Ich seh` etwas, was du nicht siehst, und das ist Rot!

ein magazin über die farbe rot
Der Zeichner und Fotograf WILLY PUCHNER über seine
Liebe zu Rot und die Bedeutung des Sich-Entwickeln-Lassens
von Eindrücken und Werken.
„Ich seh‘ etwas,
was du nicht siehst,
und das ist Rot!“
Alle Bilder von Werken: Willy Puchner. Porträtfotos: Richard Tanzer
Was ist Ihre spontane Assoziation
mit Rot?
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Willy Puchner: Rot bedeutet für mich
Kraft, Freude, Wärme. Bei Rot spüre ich,
wie mein Energiepegel steigt. Rot stimuliert mich, erregt mich, ist eine wegweisende Farbe. Rot macht mich lebendig.
Rot erinnert mich an die Farbe des Blutes,
aber auch an Krieg und Aggression.
Rot ist für mich die Farbe der Liebe, der
Leidenschaft und des Lebens.
Arbeiten Sie mit bestimmten Farben
lieber? Wie ist Ihr „Verhältnis“ zu
Rot, was Ihre Arbeit betrifft?
Puchner: Ich unterscheide meine Arbeit
in zumindest zwei Bereichen: Wenn ich
fotografiere, bin ich mehr draußen, wenn
ich zeichne bzw. schreibe, bin ich mehr
drinnen. Wenn ich draußen bin, die Welt
als Fotograf entdecke und der Farbe Rot
begegne, springt sie mir oft entgegen
und ist oft wie ein Pfeil, der mein Herz
durchbohrt. Als Zeichner mische ich die
Farben, so auch das Rot. Beim Auftragen
aufs Papier verspüre ich oft große Freude.
Ich bin zum Beispiel glücklich, wenn ich
meine Figuren, ob Prinz oder Prinzessin,
mit roten Gewändern zeichne. Sie sind ein Vielreisender.
Was war das schönste Rot, das
Ihnen je untergekommen ist?
Puchner: Es gibt viele schöne Orte,
die ich gesehen habe...eine Hochzeit in
Indien, dunkelrote Inari-Schreine in Japan,
die von Fuchsstatuen umgeben waren
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ein magazin über die farbe rot
Zur Person
Puchner: Das Monument Valley auf
dem Colorado-Plateau zwischen Utah
und Arizona war für mich ein spannender
Ort. Seine Tafelberge aus rotem Sandstein
waren schon oft Kulisse für Dreharbeiten, auch mit den Pinguinen Joe & Sally
waren sie Station meiner großen Reise.
Joe & Sally
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Sie verbinden in Ihrer „Welt der
Farben“ die Farben stets mit Dingen, die Sie sehen, beobachten, die
Ihnen auffallen und die dann als
Bilder bei Ihnen entstehen. Wie sind
Sie auf diese Herangehensweise
gekommen?
Puchner: Das Projekt „Welt der Farben“ ist eine vielschichtige Arbeit, in der
ich viele meiner Ausdrucksweisen verbinden kann. Es ist eine Reise in ein Land, in
dem man gewesen sein kann oder auch
nicht, es ist auch eine Reise in die Welt
der Phantasie, in dieser verknüpfe ich
lose Gedanken, Zitate und Fundstücke zu
Bildern. Ich erfinde Farben und gebe ihnen
Namen, arbeite mit Farbskalen, Farbverläufen und Texten. Jede Landschaft,
jede Stadt, jeder Inhalt hat seine eigenen,
ganz spezifischen Farben. So zum Beispiel
auch „Die Farben des Vulkans“.
Farben beeinflussen Emotionen.
Rot wühlt eher auf, das Grün des
Waldes oder eines Sees beruhigt
den Betrachter. Wirkt sich auch Ihre
Gemütsverfassung in Ihrer Arbeit
auf die intensive Verwendung
bestimmter Farben aus?
War Rot in einem Ihrer Projekte
eine dominante Farbe?
Alle Bilder von Werken: Willy Puchner. Porträtfotos: Richard Tanzer. Pinguin-Design: © ana-plus.
und ein knallrotes Lätzchen trugen, ein
blutiger Fischmarkt in New York oder
das Spiel von zwei jungen Burschen, die
einen Stierkampf imitierten. Das erste
imposante Rot, das ich erlebt habe, war
die Golden Gate Bridge in San Francisco.
Um das intensive Gefühl dieses Farbkörpers zu verdichten, fotografierte ich
damals nur die Eingangstür von einem
der Riesenpfeiler. Es fällt auf, dass in bestimmten
(Welt-)Gegenden spezielle Farben
dominieren. Die Farbe der Berge
etwa ist Blau in allen Facetten.
Welchen geografischen Ort verknüpfen Sie am stärksten mit Rot?
Puchner: Ich habe ein Buch gemacht,
das heißt „Ein Hase auf Reisen“. In dem
Buch agieren ausschließlich rote Hasen.
Ich träumte immer wieder von einer Bühne, einer Art Schaubühne, auf der allerlei
passierte, unter anderem tummelten
sich darauf unterschiedliche Figuren, vor
allem rote Hasen. Das Unterbewusste gab
die Geschichte vor. Wenn ich die Bilder
heute betrachte, spüre ich einen starken
Impuls, der von den beiden Figuren
ausgeht. Das Rot zeigt die große Liebe der
beiden Protagonisten Billy & Dilly.
Ändert sich die Wahrnehmung von
Farben im Laufe des Lebensalters
oder bleibt eine spezielle Farbvorliebe eine Konstante, im Sinne „Black
bleibt beautiful“. Kann so jemand im
Laufe der Zeit vielleicht zum prononcierten Rot-Lieb­haber avancieren?
Puchner: Ich war in meiner Jugend eher
schwarz gekleidet. Schwarz trugen die
Künstler, die Anarchisten, die Außenseiter.
Heute habe ich immer größere Sehnsucht
nach starken Farben, auch nach einem
intensiven Rot. Auf meinem Bauernhof in
Südburgenland habe ich einen Bildstock, in dem zurzeit ein roter, radikaler
Gartenzwerg eine rote Fahne schwingt.
Und noch eines: Demnächst werde ich mir
sicher rote Schuhe kaufen.
Sie malen und fotografieren.
Wie komponieren Sie als Künstler
Ihre Farbwelten für Ihre Bilder?
Willy Puchner, 1952 in Mistelbach/
NÖ geboren, ist Fotograf, Künstler,
Zeichner und Autor, also ein echtes
Multitalent. Berühmt wurde er mit dem
Projekt „Die Sehnsucht der Pinguine“.
Er reiste mit den Polyester-PinguinFiguren Joe & Sally vier Jahre lang ans
Meer und in die Wüste, nach New York,
Sydney, Peking und Paris, nach Venedig, Tokio, Honolulu und Kairo, um sie
dort im Bild festzuhalten. Bekannt und
beliebt sind auch seine gezeichneten
und handgeschriebenen (Reise)-Materialbücher. Puchner hat ein Faible für die
Farbe Rot.
Puchner: In meiner Arbeit zu unterschiedlichen Themen gehe ich nicht so bewusst vor, ich lasse den Dingen, die sich
im Bild entwickeln oft freien Lauf. Obwohl
ich vor kurzem eine aufregende fotografische Arbeit begonnen habe: Sie bezieht
sich auf ein altes Kinderspiel, das heißt:
„Ich seh‘ etwas, was du nicht siehst, und
das ist Rot.“ Das ist ein wunderschönes
Spiel. Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch
die Straßen und fotografieren ausschließlich Bilder, die von Rot dominiert sind.
Eines ist gewiss! Bei diesem Spaziergang
werden Sie eine große Freude haben!
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