Ausgabe | 15 22. April 2016 powered by Politik Kabinett beschließt schärfere Werbeverbote Das neue Tabakerzeugnisgesetz sieht für Tabakerzeugnisse und auch E-Zigaretten ein generelles Außenwerbungs-Verbot vor Z um Schutz von jugendlichen und zur Senkung der Raucherquote hat nun auch das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes gebilligt. Dieser enthält nach Angaben der Bundesregierung sogar schärfere Regeln als in der EU-Richtlinie zu Tabakprodukten. Jedes Jahr lassen sich allein in Deutschland 120.000 Todesfälle auf das Rauchen zurückführen, so das Bundeskabinett. Der wirtschaftliche Schaden liegt bei rund 80 Milliarden Euro. „Die Bundesregierung will mit der Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes die Raucherquote aber allgemein und besonders bei Jugendlichen weiter senken“, so das Kabinett. „Zumal sich elektronische Zigaretten vor allem bei 16- bis 19-Jährigen zu einem LifestyleProdukt entwickeln.“ Aus diesem Grund sollen die nikotinfreien, elektronischen Zigaretten und die entsprechenden Nachfüllbehälter mit nikotinhaltigen Zigaretten gleichgestellt werden. Vor allem E-Zigaretten und E-Shishas können Kinder und Jugendliche verstärkt zum Rauchen verleiten und einen Einstieg zu Zigaretten bieten. Foto: Flickr/ Lindsay Fox/cc by 2.0 Die neuen, zusätzlichen Werbeverbote sind: - ein generelles Verbot der Außenwerbung für Tabakerzeugnisse, E-Zigaretten und Nachfüllbehälter - eine Beschränkung der Kinowerbung auf solche Kinofilme, für die keine Jugendfreigabe vorliegt Außerdem wird eine kostenlose Abgabe verboten für - Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak - außerhalb von Geschäftsräumen für andere Rauchtabakerzeugnisse, rauchlose Tabakerzeugnisse, E-Zigaretten und Nachfüllbehälter Ein Abwägen mit dem Gesundheitsschutz und dem Schutz des Lebens mit den „Freiheitsrechten“ der Tabak- und Werbewirtschaft habe diese Verbote zugelassen, so das Kabinett. „EZigaretten enthalten zumeist Nikotin; E-Shishas sind zwar häufig nikotinfrei, jedoch auch mit Nikotin erhältlich“, so das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Diese können als Einstiegsprodukt zum Rauchen dienen. Bis zu 20 Prozent der jungen E-Zigarettenkonsumenten sind Nichtraucher, wobei der Nichtraucheranteil unter jüngeren E-Zigarettenkonsumenten deutlich höher ist als unter älteren. Und E-Shishas werden dem DKFZ zufolge insbesondere von sehr jungen Schülerinnen und Schülern, die Nichtraucher sind, benutzt. Die meist süßen Aromen machen die Produkte besonders attraktiv für junge Menschen. Analyse Hohe Beiträge stärken Pflegeversicherung Die soziale Pflegeversicherung konnte im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2014 einen Überschuss in Höhe von 1,5 Milliarden Euro erreichen. Das zu Beginn des vorigen Jahres in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz I zeigte Wirkung. Sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben waren gestiegen. Bei den Einnahmen waren es vornehmlich die angehobenen Beiträge. Diese steigen um 0,3 Prozent auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für Kinderlose. Insgesamt verzeichnete die soziale Pflegeversicherung 2015 bei den Einnahmen im operativen Bereich ein Plus von 18,5 Prozent. Das entspricht in etwa fünf Milliarden Euro. Ohne die erhöhten Beiträge wären die Einnahmen lediglich um 3,5 Prozent angewachsen. „Ein Teil der Mehreinnahmen aus der Beitragssatzanhebung wurde an den Vorsorgefonds weitergeleitet“, heißt es im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Dieser konnte 2015 insgesamt Rücklagen in Höhe von einer Milliarde Euro aufbauen. Gleichzeitig sind diese Rücklagen für ein Drittel der Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung verantwortlich. Zusätzlich zu den Rücklagen kam es aber auch zu tatsächlichen Mehrausgaben. „So wurden die Leistungssätze der einzelnen Pflegestufen insbesondere aufgrund der turnusmäßigen Anpassung an die Preisentwicklung der letzten drei Jahre um durchschnittlich 4 Prozent angehoben.“ Erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Betreuungs- und Entlastungseinrichtungen sowie höhere Zuschüsse für häusliche Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel schlugen ebenfalls zu Buche. „Dabei dürften wie auch schon bei vorherigen Leistungsausweitungen die Ausgaben erst mit einer gewissen Verzögerung die neu eingeräumten Ansprüche voll widerspiegeln.“ Bis 2033 soll der von der Bundesbank verwaltete Vorsorgefonds jedes Jahr „die auf einen Zehntel Beitragssatzprozentpunkt entfallenden Einnahmen zugeführt“ bekommen. Geplant ist, im Anschluss den Kapitalstock wieder zu verringern, um eventuelle neue Beitragsanhebungen abzufedern. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht: „Voraussetzung ist allerdings, dass der Gesetzgeber nicht etwaigen Begehrlichkeiten nachgibt, die finanziellen Reserven für neue Leistungsausweitungen oder zur Vermeidung von bereits zuvor notwendigen Beitragssatzerhöhungen zu verwenden“, so die Bundesbank. 1 powered by Ausgabe | 15/16 22. April 2016 Forschung Neues Projekt schafft Kommunikation zwischen OP-Geräten Das Projekt OR.NET bietet die Möglichkeit, Krankenhaus-IT mit medizinischen Geräten zu vernetzen I ndustrie 4.0 geht auch an der Medizin nicht vorbei. Die Vernetzung der einzelnen medizinischen Geräte und der ITSysteme steht dabei im Vordergrund. Oft funktioniert die Vernetzung vor allem dann gut, wenn die Geräte, die vernetzt werden sollen, Teil einer Komplettlösung einzelner großer Hersteller sind. Doch es gibt auch viele kleinere und mittlere Unternehmen, die je nach Anwendungsgebiet für Krankenhäuser und Ärzte sehr interessante Geräte anbieten können. Hier ist dann eine Vernetzung mit Geräten anderer Hersteller nur schwer möglich. Ein von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. OR.NET heißt es. In dem Projekt wurde ein System entwickelt, dass einerseits die IT-Infrastruktur der Krankenhäuser direkt mit dem Operateur während einer Operation verbinden kann und das gleichzeitig die Kommunikation zwischen Geräten ermöglicht, ganz gleich, um welchen Hersteller es sich handelt. „Speziell die automatische, dynamische Vernetzung computergesteuerter Medizingeräte im OP untereinander und die Interaktion dieser Geräte mit medizinisch zugelassener Software ist eine besondere Herausforderung an die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im medizinischen Applikationsumfeld“, so die Projektleiter. Ziel ist es, dem operierenden Arzt beispielsweise die wichtigen Informationen hinsichtlich des OP-Verlaufs, der Vitaldaten des Patienten und der Patientengeschichte in Echtzeit zugänglich zu machen. Und zwar Mit dem neuen System kann der Arzt direkt vor seinen Augen auf dem OP-Tisch Informationen aus Patientenakten oder aktuelle Vitaldaten des Patienten abrufen. Foto: Flickr/Zdenko Zivkovic/CC by 2.0 so zugänglich zu machen, dass der Arzt sich nicht während der OP vom OP-Tisch entfernen muss. „Gerade bei komplizierten Operationen ist es wichtig, dass Ärzte sehr schnell sehr genau arbeiten und sich voll auf den Patienten konzentrieren können“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Dafür müssten alle notwendigen Informationen auf einen Blick und unmittelbar am OP-Tisch verfügbar sein. „Das haben wir jetzt erreicht und ich erhoffe mir dadurch eine noch bessere medizinische Versorgung.“ Das System soll die Versorgung der Patienten verbessern sowie die Krankenhäuser flexibler machen und kommt auch kleinen und mittleren sehr innovativen Unternehmen zugute. 15 Millionen Euro flossen allein durch das Bundesministerium in das Projekt. Mehr als 80 Unternehmen haben sich an der Entwicklung des Systems beteiligt. Dadurch wurden einheitliche Standards für Schnittstellen und Protokolle etabliert. „Weltweit gibt es derzeit keine mit ‚OR.NET‘ vergleichbaren Initiativen“, so das Ministerium. „Zusätzlich zum wirtschaftlichen Nutzen, der auf die leichtere Integration von Medizingeräten auch kleiner, innovativer Hersteller zurückzuführen ist, sorgen die Ergebnisse aus OR.NET (…) für eine Entlastung des behandelnden Personals.“ Insgesamt könnten so auch die Gesundheitskosten reduziert werden. Wirtschaft Gefährliches Insektizid für Kirschen in deutschen Weinen gefunden Für den Weinanbau ist das Pflanzenschutzmittel abgesehen von der neu festgestellten Gesundheitsgefährdung gar nicht zugelassen I n drei sächsischen Kellereien hat das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie nach vermehrten Kontrollen Rückstände des Pflanzenschutzmittels Dimethoat nach- gewiesen. Hier wurden in der Weinrinde Rückstandswerte im Bereich von einem bis 15 Milligramm pro Kilogramm Rinde gemessen. In den kontaminierten Kellertrauben wurden Rückstände von 0,75 Mil- ligramm festgestellt. Dem Landesamt für Umwelt zufolge zeigt dies, dass das für den Weinbau verbotene Pflanzenschutzmittel direkt von den Landwirten auf die Reben angewendet wurde. 2 powered by Ausgabe | 15/16 Dimethoat wird bei verschiedenen Obstund Gemüsesorten eingesetzt. Frankreich ist allerdings insbesondere bei Kirschen besorgt, wo das Mittel zur Bekämpfung von Fruchtfliegen genutzt wird. Im Februar wurde dort ein auf Dimethoat basierendes Pestizid verboten, was für einen Aufschrei unter Bauern sorgte, die keine AlterInsektizid im Kannenfeldpark: Marshal CS 25. native zu der Substanz Foto: Flickr/ Patrik Tschudin/CC by 2.0 zur Hand hatten. In Deutschland war Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA das Pflanzenschutzmittel schon früher hatte zuletzt mit ihrer Einschätzung zur einmal Thema. „Dimethoat gilt als erbGefährlichkeit des Insektizids für Aufsehen gutschädigend und neurotoxisch“, heißt gesorgt. Es könne nicht ausgeschlossen es in einer Kleinen Anfrage der Grünen werden, dass es mögliche langfristige Ge- Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2011. „Es ist stark wassergefährdend und gifsundheitsrisiken für Verbraucher durch Rückstände gebe, teilte die EFSA in der tig für Wasserorganismen. Die Schädlichkeit vergangenen Woche in einem Bericht mit, für die Umwelt, vor allem für Bienen und der auf Anfrage Frankreichs angefertigt Vögel, ist hoch. Aus diesem Grund führen wurde. Einige US-Wissenschaftler hätten sowohl Greenpeace als auch das Pestizid ein Krebsrisiko ausgemacht. Aktions-Netzwerk e. V. PAN Dimethoat auf Frankreich fordert ein europaweites ihren jeweiligen sogenannten schwarzen Verbot des Dimethoat genannten Insek- Listen der besonders gefährlichen Pestitizids, das unter anderem von BASF und zidwirkstoffe.“ der dänischen FMC-Tochter Cheminova Die Bundesregierung betonte: angeboten wird. Beide Firmen wollten keine „Die Anwendung der dimethoathalStellung nehmen. tigen Pflanzenschutzmittel „Danadim 22. April 2016 Progress“ und „Perfekthion“ darf nur bei Starkbefall nach Warndienstaufruf der zuständigen Landesbehörde erfolgen. Vom Anwender ist zu belegen, dass die erforderliche Technik zur Anwendung vorhanden ist. Anwendungen sind zu dokumentieren und der zuständigen Landesbehörde zu melden. Die festgesetzten Anwendungsbestimmungen und Auflagen dienen dem Schutz von Anwendern, Arbeitern, Bienen sowie Fischen und Fischnährtieren.“ Über die potentielle Gefahr für den Menschen ist in der Kleinen Anfrage und in der Antwort nichts zu lesen. In der Schweiz haben sich die Schweizer Kirschproduzenten dafür ausgesprochen, das Pflanzenschutzmittel nicht mehr einzusetzen. 40 Jahre wurde Dimethoat eingesetzt. Tatsächlich hatte der Bund 2013 Dimethoat-haltige Mittel aufgrund gesundheitlicher Bedenken verboten. Doch auf Basis einer Sonderbewilligung durch das Bundesamt für Landwirtschaft durften die Obstbauern weiter unter strengen Auflagen darauf zurückgreifen. Nun setze man auf Netze und alternative Methoden, so der Schweizer Obstverband. Teurere Preise müssten die Konsumenten jedoch in Kauf nehmen. Die EFSA berät EU-Abgeordnete bei ihren Entscheidungen. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, man werde den Bericht lesen und am Freitag mit Experten aus allen 28 Mitgliedsstaaten besprechen. Forschung Elektronische Haut macht Hand zum Display Neben Kleidung wird auch der Körper immer öfter zum Experimentierfeld für digitale Ideen F itnesstracker und Handys werden für die digitale Gesundheitsüberwachung immer wichtiger. Doch beide Geräte fungieren noch als Mittler, auf die die Wissenschaft und viele Anwender gern verzichten würden. Am spannendsten wäre es in diesem Zusammenhang, wenn die Gesundheitsdaten des Betroffenen quasi auf dem Körper selbst zu sehen wären. Wissenschaftler der University of Tokyo arbeiten seit Jahren an einer derartigen Technologie. Sie sprechen im Fachmagazin Science Advances von „einer Technologie, die elektronische Komponenten mit dem menschlichen Körper verbindet“. Takao Someya und Tomoyuki Yokota haben nun eine sehr flexible, dünne, organische Haut entwickelt. Das Display bildet dabei die organischen Photodetektoren (OPD) und Polymer-Leuchtioden (PLED), die mit einem kaum mehr als zwei Mikrometer dünnen Mikrofilm überzogen werden. Damit ist der Mikrofilm sogar dünner als die Epidermis der menschlichen Haut. Dieser schützt die Elemente vor Wasser und Sauerstoff. Das Material und die geringe Dicke des Mikrofilms sorgen dafür, dass dieser äußerst flexibel bleibt und sich wie eine zweite Haut anfühlt. Außerdem reduziere es den Verschleiß der Komponenten, so die Wissenschaftler. Rote und grüne Leuchtdioden können dabei beispielsweise wie ein Pulsoximeter den Sauerstoffgehalt im Blut messen und gleichzeitig anzeigen. Ziel ist es nun, die Erfassung weiterer Gesundheitsdaten zu ermöglichen und diese auch möglichst effizient auf diesem Display darzustellen. „Für industrielle Anwendungen ist es wichtig, tragbare Geräte mit Verarbeitungsmethoden zu entwickeln, die den Datendurchsatz maximieren und die Kosten minimieren“. Takao Someya arbeitet seit geraumer Zeit an Entwicklungen zu einer zweiten Haut. Vor drei Jahren überraschte er mit Sensoren, die so leicht wie Federn waren und auf das 200-fache 3 powered by Ausgabe | 15/16 ihrer Größe gedehnt werden können. Auch ein Zusammenknüllen war ohne Schäden möglich. Ein wichtiger Schritt hin zu der elektronischen Haut. Als Trägermaterial nutzte er eine vorgedehnte Elastomer-Folie. Darauf waren elektronische Transistoren aus organischem Material platziert. So passten sich die Komponenten an ihre Umgebung an und machten ElektronikAnwendungen so gut wie unzerstörbar. Damit ist auch ein Einsatz bei hohen Temperaturen oder in feuchten Umgebungen möglich. Neben dem Einsatz im medizinischen Bereich sind aber auch Anwendungen wie Temperatur- und Infrarot-Sensoren, Bildschirme und organische Solarzellen potentielle Bereiche, in denen die Technologie zum Tragen kommen könnte. 22. April 2016 Leuchtioden zeigen quasi sofort auf der Haut die Sauerstoffsättigung im Blut an. Foto: Takao Someya, School of Engineering, The University of Tokyo Gesundheitssystem Pflege: Deutsche haben Vertrauen verloren Personalmangel, Überlastung und Berichte über den bewussten Einsatz von Tranquilizern haben die Bürger stark verunsichert V iele Bürger sind verunsichert, ob ihre Familienangehörigen in deutschen Pflegeeinrichtungen wirklich qualitativ gut versorgt werden. Das geht aus einer Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) hervor. 70 Prozent der über 2.000 Befragten glauben, dass sich die Pflegequalität je nach Einrichtung sehr stark unterscheidet. Als möglichen Grund für fehlende Qualität gaben 71 Prozent fehlendes Personal und daraus resultierende Arbeitsüberlastung als Hauptursache für Missstände verantwortlich. „Den mit Abstand größten Verbesserungsbedarf schätzen die Befragten im Bereich der persönlichen Zuwendung und Kommunikation, für die aus ihrer Sicht mehr Zeit zur Verfügung stehen sollte“, so die Studie. Mehr als vier Fünftel geben dies aber als sehr wichtigen Aspekt für die Entscheidung für eine Pflegeeinrichtung an. „Wenn es um den Patientenschutz von Pflegebedürftigen geht, geben die meisten Befragten Medikamentensicherheit (74 Prozent), Hygiene (63 Prozent) und Schmerzmanagement (53 Prozent) als die wichtigsten Aspekte an.“ Erst kürzlich gab es erneut Berichte darüber, dass in einigen Pflegeeinrichtung auch vermehrt zu Tranquilizern gegriffen wird. Das soll die zu Pflegenden ruhig stellen und die Arbeitsbelastung des Personals reduzieren. Nicht selten werden Ruhigsteller so regelmäßig verschrieben, dass sogar eine Abhängigkeit entsteht. Zwar sucht die Mehrheit bei der Auswahl einer möglichen Pflegeeinrichtung „Wo liegt aus Ihrer Sicht die Hauptursache für diese häufigen Mängel?“ Grafik: ZQP gern gesicherte Informationen über die Qualität von professionellen Pflegeangeboten, doch gleichzeitig würden sich derzeit nur sehr wenige Befragte bei der Auswahl einer ambulanten oder stationären Einrichtung gerne auf offizielle Bewertungen (5 Prozent) stützen wollen. Selbst Pflegenoten, die eingeführt wurden, um Verbrauchern bei der Beurteilung der Pflegequalität verlässlich zu helfen, erscheinen den Bürgern als wenig glaubhaft. „Von denjenigen, die Pflegenoten kennen, meint weniger als ein Viertel (22 Prozent), dass Noten verlässliche Informationen über die Pflegequalität bieten.“ Und 50 Prozent aus dieser Gruppe halten notenbasierte Bewertungen im Bereich Pflege generell für ungeeignet. „Unsere Ergebnisse untermauern, dass wir Pflegebedürftige und ihre Nächsten aber auch die in der Pflege Tätigen bei der Darstellung von Pflegequalität mehr als bisher ernst nehmen müssen“, sagt Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. Transparenzversprechen dürften keine Mogelpackung sein. Der derzeit laufende Reformprozess sei eine Chance, nun ein belastbares Bewertungs- und Darstellungssystem zu liefern. „Es ist zugleich eine Pflicht, den Nutzern aber auch den Erbringern von Pflegeleistungen aus einer Vertrauenskrise in das Transparenzsystem zu helfen“, so Suhr. 4 powered by Ausgabe | 15/16 Für den Partner will man auch bei der Pflege nur das Beste. Foto: Flickr/ jonel hanopol/Cc by 2.0 Gerade im Bereich der Pflege, das zeigt die Umfrage, setzen die Bürger wieder auf Mundpropaganda. Freunde und Bekannte, die selbst Erfahrungen mit Pflegeeinrichtungen gemacht haben, werden von der Mehrheit als verlässliche Informationsquelle angesehen. Im Dezember 2013 waren in Deutschland 2,63 Millionen Menschen pflegebedürftig nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Gleichzeitig gab es 13.000 zugelassene voll- bzw. teilstationäre Pflegeheime. Zuletzt kam die Pflege hinsichtlich massiven Abrechnungsbetrugs erneut in die Negativschlagzeilen. Aus diesem Grund wollen die Gesundheitsminister der Länder und der Spitzenverband der Gesetzlichen 22. April 2016 Krankenversicherung über eine eventuelle Verschärfung der Kontrolle beraten. „Ich glaube, es gibt einen ganz klaren Hinweis, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit geben müsste – und dafür auch eine gesetzliche Grundlage schafft –, dass wir auch bei häuslicher Krankenpflege, insbesondere wenn sie in Kombination mit Leistungen der Pflegeversicherung auftaucht, ein unangemeldetes Prüfrecht bekommen“, sagte der Vorstand des GKVSpitzenverbandes, Gernot Kiefer, dem BR. „Weil nur so hat man überhaupt eine Chance, solche Machenschaften aufzudecken und zu unterbinden.“ Wirtschaft Start-ups im Visier der Gesundheits-Riesen Start-ups im Gesundheitsbereich ernten vermehrt Aufmerksamkeit von alten Hasen in der Branche D er Krankenhauskonzern Rhön-Klinikum setzt bei der Weiterentwicklung seines Geschäftsmodells auf die Unterstützung von Start-ups. Das Unternehmen wolle 2016 einen niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in junge Medizintechnik-Firmen (Medtec) investieren, sagte Rhön-Finanzchef Jens-Peter Neumann bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens in Frankfurt. Die Firmen sollen RhönKrankenhäusern etwa dabei helfen, sich mit anderen Kliniken und niedergelassenen Ärzten besser zu vernetzen. Man wolle sich im „stark wachsenden E-Health-Segment an sogenannten Start-ups beteiligen, die ausgewählte medizinische und medizintechnische Anwendungen entwickeln“, heißt es im Geschäftsbericht. Zudem hält Rhön Ausschau nach neuartigen medizinischen Gerätschaften, mit denen häufig auftretende Krankheiten wie Krebs oder Herzkreislaufbeschwerden behandelt werden können. „Derzeit sind wir kurz davor, ein Investment zu machen in ein preislich gutes Cardio-Gerät, das wir im Klinikum Marburg bereits getestet haben“, sagte Neumann. Grundsätzlich beteilige sich Rhön an Start-ups mit maximal 30 Prozent. Rhön ist nach dem Verkauf zahlreicher Krankenhäuser an den Konkurrenten Fresenius 2014 deutlich geschrumpft. Nun will das Unternehmen die Investoren mit der Aussicht auf neuartige Technologien und einer attraktiven Dividende bei der Stange halten. Für 2015 wolle Rhön wie im Vorjahr 80 Cent je Aktie ausschütten, sagte Neumann. „Wir denken, die Aktionäre werden mit knapp drei Prozent Dividenden-Rendite happy sein.“ Eine Übernahme von Rhön-Klinikum erwartet der Vorstand derzeit nicht. „Aus meiner Sicht ist das komplett ad acta gelegt“, sagte Neumann. „Es war, seit ich Vorstand bin, noch nie so ruhig.“ Die Rhön-Aktie liege mit mehr als 28 Euro auf einem Rekordhoch. Der Konzern ist damit rund 1,9 Milliarden Euro wert. Für den Konkurrenten und RhönGroßaktionär Asklepios, der in der Branche lange als möglicher Käufer gehandelt wurde, sei das zu teuer, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Aus Sicht von Bankern könne Asklepios eine Übernahme nur stemmen, wenn der Rhön-Aktienkurs unter 22 Euro liege, betonte einer der Insider. Ein Asklepios-Sprecher erklärte, er äußere sich nicht zu Marktspekulationen. Wie erfolgreich Start-ups sein können zeigte jüngst das Wiener Start-up Diagnosia. Als Anbieter von Software für Krankenhäuser Start-ups können zunehmend auch für alte Hasen der Gesundheitsbranche zur Konkurrenz werden. Foto: Flickr/The Next Web Photos/CC by sa 2.0 und Ärzte in Bezug auf Medikamente und ihre Nebenwirkungen hatte es im März den Kauf des 2002 gegründeten Unternehmens MedEval angekündigt. Auch Diagnosia hat längst die Aufmerksamkeit der BranchenRiesen auf sich gezogen. Der französische Pharmakonzern hatte Ende 2015 das Start-up verklagt. Um dem Digitalisierungstrend in der Gesundheitsbranche zu folgen, setzen zudem mittlerweile zahlreiche Pharmakonzerne auf Zusammenarbeit mit Firmen, die Daten aggregieren und analysieren, mit digitalen Start-ups sowie mit Versicherungen und anderen Dienstleistern in der Gesundheitsindustrie. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin: Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de 5
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