Gedanken zum Pflegeberufegesetz Nach der umfassenden Reform der Pflegeversicherung will die Koalition zeitnah ein neues Pflegeberufegesetz verabschieden. Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege sollen zu einer dreijährigen Basisqualifizierung zusammengeführt werden. Darauf haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag verständigt. Zuständig für das Pflegeberufegesetz sind das Familienministerium (Altenpflege) und das Gesundheitsministerium (Krankenpflege). Es mehren sich die Hinweise, dass die Verhandlungen zwischen den beiden Ressorts zu keinem gemeinsamen Ergebnis führen könnten. Aus meiner Sicht stellen sich zwei grundsätzliche Fragen: Generalistik – ja oder nein? Akademisierung – ja oder nein? Problem Generalistik Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat ergeben, dass in fast allen Ländern mit generalistischer Ausbildung ein Fachkräftemangel in der Altenpflege herrscht. Auch in Deutschland könnte sich die Personalsituation in der Altenpflege durch das Gesetz daher deutlich verschlechtern. Es droht ein Qualitätsverlust in der Ausbildung. Es muss befürchtet werden, dass Ausbildungs- und Lehrinhalte in der Altenpflege massiv zugunsten der Krankenpflege gekürzt werden. Allein der Praxisanteil würde um die Hälfte gekürzt. Deshalb spricht vieles dafür, einen eigenständigen Berufsabschluss Altenpflegefachkraft zu erhalten. In unserer rasch alternden Gesellschaft bedarf es gut ausgebildeter Spezialisten. Langfristige Altenpflege ist etwas anderes als Akutkrankenpflege. Altenpfleger sind keine Krankenpfleger. Daher ist fraglich, ob der gebotene Qualitätsanspruch in der generalistischen Ausbildung gewährleistet wäre. Dabei gilt es, folgende Zahlen im Auge zu behalten: 2010 waren 2,4 Millionen Menschen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes pflegebedürftig. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 3,4 Millionen, bis 2050 auf 4,5 Millionen Pflegebedürftige prognostiziert. Problem Akademisierung Nicht minder gravierend sind die Probleme, die sich aus einer überzogenen Akademisierung der Ausbildung ergeben. Die Union ist der Meinung, dass drei bis fünf Prozent Akademiker in der Pflege ausreichen. Die SPD will zehn Prozent und mehr. Wir brauchen aber Indianer und nicht nur Häuptlinge in der Pflege. Zudem ist die Akademisierung teuer. Deshalb streiten sich die Finanzminister der Länder mit dem BMG (GKV/Pflegeversicherung) über die Kostenverteilung. Da die Union keinen hohen Akademisierungsgrad möchte, wollen wir auch die Pflegeversicherung nicht mit diesen Kosten belasten. Die ideologisch aufgeladene Position der SPD in dieser Frage droht zum Scheitern des Gesetzesvorhabens zu führen. Zu einigen Problemen im Detail Ich habe bereits in den Verhandlungen durchgesetzt, dass man auch über ein gestuftes Verfahren mit einem guten Hauptschulabschluss in drei Jahren Pflegefachkraft werden kann. Die SPD wollte für Hauptschüler grundsätzlich eine vierjährige Ausbildung. Wir wollen natürlich Qualität in der Ausbildung. Wir brauchen aber auch für viele Menschen einen Zugang, damit die zusätzlichen Leistungen, die wir durch die Pflegestärkungsgesetze schaffen, auch in der Praxis erbracht werden können. Derzeit sieht der Entwurf vor, dass alle eine gemeinsame praktische Ausbildung machen. Die einen gehen dann in eine Pflegeschule und die anderen machen an der FH ihren Bachelor. Ich bezweifle, dass jemand mit Bachelor tatsächlich aktiv am Pflegebett arbeiten will. Das läuft tendenziell eher auf eine „Zweiklassengesellschaft“ hinaus, die wir durch die Generalistik doch gerade abschaffen wollen. Hinzu kommt, dass ein Auszubildender oder Student einen Vertrag mit einer Pflegeeinrichtung schließt. Um alle Fachbereiche zu durchlaufen, muss er im praktischen Teil der Ausbildung in einem Pflegeheim arbeiten, bei einem ambulanten Dienst, im Krankenhaus und auf einer Kinderstation. Neben der Abwesenheit durch die theoretische Ausbildung ist ein Auszubildender oder Student aber weniger als 1.500 Stunden in der Ausbildung in seinem Ausbildungsbetrieb. Hier sind ernsthafte Zweifel angebracht, ob es Betriebe geben wird, die sich darauf einlassen. Grundsätzlich wird die Generalistik in der Krankenpflege positiver bewertet als in der Altenpflege. Dies hängt auch damit zusammen dass 70 Prozent der Auszubildenden in der Krankenpflege Abitur haben, während es in der Altenpflege nur 30 Prozent sind. Mein Hauptvorwurf gegenüber dem Koalitionspartner besteht darin, dass die SPD das Gesetzgebungsverfahren durch überflüssige Ideologie befrachtet hat, wodurch der ursprüngliche Leitgedanke verloren zu gehen droht. Keine Frage: wir brauchen Qualität im System. Wir brauchen aber auch Praktikabilität, und das bedeutet, dass junge Leute die Motivation nicht verlieren dürfen, auch mit einem Hauptschul- oder Realschulabschluss in diesen interessanten und anspruchsvollen Beruf einzusteigen. Die Alternative: Meines Erachtens ist die Generalistik nicht mehr zu retten. Einerseits ist das aktuelle Verfahren ideologisch durch das Thema Akademisierung befrachtet, andererseits gibt es keinen Hinweis auf die geplanten Ausbildungsinhalte, die im Nachhinein per Verordnung geregelt werden sollen. Als Pflegepolitiker teile ich die Befürchtung, dass im Bereich der Lehrinhalte der Altenpflege Kahlschlag betrieben werden wird. Deshalb plädiere ich aufgrund der verfahrenen Situation dafür, das gesamte Vorhaben noch einmal grundsätzlich zu überdenken. Stattdessen müssen wir die 16 unterschiedlichen Altenpflegeausbildungen in Deutschland endlich harmonisieren (einheitliches Curriculum und einheitliche Kompetenzregeln für alle Altenpflegefachkräfte in allen Bundesländern und Einrichtungen, ebenso wie einheitliche Ausbildungsvergütungen). Dabei kann auch über eine Aktualisierung der Lehrinhalte nachgedacht werden: in einer älterwerdenden Gesellschaft, in der es immer mehr multimorbide Pflegebedürftige gibt, benötigen auch Fachkräfte in der Altenpflege immer weitergehende krankenpflegerische Kompetenzen. Mit einer solchen Reform würden wir die Altenpflege in Deutschland deutlich stärken.
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