Kabinett beschließt schärfere Werbeverbote

Ausgabe | 15
22. April 2016
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Politik
Kabinett beschließt schärfere Werbeverbote
Das neue Tabakerzeugnisgesetz sieht für Tabakerzeugnisse und auch E-Zigaretten ein generelles Außenwerbungs-Verbot vor
Z
um Schutz von jugendlichen und zur
Senkung der Raucherquote hat nun auch
das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf
zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes
gebilligt. Dieser enthält nach Angaben der
Bundesregierung sogar schärfere Regeln
als in der EU-Richtlinie zu Tabakprodukten.
Jedes Jahr lassen sich allein in Deutschland
120.000 Todesfälle auf das Rauchen zurückführen, so das Bundeskabinett. Der wirtschaftliche Schaden liegt bei rund 80 Milliarden Euro.
„Die Bundesregierung will mit der Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes die Raucherquote aber allgemein und besonders bei
Jugendlichen weiter senken“, so das Kabinett.
„Zumal sich elektronische Zigaretten vor allem bei 16- bis 19-Jährigen zu einem LifestyleProdukt entwickeln.“ Aus diesem Grund sollen
die nikotinfreien, elektronischen Zigaretten und
die entsprechenden Nachfüllbehälter mit nikotinhaltigen Zigaretten gleichgestellt werden.
Vor allem E-Zigaretten und E-Shishas können
Kinder und Jugendliche verstärkt zum Rauchen
verleiten und einen Einstieg zu Zigaretten bieten.
Foto: Flickr/ Lindsay Fox/cc by 2.0
Die neuen, zusätzlichen Werbeverbote sind:
- ein generelles Verbot der Außenwerbung
für Tabakerzeugnisse, E-Zigaretten und Nachfüllbehälter
- eine Beschränkung der Kinowerbung auf
solche Kinofilme, für die keine Jugendfreigabe
vorliegt
Außerdem wird eine kostenlose Abgabe verboten für
- Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und
Wasserpfeifentabak
- außerhalb von Geschäftsräumen für andere
Rauchtabakerzeugnisse, rauchlose Tabakerzeugnisse, E-Zigaretten und Nachfüllbehälter
Ein Abwägen mit dem Gesundheitsschutz
und dem Schutz des Lebens mit den „Freiheitsrechten“ der Tabak- und Werbewirtschaft habe
diese Verbote zugelassen, so das Kabinett. „EZigaretten enthalten zumeist Nikotin; E-Shishas
sind zwar häufig nikotinfrei, jedoch auch mit
Nikotin erhältlich“, so das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Diese können als Einstiegsprodukt zum Rauchen dienen. Bis zu 20
Prozent der jungen E-Zigarettenkonsumenten
sind Nichtraucher, wobei der Nichtraucheranteil
unter jüngeren E-Zigarettenkonsumenten deutlich höher ist als unter älteren. Und E-Shishas
werden dem DKFZ zufolge insbesondere von
sehr jungen Schülerinnen und Schülern, die
Nichtraucher sind, benutzt. Die meist süßen
Aromen machen die Produkte besonders attraktiv für junge Menschen.
Analyse
Hohe Beiträge stärken Pflegeversicherung
Die soziale Pflegeversicherung konnte
im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2014
einen Überschuss in Höhe von 1,5 Milliarden Euro erreichen. Das zu Beginn des
vorigen Jahres in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz I zeigte Wirkung. Sowohl
die Einnahmen als auch die Ausgaben
waren gestiegen. Bei den Einnahmen
waren es vornehmlich die angehobenen
Beiträge. Diese steigen um 0,3 Prozent
auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für
Kinderlose. Insgesamt verzeichnete die
soziale Pflegeversicherung 2015 bei den
Einnahmen im operativen Bereich ein Plus
von 18,5 Prozent. Das entspricht in etwa
fünf Milliarden Euro. Ohne die erhöhten
Beiträge wären die Einnahmen lediglich
um 3,5 Prozent angewachsen.
„Ein Teil der Mehreinnahmen aus
der Beitragssatzanhebung wurde an den
Vorsorgefonds weitergeleitet“, heißt es
im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Dieser konnte 2015 insgesamt
Rücklagen in Höhe von einer Milliarde
Euro aufbauen. Gleichzeitig sind diese
Rücklagen für ein Drittel der Ausgaben
der sozialen Pflegeversicherung verantwortlich.
Zusätzlich zu den Rücklagen kam es
aber auch zu tatsächlichen Mehrausgaben.
„So wurden die Leistungssätze der einzelnen Pflegestufen insbesondere aufgrund
der turnusmäßigen Anpassung an die
Preisentwicklung der letzten drei Jahre um
durchschnittlich 4 Prozent angehoben.“
Erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Betreuungs- und Entlastungseinrichtungen sowie höhere Zuschüsse
für häusliche Umbaumaßnahmen und
Pflegehilfsmittel schlugen ebenfalls zu
Buche. „Dabei dürften wie auch schon bei
vorherigen Leistungsausweitungen die
Ausgaben erst mit einer gewissen Verzögerung die neu eingeräumten Ansprüche
voll widerspiegeln.“
Bis 2033 soll der von der Bundesbank
verwaltete Vorsorgefonds jedes Jahr „die
auf einen Zehntel Beitragssatzprozentpunkt entfallenden Einnahmen zugeführt“
bekommen. Geplant ist, im Anschluss
den Kapitalstock wieder zu verringern,
um eventuelle neue Beitragsanhebungen
abzufedern. Eine Garantie dafür gibt es
aber nicht: „Voraussetzung ist allerdings,
dass der Gesetzgeber nicht etwaigen Begehrlichkeiten nachgibt, die finanziellen
Reserven für neue Leistungsausweitungen
oder zur Vermeidung von bereits zuvor
notwendigen Beitragssatzerhöhungen zu
verwenden“, so die Bundesbank.
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Forschung
Neues Projekt schafft Kommunikation zwischen OP-Geräten
Das Projekt OR.NET bietet die Möglichkeit, Krankenhaus-IT mit medizinischen Geräten zu vernetzen
I
ndustrie 4.0 geht auch an der Medizin
nicht vorbei. Die Vernetzung der einzelnen medizinischen Geräte und der ITSysteme steht dabei im Vordergrund. Oft
funktioniert die Vernetzung vor allem
dann gut, wenn die Geräte, die vernetzt
werden sollen, Teil einer Komplettlösung
einzelner großer Hersteller sind. Doch es
gibt auch viele kleinere und mittlere Unternehmen, die je nach Anwendungsgebiet für Krankenhäuser und Ärzte sehr interessante Geräte anbieten können. Hier
ist dann eine Vernetzung mit Geräten anderer Hersteller nur schwer möglich.
Ein von dem Bundesministerium
für Bildung und Forschung gefördertes
Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht,
das zu ändern. OR.NET heißt es. In dem
Projekt wurde ein System entwickelt,
dass einerseits die IT-Infrastruktur der
Krankenhäuser direkt mit dem Operateur
während einer Operation verbinden kann
und das gleichzeitig die Kommunikation
zwischen Geräten ermöglicht, ganz gleich,
um welchen Hersteller es sich handelt.
„Speziell die automatische, dynamische Vernetzung computergesteuerter Medizingeräte im OP untereinander und die
Interaktion dieser Geräte mit medizinisch
zugelassener Software ist eine besondere
Herausforderung an die Informations- und
Kommunikationstechnologien (IKT) im
medizinischen Applikationsumfeld“, so
die Projektleiter.
Ziel ist es, dem operierenden Arzt beispielsweise die wichtigen Informationen
hinsichtlich des OP-Verlaufs, der Vitaldaten
des Patienten und der Patientengeschichte
in Echtzeit zugänglich zu machen. Und zwar
Mit dem neuen System kann der Arzt direkt vor seinen Augen auf dem OP-Tisch Informationen aus Patientenakten oder aktuelle Vitaldaten des Patienten abrufen. Foto: Flickr/Zdenko Zivkovic/CC by 2.0
so zugänglich zu machen, dass der Arzt
sich nicht während der OP vom OP-Tisch
entfernen muss. „Gerade bei komplizierten
Operationen ist es wichtig, dass Ärzte sehr
schnell sehr genau arbeiten und sich voll
auf den Patienten konzentrieren können“,
sagte Bundesforschungsministerin Johanna
Wanka. Dafür müssten alle notwendigen
Informationen auf einen Blick und unmittelbar am OP-Tisch verfügbar sein. „Das
haben wir jetzt erreicht und ich erhoffe mir
dadurch eine noch bessere medizinische
Versorgung.“
Das System soll die Versorgung der
Patienten verbessern sowie die Krankenhäuser flexibler machen und kommt auch
kleinen und mittleren sehr innovativen
Unternehmen zugute. 15 Millionen Euro
flossen allein durch das Bundesministerium in das Projekt. Mehr als 80 Unternehmen haben sich an der Entwicklung
des Systems beteiligt. Dadurch wurden
einheitliche Standards für Schnittstellen
und Protokolle etabliert. „Weltweit gibt es
derzeit keine mit ‚OR.NET‘ vergleichbaren
Initiativen“, so das Ministerium.
„Zusätzlich zum wirtschaftlichen Nutzen, der auf die leichtere Integration von
Medizingeräten auch kleiner, innovativer
Hersteller zurückzuführen ist, sorgen die Ergebnisse aus OR.NET (…) für eine Entlastung
des behandelnden Personals.“ Insgesamt
könnten so auch die Gesundheitskosten
reduziert werden.
Wirtschaft
Gefährliches Insektizid für Kirschen in deutschen Weinen gefunden
Für den Weinanbau ist das Pflanzenschutzmittel abgesehen von der neu festgestellten Gesundheitsgefährdung gar nicht zugelassen
I
n drei sächsischen Kellereien hat das
Sächsische Landesamt für Umwelt,
Landwirtschaft und Geologie nach vermehrten Kontrollen Rückstände des
Pflanzenschutzmittels Dimethoat nach-
gewiesen. Hier wurden in der Weinrinde
Rückstandswerte im Bereich von einem
bis 15 Milligramm pro Kilogramm Rinde
gemessen. In den kontaminierten Kellertrauben wurden Rückstände von 0,75 Mil-
ligramm festgestellt. Dem Landesamt für
Umwelt zufolge zeigt dies, dass das für den
Weinbau verbotene Pflanzenschutzmittel
direkt von den Landwirten auf die Reben
angewendet wurde.
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Dimethoat wird bei
verschiedenen Obstund Gemüsesorten
eingesetzt. Frankreich
ist allerdings insbesondere bei Kirschen
besorgt, wo das Mittel
zur Bekämpfung von
Fruchtfliegen genutzt
wird. Im Februar wurde
dort ein auf Dimethoat basierendes Pestizid
verboten, was für einen
Aufschrei unter Bauern
sorgte, die keine AlterInsektizid im Kannenfeldpark: Marshal CS 25.
native zu der Substanz
Foto: Flickr/ Patrik Tschudin/CC by 2.0
zur Hand hatten.
In Deutschland war
Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA das Pflanzenschutzmittel schon früher
hatte zuletzt mit ihrer Einschätzung zur einmal Thema. „Dimethoat gilt als erbGefährlichkeit des Insektizids für Aufsehen gutschädigend und neurotoxisch“, heißt
gesorgt. Es könne nicht ausgeschlossen es in einer Kleinen Anfrage der Grünen
werden, dass es mögliche langfristige Ge- Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2011.
„Es ist stark wassergefährdend und gifsundheitsrisiken für Verbraucher durch
Rückstände gebe, teilte die EFSA in der tig für Wasserorganismen. Die Schädlichkeit
vergangenen Woche in einem Bericht mit, für die Umwelt, vor allem für Bienen und
der auf Anfrage Frankreichs angefertigt Vögel, ist hoch. Aus diesem Grund führen
wurde. Einige US-Wissenschaftler hätten sowohl Greenpeace als auch das Pestizid
ein Krebsrisiko ausgemacht.
Aktions-Netzwerk e. V. PAN Dimethoat auf
Frankreich fordert ein europaweites ihren jeweiligen sogenannten schwarzen
Verbot des Dimethoat genannten Insek- Listen der besonders gefährlichen Pestitizids, das unter anderem von BASF und zidwirkstoffe.“
der dänischen FMC-Tochter Cheminova
Die Bundesregierung betonte:
angeboten wird. Beide Firmen wollten keine
„Die Anwendung der dimethoathalStellung nehmen.
tigen Pflanzenschutzmittel „Danadim
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Progress“ und „Perfekthion“ darf nur bei
Starkbefall nach Warndienstaufruf der zuständigen Landesbehörde erfolgen. Vom
Anwender ist zu belegen, dass die erforderliche Technik zur Anwendung vorhanden
ist. Anwendungen sind zu dokumentieren
und der zuständigen Landesbehörde zu
melden. Die festgesetzten Anwendungsbestimmungen und Auflagen dienen dem
Schutz von Anwendern, Arbeitern, Bienen
sowie Fischen und Fischnährtieren.“
Über die potentielle Gefahr für den
Menschen ist in der Kleinen Anfrage und
in der Antwort nichts zu lesen.
In der Schweiz haben sich die Schweizer
Kirschproduzenten dafür ausgesprochen,
das Pflanzenschutzmittel nicht mehr
einzusetzen. 40 Jahre wurde Dimethoat
eingesetzt. Tatsächlich hatte der Bund
2013 Dimethoat-haltige Mittel aufgrund
gesundheitlicher Bedenken verboten. Doch
auf Basis einer Sonderbewilligung durch
das Bundesamt für Landwirtschaft durften die Obstbauern weiter unter strengen
Auflagen darauf zurückgreifen. Nun setze
man auf Netze und alternative Methoden,
so der Schweizer Obstverband. Teurere
Preise müssten die Konsumenten jedoch
in Kauf nehmen.
Die EFSA berät EU-Abgeordnete
bei ihren Entscheidungen. Ein Sprecher
der EU-Kommission sagte, man werde
den Bericht lesen und am Freitag mit
Experten aus allen 28 Mitgliedsstaaten
besprechen.
Forschung
Elektronische Haut macht Hand zum Display
Neben Kleidung wird auch der Körper immer öfter zum Experimentierfeld für digitale Ideen
F
itnesstracker und Handys werden für die
digitale Gesundheitsüberwachung immer wichtiger. Doch beide Geräte fungieren
noch als Mittler, auf die die Wissenschaft
und viele Anwender gern verzichten würden.
Am spannendsten wäre es in diesem Zusammenhang, wenn die Gesundheitsdaten des
Betroffenen quasi auf dem Körper selbst zu
sehen wären. Wissenschaftler der University
of Tokyo arbeiten seit Jahren an einer derartigen Technologie. Sie sprechen im Fachmagazin Science Advances von „einer Technologie,
die elektronische Komponenten mit dem
menschlichen Körper verbindet“.
Takao Someya und Tomoyuki Yokota haben nun eine sehr flexible, dünne, organische
Haut entwickelt. Das Display bildet dabei die
organischen Photodetektoren (OPD) und Polymer-Leuchtioden (PLED), die mit einem kaum
mehr als zwei Mikrometer dünnen Mikrofilm
überzogen werden. Damit ist der Mikrofilm sogar
dünner als die Epidermis der menschlichen Haut.
Dieser schützt die Elemente vor Wasser und
Sauerstoff. Das Material und die geringe Dicke
des Mikrofilms sorgen dafür, dass dieser äußerst
flexibel bleibt und sich wie eine zweite Haut
anfühlt. Außerdem reduziere es den Verschleiß
der Komponenten, so die Wissenschaftler.
Rote und grüne Leuchtdioden können
dabei beispielsweise wie ein Pulsoximeter den
Sauerstoffgehalt im Blut messen und gleichzeitig
anzeigen. Ziel ist es nun, die Erfassung weiterer
Gesundheitsdaten zu ermöglichen und diese
auch möglichst effizient auf diesem Display
darzustellen. „Für industrielle Anwendungen ist
es wichtig, tragbare Geräte mit Verarbeitungsmethoden zu entwickeln, die den Datendurchsatz
maximieren und die Kosten minimieren“.
Takao Someya arbeitet seit geraumer Zeit
an Entwicklungen zu einer zweiten Haut. Vor
drei Jahren überraschte er mit Sensoren, die so
leicht wie Federn waren und auf das 200-fache
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ihrer Größe gedehnt werden können. Auch ein
Zusammenknüllen war ohne Schäden möglich.
Ein wichtiger Schritt hin zu der elektronischen
Haut.
Als Trägermaterial nutzte er eine vorgedehnte Elastomer-Folie. Darauf waren elektronische Transistoren aus organischem Material
platziert. So passten sich die Komponenten an
ihre Umgebung an und machten ElektronikAnwendungen so gut wie unzerstörbar. Damit
ist auch ein Einsatz bei hohen Temperaturen
oder in feuchten Umgebungen möglich.
Neben dem Einsatz im medizinischen
Bereich sind aber auch Anwendungen wie Temperatur- und Infrarot-Sensoren, Bildschirme und
organische Solarzellen potentielle Bereiche, in
denen die Technologie zum Tragen kommen
könnte.
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Leuchtioden zeigen quasi sofort auf der Haut die Sauerstoffsättigung im Blut an.
Foto: Takao Someya, School of Engineering, The University of Tokyo
Gesundheitssystem
Pflege: Deutsche haben Vertrauen verloren
Personalmangel, Überlastung und Berichte über den bewussten Einsatz von Tranquilizern haben die Bürger stark verunsichert
V
iele Bürger sind verunsichert, ob ihre
Familienangehörigen in deutschen
Pflegeeinrichtungen wirklich qualitativ
gut versorgt werden. Das geht aus einer
Studie des Zentrums für Qualität in der
Pflege (ZQP) hervor. 70 Prozent der über
2.000 Befragten glauben, dass sich die
Pflegequalität je nach Einrichtung sehr
stark unterscheidet. Als möglichen Grund
für fehlende Qualität gaben 71 Prozent
fehlendes Personal und daraus resultierende Arbeitsüberlastung als Hauptursache für Missstände verantwortlich.
„Den mit Abstand größten Verbesserungsbedarf schätzen die Befragten im
Bereich der persönlichen Zuwendung und
Kommunikation, für die aus ihrer Sicht
mehr Zeit zur Verfügung stehen sollte“,
so die Studie. Mehr als vier Fünftel geben
dies aber als sehr wichtigen Aspekt für die
Entscheidung für eine Pflegeeinrichtung
an. „Wenn es um den Patientenschutz von
Pflegebedürftigen geht, geben die meisten
Befragten Medikamentensicherheit (74 Prozent), Hygiene (63 Prozent) und Schmerzmanagement (53 Prozent) als die wichtigsten
Aspekte an.“ Erst kürzlich gab es erneut
Berichte darüber, dass in einigen Pflegeeinrichtung auch vermehrt zu Tranquilizern
gegriffen wird. Das soll die zu Pflegenden
ruhig stellen und die Arbeitsbelastung des
Personals reduzieren. Nicht selten werden
Ruhigsteller so regelmäßig verschrieben,
dass sogar eine Abhängigkeit entsteht.
Zwar sucht die Mehrheit bei der Auswahl einer möglichen Pflegeeinrichtung
„Wo liegt aus Ihrer Sicht die Hauptursache für diese häufigen Mängel?“
Grafik: ZQP
gern gesicherte Informationen über die Qualität von professionellen Pflegeangeboten,
doch gleichzeitig würden sich derzeit nur
sehr wenige Befragte bei der Auswahl einer
ambulanten oder stationären Einrichtung
gerne auf offizielle Bewertungen (5 Prozent)
stützen wollen. Selbst Pflegenoten, die eingeführt wurden, um Verbrauchern bei der
Beurteilung der Pflegequalität verlässlich
zu helfen, erscheinen den Bürgern als wenig
glaubhaft. „Von denjenigen, die Pflegenoten
kennen, meint weniger als ein Viertel (22
Prozent), dass Noten verlässliche Informationen über die Pflegequalität bieten.“
Und 50 Prozent aus dieser Gruppe halten
notenbasierte Bewertungen im Bereich
Pflege generell für ungeeignet.
„Unsere Ergebnisse untermauern, dass
wir Pflegebedürftige und ihre Nächsten aber
auch die in der Pflege Tätigen bei der Darstellung von Pflegequalität mehr als bisher
ernst nehmen müssen“, sagt Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. Transparenzversprechen dürften keine Mogelpackung
sein. Der derzeit laufende Reformprozess
sei eine Chance, nun ein belastbares Bewertungs- und Darstellungssystem zu liefern.
„Es ist zugleich eine Pflicht, den Nutzern aber
auch den Erbringern von Pflegeleistungen
aus einer Vertrauenskrise in das Transparenzsystem zu helfen“, so Suhr.
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Für den Partner will man auch bei der Pflege nur
das Beste.
Foto: Flickr/ jonel hanopol/Cc by 2.0
Gerade im Bereich der Pflege, das zeigt
die Umfrage, setzen die Bürger wieder auf
Mundpropaganda. Freunde und Bekannte,
die selbst Erfahrungen mit Pflegeeinrichtungen gemacht haben, werden von der
Mehrheit als verlässliche Informationsquelle angesehen. Im Dezember 2013 waren
in Deutschland 2,63 Millionen Menschen
pflegebedürftig nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Gleichzeitig gab es 13.000
zugelassene voll- bzw. teilstationäre Pflegeheime.
Zuletzt kam die Pflege hinsichtlich
massiven Abrechnungsbetrugs erneut in
die Negativschlagzeilen. Aus diesem Grund
wollen die Gesundheitsminister der Länder
und der Spitzenverband der Gesetzlichen
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Krankenversicherung über eine eventuelle
Verschärfung der Kontrolle beraten. „Ich
glaube, es gibt einen ganz klaren Hinweis,
dass der Gesetzgeber den Krankenkassen
die Möglichkeit geben müsste – und dafür
auch eine gesetzliche Grundlage schafft –,
dass wir auch bei häuslicher Krankenpflege,
insbesondere wenn sie in Kombination
mit Leistungen der Pflegeversicherung
auftaucht, ein unangemeldetes Prüfrecht
bekommen“, sagte der Vorstand des GKVSpitzenverbandes, Gernot Kiefer, dem BR.
„Weil nur so hat man überhaupt eine Chance,
solche Machenschaften aufzudecken und
zu unterbinden.“
Wirtschaft
Start-ups im Visier der Gesundheits-Riesen
Start-ups im Gesundheitsbereich ernten vermehrt Aufmerksamkeit von alten Hasen in der Branche
D
er Krankenhauskonzern Rhön-Klinikum setzt bei der Weiterentwicklung
seines Geschäftsmodells auf die Unterstützung von Start-ups. Das Unternehmen
wolle 2016 einen niedrigen zweistelligen
Millionen-Euro-Betrag in junge Medizintechnik-Firmen (Medtec) investieren, sagte
Rhön-Finanzchef Jens-Peter Neumann bei
der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens in Frankfurt. Die Firmen sollen RhönKrankenhäusern etwa dabei helfen, sich mit
anderen Kliniken und niedergelassenen
Ärzten besser zu vernetzen. Man wolle sich
im „stark wachsenden E-Health-Segment an
sogenannten Start-ups beteiligen, die ausgewählte medizinische und medizintechnische Anwendungen entwickeln“, heißt es im
Geschäftsbericht.
Zudem hält Rhön Ausschau nach neuartigen medizinischen Gerätschaften, mit
denen häufig auftretende Krankheiten wie
Krebs oder Herzkreislaufbeschwerden behandelt werden können. „Derzeit sind wir
kurz davor, ein Investment zu machen in
ein preislich gutes Cardio-Gerät, das wir im
Klinikum Marburg bereits getestet haben“,
sagte Neumann. Grundsätzlich beteilige sich
Rhön an Start-ups mit maximal 30 Prozent.
Rhön ist nach dem Verkauf zahlreicher
Krankenhäuser an den Konkurrenten Fresenius 2014 deutlich geschrumpft. Nun will das
Unternehmen die Investoren mit der Aussicht auf neuartige Technologien und einer
attraktiven Dividende bei der Stange halten.
Für 2015 wolle Rhön wie im Vorjahr 80 Cent
je Aktie ausschütten, sagte Neumann. „Wir
denken, die Aktionäre werden mit knapp drei
Prozent Dividenden-Rendite happy sein.“
Eine Übernahme von Rhön-Klinikum
erwartet der Vorstand derzeit nicht. „Aus
meiner Sicht ist das komplett ad acta gelegt“,
sagte Neumann. „Es war, seit ich Vorstand
bin, noch nie so ruhig.“ Die Rhön-Aktie liege
mit mehr als 28 Euro auf einem Rekordhoch.
Der Konzern ist damit rund 1,9 Milliarden
Euro wert. Für den Konkurrenten und RhönGroßaktionär Asklepios, der in der Branche
lange als möglicher Käufer gehandelt wurde, sei das zu teuer, sagten zwei mit dem
Vorgang vertraute Personen. Aus Sicht von
Bankern könne Asklepios eine Übernahme
nur stemmen, wenn der Rhön-Aktienkurs
unter 22 Euro liege, betonte einer der Insider.
Ein Asklepios-Sprecher erklärte, er äußere
sich nicht zu Marktspekulationen.
Wie erfolgreich Start-ups sein können
zeigte jüngst das Wiener Start-up Diagnosia.
Als Anbieter von Software für Krankenhäuser
Start-ups können zunehmend auch für alte Hasen
der Gesundheitsbranche zur Konkurrenz werden.
Foto: Flickr/The Next Web Photos/CC by sa 2.0
und Ärzte in Bezug auf Medikamente und
ihre Nebenwirkungen hatte es im März den
Kauf des 2002 gegründeten Unternehmens
MedEval angekündigt. Auch Diagnosia hat
längst die Aufmerksamkeit der BranchenRiesen auf sich gezogen. Der französische
Pharmakonzern hatte Ende 2015 das Start-up
verklagt.
Um dem Digitalisierungstrend in der
Gesundheitsbranche zu folgen, setzen zudem mittlerweile zahlreiche Pharmakonzerne auf Zusammenarbeit mit Firmen,
die Daten aggregieren und analysieren,
mit digitalen Start-ups sowie mit Versicherungen und anderen Dienstleistern in der
Gesundheitsindustrie.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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