22. Jahrgang · Ausgabe August/September 2015 · www.strassenkreuzer.info So haben Sie die Stadt noch nicht gesehen 1,80 € davon 90 Cent für den/die Verkäufer/in! w w w . g i l l i t z e r. n e t zumikon, Großweidenmühlstraße 21, 90419 Nürnberg Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag 12 bis 15 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung, 0172-8118978 www.zumikon.de 28 Liebe Leserinnen, liebe Leser, jeder von uns erlebt die Stadt aus seiner persönlichen Perspektive. Manche Menschen interes- SommerNacht sieren sich zuallererst für die besten Adressen zum Einkaufen oder zum Feiern. Andere kommen FilmFestival als Pendler und kennen vor allem die Straßen oder Gleise, die sie von D wie Daheim nach F wie Firma bringen (und zurück). Manche suchen die ruhigen Orte im Getriebe, andere das Bad 05. bis 29. August 2015 Cornelia Schleime in der Menge. Kinder erleben das Gebilde Stadt anders als Erwachsene, Besucher anders Nürnberg. Fürth. Erlangen. als Einheimische. Diese Ausgabe nimmt alle mit und lädt ein, die Perspektive auf die Stadt einfach mal est Eröffnungsf Desi er d am 05.08. in ft Orchester lu ck ru D ive Das Ultimat er Film &d “ Küche, Sarg m Zi „5 mer, zu verändern. Wir orientieren uns an Nürnberg, mit einem Ausflug nach Erlangen und Fürth. Doch der andere Blick funktioniert natürlich in jeder Stadt: Wo sind die attraktivsten Plätze für einen Flaschensammler, was wächst auf Flächen, die eigentlich niemand beachtet, wo fühlen sich Schulkinder wohl und wo sind ihre Sehnsuchtsorte? Wie 11. September bis 24. Oktober 2015 geht es den Bewohnern in Erdgeschosswohnungen an einer viel befahrenen Straße? Oder was macht eine gute Nachbarschaft für einen Straßenkreuzer Verkäufer aus? Das sind nur einige Fragen, die wir in diesem besonders dicken Sommermagazin beantworten. Genießen Sie das Lesen. Vielleicht an einem der Plätze, die wir Ihnen ebenfalls in dieser Ausgabe Das zumikon ist ein Projekt der als „unbezahlbar“ ans Herz legen möchten. Möge die Stadt an Perspektiven gewinnen. sommernachtfilmfestival.de Das wünscht Die Straßenkreuzer Redaktion (aus der Südstadt) * Erst Nr. 4 verändert die Stadt aum Ein Stadtb ahr J im filtert Staub.* 7 Tonnen ☞ Foto: Natalie Keller Mehr Bäume für Nürnberg. Hier geht’s zur Umkleide 3 | Hotpants Eine Pflanzaktion der Sparkasse Nürnberg. In Zusammenarbeit mit s Sparkasse Nürnberg KULTUR ÖFFNET HORIZONTE. NÜRNBERG - EINE STADT FÜR ALLE * im Durchschnitt 05102_A_Strassenkreuzer_Baum_Sommer_92x132 1 1 | Bermudas 2 | Jeans * 07.07.15 10:48 4 | Spendierhose Spendenkonto Straßenkreuzer e.V.: IBAN DE73 7002 0500 0009 8155 00 · BIC BFSWDE33MUE · Bank für Sozialwir tschaf t stadtwurstringer Flaschen sammeln ist nur an manchen Plätzen in der Stadt attraktiv. Ein Profi sagt, wo Seite 7 IN Gillitzer gestalten texten verlegen · www.gillitzer.net Eben noch bei der Drogenberatung, gleich in der Notschlafstelle - „Schicht-Wechsel“ zeigt Orte der Armut und Hilfe in Nürnberg Seite 15 Schaut immer grimmig und muss mitten in Nürnberg viel aushalten. Sieben weitere unbezahlbare Orte zum (wieder) Entdecken ab Seite 8 Was spielt sich hinter Erdgeschossfenstern an einer belebten Straße ab? Wir haben in der Humboldtstraße angeklopft, zum Beispiel bei Nummer 132 Seite 20 Diese Villa hat einen Riss und ist nicht bewohnt. Traurige, empörende Leerstände Seite 12 hAlt Auch ein wilder Strauß darf gekonnt in Szene gesetzt sein. Fotografin Annette Kradisch hat keinen Aufwand gescheut. Das Ergebnis ist dufte! Seite 24 Ihnen haben wir schon ein Zuhause gegeben! Jetzt sind Sie dran! Was uns bewegt Seite 35 Im gesamten Nürnberger Stadtgebiet bieten wir Wohnungen unterschiedlichster Größen zur Vermietung an. Wir helfen Ihnen gerne bei der Suche nach der passenden Wohnung. Bitte rufen Sie uns an! Cappuccino mit gesundem Ausblick in Erlangen Seite 40 www.wbg.nuernberg.de So sieht Fürth von hinten aus, oder von innen. Jedenfalls vom Zug aus. Die Strecke von Nürnberg in die Nachbarstadt bietet ungewohnte Einblicke und Ausblicke Seite 32 Sauerei mit Spaghetti in Fürth Seite 43 Steile Treppen hat die 7m der Mittelschule Insel Schütt auch im übertragenen Sinne bewältigt – bis ihre „Klasse Stadt“ fotografiert und geschrieben war. Alles selbst gemacht! Seite 36 B E St E Pl ätz E 5 Das große Sommer-Rätsel Seite 44 zahl des Monats: 1 gute Nachbarschaft Seite 47 Impressum Seite 43 „ Ich denke in Dosen statt in Euro“ Wir sind für Sie da: www.caritas-nuernberg.de Wer mit Stefan Metzner unterwegs ist, sieht die Stadt mit anderen Augen. Nicht die schönsten Plätze, sondern bestimmte Abfallkörbe sind für ihn attraktiv. Der 59-Jährige wohnt seit elf Jahren bei der Heilsarmee und sammelt regelmäßig Pfandflaschen und -dosen. Damit finanziert er Konzerte und Musicals – Kultur, die sein Leben reicher macht. 24-Stunden-Notaufnah me Caritas ist mehr als eine Organisation – sie ist eine Lebenseinstellung. Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche hilft die Caritas aktiv Menschen in Not nach dem Grundsatz christlicher Nächstenliebe. Pflege Kinder- und Jugendhilfe Besondere Lebenslagen Beratung St. Theresien-Krankenhaus Als Ihr Caritasverband vor Ort sind wir ganz nah dran an den Problemen und sozialen Herausforderungen der Menschen. Unser vielfältiges Leistungsnetzwerk fängt Hilfesuchende sicher auf und bietet schnell unbürokratische Unterstützung. Wussten Sie schon, dass das fast alle Leistungsbereiche betrifft – von der Kinderbetreuung über die Sozialberatung bis hin zur Pflege? Tages- und Kurzzeitpflege: Akademisches Lehrkrankenhaus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tagespflege im Caritas-Senioren- und Pflegezentrum St. Willibald Tagespflege im Caritas-Senioren- und Pflegeheim St. Josef, Fürth Unsere Hauptfachabteilungen: Kurzzeitpflege ist auf Anfrage in allen Häusern des Caritasverbandes Nürnberg möglich. Anästhesie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Innere Medizin, Geriatrische Rehabilitation, Unfall- und Orthopädische Chirurgie, Urologie Unsere Hilfen für Senioren und Kranke: Senioren- und Pflegeheime: Caritas-Senioren- und Pflegeheim Stift St. Benedikt Tauroggenstraße 27 90491 Nürnberg Tel.: 0911-58 06 60 Caritas-Senioren- und Pflegezentrum St. Willibald Klenzestraße 6 - 8 90471 Nürnberg Tel.: 0911-81 88 10 Caritas-Senioren- und Pflegeheim Stift St. Martin Grolandstraße 67 90408 Nürnberg Tel.: 0911-93 57 40 Caritas-Senioren- und Pflegeheim Jacobus-von-Hauck-Stift Herbartstraße 42 90461 Nürnberg Tel.: 0911-46 25 750 Caritas-Senioren- und Pflegeheim St. Michael Amalienstraße 17-19 90419 Nürnberg Tel.: 0911-32 25 12 0 Caritas-Senioren- und Pflegeheim St. Josef Benno-Mayer-Straße 5 90763 Fürth Tel.: 0911-75 66 290 Ambulante Pflege: Palliative Pflege: Caritas-Sozialstation Angelus Leopoldstraße 34 90439 Nürnberg Tel.: 0911-26 98 92 Caritas-Hospiz Xenia Klenzestraße 4 90471 Nürnberg Tel.: 0911-959 80 50 Unsere Belegabteilungen: Geburtshilfe und Gynäkologie, Strahlentherapie, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (HNO), Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie, Therapeutische Nuklearmedizin (Radiojodtherapie) Unsere Kooperationen: Interdisziplinäres Schilddrüsenzentrum am St.TheresienKrankenhaus, Brustzentrum am St. Theresien-Krankenhaus, Neurochirurgie, Dialysezentrum Nürnberg, Prostatazentrum Metropolregion Nürnberg, Herzkatheter-Labor, Radiologie und diagnostische Nuklearmedizin (RNZ), Reha-Zentrum Medical Park - St. Theresien GmbH Berufsfachschule für Krankenpflege Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne! Caritasverband Nürnberg e.V. Obstmarkt 28, 90403 Nürnberg Tel. 0911 2354-0, Fax 0911 2354-109 [email protected] Mommsenstraße 24 90491 Nürnberg www.theresien-krankenhaus.de Telefon 0911-5699-0 Sie finden uns auch auf [email protected] Facebook und Twitter! Wie und wann kam die Idee, Flaschen zu sammeln? Ich hatte einen Mann beobachtet, der Flaschen aus einer Mülltonne gefischt hat und habe ihn ausgelacht. Das war natürlich doof von mir. Später habe ich gedacht, dass das gar keine schlechte Idee ist und es selbst ausprobiert. So richtig angefangen habe ich bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Noch heute sind Fußballspiele gute Anlässe, vor allem in den Sonderzügen findet man viel. Da fahre ich sogar mal bis nach Neumarkt, Augsburg, München oder Garmisch. Können Sie sich noch an Ihre „erste Flasche“ erinnern? Das weiß ich noch genau. Das war vorm Marktkauf am Plärrer. Als ich in den Mülleimer griff, schaute ich nach rechts und links, ob jemand zusieht. Ich habe mich so geschämt, es hat viel Überwindung gebraucht. Inzwischen denke ich beim Einkaufen in Dosen statt in Euro und laufe mit einem „Flaschenblick“ durch die Stadt. Es ist mir wurscht, was die Leute denken und wie sie schauen. Manche sehen mich mitleidig an, dabei ist Flasche sammeln ein harter Job. Die Tüten sind schwer und dann der Geruch … Den hat man im Zimmer, bis man die Flaschen und Dosen endlich am nächsten Tag abgeben kann. Auch das ist anstrengend: Schlange stehen vorm Automat, die Leute hinter einem sind genervt. Gefährlich kann das Sammeln auch sein: Ich wurde schon drei Mal überfallen. Und bei „Rock im Park“ wurden wir Flaschensammler schon mal mit Wachhunden eingeschüchtert. Haben Sie eine festgelegte Strecke? Ich habe eine Stammroute: Ich beginne in der Gostenhofer Hauptstraße, über den Plärrer und gehe die Frauentormauer entlang vorbei an den Prostituierten, über die Färberstraße in die Innenstadt, zur Kaiser-, Adler- und zur Luitpoldstraße, wo die ganzen Bars und Clubs sind. Je nachdem, ob Clubs wieder schließen, ändere ich die Route. Seit das Goya zugemacht hat, bin ich nicht mehr so oft beim Willy-Brandt-Platz. Dort gehe ich trotzdem ab und zu gerne hin. Ich mag die Atmosphäre, mag es, dort zu sitzen, direkt neben Willy Brandt – ganz ohne den Blick auf Dosen und Flaschen. Bei Ihren Touren kommt sicherlich einiges an Pfand zusammen. Was machen Sie damit? Ich belohne mich mit kulturellen Veranstaltungen, gehe zu Konzerten oder Musicals. Ich war bei Bob Dylan in München – leider ein Flop – und schon zwei Mal bei Starlight Express. Einmal im Jahr fahre ich zum Europapark, aber nur wegen der Shows. Schon auf dem Weg nach Rust und bis zum Eingang hab ich die Fahrt wieder drin. Auf Rast- und Parkplätzen liegt so viel Geld herum. Auch bei Konzerten, allein was man in der Pause an Pfand findet. Das mache ich aber nebenbei, hauptsächlich genieße ich die Veranstaltung. Kultur ist etwas Schönes, sie bleibt in Erinnerung. Früher trank ich viel, manchmal eine Flasche Whisky am Tag. Vom Alkohol hatte ich nichts. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Leider sind die guten Zeiten beim Sammeln vorbei. Seit etwa zwei Jahren hat die Konkurrenz zugenommen. An normalen Tagen findet man weniger. Ich gehe verstärkt zu Demonstrationen und deklariere mich bei der Polizei als Flaschensammler. Für die ist das in Ordnung. Seit einem Jahr hab ich das Sammeln jedoch schleifen lassen. Das merke ich [klopft sich auf den Bauch]. Ich bin Diabetiker, die viele Bewegung tat mir gut. Ich war ja fast täglich bis zu neun Stunden unterwegs. Künftig möchte ich wieder mehr unterwegs sein. Man erlebt auch so viel. Das würde ich gerne aufschreiben. Aber wer liest das? Und einen Verleger zu finden, das ist schwer. Text: Severine Weber, Straßenkreuzer Redaktion Foto: Kilian Brandenburg M o M E N tAu F N A h M E 7 unbezahlbar! Theodor-Heuss-Brücke | Grau – grün – bunt Zugegeben: Nürnberg kann mit schöneren Brücken als die Theodor-Heuss-Brücke aufwarten. Aber unter keiner hat die Stadt mehr zu bieten. Denn zwischen den dicken Betonpfeilern im dank der Graffitis nicht mehr ganz so nackten 70er-Jahre-Charme herrscht so einiger Trubel. Besonders im Sommer: Im August drängen sich beim Brückenfestival inzwischen weit über 20.000 Musikliebhaber zwischen Bühnen und Stände, lauschen Bands und DJs querbeet durch die Musikszene mit viel Lokalkolo- Reiherkolonie | Da wackeln die Kronen Im März geht’s los. Zaghaft erst, das Kreischen und Schreien klingt noch verhalten, so als wollten sich die Ankömmlinge erst wieder beheimaten auf der Insel am Wöhrder See. Spätestens im April und im Mai sind die Graureiher nicht mehr zu überhören, die nun um Nistmaterial streiten, ihr Zuhause verteidigen und schließlich brüten neben dem Johann-Soergel-Weg. Hoch oben in den Bäumen, dass die Kronen wackeln. Im Frühjahr können die Passanten noch gut sehen, wie mächtig die Vögel sind, wenn sie auf den winterkahlen Bäumen ihre Flügel ausbreiten. Dann ist der Blätter-Urwald dicht. Wer nun vorbeikommt, traut manchmal seinen Ohren nicht: Sind da Gorillas auf der Insel? Oder wird Jurassic Park Franken gedreht? Ein tolles Schauspiel, und ein noch tolleres Hörspiel bietet die Reiherkolonie jedes Jahr. „Im Hochsommer, wenn die Jungen flügge sind, ist dann Schluss“, erläutert Dieter Kaus 8 B E St E P l ätz E Rechenberg | Beim Ludwig Ruhe finden Da sollten Sie mal (wieder) hingehen – Lieblingsorte von Kulturgut-Experten. vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Vor rund 40 Jahren ist das heutige Landschaftsschutzgebiet entstanden, als der obere Teil des Wöhrder Sees angelegt wurde. Eine Auenlandschaft, die an die 50 Reiher und ein paar Kormorane bevölkern. „So eine große Kolonie mitten in einer deutschen Großstadt gibt es sonst nicht“, weiß der Experte. Und weil die Graureiher genügsam sind und alles verschlingen, was ihnen vor den starken Schnabel kommt, wird es auch so bleiben. Laut und kreischend und ganz wunderbar. Reiherkolonie, Oberer Wöhrder See, Johann-Soergel-Weg, ca. 150 Meter vor der Ludwig-Erhard-Brücke, ein Stück rechts und links stehen Bänke zum Verweilen in der ersten Reihe. Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Foto: Sabine Jockisch Ach, die neuen Bänke. 20 Stück wurden dieses Jahr in der Parkanlage Rechenberg u.a. vom Bürgerverein neu belattet. Mir reicht im Grunde eine Bank. Eine von den sechs Bänken, auf denen sich - für mein Dafürhalten - am schönsten Platz nehmen lässt. Der Feierabend oder spätnachmittägliche Moment der Ruhe. Eine mitgebrachte Speise und/oder ein Getränk verzehren und in die Sonne blinzeln. Dabei der Blick durch oder über die Bäume - je nach Jahreszeit - Richtung Burg. Vielleicht lesen. Oder nicht. Hier fühlt er sich wohl, der Bürger aus Erlenstegen-Light, Gemarkung Weigelshof. Hier hat er seinen Frieden. Im Hintergrund das Schein-Grabmal vom Ludwig. Sieht aus wie eine überdimensionale Bohne aus dem All. Und klar, sie ist aus Beton. Soll ja halten. Ludwig Feuerbachs Wohnhaus stand am Rechenberg. Hier hat er die letzten Jahre seines Lebens verbracht. Das ist lange her. Und leider hat er es mit einer Straße, die nach ihm benannt ist, nicht in das Philosophenviertel geschafft. Drüben am Stadtpark, bei Schopenhauer, Kant, Hegel und den anderen „echten“ Philosophen. Wobei es nicht die Bohne falsch ist, was auf dem Denkmal steht. Einerseits: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.“ Andererseits: „Tue das Gute um des Menschen willen.“ Passt zusammen. Weiter hinten im Park sind Spielplätze, ein eingezäunter Fußballplatz und so ein Basketball-Dings. Was es noch nicht gibt, ist ein Skateboard-Hinund-Her-Rutsch. Wird noch kommen. Hier vorne auf der Bank ist es ruhig. Nur ein paar Hundebesitzer schwenken ihre braunen Tütchen in der Spätnachmittag-Sonne. Wird es Regen geben? Ein Kind stürzt sich auf einem Rad waghalsig den geteerten Weg Richtung Welserstraße hinunter. Huihuihui. Was ist das für ein Trubel heute. rit. Angefangen hat das Kult-Event vor 15 Jahren mit 500 Besuchern. Viel los ist auch beim Afrika-Festival im Juni, das mit rhythmischen Klängen, exotischem Essen und Workshops unter der Beton- eine kulturelle Brücke schlagen will. Am angenehmsten aber ist die TheodorHeuss-Brücke fernab von Veranstaltungen. An einem lauschigen Abend kann man sich in eines der Sitznetze am Rand legen und Hobby-Sportlern beim Körbe werfen zuschauen. Sehr zu empfehlen ist das hinterste Netz an Pegnitzseite. Vor Augen hat man eine tolle „naturbane“ Kulisse – ein Mix aus dem Grün der Pegnitzauen, dem nackten Beton und bunten Graffitis (die Motive wechseln mindestens im Wochentakt). Der Drall und Hall der Bälle vermischt sich mit Lachen, Kindergeschrei, Hundegebell und Musik (entweder von Smartphones und/oder von mitgebrachten Gitarren oder Trommeln). Einzig die Rauchschwaden der unzähligen Grills stören. Da hilft nur: selbst grillen. Theodor-Heuss-Brücke, B 4R Nordwestring-Maximilianstraße, Johannis/Kleinweidenmühle Text: Severine Weber, Straßenkreuzer Redaktion Foto: Gerd Grimm Rechenbergpark (an der Witzlebenstraße) Artur Engler, Straßenkreuzer CD-Macher Irrhain | Ein Abbild der wirren Welt Wer sich den Irrhain bei Kraftshof als klassisches Labyrinth mit Trennwänden vorstellt, wird enttäuscht sein. Die „literarische Gedenkstätte mit Irrwegen“ ist nur ein 14.000 Quadratmeter großes Waldstück, das dem Pegnesischen Blumenorden, einer seit dem Dreißigjährigen Krieg bestehenden „Gesellschaft zur Pflege von Sprache und Dichtung“, im Jahre 1681 per Waldherrenerlass hochoffiziell als Versammlungsstätte überlassen wurde. Wände und Sackgassen gibt es hier nicht, nur eine Vielzahl an Trampelpfaden, die nach historischem Vorbild durch ein Gelände führen, das weitgehend naturbelassen ist. So wie hier sah früher einmal der komplette Reichswald aus. Das war und ist gewollt: Nach Ansicht der hier lustwandelnden Dichter sollte der Irrhain ein „Abbild der wirren Welt“ sein und optisch einen Kontrapunkt zu den aufwändig gepflegten Barockgärten mit seiner von Menschenhand domestizierten Natur setzen. Nur im unberührten Dickicht, so die frommen Dichterfreunde, könnten Seele und Geist authentische Naturerfahrungen machen. Vor allem das imposante steinerne Eingangs-Portal des Irrhains mit dem langen Gang dahinter dient bis heute gerne als Ku- lisse für Fotoshootings aller Art. Und dann ist da noch der Scheinfriedhof mit seinen verwitterten Gedenksteinen und -tafeln im Zentrum. Aufgrund der naturbelassenen, „wirren“ Anlage ist das Gelände heute als europäisches FFH-Schutzgebiet (Flora-Fauna-Habitat) ausgewiesen. Alt- und Totholz dürfen nicht mehr entfernt werden. Im Jahre 2008 wurde der seltene Eremit-Käfer im Irrhain entdeckt, der auf modriges Holz angewiesen ist. Aus Sorge vor herabstürzenden Ästen und zum Schutz seltener Insekten musste das traditionelle Irrhain-Fest einige Jahre ausfallen. Inzwischen scheint ein Kompromiss gefunden, am ersten Sonntag im Juli wird jedenfalls wieder gefeiert: Dann lädt der Pegnesische Blumenorden zu Schauspiel, Umzug und Gelage wie zu barocker Zeit. Übrigens: Wer dem Irrhain bei Kraftshof einen Besuch abstatten möchte, ist gut beraten, nicht der Irrhainstraße zu folgen. Die führt in diesem Fall nämlich tatsächlich in die falsche Richtung. „Irrhain“, Kraftshof, Lachfelderstraße www.blumenorden.de Stefan Gnad, freier Journalist; Foto: Katharina Mages B E St E Pl ätz E 9 Weinerei | Ein Glas mieten und Kunst genießen La Kritz | Idylle unter der Dockengalerie Man kennt sie als „Weinerei“, aber eigentlich nennt sich die Institution „Gesellschaft zur Förderung von Kunst und Kultur in Europa“ und ist ein gemeinnütziger Verein. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte junger europäischer Künstler zu unterstützen, die über das Medium Kunst einen Beitrag zur Völkerverständigung in Europa leisten. Gegründet wurde das Projekt „Weinerei“ im März 2002 und war anfangs als offenes Wohnzimmer für die Freunde der Gründer und deren Freunde gedacht, mit gutem Wein und charmanter Atmosphäre. Die Weinerei wurde bald ein Forum für Künstler und Kreative, die sich und ihre Kunst präsentieren können. Sei es als Ausstellung, Lesung, Konzert, DJ- und Filmabend, oder experimentelles Projekt. Alles, was frisch und interessant ist, soll sich hier ausprobieren können. Alle, die daran Freude haben, sind herzlich willkommen. Die Weinerei ist bei all der Offenheit jedoch keine Kneipe. Es gibt kein Personal, nur ehrenamtliche Mitglieder und aktive Helfer. Es gibt keine Getränkekarte, somit keine festen Preise und auch keinen Eintritt. Schließlich verfolgt der gemeinnützige Verein keine kommerziellen Interessen. Natürlich hat auch die Weinerei ihre Rechnungen zu bezahlen, und um die Kosten für das Projekt decken zu können, hat sich ein Das Spielzeugmuseum steht bei den meisten Erwachsenen auf der Freizeit-Liste eher unten. Mit Ausstellungen wie der aktuell sehr sehenswerten „Notspielzeug“ – mit Spielsachen aus Kriegszeiten und viel Fantasie – ändert sich der Blick auf das Haus in der Karlstraße zumindest ein wenig. Dabei gelangt man auch ganz ohne Eintritt in eine fast märchenhafte kleine Welt, die sich im Museumshof verbirgt: das Café „La Kritz“. Einfach an der Kasse Bescheid sagen und durch die Tür hinten rechts raus in den Hof gehen. Unter der denkmalgeschützten Dockengalerie lässt es sich mitten in der Stadt wunderbar entspannen. Die Galerie mit gedrehten Holzstäben (Docken) und das Haus selbst wurden im Krieg stark zerstört und zum Teil wieder aufgebaut. Der Gockelreiterbrunnen von Michael Mathias Prechtl plätschert, manchmal drückt ein Kind (oder Erwachsener) den roten Knopf an der großen LGB-Anlage. Dann setzen sich mehrere Züge in Bewegung. Man selbst bleibt am besten mal ruhig sitzen, genießt das Ambiente, trinkt und isst. Wirt Horst Dornberger kocht täglich Pasta mit frischer, hausgemachter Soße, Wirtin Karin Dornberger backt verschiedene Kuchen. Es sehr eigenes Bezahlsystem entwickelt, das wie folgt funktioniert: An der Theke „mietet“ der Gast sich für zwei Euro ein leeres Glas und bedient sich selbst aus einem Sortiment ausgewählter Weine und alkoholfreier Getränke. Anstatt die Getränke direkt zu bezahlen, wird jeder Gast gebeten, für den Wein, den Abend, die Ausstellung, die Musik, kurz für das ganze Dargebotene oder Erlebte zu spenden und dadurch das Weiterbestehen der Weinerei zu sichern. Wie hoch die Spende ist, bleibt dem Gast überlassen. Das Konzept funktioniert – die Weinerei existiert seit ihrer Gründung ohne nennenswerte Unterbrechungen. Bis zum Sommer 2004 war die Weinerei in der ehemaligen Bayerischen Metallwarenfabrik in der Nürnberger Steinstraße beheimatet. Danach zehn Jahre lang am Prinzregentenufer. Seit Herbst 2014 befindet sie sich zentral in der Ostermayr Passage (Königstraße). „Weinerei“, Ostermayr Passage, freitags und samstags ab 20 Uhr und zu besonderen Veranstaltungen, mehr unter www.weinerei.de Text/Foto: Dirk Murschall, Weinerei-Mitglied, Gründer und Betreiber des Blogs sugarraybanister.de gibt italienische Kaffee-Kultur, Wasser und Säfte, Weine und verschiedene Biere, die der gelernte Brauer Horst auch selbst mag. Vor allem gibt es Idylle pur, besonders bei schönem Wetter. Einen Hof weiter ist ein Spielplatz für die kleinen Besucher – so hat jeder, was ihm gefällt. und unerreichbar auf das niedere Volk herabblickt. Wo: St. Johannis, Neutorgraben, am Altstadtring auf Höhe Hallertor, zwischen Bürogebäuden und viel befahrener Hauptstraße. Man muss dieses Denkmal schon suchen, und hat man es – zufällig oder bewusst – gefunden, bleibt man nicht gerne: Straßenlärm, Müll, Parkbankschläfer. Wenn man also mal zu gut drauf ist, vielleicht im Café/Bar Schnepperschütz in idyllischer Lage (und um die Ecke) einen zu schönen Sommernachmittag oder- abend verbracht hat, wenn man zu viel lacht und auch sonst zu viel Freude hat im Leben– einfach mal kurz am Beethoven Denkmal in Nürnberg vorbeigehen – der Gute-Laune-Killer funktioniert in jedem Fall! Die Welt drumrum ist auf der Jagd nach den besten Schnäppchen… schöner ist es auf der Insel mit dem Schätzchen. Während also der Innenstadtbär tobt, kann man hier wunderbar in der Sonne vor sich hindösen oder die Beine in der Pegnitz baumeln lassen und … der Insel und ihrem Namen alle Ehre machen. Ab und zu legt der Gondoliere mit seiner venezianischen Gondel an, er erhofft sich hier wohl ein gutes Geschäft. Danke, diesmal nicht, vielleicht ein andermal… Liebesinsel, östliche Spitze der Trödelmarktinsel Text/Foto: Wolfgang Gillitzer, Straßenkreuzer Grafiker Ein unschöner, ein grimmiger Ort, in dreierlei Hinsicht, das „Was“, das „Wie“ und das „Wo“ betreffend. Was: Beethoven, in der typischen Darstellung, mit heruntergezogenen Mundwinkeln und mit den Wahnsinn andeutendem Stierblick. Man findet in der gesamten KunstgeB E St E P l ätz E Text: Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Foto: Spielzeugmuseum Nürnberg Beethoven-Denkmal | Garantiert spaßfrei Liebesinsel | Knutschen in der City 10 Café La Kritz, Karlstraße 13-15, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa, So 10-18 Uhr schichte wohl kein Denkmal, keine Büste, kein Bild, das Beethoven mit einem Lächeln zeigt. Wie: Das Denkmal aus dem Jahr 1927 setzt Beethoven auf einen riesigen Steinsockel, größer als die dargestellte Person selbst, ein Thron, auf dem der Komponist gottgleich Beethoven-Denkmal, Neutorgraben, Höhe Hallertor Matthias Stubenvoll, Chorleiter und Dozent an der EWF Nürnberg Foto: Celine Schmittlein B E St E Pl ätz E 11 Gähnende leere 1 Wohnungen sind Mangelware, die Preise haben nirgendwo so kräftig angezogen wie in Nürnberg: Allein 2014 verteuerten sich Immobilien laut immowelt.de um 20 Prozent, die Mietpreise in den vergangenen fünf Jahren sogar um 25 Prozent. Umso ärgerlicher ist daher der Anblick leerstehender Häuser. Die Plattform leerstandsmelder.de listet ungenutzte Räume in deutschen Städten: In Nürnberg sind es derzeit rund 30. Fünf davon stellen wir vor. Alte Federnfabrik Wo: Werderstraße 25 (Fenitzerplatz) Eigentümer: erworben von der Woneo Gruppe, weiterverkauft an die Schultheiss Wohnbau AG. Nutzung: Die ehemalige Federnfabrik steht aktuell leer. Laut dem Blog leerstandsmelder.de ist der Abriss des Altbaus bereits genehmigt. Pläne: Trotz mehrmaliger Anfrage gibt die Schultheiss Wohnbau AG keine Auskunft über das Bauprojekt. Ein Schild des Unternehmens an dem Gebäude wirbt für neue Eigentumswohnungen. 3 1 2 3 2 Altes Gerberhaus aus dem 17. Jh. Wo: Hintere Ledergasse 43 Eigentümer: 2002 haben die Altstadtfreunde Nürnberg e. V. das historische Gebäude erworben. Nutzung: Wegen Einsturzgefahr des Gebäudes mussten die Mieter ausziehen. Pläne: Sanierungsbeginn im Juni 2015; sieben Mietwohnungen zwischen 60 und 70 m² und eine Gewerbefläche sollen entstehen und ab 2019 bezugsfertig sein; historische Elemente bleiben nach Möglichkeit erhalten. Moderne Villa am Stadtrand Wo: Im Weller 14A Eigentümer: aus datenrechtlichen Gründen nicht genannt; die Immobilienagentur Nürnberg e. K. vertritt das Objekt. Nutzung: ursprünglich und künftig als Einfamilienwohnhaus; Spatenstich im Jahr 2007, Baustopp wegen eines Risses in der Decke im ersten Stock, Rechtsstreit über rund vier Jahre, Ursache für den Baumangel war ein statisches Problem. Pläne: Die Bauarbeiten laufen wieder. Die Design-Villa soll noch in diesem Jahr bezugsfertig sein. 5 4 5 4 Altes Arbeitsamt Wo: Frauentorgraben 33-35 Eigentümer: Ende 2011 erwarb ein Familienunternehmen aus Aserbaidschan von der Kochinvest Unternehmensgruppe das Gebäude. Nutzung: Das Haus steht seit 1986 leer; im Mai 2015 wurde es symbolisch aus Protest gegen Wohnungsnot scheinbesetzt. Pläne: Kochinvest erarbeitete drei Jahre lang ein Konzept, welches das Objekt mit 10.000 m² Nutzfläche als Vier-SterneHotel vorsieht. Der aktuelle Eigentümer übernahm nach Angaben von Kochinvest diese Pläne. Seitdem verstaubt jedoch das alte Arbeitsamt. 12 B E St E P l ätz E WoHNHAUS Wo: Wodanstraße 57 Eigentümer: Nach Informationen des Grundbuchamtes gehört das Haus einer „älteren Dame aus dem Münchner Raum“. Nach Artikel 14 des Grundgesetzes darf es den Eigentümer zu dessen Schutz jedoch nicht nennen. Nutzung: Das Gebäude mit neun Wohnungen und einem Ladengeschäft steht seit etwa 15 Jahren leer. Nach der Entwohnung wurden das Dach repariert und die Fenster ausgetauscht. Pläne: unbekannt Wie viel Leerstand gibt es im Stadtgebiet? Daniel Ulrich: Etwa drei Prozent, das ist sehr wenig. Dennoch wird Wohnraum knapper. Wir stehen an der Schwelle zum Problem, und das wird bei den Menschen wahrgenommen – zuerst bei denen, die Probleme haben, sich mit Wohnraum zu versorgen. Die niedrige Quote spricht für einen funktionierenden Markt. Wir haben in Nürnberg weder ein Zweckentfremdungs- noch ein Leerstandsproblem. Da im Moment der Wohnungsbereich marktbestimmend ist, gibt es keinerlei Druck, Wohnungen in Büros zu wandeln. Es geht eher in die entgegengesetzte Richtung: Umwandlungen von Gewerbe in Wohnen, wie das Heumann-Areal oder die Tucher-Brauerei in der Nordstadt zeigen. Gibt es Pläne, Leerstände „Wir bekämpfen zu nutzen? den aufkeimenden sinnvoll Wir gehen mit dem Stadtplanungsamt auf Besitzer von BaulüMangel“ cken zu, um diese zur Bebauung Baureferent Daniel F. Ulrich zu motivieren. Einzelne leere Obzu knappem Wohnraum jekte wird es immer geben, aber auch hier suchen wir den Kontakt, um eine Nutzung sicherzustellen. Diese Fälle sind eher selten. Den aufkeimenden Mangel bekämpfen wir seit einiger Zeit sehr intensiv: Wir haben die Anstrengungen zur Baulandbereitstellung erhöht – wir versuchen, die wenigen kommunalen Flächen auf den Markt zu bekommen und gleichzeitig private Flächen zu aktivieren. Wir arbeiten an Flächenkonversionen im großen Stil, prüfen mögliche Umnutzungen und halten weiterhin stark an der Wohnungsbauförderung fest. Das Hauptproblem ist die Fläche: Nicht jeder Besitzer will verkaufen oder bauen, das macht uns große Nöte. Welche Position vertreten Sie als Baureferent bei Leerstand und knappem Wohnraum? Wir versuchen das Problem jetzt zu bekämpfen, solange es noch geht. Mieten und Kaufpreise sind ansteigend, aber weit weg von den Zahlen mancher Nachbarstadt. Da wollen wir auch gar nicht hin. Die Baulandoffensive, das Baulückenprogramm und die Anstrengungen unserer städtischen Töchter, allen voran der wbg, sind schon ein starker Ansatz. Seit der Krise 2008 steigen die Genehmigungszahlen fast kontinuierlich an: Wir liegen bei etwa 1800 genehmigten Wohnungen pro Jahr – umgerechnet auf die Einwohner ist das mehr als in Hamburg. Das zeigt, dass es gut läuft, aber eben noch nicht gut genug. Und genehmigt ist leider nicht gebaut. Wir haben etwa zehn bis 15 Prozent Schwund. Daniel F. Ulrich (parteilos) ist seit 1. Mai 2014 Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg. Zuvor leitete der studierte Architekt und Ingenieur die Bauordnungsbehörde. Text/Interview: Severine Weber Fotos: Zahra Hamid, Dirk Murschall, Severine Weber B E St E Pl ätz E 13 Drum prüfe, wer sich bindet … – am besten vorher. Wir helfen bei rechtlichen Fragen rund um das Mietverhältnis. Wunderbarer Waschsalon? Ja. Und Heilsarmee! www.gillitzer.net „...Fümf Jahr solln S‘ scho bleim“ Die Spuren eines schweren Lebens kann keiner einfach abwaschen. Aber saubere Kleidung kann neue Würde schenken. Im Sozialwerk der Heilsarmee Nürnberg gibt es für Bedürftige Essen, Duschen, saubere Wäsche, Menschen zum Sprechen. – Oder wie das Heilsarmee-Motto formuliert: »Suppe, Seife, Seelenheil« … Die Sozialwerk Nürnberg gGmbH ist eine Facheinrichtung der Wohnungshilfe mit über 90 Mitarbeiter/innen. Über 220 bedürftige Menschen wohnen hier und lernen, wieder eigenständig zu leben. Mehr Informationen: Tel. 0911/ 28 73-12 01 · www.sozialwerk-nuernberg.de Deutscher Mieterbund Nürnberg und Umgebung e.V. Schlehengasse 10 · 90402 Nürnberg Telefon 0911 22 0 29 Beratungsstellen auch in Erlangen und Schwabach (Beratung und Vertretung nur für Mitglieder) Sozialwerk Nürnberg Mögen sich die Zeiten ändern, der Auftrag bleibt … www.mieterbund-nuernberg.de Wohnungslos oder kurz davor? Hilfen für Menschen in Wohnungsnot: • • • • Persönliche Beratung Begleitetes Wohnen Betreutes Wohnen Betreuung in Obdachlosenpensionen Beratungszentrum Christine-Kreller-Haus Krellerstraße 3, 1. Stock, 90489 Nürnberg Tel. (0911) 3 76 54 - 300 Fax (0911) 3 76 54 - 291 E-Mail: [email protected] www.stadtmission-nuernberg.de Die andere Seite Seit 2008 bietet der Straßenkreuzer mit „Schicht-Wechsel“ Stadtführungen der begegnenden Art. Insgesamt rund 30 Orte der Armut und der Hilfe in Nürnberg werden auf inzwischen vier Routen begreifbar. „Schicht-Wechsel“ bewegt zwei Stunden während der Führung – und in Gedanken oft noch lange danach. B E St E Pl ätz E 15 Die Heilsarmee Sozialwerk Nürnberg ist die größte Einrichtung für Wohnungslose in Nordbayern, mit mehreren Häusern in Gostenhof. Allein 200 Männer finden hier ein Zuhause auf Zeit oder für immer. Zentrale Anlaufstelle ist „Haus Rothstein“ in der Gostenhofer Hauptstraße, einst ein Jugendhotel. Rechts der Speisesaal. „Start: Infopoint am Hauptbahnhof.“ Hier trifft Siglinde Reck (li.) regelmäßig Teilnehmer, die mit ihr zur Süd-Führung aufbrechen. Bundespolizei-Sprecher Rainer Schlemmer (re.) gibt Einblicke in die Arbeit der Beamten. Kaum einer vermutet hier in der Vorderen Sterngasse das Sleep In, eine Notschlafstelle für Jugendliche und junge Erwachsene. ngehende Polizisten, Schulklassen, Studenten, ganze Unternehmensabteilungen, aber auch interessierte Privatpersonen, selbst Priesterseminare und Geburtstagsgruppen gehören zu den rund 12.000 Teilnehmenden, die sich seit Juli vor nunmehr sieben Jahren auf den Weg gemacht haben, um Nürnberg einmal anders und für tausende Betroffene doch so alltäglich zu erleben: in Notschlafstellen, in der Wärmestube, bei Beratungsstellen für Menschen in sozialen Schwierigkeiten, der Bundespolizei oder dem Polizeipräsidium Mittelfranken, durch Hilfsangebote für Prostituierte und Drogenabhängige, im Haus für ehemalige Strafgefangene, für Frauen in Not oder in einer Wohngruppe für minderjährige Flüchtlinge, um nur einige Orte zu nennen. Soziale Stadtführungen gibt es in mehreren Städten, von Hamburg bis München, von London bis Athen. Meistens initiiert von den dortigen Straßenzeitungen und -magazinen, wie auch in Nürnberg. Meistens führen ehemals obdachlose und/oder arme Männer und Frauen die Gruppen, denn sie sind Experten für diese besonderen Touren. In Nürnberg wie auch in anderen Städten haben die Stadtführer die Chance, durch ihre Arbeit eine Anstellung oder eine finanzielle Perspektive zu erhalten. In Nürnberg sind Thomas Kraft und Peter Nensel inzwischen fest angestellt, ihr Einsatz für Schicht-Wechsel ist jeweils Teil ihres Arbeitsvertrages. Zusätzlich führt Siglinde Reck vor allem zu Einrichtungen im Süden der Stadt. Sie kam vor Jahren als ehrenamtliche Mitarbeiterin zum Straßenkreuzer und kennt den Verein inzwischen gut. Ihr Einsatz bei Schicht-Wechsel ermöglicht, dass wirklich alle Routen immer angeboten werden können. Was „Schicht-Wechsel“ dennoch von allen anderen Touren von Ham- A 16 B E St E P l ätz E burg bis Athen unterscheidet: Die Stadtführer bleiben nicht draußen, vor den Einrichtungen stehen. Immer gibt es im wahrsten Sinne des Wortes Schwellenüberschreitungen in die Häuser hinein (einzig die Kollegen in der Schweiz haben ihre Führungen vor zwei Jahren in Basel und Zürich ebenso, und sehr erfolgreich, mit Inneneinblicken konzipiert). Mitarbeiter berichten über ihre Tätigkeit, über den Tagesablauf, beantworten Fragen und zeigen Räumlichkeiten. Natürlich wird dabei nie jemand „vorgeführt“ oder überrumpelt. Gleichwohl kommt es ab und an zu spontanen Begegnungen. Einmal kamen zwei Bewohner im Haus Domus Misericordiae an der Pirckheimerstraße in die kleine Kapelle neben der Notschlafstelle, wo Leiter Uli Süttner einer Studentengruppe gerade den Alltag im Haus für Männer der Caritas schilderte. Verblüfft, ein wenig unsicher und sichtlich beeindruckt ließen sich die jungen Leute von den beiden wohnungslosen Männern warnen, sie sollten nicht zu viel Alkohol trinken und fleißig lernen. „Ihr seht, dass das sonst nicht gut ausgeht.“ Damit die Führungen immer gut ausgehen, also so stattfinden können, wie im Faltblatt beschrieben, müssen sie genau geplant werden. Dafür ist Peter Nensel verantwortlich: Er macht die Termine mit den Sozialpädagogin Carina Brauer berät bei der Drogenhilfe mudra in der Ottostraße. Außerdem ist sie als Streetworkerin unterwegs. teilnehmenden Einrichtungen und Mitarbeitern und koordiniert die Abläufe. Besonders stolz sind Verein und Stadtführer, dass die Polizeikasernen in Dachau und Eichstätt Schicht-Wechsel für angehende Polizeibeamte inzwischen fest in die Ausbildung einplanen. Allein im ersten Halbjahr 2015 nahmen 235 junge Polizisten an den Führungen teil. „Mir ist es ein Anliegen, dass Schubladendenken aufgebrochen wird“, sagt Stadtführer und Verkäufersprecher Thomas Kraft. Nachzulesen in einem Buch, das drei Studentinnen der Ohm-Hochschule vergangenes Jahr als Projektarbeit zu Schicht-Wechsel angefertigt haben. Von Siglinde Reck ist in dem 100-seitigen Band mit vielen Bildern und Stimmen von Sozialarbeitern und Besuchern zu lesen: „Es ist wichtig, dass der Funke überspringt! Ich finde es jedes Mal spannend zu sehen, wer an den Führungen teilnimmt. Es ist super, wenn man merkt, dass Interesse da ist und im Laufe der Führungen immer mehr Fragen gestellt werden.“ Und Peter Nensel wünscht sich, dass „den Menschen bei den Führungen ein soziales Licht aufgeht“. Ein so schöner wie wichtiger Effekt der Führungen: Es kommen, wie zuletzt CISS e.V. für Strafentlassene oder die Bundespolizei am Bahnhof, immer wieder neue Einrichtungen hinzu. Und der Aufwand, den alle leisten müssen, lohnt sich: So sei beispielsweise die Aufmerksamkeit für die Lilith-Boutique durch Schicht-Wechsel spürbar gewachsen, sagt Lilith-Geschäftsführerin Daniela Dahm. Und das Sleep In, die Notschlafstelle für obdachlose Jugendliche, bekommt auch mal Kleidung geschenkt, die für die junge Klientel geeignet ist. Seit Februar dieses Jahres bietet der Straßenkreuzer e.V. mit der „Fremden-Führung“ eine weitere Möglichkeit, Menschen zu begegnen, diesmal mit Fokus auf kulturelle und religiöse Vielfalt. Besuche in einer Moschee, bei einem türkischen Frisör, im buddhistischen Tempel, Gespräche mit Flüchtlingsberatern und mit Bürgern, die aus weit entfernten Ländern nach Nürnberg kamen, oder ein BeB E St E Pl ätz E 17 Das Haus Großweidenmühle ist die städtische Einrichtung für obdachlose Männer und Frauen. Hier ein Blick in eine Unterkunft für Männer. Sozialpädagogin Klara Reichelt arbeitet bei der Prostituiertenhilfe Kassandra. Sie macht offene Arbeit im Café an der Endterstraße und unterstützt auch Aussteigerinnen, z.B. bei Bewerbungen. Second Hand Liliths Second Hand Laden ist ein karitatives Fachgeschäft für exklusive Damenmode. Wir bieten ehemals Drogen konsumierenden Frauen berufliche Qualifizierung und Arbeitsplätze. Mit Ihrem Kauf oder einer Kleiderspende unterstützen Sie unser soziales Arbeitsprojekt und schaffen Arbeitsplätze! Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich überraschen von Qualität und Service! Liliths Second Hand Laden 90402 Nürnberg, Jakobstraße 21 Telefon: 0911 24 46 777 Mo - Fr: 11 bis 18 Uhr email: [email protected] Sa: 11 bis 16 Uhr Unser Arbeitsprojekt wird gefördert und unterstützt vom Jobcenter Nürnberg Stadt sowie aus dem Bund-Länderprogramm Soziale Stadt mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Städtebauförderung von Bund, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg Träger: Lilith e.V., Verein zur Unterstützung von Frauen mit Drogenproblematik Der Kicker steht in der Notschlafstelle Sleep In für wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene. lilith_anzeige_strassenk_06.indd 1 such auf dem Aktivspielplatz mit Kindern aus vielen Ländern und im Nachbarschaftshaus schaffen Augenhöhe. Immerhin leben in Nürnberg 213.000 Menschen mit Migrationshintergrund und fast die Hälfte der Nürnberger Bevölkerung gehört keiner oder keiner christlichen Religion an. Fest steht: Die Fremden-Führung (immer um 15 Uhr am letzten Mittwoch im Monat) und vor allem Schicht-Wechsel erfreuen sich einer ungebrochen großen Aufmerksamkeit. Viele Teilnehmer kommen immer wieder. Miteinander reden wirkt einfach. Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Fotos: James Albright, Pressefotograf Tom Schrade, www.schrade-kunst.de, privat 12.02.13 10:01 Einfach spielend verstehen! Spannende Sommerferien daheim? Aber klar! Abends in Haus Domus Misericordiae der Caritas: Männer lassen sich registrieren, um etwas zu essen und ein Bett zu bekommen. Das Erfahrungsfeld lädt ein zu einer Entdeckungsreise mit allen Sinnen. Außerdem: 20 Stationen zum Jahresthema „Wasser erleben“, Kreativangebote, Wasseraktionsplatz, Dunkelcafé und ein buntes Rahmenprogramm. Besonderes im August und September: Bildhauerwerkstatt 3.-9.8. und 24.-30.8. Hand- und Fußtheater 31.8.-4.9. Modellraketenbau 13.9. Mehr Informationen: www.strassenkreuzer.info Anmeldung unter: 0911 2127593-13 oder [email protected] Kosten für Führungen: 8 Euro für Erwachsene, ermäßigt 4 Euro Die Einnahmen aus den Führungen helfen, die Festanstellungen der Stadtführer Thomas Kraft und Peter Nensel (von li.) zu finanzieren und unterstützen die Arbeit des Vereins. 18 B E St E P l ätz E bis 13. September 2015 auf der Wöhrder Wiese Infos und Gruppenanmeldungen unter Telefon 09 11/ 2 31 54 45 www.erfahrungsfeld.nuernberg.de hinter Glas ausende Menschen fahren und gehen täglich durch die wichtigen Straßen einer Stadt. Während die einen sich auf Gehweg und Asphalt von A nach B bewegen, liegt vielleicht direkt hinter einem Fenster im Erdgeschoss jemand im Bett, trinkt Kaffee, streitet sich mit dem Partner, liebt, liest, lacht, weint, ist einsam oder feiert. Erdgeschossfenster lassen manchmal ein wenig erahnen, was für ein Mensch hier wohl lebt. Plastikblumen, üppige Grünpflanzen, Spitzenvorhänge, Dekorationen, staubiges Fenstergrau, geschlossene Rollos – jede Menge Ansichtssachen für Interpretationen. T Wer wohnt wohl im Erdgeschoss an einer viel befahrenen Straße? Wer gießt die Pflanzen, dekoriert hinter der Scheibe nach Geschmack? Wir zeigen Fenster der Humboldtstraße auf Augenhöhe – und haben bei einigen angeklopft. Fotografin Maria Bayer hat, stellvertretend für viele andere Straßen, Erdgeschossfenster der Humboldtstraße dokumentiert. Die zieht sich fast 1600 Meter lang durch den Nürnberger Süden und berührt drei Postleitzahlen: 90443, 90461 und 90459. Einige Male zeigen sich Menschen, die hier wohnen, erzählen von sich und dem Leben auf Augenhöhe mit den vielen anderen, die tagtäglich bei ihnen vorbeigehen. Für ein paar Minuten ergibt sich eine Schnittstelle aus zwei Welten, dann schließt sich das Zeitfenster wieder. 37 Text: Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Fotos: Maria Bayer mariabayer.net 20 B E St E P l ätz E Foto: Regina Maria Suchy Der Engel und die ganze Deko sind für mich und für die Leute. Ich hab noch mehr Engel, aber die Nachbarin über mir, die hat noch viel mehr. Ich wechsle meine Dekoration ab und zu. Keiner hat bisher was dazu gesagt, oder wegen dem Engel gefragt. Aber ich seh ja, wenn die Leute vorbeigehen und tuscheln. Das ist in Ordnung für mich. Das kann jeder machen, wie er will. Mir macht es auch nichts aus, wenn mal einer reinschaut. Die andere Deko hab ich selbst gemacht. Mit Papierblüten und einem Fliegenfänger. Und der Schmetterling hier war auf eine Plastiktüte gedruckt. Das hat mir so gut gefallen, dass ich’s ausgeschnitten habe. Im Herbst kommt wieder eine andere Deko ins Fenster. Ich hab als Altenpfleger gearbeitet, bin aber schon lange krank. Manchmal nehm ich den Engel mit an den Tisch, denke nach und sinniere. Dann fühle ich mich wie befreit. Hindu Tempel „Sri Siththi Vinayaga“ Foto: Ilse Weiß Erich Ungerbühle am Fenster seiner Ein-Zimmer-Wohnung. 103 Hinter der grauen Fassade betritt man den Hindu Tempel „Sri Siththi Vinayagar“, mit vielen Mitgliedern aus Sri Lanka und damit eine Welt voller Düfte und Rituale – am besten barfuß. Keine 100 Meter von der Gaststätte „Bierbrunnen“ entfernt wird der Elefantengott Ganesha an diesem wintergrauen Nachmittag gründlich mit Milch und Joghurt übergossen. Andächtig schauen etwa 40 Frauen, Männer und Kinder zu, wie der Priester die Gottheit salbt, dabei Gebete murmelt, die Skulptur mit Wasser abwäscht. Alle hier im Raum sind barfuß oder haben nur Socken an. Der Priester agiert mit nacktem Oberkörper, trägt Sarong, lange Ketten, die Stirn, Brust, Arme sind bemalt. Es ist warm wie in Asien, die Frauen sind farbenfroh gekleidet wie in Asien, die Kokosnüsse und Bananen, die geopfert werden, könnten aus Asien kommen. Trotzdem ist hier die Humboldtstraße in Nürnberg. Draußen parken Autos, es ist kalt, die Leute gehen mit Schal und Nachmittagslaune an dem Haus vorbei. (Auszug aus Straßenkreuzer, Ausgabe Januar 2013) B E St E Pl ätz E 21 131 22 B E St E P l ätz E Foto: Ilse Weiß Im Erdgeschoss wohnen will sicher nicht jeder. Frauen vor allem haben eher Angst vor Überfällen, man kann kein Fenster offen lassen, jeder kann reinschauen – nicht immer so einfach. Wir wohnen gar nicht im Erdgeschoss, aber wir treffen uns oft hier im Hof. Das wäre sicher nicht so, wenn jede der zehn Parteien einen Balkon hätte. Aber wir haben keine, und deshalb hat der Eigentümer, der auch hier wohnt, den Hof so schön hergerichtet. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe fürs Haus, wenn einer heimkommt, dann kann er den anderen sagen, ich setz mich aufn Kaffee runter, wer mag auch? Und meistens kommen dann Nachbarn dazu. Das ist echt locker hier. Die Straße ist angenehm, die Südstadt liegt immer noch im Schatten anderer Viertel wie Gostenhof. Das hat Vorteile. Die Wohnungen sind noch bezahlbar, die Atmosphäre ist gut. Hier im Haus sind wir multikulti: Kanada, Deutschland, Großbritannien, Schweden, Kosovo… Foto: Ilse Weiß Zwei Bewohner und ein Besucher sitzen im Hof. 132 Belkisa Salijevic mit ihrer Schwester und den Kindern Isabella und Elma. Wir kommen aus Bosnien und leben schon lange in Nürnberg. Aber erst seit einem Jahr hier. Die Puppen habe ich gekauft. Noch nie hat jemand danach gefragt, aber es freut mich! Ich stelle sie für die Leute ins Fenster und für uns. Ich achte darauf, dass die Scheiben sauber sind. Alles staubt hier schnell ein. Hinter dem Fenster ist unser Esszimmer, daneben das Schlafzimmer. Wir haben alles schön eingerichtet und gestrichen. Es macht mir nichts aus, im Erdgeschoss zu wohnen. Nur eins stört mich wirklich: Wenn die Leute ihre Hunde an die Mauer machen lassen oder der Hundekot unter unseren Fenstern liegt. Es stinkt schrecklich, ich gehe dann immer gleich raus und schütte Wasser drauf. Bald stelle ich noch eine Puppe ins Fenster, das ist doch schön. B E St E Pl ätz E 23 Hier blüht Ihnen was! Brachflächen gehören zu unseren Städten wie Ampelanlagen. Doch anders als Ampeln werden Brachen kaum wahrgenommen. Man fährt vorbei, radelt durch, sieht sie allenfalls als Hindernis auf dem Weg von A nach B. Kinder nutzen sie immerhin als Spielplatz, Tierfreunde leider gern als Hundeklo. Brachflächen haben nichts zu bieten – auf den ersten Blick. Doch sie sind wichtige „Naturreservate“ in der Stadt. Als unversiegelte Flächen speichern sie in den stark verdichteten Städten wertvolles Bodenwasser, sie sorgen für Luftaustausch und bereiten den Boden für eine Vielzahl von Pflanzen. Manche stehen längst auf der Roten Liste, andere haben sich hier, jenseits der Parks und Gärten, im Lauf der Jahre beheimatet. Wir haben uns drei wilde Flächen genauer angeschaut und sind fündig geworden. Lassen Sie sich von bunten Sträußen mit Natternkopf, Tüpfeljohanniskraut, Weißen Lichtnelken, Rundblättrigen Glockenblumen und vielen weiteren Schönheiten und Schlichtheiten bezaubern. Öde sieht anders aus! Text: Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Fotos: Annette Kradisch, www.fotodesign-kradisch.de Wir danken Dr. Dietmar Pilotek, Botaniker beim Umweltamt der Stadt Nürnberg, für die großartige Unterstützung bei der Auswahl der Flächen und der Bestimmung der Pflanzen 2 4 B est e P l ätz e B est e P l ätz e 25 Der zarte Heidenelke und Wiesenlabkraut 3 4 8 2 9 7 5 6 1 26 B E St E P l ätz E 10 Eine Magerwiese westlich Laufamholz – so ist das Gelände an der Eslarner Straße kartiert. Pflanzenkenner horchen beim Stichwort „Magerwiese“ gleich auf. Die Sandgrasnelke liebt solch karge Böden. Tatsächlich sind hier viele der kugeligen, rosa Blütenköpfe auszumachen. Sie würden sich gut machen in jedem Strauß, stehen aber auf der Roten Liste. Also Finger weg. Bevor die Diehl-Wiese an der Laufamholzstraße bebaut wurde, konnte eine Sandgrasnelken-Kolonie in den Marienbergpark verpflanzt werden. Die Nelke hat keine Chance gegen wirtschaftliche Interessen. Und natürlich ist Verdichtung meist besser als ein Wuchern der Städte. Doch gerade in Nürnberg mit seinen wenigen Grünflächen wird es immer knapper mit Freiraum zum Aufatmen . 1 Weiße Lichtnelke 7 Schafgarbe 2 Gewöhnliches Ferkelkraut 8 Wiesenknäuelgras 3 Goldhafer 9 4 Scharfer Hahnenfuß (Butterblume, leicht giftig) Rundblättrige Glockenblume 10 Wiesenlabkraut 5 Roter Wiesenklee 6 Heidenelke (Vorwarnliste der Roten Liste Bayern) B E St E Pl ätz E 27 Der Naturbursche Natternkopf und Glatthafer 3 8 4 1 9 2 5 6 7 28 B E St E P l ätz E Ein Aufmarschgelände der Nazis war das hier mal an der Karl-SchönlebenStraße. Direkt gegenüber beginnt die Große Straße. Seit über 30 Jahren liegen die knapp sechs Hektar brach. Irgendwann ist mal Wohnbebauung geplant. Noch aber gibt es hier vor allem Gras- und Krautflur und Gehölz. Ein Trockenstandort. Eine Freifläche, die aber nicht frei ist von Abfall, Fast Food-Überbleibseln, Plastikmüll. Kein schöner Ort. Und doch hat sich ausgerechnet hier eine Kornblume in zartem Pastell und gar nicht blau beheimatet. Es könnte ein Gartenflüchtling aus einem der nahen Anwesen sein. Wie mutig! 1 Tüpfeljohanniskraut 7 weiße Lichtnelke 2 Natternkopf 8 Wiesenknäuelgras 3 Glatthafer 9 Wiesenlabkraut 4 Bunte Kronwicke 5 Kornblume 6 Gänseblümchen B E St E Pl ätz E 29 Der Wilde Hartriegel und Ausdauernder Lolch 1 6 9 2 7 10 8 5 3 4 11 30 B E St E P l ätz E Brennesseln gedeihen hier an der Schleswiger Straße, anspruchsloses Grün überwuchert Haufen, in denen landwirtschaftlicher Abfall verrottet, dazu wächst Gestrüpp. Es gibt einladendere Orte. Doch er verdeutlicht, was Brache eigentlich bedeutet: Ab dem 14. Jahrhundert fielen erhebliche, ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen brach. Heute meint der Begriff auch Freiflächen in der Stadt, die irgendwann genutzt oder bearbeitet wurden. Der Stillstand ist die Chance für seltene Arten. In den 1990er Jahren dokumentierte eine Diplomarbeit für Nürnberg 312 Pflanzenarten auf Industrie- und Gewerbeflächen, 16 davon standen auf der Roten Liste Bayerns. Ende der 1980er Jahre wurden zudem noch 22 Tierarten der Roten Liste in Nürnberger Stadtbiotopen nachgewiesen. Für den Strauß von der Schleswiger Straße hat sich dann doch noch Klatschmohn, Wilde Malve und sogar Echte Kamille gefunden. Und wer hat schon einen Ausdauernden Lolch daheim…?! 1 Goldhafer 7 Klatschmohn 2 Ackerhellerkraut 8 Geruchlose Kamille (Hundskamille) 3 Wilde Malve 9 Sumpfkresse 4 Hartriegel 10 Weiße Lichtnelke 5 Echte Kamille 11 Ausdauernder Lolch 6 Glatthafer B E St E Pl ätz E 31 Ein übergroßer Schäferhund schaut ins Abteil. Er prangt auf dem Lager der Firma „Dinner for Dogs“ an der Breitengraserstr. Hier wird, so verspricht es die FirmenHomepage, hochwertige Feucht- und Trockenvollnahrung für den Vierbeiner vertrieben. Inzwischen auch für die Katz, plus Zubehör. Bevor die Hunde zum Dinner schreiten können, machen die Mitarbeiter augenscheinlich aber erstmal Lunch. Also Brotzeit. Ein wenig zwergenhaft wirken rechts die Wohn- neben den weitaus größeren Mehrfamilienhäusern. Hier trifft dörfliches auf urbanes Flair, hier geht Mögeldorf in die City über. Im Zeitraffer: einst Wirtschaftshof von König Konrad II. (urkundlich erstmals 1025 erwähnt), dann Bauerndorf, Eingemeindung in Nürnberg im Jahr 1899, inzwischen 10.000-Einwohner-Stadtteil. Der dörfliche Charme ist fernab der Bahnstrecke im historischen Kern rund um den Mögeldorfer Kirchenberg noch deutlich zu spüren. Das ehemalige und allererste Elektrizitätswerk Nürnbergs steht zwar nicht weit von diesem Trafo in der Tullnau, doch dieser gehört der Deutschen Bahn. Es handelt sich um eine Umrichterstation, die Hoch- in eine niedrigere Spannung umwandelt, zur Versorgung des Schienennetzes. In dem mit Graffiti verschmierten Schalthäuschen dahinter befinden sich weitere Trafos, es dient zudem Mitarbeitern der Bahn als Sozialgebäude. Straßenzüge Wer im Zug durch die eigene Stadt fährt, dem kommen selbst vertraute Plätze oft fremd vor. Die Stadt zeigt ihre verborgene, oft ungepflegte und schäbige, manchmal aber auch eine interessante, überraschende Seite. Fotograf Gerd Grimm ist mit der S-Bahn von Rehhof nach Fürth gefahren und hat solche Ansichten festgehalten. Steigen Sie ein! 32 B E St E P l ätz E B E St E Pl ätz E 33 Seit Jahrzehnten steht der denkmalgeschützte Rundbau neben der alten Hauptpost trostlos, grau und ungenutzt in der Innenstadt. Investor Hubert Haupt aus Grünwald hat den gesamten Komplex mit Kopfbau 2013 gekauft. Während der Kopfbau trotz Bürgerprotest abgerissen werden soll, bleibt der Rundbau wohl erhalten. Mehrere Hotels sollen hier einziehen – in einer Nachbarschaft, die schon fast ausschließlich aus Hotels besteht. Nächster Halt: Bahnhof Steinbühl! Zwischen Geländer, Treppe und der Unterseite des Gleisbetts lugt ein Teilgebäude des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs im Stadtteil Kohlenhof hervor. Bis Mitte der 1980er Jahre war dieser in Betrieb, die Gebäude stehen leer. Das Brachgelände gehört Aurelis, der Immobiliengesellschaft der Deutschen Bahn. Mit Rückenwind durch die Stadt Sommerliches Semesterende in 7200 Sekunden Charly Huber radelt gern und viel – seit er ein E-Bike besitzt, noch lieber und mehr. Jetzt ist der 71-jährige Straßenkreuzer Verkäufer mit seinem Hund Lord auf dem Elektrorad verewigt: Auf Wunsch hat ihm Pedelec Schmidt ein Anhängerschild angefertigt. Darauf flitzen Charly und Lord „mit richtig viel Rückenwind durch die Stadt“. Den Slogan hat sich Geschäftsführerin Elke Schmidt ausgedacht. Eine schöne Geste und ein Dankeschön des Verkäufers, denn das Nürnberger Unternehmen schenkte ihm im vergangenen Winter das Elektrorad. Damit kann Charly trotz schwachem Herz die Zeitschriften leichter zu seinen Verkaufsplätzen bringen und seine Gassi-Touren am Kanal mit Lord fahren. Und hatte er bislang ein Problem mit seinem E-Bike, etwa weil das Schutzblech verbogen war, haben sich Elke Schmidt und ihre Kollegen sofort darum gekümmert – das alles auf Kulanz. „Zeit ist für alle gleich“, sagt Frank Braun. Der Regionallotse und Gründer von Bluepingu – dem ökologischen, fairen und regionalen Einkaufswegweiser – hat es beim Semesterabschlussfest der Straßenkreuzer Uni vorgerechnet: 86.400 Sekunden hat jeder von uns jeden Tag, um das Glück zu finden, sich auf den Weg zu machen und sich zu trauen. Egal, ob arm oder reich. Wie im Flug vergehen bei solch beschwingten Reden und heißen Boogies bei der sommerlichen Feier im Haus Großweidenmühle zwei gemeinsame Stunden – also 7200 Sekunden – mit gut 70 Gästen. Unter ihnen sind neue und langjährige Hörer, Dozenten und Unterstützer der Straßenkreuzer Uni. Sie feiern den Erfolg des kostenlosen und niedrigschwelligen Bildungsangebotes, das im Sommersemester 2015 mit 14 Veranstaltungen 350 Frauen und Männer erreicht hat. Insgesamt zählt die Straßenkreuzer Uni in inzwischen elf Semestern über 4200 Hörer, die Freude an Bildung haben und sich öffnen für spannendes Wissen und lebhafte Diskussionen. Im Oktober startet die Straßenkreuzer Uni mit neuen spannenden Themen in ihr zwölftes Semester. Das Programm wird rechtzeitig auf www.strassenkreuzer.info vorgestellt. Schuhe für breite Füße Spende statt Geschenke 34 B E St E P l ätz E Illustration: Antonia Brem „Ich bin in der komfortablen Situation vieles zu haben“, sagt Christa Schmidt-Baumeister (2. von rechts). Anstelle eines Geschenketischs stellte sie zur Feier ihres 60. Geburtstags daher eine Spendenbox für den Straßenkreuzer auf, um dem Verein zu helfen. 1000 Euro kamen zusammen. Damit unterstützte die Oberasbacherin nun das Sommerfest für Verkäufer, Ehrenamtliche und Mitarbeiter des Straßenkreuzers: eine schöne Feier für 60 Teilnehmer bei Bratwurst Röslein. „Ich freue mich umso mehr, dass gleich zwei Mal gefeiert wurde“, sagt Christa Schmidt-Baumeister. Mit dem Straßenkreuzer kam sie durch ihre Tochter in Berührung. Als Studentin half Tanja Baumeister ehrenamtlich im Vertrieb aus. Straßenkreuzer Verkäufer Waldemar Graser (Im Weißen Turm) sucht gebrauchte, bequeme, eventuell handgenähte Straßenschuhe, Größe 44, da er breite Füße hat und manche Schuhe ihm Schmerzen bereiten. Sprechen Sie Rumänisch? Wenn ja, dann freuen wir uns, wenn Sie uns dabei helfen, die rumänischen Verkäuferinnen und Verkäufer im Team des Straßenkreuzers besser zu verstehen. Wenn Sie etwas Zeit für ein Ehrenamt investieren möchten und gerne mit Menschen umgehen, dann melden Sie sich bitte beim Straßenkreuzer e.V.: 0911 217 593-0 oder [email protected] WA S u N S B EW E Gt 35 Klasse Stadt Der Stadtstrand ist mein Lieblingsort, weil es dort chillig ist. Es macht Spa§, d a zu sein, nach der Schule oder in der Freizeit. Und der Slush schmeckt auch sehr gut. /// Marvin Wie seht ihr eure Stadt? Welche Plätze bedeuten euch etwas, sind euch vertraut, was stört euch? So lautete die Aufgabe an die 18 Schülerinnen und Schüler der Klasse 7m an der Mittelschule Insel Schütt. Hier sind ihre Ansichten. Die anstrengendsten Treppen sind hinter meinem Haus. Ich gehe dort gerne hin, weil wenn ich oben bin, dann kann ich meinen Balkon sehen. *** Valentina Das ist der Platz beim Theater PfŸt ze. Da kann ich entspannen und in Ruhe ein Buch lesen. Ich finde diesen Ort magisch und schš n. *** Patrizia Jedes Mal, wenn ich nach Hause fahre, freue ich mich, die Anzeigetafel zu sehen. Das ist meine Lieblingsstelle, weil sie mir sagt, dass ich bald daheim bin. *** Gš nen und Mine Ich mag diesen Platz einfach sehr. Ich finde ihn sehr praktisch. Da kann man sich im Supermarkt nebenan was kaufen, wenn man Hunger hat, und entspannen, wenn man entspannen will. *** Asma Ich gehe mit meinem Hund am liebsten im Luitpoldhain Gassi. Oder ich treffe mich mit Freun- Hallo, ich bin Sanel. Ich den. Wir fahren alle mit dem spiele jeden Tag Fußball, weil Fußball mein Leben ist. Fußball ist sowas wie mein bester Freund. Wenn ich traurig bin, spiele ich Fußball, oder wenn ich 36 B E St E P l ätz E In de n Lu itp ol dh ai n gehe ich gern. Ich laufe entweder rum, od er ich hör Musik oder ich fahr m it de m Fa hr rad. Oder ich tref fe mich dort mit Freund en und wir setzen uns un te r ei ne n B au m und reden oder über legen. *** Lara Das ist eine Straße auf der sehr viele Autos fahren, die sich nicht jeder leisten kann. Deswegen mag ich diese Straße. /// René Immer, wenn ich zur Lorenzkirche gehe, um gebrannte Mandeln zu kaufen, muss ich dort vorbei. Und das Blödeste ist, dass es dort öfters nach Fleisch und nach Klärwerk riecht. Nur wegen dieser öffentlichen Toilette. /// David glücklich bin. /// Sanel Ich mag den Brunnen. Dort rede ich gern mit Freunden, wenn das Wasser aus den Figuren des Brunnens herausschießt. *** Nhat Vy Fahrrad hin und setzen uns dann unter einen Baum oder spielen mit meinem Hund. Ronja B E St E Pl ätz E 37 Ich mag diesen Stadtparkweiher sehr, weil ich dort mit Freunden picknicke und rede, man kann natürlich auch Musik hören oder lesen. Aber am liebsten genieße ich dort die Sonne und überlege, was Auf diesem Bild bin ich in meinem Hof. Ich mag es, dort ich am nächsten Tag tun möchte. *** Ermina An diesem Hügel sind wir früher, als ich im Hort war, im Winter immer heruntergerutscht. Das hat viel Spaß gemacht. +++ Gönen und Mine Skate- board zu fahren. Letztes Jahr konnte ich das noch nicht, aber jetzt kann ich es sehr gut. Und ich liebe es. ///Sahand Foto: Severine Weber Ich bin beim Harsdörffer, weil ich mich dort mit Freunden treffe und auch Basketball spiele. #Julian Ich gehe gern mit meinen Freunden in den Annapark, weil sie dort in der Nähe wohnen. Es macht Spaß mit ihnen Fußball zu spielen. Wenn alle Fußballplätze belegt sind, dann chillen wir einfach im Park. Annapark hat einen großen Fußballplatz, und da spielen schon viele Leute. /// Kadir Die Wöhrder Wiese ist einfach ruhig und entspannend. Dort esse ich manchmal Eis und Bratwurst. Es gefällt mir gut dort und ich habe nichts gegen den Ort bzw. ich finde es toll, dass ich neben ihm wohne. Tatsache ist, es ist dort ideal, um Spaß zu haben. Ali Wenn ich mit meiner Freundin reden will, dann gehen wir zum Park, setzen uns auf die Mauer und reden. *** Valentina 38 B E St E P l ätz E Die Schüler der 7m (auf dem Foto ist ein Teil der Klasse mit Lehrerin Angela Köblitz - ganz links - zu sehen) sind 12 bis 14 Jahre jung. Ihre Wurzeln liegen in den Ländern Irak, Türkei, Italien, Deutschland, Serbien, Kroatien, Bosnien, Griechenland, Ghana und Vietnam. Ihr Alltag dreht sich um Schule, manchmal haben sie Hobbys, oft spielt das Mobiltelefon eine zentrale Rolle in ihrer Freizeit. Dann nehmen die kleinen Geräte einen großen Platz im Leben ein. Die Jugendlichen halten damit Kontakt zu unsichtbaren und sichtbaren Freunden, surfen im Netz, schauen sich irgendwas an, spielen. Die Stadt, ihre Stadt, reduziert sich bei einigen Schülern auch wegen dieses eingeengten Blicks anfangs auf Burg, Cinecittà und Stadtstrand. Touristen- und Konsumorte also, nur in Ausnahmefällen ein Sinnbild für persönliche Erlebnisse. Doch dann entwickeln sich im Gespräch Fantasien, Erinnerungen, Sehnsüchte, Alltägliches. Und sie benennen Orte und Situationen, die tatsächlich etwas bedeuten. Ihnen etwas bedeuten. Dank der motivierenden Klassenlehrerin Angela Köblitz finden schließlich fast alle ihren persönlichen Ausdruck. Klar, dass die meisten Bilder und einige Texte über WhatsApp ankommen. Wie praktisch – so bleibt Zeit für andere Dinge. B E St E Pl ätz E 39 Von Retro-Look bis Toskana-Garten es fast nur Filterkaffee“), mittags ist ohnehin viel los und ab 14.30 Uhr kommen Patienten mit ihren Gästen zum Kaffeetrinken. Die Cafeteria-Aufenthalte sind für die meisten Patienten eine wichtige Abwechslung: „Kranke, die den ganzen Tag im Zimmer liegen, sehen in der Cafeteria etwas anderes und können Produkte genießen, die sie im Klinikalltag nicht haben.“ Cappuccino kostet 2,20 Euro, belegte Brötchen gibt es ab 1,90 Euro, Schnitzel im Brötchen 3,10 Euro, Salat mit Thunfisch oder Hirtenkäse 3,60 Euro, um nur einige Preise zu nennen. Täglich Hunderte Butterbrezen und Brötchen Cappuccino mit gesundem Ausblick Zum Kaffee ins Krankenhaus? Durchaus! Das Erlanger Universitätsklinikum hat sieben öffentliche Cafeterias, eine davon am Schlossgarten, mit Wiener Charme – das kann nie schaden. er vor dieser Theke steht, bekommt Appetit: Belegte Brötchen in allen Variationen, Fladen, Kuchen, und während der Mittagszeit mehrere warme Gerichte zur Auswahl. Daneben finden sich Süßigkeiten sowie eine große Auswahl an Zeitschriften und Zeitungen. Das Ambiente lädt ebenfalls zum Bleiben ein: Die dunkle Holzvertäfelung erinnert an den Charme eines Wiener Kaffeehauses, kleine Lampen in den Ecken sorgen für warmes Licht und die Tische schmücken, je nach Saison, passende Deckchen und Dekors. Die Außenterrasse bietet einen unverstellten Blick auf den herrlichen Schlossgarten – und das alles, gemessen an der Innenstadtlage, zu erschwinglichen Preisen. W Manche wollen nur rein , wenn‘s sein muss Dennoch betreten nur wenige „von außen“ die ruhige (es säuselt auch keine Hitparaden-Musik im Hintergrund) Cafeteria im Alten Universitätskrankenhaus in der Erlanger Krankenhausstraße 12 – obwohl das Café jedem offen steht. Viele wissen das nicht. Andere wiederum schrecken einfach davor zurück, eine Klinik zu betreten, um dort Kaffee zu trinken. „Für viele Menschen sind Krankenhäuser negativ belastet; jeder 40 B E St E P l ätz E weiß, wie es dort ist, war womöglich selbst schon in einer Klinik gelegen, will aber auf keinen Fall hinein, wenn es nicht unbedingt sein muss“, sagt Verkaufsleiterin Sabine Wagner. Die gelernte Konditoreifachverkäuferin, die für alle sieben Cafeterias des Erlanger Universitätsklinikums (siehe auch Kasten) zuständig ist, kann diese Einstellung zwar verstehen, bedauert sie aber sehr. „Bei uns ist jeder herzlich willkommen“, sagt die 45-Jährige. Seit März 2014 leitet Sabine Wagner den Cafeteria-Bereich, davor war sie mehr als 20 Jahre unter anderem als Filialleiterin einer regionalen Großbäckerei tätig. Viele Ideen, die sie dort kennengelernt hat, fließen in ihre neue Aufgabe ein: So gibt es nun auch Vollkornbrote („die Essgewohnheiten ändern sich nun mal“), täglich wechselnde Aktionen (Tagesoder Saisonangebote) sowie zusätzliche Hinweisschilder vor den Gebäuden. Wagners nächster Wunsch wäre, Schilder auch außerhalb des Klinikareals anzubringen – um schon am Schlossgarten auf die Uniklinik-Cafés aufmerksam zu machen. Noch aber sind es vor allem Patienten, deren Angehörige und Freunde sowie Krankenhaus-Mitarbeiter selbst, die die Cafés mit ihren insgesamt 25 Mitarbeitern aufsuchen. Früh holen sich meist Angestellte vor Dienstbeginn schnell einen Cappuccino („auf den Stationen gibt Der Bereich, der zu 100 Prozent zum Universitätsklinikum gehört, soll sich wirtschaftlich tragen und Personal- und Stromkosten decken. Allein der logistische Aufwand ist enorm: Im Versorgungszentrum im Ulmenweg wird die von außen angelieferte Ware auf die Cafés verteilt. Am Tag sind das z.B. rund 320 Butterbrezen, 420 belegte Brötchen sowie 170 belegte Laugenstangen. Natürlich gibt es auch Kranke, die eine Laugenstange weder allein an den Tisch tragen noch schneiden können. „Das machen wir dann sofort, auch wenn der nächste Kunde etwas warten muss“, sagt Sabine Wagner. Der Umgang mit Kranken erfordere mehr Einfühlungsvermögen als im Verkauf sonst üblich. In den Bäckereien außerhalb einer Klinik werde den Kunden zum Abschied immer noch ein super Tag und ein super Wochenende hinterher gerufen, erzählt Wagner. „In der Klinik wünsche ich den Patienten einen guten Tag und wenn ich sehe, dass jemand eine Infusion hat, dann sage ich noch: „soweit es für Sie eben möglich ist.“ Für Wagner und ihre Mitarbeiter ist Sensibilität oberstes Gebot. „Wenn in einer Klinik plötzlich mehr Kinder liegen, achten wir darauf, dass es dort auch Kinderzeitschriften oder Hefte mit Spielzeug zu kaufen gibt, in der Kinderklinik ist das ohnehin der Fall.“ Natürlich gehe es nahe, wenn man einen sichtbar schwer kranken Patienten über einen langen Zeitraum immer wieder sieht, berichtet die Verkaufsleiterin. Umso mehr freue man sich mit, wenn er wieder nach Hause darf. Und vielleicht wieder kommt, wenn er gesund ist. Die Cafeteria im Alten Universitätsklinikum hat den Charme eines alten Wiener Kaffeehauses. Altes Universitätskrankenhaus, Krankenhausstraße 12, Mo.-Fr., 7.30 bis 17 Uhr, Sa., So. und Feiertag 10.45 bis 17 Uhr. Die Cafeteria im Chirurgischen Zentrum (Bettenhaus) Östliche Stadtmauerstraße 27 Mo.-Fr. 7.30 bis 17 Uhr, Sa., So., und Feiertag: 10.45 bis 17 Uhr. Die Cafeteria in der HNO-Klinik ist im toskanischen Stil gestaltet, mit einem ruhigen, terrassenförmig angelegten Garten. Waldstraße 1 Mo.-Fr. 7.30 bis 17 Uhr, Sa., So. und Feiertag 13 bis 17 Uhr. Die Cafeteria im Internistischen Zentrum, mit viel Licht, Metall und Glas. Ulmenweg 18 Mo.-Fr. 7.30 bis 17 Uhr, Sa., So. und Feiertag 9 bis 17 Uhr. Die Cafeteria in der Kinderklinik: Durch einen Glasboden blickt man auf den Grund des ehemaligen Schwimmbeckens. Loschgestraße 15 Täglich 7 bis 18.30 Uhr. Die Cafeteria in den Kopfkliniken ist im Retro-Look der 1970er Jahre gehalten. Schwabachanlage 6 Mo.-Fr. 7.30 bis 17 Uhr, Sa., So und Feiertag 10.45 bis 12 Uhr sowie 12.30 bis 17 Uhr. Die Cafeteria im Translational Research Center bietet einen direkten Blick ins Schwabachtal. Palmsanlage Mo.- Fr. 9 bis 13 Uhr sowie 13.30 bis 16 Uhr, Sa., So. und Feiertag geschlossen. Text: Sharon Chaffin, Redakteurin bei den Erlanger Nachrichten Fotos: Mile Cindric Oben links viel Grün vor der Kinderklinik, hier die Terrasse im Internistischen Zentrum. Sieht aus wie Wiener Original, ist aber original Altes Universitätsklinikum. B E St E Pl ätz E 41 ® topft in Abfluss vers WC ...? Küche, Bad, Kostenlos zum Realschulabschluss? www. Tag+Nacht Notdienst, Hilfe rund um die Uhr! .de Sauerei mit Spaghetti Kundenbüro: Neumühlweg 129 90449 Nürnberg Tel. (0911) 68 93 680 Fax (0911) 68 42 55 0911- 68 93 680 • Rohr-, Abfluss-, Kanal-Reinigung • Hochdruckspülung & -reinigung • Fettabscheiderentleerung • Dichtheitsprüfung (ATV, DIN-EN ...) • Rohr-Kanal-TV-Untersuchung • Kanal-Rohr-Sanierung • Leitungsortung • Signalnebelberauchung • Rückstau-Schutz • Ratten-Schutzklappe Auf dem 2. Bildungsweg der Stadt Nürnberg! Städtische Abendrealschule · Telefon 0911 231-3956 Mitglied der Handwerkskammer Nürnberg Gruppe: Impressum Straßenkreuzer – Das Sozialmagazin Jahrgang 22 / Heft 8, August/September 2015 Der Straßenkreuzer ist Mitglied im Internationalen Verband der Straßenzeitungen INSP (www.street-papers.org) und im lokalen sozialen Netzwerk „Anlauf“ Ein Geheimtipp sieht anders aus. Nicht mit Zaun und gleich neben dem Trimmpfad … Aber es geht ja um einen allerbesten Platz – und das Wildschweingehege ist definitiv einer. In Fürth. Herausgeber: Straßenkreuzer e.V. Wilhelm-Spaeth-Str. 65, 90461 Nürnberg Tel. 0911 217593-0, Fax -20 e-mail: [email protected] www.strassenkreuzer.info Vorstand: Walter Grzesiek, Sabine Felser, Sabine Sinn-Rausch und Götz Schwanhäußer Straßenkreuzer Redaktion: Ilse Weiß (verantw.), Severine Weber Verwaltung und Straßenkreuzer Uni: Barbara Kressmann I Öffnungszeiten Redaktion: Mo bis Do, 9 bis 15 Uhr Redaktionelle Mitarbeit in dieser Ausgabe: Sharon Chaffin, Artur Engler, Wolfgang Gillitzer, Stefan Gnad, Dirk Murschall, Matthias Stubenvoll Besuchen Sie uns in unserer Badausstellung zum großen GÄSTEBAD-TAG Michael Wanitschek am 19.09.15 von 9 - 15 Uhr EN UMDREH IM HAND E IG E B A D Z R ZUM VO Maler- und Lackierermeister seit 1999 Telefon (0911) 287 67 61 [email protected] UNSER TIPP: sichern Sie sich vorab unser SPLASH Badmagazin unter © burgbad www.sanitaer-heinze.com Natürlich kostenlos! n Zeiten von Fun-Parks könnte so ein Gehege mit Schweinen ein Schattendasein führen. Gestrig irgendwie. Doch die Anlage im Fürther Stadtwald zieht ungebrochen viele Besucher an – und hat Fans wie Kritiker. Zum Beispiel im Internet auf der Reise- und Ausflugs-Plattform Tripadvisor. Die meisten beurteilen das Gehege beim TrimmDich-Pfad (auch so eine feine Attraktion aus dem letzten Jahrhundert!) dort mit „Sehr gut“. Es gibt aber auch Ausschläge in alle Richtungen. Beispiele? Bitte: „Wir waren letztens nach langer Zeit wieder mal auf dem Trimm-Dich-Pfad und kamen auch am Wildschweingehege vorbei. Die Frischlinge kamen gleich grunzend an den Zaun und ließen sich kraulen. Mir bricht es das Herz bei dem Gedanken, dass sie schon bald als „lecker Braten“ auf dem Teller landen!“ Oder: „Auch im Winter schön. Morgens im Dunkel laufen. Da begegnen dir nur ganz wenige auch mit dem Rad. Die Wildschweine kannst du nur ahnen, manchmal grunzt oder raschelt es. Nur zu gut, dass du keinem direkt begegnen wirst.“ Und: „Mitten im schönen Fürther Stadtwald ein großes Gehege mit einer großen WildschweinFamilie. Am Wochenende pilgern viele Familien dorthin, vor allem wenn es Nachwuchs bei den Tieren gegeben hat!“ I Liebe Nürnberger, zu uns ist es nur ein Katzensprung. Beratung zum Energiesparen, zu Fördermitteln und Tarifen telefonisch über unsere kostenfreie Servicenummer 0800 1008009 oder im N-ERGIE Centrum am Plärrer. Weitere Infos unter www.n-ergie.de All dem ist nur noch hinzuzufügen: Es gibt Kinder und Erwachsene, die die Schweine mit Spaghetti oder Eicheln füttern, Leibspeisen der Schwarzkittel! Manche Jogger halten angeblich nur deshalb länger durch, weil sie bei ihren Runden nach Schwarzwild (so der richtige Name) spähen können und nicht merken, wie sie sich verausgaben. Seit 1987 gibt es die Schweinerei im Stadtwald. Initiiert wurde das Projekt vom Verein zur Pflege des fränkischen Brauchtums. Vor allem für die Fürther ist das Gehege gedacht. Wie sehr ihnen die Anlage am Herzen liegt, hat sich gezeigt, als der erste Keiler „Eberhard“ im Jahr 2000 das Zeitliche gesegnet hatte. Rund 250 Bürger beteiligten sich an der Wahl eines Namens für den neuen Herrn der Rotte. Er heißt inzwischen „Rudi II“. Und ja, im Herbst werden Schweine geschlachtet. Mit dem Fleisch wird ein Teil der Kosten für das Gehege finanziert. Stadtförster Martin Straußberger schaut einmal täglich bei den Schwarzkitteln vorbei. Das holt kein Besucher auf. Aber hingehen, Stadtwald genießen, Schweine besuchen, das lohnt sich auch ein Mal. Text: Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Fotos: Katharina Mages Wildschweingehege Fürth, Zum Vogelsang Buslinie 178, oder Parkplätze beim Hotel Forsthaus Fotos: James Albright, Maria Bayer, Kilian Brandenburg, Mile Cindric, Wolfgang Gillitzer, Gerd Grimm, Zahra Hamid, Sabine Jockisch, Annette Kradisch, Katharina Mages, Dirk Murschall, Celine Schmittlein, Tom Schrade, Regina Maria Suchy, Severine Weber, Ilse Weiß Illustrationen: Gerd Bauer, Antonia Brehm Wir danken der Nachrichtenagentur Reuters für ihre Unterstützung Titelbild: Gerd Grimm Manuskripte sind nach Absprache mit der Redaktion willkommen. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Gestaltung: www.gillitzer.net Druck: hofmann infocom GmbH, Nürnberg Auflage: 18.000 Vertrieb: Straßenkreuzer Vertrieb, Wilhelm-SpaethStr. 65, 90461 Nürnberg Mitarbeiter/-innen im Vertrieb: Birgit Eckl, Sabine Felser, Katharina Glaß, Holger Hoffmann, Marco Korder, Ilka-Maria Mertel, Julia Minderlein, Helmut Nill, Helmut Nordhardt, Daniela Post, Manfred Rathgeber, Siglinde Reck, Helga Rottkamp, Daniela Rubner, Sofia Schier, Ernst Schottky, Sabine Sinn-Rausch, Betty-Bianka Steinbach, Patricia Wallat, Christa Widmann, Gerhard Winkler Anzeigenannahme und -verwaltung: Gillitzer Werbeagentur, Tel. 0911 3005158, [email protected] Derzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 18 (Anzeigenpreise im Internet unter www.strassenkreuzer.info) Spendenkonto: IBAN DE73 7002 0500 0009 8155 00 BIC BFSWDE33MUE Bank für Sozialwirtschaft BLZ 700 205 00 · Konto 9 815 500 Bei Spenden bis 200 EUR genügt der Überweisungsschein als Steuerbeleg. Verkaufspreis 1,80 EUR (davon 90 Cent für die Verkäufer/-innen) Der nächste Straßenkreuzer erscheint am 29.9.2015. Anzeigenschluss: 8.9.2015 Der Straßenkreuzer ist eine Zeitschrift, die Menschen in sozialer Not hilft, sich selbst zu helfen. Die Zeitschrift wird von Wohnungslosen, Lang-zeiterwerbslosen und Armen auf der Straße verkauft. B E St E Pl ätz E 43 Rätsel 44 K o P F u N D to P F B E St E Pl ätz E 45 PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG personzentriert Einzel Seminare Gruppe Tel. 0911 4792436 Der Straßenkreuzer im Jahres-Abonnement: elf Ausgaben (eine Doppelausgabe im Sommer) inkl. Verpackung und Versand für 40 Euro/Jahr. [email protected] oder 0911 217593-0 Die Erträge aus dem Abo kommen über den Verein allen Verkäuferinnen und Verkäufern zugute. Schwierige Lebenssituation, geringes Einkommen oder ohne festen Wohnsitz? Foto: Vlaminck / photocase.com WWW. Po te nz ialMensch-Coaching .DE Lass uns Freunde sein. Der Straßenkreuzer braucht Freunde wie Sie! Werden Sie Mitglied im Straßenkreuzer Freundeskreis Name, Vorname Firma PLZ, Ort Tagestreff für Frauen in Notlagen Bitte ziehen Sie meinen Beitrag per Lastschrift von meinem Konto ein: Kontonummer BLZ Hessestraße 10, Nürnberg Telefon 26 69 56 Bank Ordentliches Mitglied IHRE DRUCK SACHEN SPITZE GESTALTET a frauenzimmer.indd 1 Jahresbeitrag: 22.01.13 15:11 (mind. 60 Euro) Förderndes Mitglied Jahresbeitrag: (mind. 300 Euro) Abbuchung: jährlich halbjährlich graficz (mind. 200 Euro) Alle Mitglieder werden im Magazin und auf der Internetseite des Straßenkreuzers www.strassenkreuzer.info namentlich genannt (Firmenmitglieder mit Link zu ihrer Homepage). Ich möchte namentlich nicht erwähnt werden. Anz_Strassenkreuzer_44x64_2015.indd 2 vierteljährlich Firmenmitglied Jahresbeitrag: 0157 39 14 46 56 [email protected] 1 gute Nachbarschaft erlebt Straßenkreuzer Verkäufer Rudi Fuchshuber am Ludwigsplatz. Straße FrauenZimmer Z A H L D E S M o N ATS Datum, Unterschrift Sei es Hausnummer 3, 5 oder 7 – überall sind Menschen, die ihn auf ihre Weise unterstützen und schätzen. Das fängt schon mal mit Maria Maurer an, die hier mit Rudi auf dem Foto zu sehen ist. Die 74-jährige Mieterin in Haus Nummer 5 öffnet Rudi jeden Morgen die Tür, damit er einen Hocker rausholen kann, der über Nacht im Hausflur deponiert wird. Natürlich mit Zustimmung der Hauseigentümerin, Martha Schuster. Schließlich, da sind sich die Frauen einig, soll Rudi Fuchshuber nicht stundenlang stehen müssen beim Verkauf. Weil er schon mal da ist, nimmt er Pakete an, wenn jemand das möchte. Klar, dass er Kunden des Uhrengroßhändlers im Nachbarhaus auf dessen Mittagspause aufmerksam macht – „sonst steigen die Leute ja 68 Stufen umsonst hoch“. Die Verkäuferinnen bei Hunkemöller sind alle sehr nett, erzählt Rudi, und auf die „Tchibo-Mädels“ lässt er eh nix kommen. Maria Maurer kam vor 40 Jahren aus Siebenbürgen, „wir mussten zusammenhalten, das vergisst man nicht“. Ihr Vater war Bauer und wurde enteignet, sie selbst hatte in der alten Heimat Bienen gezüchtet. Vertreibung, Verlust, all das ist ihr vertraut und hat ihr Menschenbild geprägt. Manchmal wechselt sie mit Rudi ein paar Worte, morgens, oder abends, wenn der Hocker wieder ins Haus kommt. Sie weiß, dass er aus Niederbayern stammt, zuletzt 15 Jahre Lackierer bei BMW war, bis er schwer erkrankte. Ob Lackdämpfe mit Schuld waren an der Gehirnblutung und den Lähmungen, ist nicht klar. 59 ist Rudi jetzt, und wer sich für ihn interessiert (und einen Straßenkreuzer kaufen will), findet ihn neben der Tchibo-Filiale. Einen Hocker hat er, eine gute Nachbarschaft auch. Gute Gespräche können nix schaden. Text/Foto: Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion z A h l D E S M o N AtS 11.07.15 08:48 47
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