veröffentlicht hat.
Folgerichtig erhielt er 2013 einen Echo als
»bester internationaler Bassist«; das Magazin Bass Player kürte ihn zu einem der 100
wichtigsten Bassisten der Welt. Dabei ist
Cohen weit mehr als nur der Mann für die
tiefen Töne: Sein Songwriting vereint eingängige Melodien mit komplexen Formen,
und oft reißt es ihn auf der Bühne so mit,
dass er mit seinem Bass im Duett singt.
Fazit: »Avishai Cohen ist einer der wenigen Jazzmusiker, die auch Nichtjazzer
überzeugen, ohne sich dem Mainstream
anzubiedern«, wie Die Zeit konstatierte.
Ohne Klavier geht es in der Reihe Jazz
Piano natürlich nicht – und so kommt
Cohen standesgemäß im Trio nach Hamburg. Bei der Auswahl seiner Mitspieler
beweist er wie immer ein besonders gutes
Gespür für den musikalischen Nachwuchs: Am Klavier nimmt der 25-jährige
Shootingstar Nitai Hershkovits Platz, der
das Publikum schon bei Cohens letztem
Hamburg-Besuch begeisterte und mit ihm
das Echo-prämierte Duo-Album Duende
eingespielt hat. Das Trio komplettiert der
Drummer Daniel Dor, der zwar von Haus
aus Jazzer ist, aber eine deutliche RockKomponente einbringt – Cohen selbst vergleicht ihn mit John Bonham, dem legendären Schlagzeuger von Led Zeppelin.
Gemeinsam brachte das Trio kürzlich das
Album From Darkness heraus. Unmittelbar im Anschluss an eine Welttournee eingespielt, transportiert es den improvisatorischen Status Quo direkt von der Bühne
auf die Platte. Vor diesem Hintergrund
leuchten Avishai Cohen und sein Trio weiter als helles Licht am Jazz-Himmel.
Avishai Cohen Trio
Mi, 7. Oktober 2015 / Yaron Herman & Ziv Ravitz
Yaron Herman & Ziv Ravitz
Yaron Herman piano
Ziv Ravitz drums
Die Geschichte des israelischen Pianisten
Yaron Herman hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können: Geboren
1981 in Tel Aviv, liegt eine glänzende Karriere als Basketballer in der israelischen
Jugendnationalmannschaft vor ihm, bis
eine Knieverletzung den Traum von einem
Leben als Spitzensportler beendet. Erst im
Alter von 16 Jahren beginnt er mit dem
Klavierspiel – und steht schon drei Jahre
später auf der Bühne. Das Rezept? »Ich
war besessen«, lacht er, »ich habe einfach
viel geübt.« Außerdem sieht er sich selbst
als Nerd, der Bücher über Klaviermechanik ebenso verschlingt wie über Hirnforschung, um die gewonnenen Erkenntnisse
in sein Spiel einfließen zu lassen.
Yaron Herman & Ziv Ravitz
Mit 19 geht Yaron Herman zum Studium
ans renommierte Berklee College in Boston. Doch die Atmosphäre von Konkurrenz und Wettbewerb sagt ihm überhaupt
nicht zu, so dass er schon bald weiterzieht,
nach Paris. In seiner neuen Wahlheimat
legt er einen wahrhaft kometenhaften
Aufstieg hin. »Yaron Herman gehört zur
Riege der jungen Virtuosen, die die lange
unerreichten großen Alten von Art Tatum
bis Oscar Peterson wieder in den Fingern
haben«, befand die Süddeutsche Zeitung
im Jahr 2009. Seine Alben Alter Ego (Solo),
Follow the White Rabbit (im Trio) und The
New Tradition (mit dem polnischen Jazzgeiger Adam Bałdych), alle veröffentlicht
bei ACT, bestärken diesen Eindruck.
Zwei Mal war Yaron Herman bereits mit
wechselnden Trioformationen in der
Laeiszhalle zu Gast; diesmal begleitet
ihn der ebenfalls aus Israel stammende
Drummer Ziv Ravitz. Soeben ist die erste
gemeinsame CD der beiden erschienen,
gleichzeitig Hermans Blue-Note-Debüt:
Everyday. Darauf setzt Herman seinen
persönlichen Stil eindrucksvoll fort, der
keine Genregrenzen zu kennen scheint.
Ein Prélude von Alexander Skrjabin ist
ebenso zu hören wie Anklänge an Björk
und Radiohead, an Chick Corea oder Keith
Jarrett. Auch seine irrwitzige Virtuosität
und Spielfreude, die ihn auf der Bühne
oft vom Klavierhocker zu reißen droht,
kommt ausgiebig zur Geltung. »Eine schizophrene Meisterleistung« staunte die
Zeitschrift Jazzthing.
Yaron Hermans Partner an den Drums,
Ziv Ravitz, gilt selbst als einer der Taktgeber der israelischen Jazzszene. Anders
als Herman wuchs der 1976 im südlichen
Be’er Scheva geborene Ravitz in einer
Musikerfamilie auf und lernte schon im
frühen Kindesalter Klavier, Gitarre und
schließlich auch Schlagzeug, auf das er
sich mit neun Jahren gänzlich fokussierte.
Als Teenager tourte er mit einer Mischung
aus Jazz, Rock und Avantgarde durch die
Clubs seiner Heimatstadt und Tel Avivs.
Im Jahr 2000 siedelte er in die Vereinigten
Staaten um und studierte – wie Herman –
am Berklee College of Music, wo er 2004
auch seinen Abschluss machte.
Mehrere Jahre war Ravitz festes Mitglied
im Lee Konitz Quartet und im Trio von
Omer Klein, den Sie im nächsten Konzert
dieser Reihe hören. Etliche CD-Produktionen dokumentieren diese Partnerschaften. Heute lebt Ziv Ravitz als Freelancer
in New York und spielt regelmäßig mit
den Großen des Jazz, etwa Tomasz Stańko,
Avishai Cohen oder Esperanza Spalding.
Di, 17. November 2015 / Omer Klein Trio
Omer Klein Trio
Omer Klein piano
Haggai Cohen Milo bass
Amir Bresler drums
»Keine Zweifel, Omer Klein gehört zur
Sahnekategorie der zeitgenössischen Jazzpianisten«, urteilte die Zeitschrift Jazz
Podium. »Grenzenlos« und »erstaunlich«
sei seine Musik, attestierten Zeitungen
wie die New York Times. In der Tat gehört
der in Israel aufgewachsene Pianist zu den
faszinierendsten Künstlern, die in den
letzten zehn Jahren von dort aus die internationale Bühne betraten. Er studierte in
Boston und New York, wo er schnell zum
namhaften Mitglied der ansässigen Jazzszene wurde und als Bandleader in den
Hotspots wie dem »Blue Note«, »Smalls«
oder der Reihe »Jazz at Lincoln Center«
auftrat. Von der Welthauptstadt des Jazz
hat es ihn inzwischen nach Düsseldorf
verschlagen – der Liebe wegen.
Doch bei all der Reiserei: Seine (musikalischen) Wurzeln hat Omer Klein nicht vergessen: »Der Ort, von dem ich herkomme,
ist das wunderschöne israelische Lied. Das
ist der Startpunkt meines Künstlertums,
und alles, was ich tue, gründet sich darauf.« Und das hört man. Denn auch wenn
Omer Kleins Handwerk von den Großen
des Jazzklaviers inspiriert wurde, von
Keith Jarrett genauso wie von Thelonious
Monk, schwingt in seinem Spiel stets noch
etwas anderes mit. Sein Stil ist exotisch
und gefühlvoll, seine Musik schlägt immer
wieder Brücken zwischen nahöstlichen
Klängen und der Spontaneität des Jazz.
Sechs gefeierte Alben hat er inzwischen
veröffentlicht, außerdem komponierte
er die Musik zum Theaterstück Lemon
Tree am Düsseldorfer Schauspielhaus und
arbeitete für das Cameri Theater in Tel
Aviv. Omer Klein ist zudem Preisträger
zahlreicher Wettbewerbe, so gewann er
2006 den Ersten Preis der Jazz Hoeilaart
International Competition in Belgien und
wurde von seiner Wahlheimatstadt Düsseldorf 2013 als Förderpreisträger für
Musik bestimmt.
Mit seinem aktuellen Album Fearless Friday stellt Omer Klein sein neues Trio mit
dem Bassisten Haggai Cohen Milo und
dem Schlagzeuger Amir Bresler vor, der
den Platz von Ziv Ravitz übernimmt.
Beide Musiker stammen wie er aus Israel.
Mit Haggai Cohen Milo, der heute in New
York zu Hause ist, verbindet ihn eine lange
musikalische Freundschaft. Und Amir
Bresler kennen die beiden Musiker bereits
aus ihrer Schulzeit in Tel Aviv, wo er heute
noch lebt. In Hamburg begeisterte Bresler
außerdem bereits beim Festival Sounds of
Israel an der Seite von Avishai Cohen, mit
dem er lange Zeit zusammenspielte.
Seit Ende 2013 touren Klein, Cohen Milo
und Bresler nun als Trio gemeinsam um
die Welt – und entwickelten in zahlreichen
Konzerten ihre gemeinsame musikalische Sprache. Die Arbeit mit diesem Trio
beschreibt Omer Klein selbst als Höhepunkt in seiner musikalischen Laufbahn:
»Es hat sofort gefunkt zwischen uns, was
mich zu etlichen neuen Stücken inspiriert
hat. Ich fühle, dass das Trio auf diesem
Album geschafft hat, was ich mit Musik
überhaupt erreichen möchte: Jeder Song
hat eine starke Atmosphäre und einen
unterschiedlichen, ganz eigenen Charakter. Und jede Improvisation ist kraftvoll
und hält Geheimnisse und Überraschungen bereit.«
Omer Klein Trio
Mi, 24. Februar 2016 / Tord Gustavsen Project
Tord Gustavsen Project
Tord Gustavsen piano
Simin Tander vocals
Jarle Vespestad drums
Im vierten Konzert der Reihe Jazz Piano
richtet sich der Blick nach Norden, genauer
gesagt: nach Norwegen. Von hier stammt
der 1970 in Oslo geborene Pianist Tord
Gustavsen, der in der Jazzszene seines
Heimatlandes längst als einer der herausragendsten und einflussreichsten Musiker
gilt. Wie so viele seiner skandinavischen
Kollegen pflegt auch er einen spezifisch
»nordischen« Sound: poetisch und wehmütig wie ein Volkslied, ruhig und tief wie
ein Fjord bei Windstille. Seine Inspiration
findet er in der traditionellen lyrischen
Musik seiner Heimat ebenso wie im Blues
oder Gospel. »Eine Mischung aus Feuer
und Eis«, beschrieb es die Jazz Times. Wer
fetzigen Swing zum Mitwippen sucht, ist
hier an der falschen Adresse; Gustavsens
Songs entwickeln sich ruhig, gedeckt,
dafür aber mit langem Atem und großer
spiritueller Intensität.
Tord Gustavsen
Als ein »betörendes Meisterwerk der leisen Töne« pries das Magazin Jazzpodium
Tord Gustavsens Album Extended Circle,
eine von insgesamt sechs preisgekrönten
Aufnahmen. Schon im Titel klingt das
meditative Kreisen an, das sein Klavierspiel und Songwriting auszeichnet. »Wir
Musiker bewegen uns gerne in Zirkeln,
um zu tieferen Einsichten zu gelangen«,
erklärt Gustavsen seine Philosophie,
»gerade in der kollektiven Band-Improvisation, in der jeder einzelne andere Erfahrungen und Ideen mitbringt.« Gustavsen
hat darüber sogar eine wissenschaftliche
Arbeit publiziert: Die dialektale Erotik der
Improvisation.
Besonders gut zur Geltung kommt Tord
Gustavsens pianistische Sensibilität im
Zusammenspiel mit anderen. So wurde
er international vor allem durch seine
langjährige Zusammenarbeit mit der norwegischen Jazzsängerin Silje Nergaard
bekannt. Beim Tord Gustavsen Project hat
er nun Simin Tander an seiner Seite, die
als aufsteigender Stern am Jazz-Himmel
gefeiert wird. Die gebürtige Kölnerin mit
afghanischen Wurzeln erregte mit ihrer
rauchigen, expressiven Stimme schon früh
Aufmerksamkeit. Einen Plattenvertrag
lehnte sie jedoch zunächst ab, um stattdessen Jazzgesang in den Niederlanden
zu studieren. Inzwischen war sie mit ihrer
eigenen Band bereits beim North Sea Jazz
Festival oder der Jazzahead zu Gast; ferner
steuerte sie Musik zu einem »Tatort« bei.
Für ihr aktuelles Projekt übertrugen Tord
Gustavsen und Simin Tander zusammen
mit einem afghanischen Dichter traditionelle norwegische Volkslieder ins Paschtunische und Sufi-Poesie ins Englische. So
entstand ein ganz besonderer Kanon von
Texten und Musik, der geprägt ist von großer Spiritualität und der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Identität
und den Traditionen verschiedener Kulturkreise und Religionen. Ihre künstlerischen Ergebnisse haben die Musiker auch
auf CD festgehalten; das Album erscheint
dieser Tage bei ECM.
Am Schlagzeug unterstützt die beiden
Gustavsens Landsmann und langjähriger
Weggefährte Jarle Vespestad. Er bringt
nicht nur seinen einzigartigen Sinn für
expressiven Minimalismus und ruhige
Stimmungen ein, sondern auch verblüffende Fähigkeiten für komplexe rhythmische Pattern.
Mi, 2. März 2016 / Stefano Bollani solo
Stefano Bollani
Stefano Bollani piano
Die linke Hand greift nach den Noten,
die rechte tobt weiter ungebremst über
die Klaviatur. Für einen Moment scheint
es, als wisse Stefano Bollani selbst nicht
so genau, was er da eigentlich spielt. Er
schüttelt den Kopf, dann zieht die linke
Hand die rechte mit aller Kraft vom Klavier weg. Das Publikum lacht, denn natürlich weiß Bollani ganz genau, was er tut;
die Einlage ist nur ein kleiner Gag am
Rande eines Konzertes, das man auf YouTube bestaunen kann. Das Universalgenie
ist neben seiner Tätigkeit als Jazzpianist,
Sänger, Buchautor und Moderator nämlich vor allem eines: Entertainer.
Eigene TV- und Radioshows, Konzerte mit
Tausenden Zuhörern – seine überragenden
technischen Fähigkeiten, seine stilistische
Vielseitigkeit und sein ausgeprägter Sinn
für musikalische Komik haben den lebhaften Italiener in seiner Heimat und weit darüber hinaus populär gemacht, zu einer Art
Roberto Benigni des Klaviers. Er jongliert
hemmungslos und hochvirtuos mit seinem
geradezu enzyklopädischen Wissen über
Stile und Tonfälle: »Ich mag alle möglichen
Musikrichtungen, Klassik, Tango, Jazz.
Charakteristische Idiome wie Stride Piano
oder die Alberti-Bässe der Wiener Klassik
kann man wunderbar als Erkennungsmittel benutzen, weil sie unmittelbare Assoziationen auslösen. Auf dieser Grundlage
entwickelt sich dann etwas Neues – genau
wie beim traditionellen Umgang mit Jazzstandards. Kennst Du diesen Song? Hier
ist er, jetzt ist er plötzlich verschwunden,
nein, da lugt er wieder hervor ... Solche
Vexierspiele sind entscheidend für mich.«
Dabei ist es Bollani aber wichtig, sein
humoristisches Talent stets in den Dienst
der Musik zu stellen: »Für mich bestand
lange die Gefahr, dass ich einfach zu viel
spiele, dass ich zu viele Effekte, Kunststückchen und Überraschungen in meine
Improvisationen einbaue und meinem
Spaß am Witzigen zu sehr nachgebe«, sagt
Bollani, »Inzwischen weiß ich, dass man
gute Ideen schonend behandeln muss.«
Schon mit 15 spielte Bollani mit eigenen
Bands in Clubs, doch solche verwegenen
Aktivitäten muss er während seines Studiums am hehren Konservatorium in Florenz geheim halten. So kommt – trotz des
Abschlusses mit Bestnote im Alter von
nur 21 Jahren – eine Laufbahn als klassischer Musiker nicht in Frage: »Ich liebe
diese Musik, aber mit der Atmosphäre,
dem Ernst und der bedingungslosen Treue
zum Notentext komme ich nicht klar. Ich
möchte mich nicht im Voraus festlegen
müssen, wie ein Stück zu klingen hat.«
Stattdessen wird er Keyboarder in der
Band des italienischen Rappers Jovanotti
– nur um erneut festzustellen, dass auch
hier nur das Vorhersagbare zählt. Schließlich ermutigt ihn der legendäre Trompeter Enrico Rava, sich voll und ganz seiner
wahren Passion zu widmen, dem Jazz.
Seit Mitte der 90er Jahre hat Stefano
Bollani nun zahlreiche Alben aufgenommen, sowohl solo als auch mit prominenten Mitstreitern wie Rava, Chick Corea,
dem Mandolinenvirtuosen Hamilton de
Holanda oder auch der NDR Bigband
(2013 mit einem Echo ausgezeichnet).
2010 nahm er mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Riccardo Chailly die
Rhapsody in Blue seines Bruders im Geiste
auf: George Gershwin, der Genregrenzen
ebenfalls spielend überwand.
Stefano Bollani
So, 17. April 2016 / Hans Lüdemann Trio Ivoire
Hans Lüdemann Trio Ivoire
Hans Lüdemann piano, electronics
Aly Keïta balaphone, sanza
Christian Thomé drums, electronics
»Diese Musik braucht kein Etikett«, stellte
die Süddeutsche Zeitung ganz unumwunden fest, »nicht ›World Jazz‹ und erst recht
nicht ›Ethnopop‹. Dafür ist sie viel zu persönlich, erwächst ganz organisch aus einer
grenzüberschreitenden Leidenschaft für
die Musik heraus, um in bunten Farben
und Nuancen wunderschön zu erblühen.«
Hans Lüdemann Trio Ivoire
Dieser Beschreibung ist eigentlich nichts
hinzuzufügen – außer vielleicht der
Geschichte, wie es dazu kam: Ende der
90er Jahre reiste der in Hamburg geborene Jazzpianist Hans Lüdemann mehrfach nach Afrika. Er hatte in Hamburg
beim Altmeister Joachim Kühn sowie in
Köln und Kanada studiert, viel gespielt
und etliche Kompositionen geschrieben;
die Zeitschrift Jazz Podium beschrieb ihn
als einen der »eigenwilligsten und ausdrucksstärksten europäischen Pianisten«.
Auf der Suche nach neuen Impulsen traf
er an der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste)
auf den Balofonspieler Aly Keïta, mit dem
er sich gleich gut verstand. Der Kern des
Trio Ivoire war geboren.
»Die Gegensätze in dieser Band sind so
groß, dass daraus eine Spannung resultiert, die man kreativ nutzen kann«, freut
sich Lüdemann noch heute. Afrikanische
Polyrhythmik trifft hier auf europäische
Polyphonie und auf avancierte Jazz-Harmonik, das Klavier auf Naturinstrumente
wie das Balafon, ein Xylofon mit Resonanzkörpern aus Kürbissen. Die Musiker
balancieren dabei so feinfühlig auf dem
schmalen Grat zwischen den Stilen, dass
keine der Sphären die jeweils andere verdrängt. Und gemeinsam entwickelt man
sich weiter: »Aly ist jemand, der sich nie
wiederholt, der immer neue Stücke entwickelt«, erzählt Lüdemann. »Und ich habe
ja sowieso den Ruf eines Daniel Düsentrieb des Jazz weg, als jemand, der ständig
nach neuen Wegen sucht. Beim Trio Ivoire
experimentiere ich zum Beispiel mit
Mikrotönen.« Um diese Intervalle spielen
zu können, die sozusagen zwischen den
Tasten seines Flügels liegen und sich auf
höchst faszinierende Weise mit dem Balafon verbinden, benutzt Lüdemann ein
Keyboard. So entsteht ein multinationaler
zeitgenössischer Sound ohne Vergleich.
Inzwischen ist die Gruppe in Afrika und
Europa vielfach in Erscheinung getreten.
2000 spielte sie zum Jubiläum des GoetheInstituts in Abidjan, dem Regierungssitz
der Elfenbeinküste; auf der Expo 2000
musizierte sie unter dem Motto »Europa
trifft Afrika« im Deutschen Pavillon. Zwei
Jahre später erschien die erste CD, gefolgt
von Auftritten in den USA und dem Berliner Haus der Kulturen der Welt.
An den Drums nimmt nach dem Briten
Steve Argüelles und dem Niederländer
Chander Sardjoe seit 2013 der gebürtige
Düsseldorfer Christian Thomé Platz, der
die beiden musikalischen Welten mit viel
Dynamik verbindet. Gemeinsam mit ihm
spielte man das jüngste Album Timbuktu
ein, eine poetische, bluesige Hommage an
das Land Mali, in dem Aly Keïta aufwuchs,
und das trotz tragischer Bürgerkriege über
eine so unglaublich reiche Musikkultur
verfügt. Für ihr lustvolles Spiel zwischen
Traditionen, Visionen und Experimenten
wurden die drei Musiker für einen Echo
nominiert.
Foto: photodisc
Wir danken unseren Partnern
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Freundeskreis
Elbphilharmonie
LaeiszhalleM a r a & H o l g e r C a s s e n s
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Die Aufzeichnung der Konzerte in Ton, Bild oder Film ist nicht gestattet.
Impressum
Herausgeber: HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft
Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter
Geschäftsführung: Jack F. Kurfess
Texte, Redaktion, Layout und Satz: Clemens Matuschek, Simon Chlosta
Gestaltung: integral ruedi baur zürich
Druck: Flyeralarm
Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 (0)40 450 698 03, [email protected]
Bildnachweis
Nitai Hershkovits (Ayelet Feldberg); Avishai Cohen Trio (Yoko Higuchi); Yaron Herman & Ziv Ravitz
(Sébastien Vincent); Omer Klein Trio (Simon Hegenberg); Tord Gustavsen (Fredrik Asbjørnsen); Stefano
Bollani (Erminando Aliaj); Hans Lüdemann Trio Ivoire (unbezeichnet)
Jazz auf NDR Info
Täglich 22.05 – 23.00 Uhr
Samstags auch 20.15 – 21.00 Uhr
NDR Info ist das Informationsradio des
Norddeutschen Rundfunks. Tagsüber
bietet NDR Info mit Nachrichten im
Viertelstundentakt nicht nur „Information
auf Knopfdruck“, sondern auch Hinter­
gründe, Interviews und Analysen, um das
aktuelle Tagesgeschehen einzuordnen.
Dazu gibt es das Wichtigste aus Kultur,
Sport, der Wirtschaft und dem Norden.
Zugleich ist NDR Info auch das Programm
für Jazzfans: Jeden Abend ab 22.05 Uhr
widmet sich NDR Info 55 Minuten lang der
Welt des Jazz.
Jeweils montags bis donnerstags gibt es
im Magazin „Play Jazz!“ Portraits von Künst­
lern, Plattenfirmen, Clubs und Jazzinitiati­
ven in Norddeutschland sowie Hinweise
auf aktuelle CDs und attraktive Konzerte.
„Play Jazz!“ spürt neue Trends auf und
erinnert an die großen Momente der Jazz­
geschichte. Am Wochenende gibt es außer­
dem Schwerpunktsendungen, Konzert­
mitschnitte des NDR und neue Projekte
der NDR Bigband.
Informationen zum aktuellen Jazzangebot
auf NDR Info finden Sie unter ndr.de/jazz
Jazz auf NDR Info – In Hamburg auf UKW 92,3