Körperverletzungsdelikte 2

Körperverletzungsdelikte 2
Wiederholung
§ 223: einfache KV – Übl. unang. B, GesundhSchäd
§ 224: gefährl. KV – Begehung, Nr. 1-5
§ 226: schwere KV – Folgen, wichtig, Glied
§ 340: während Ausübung/bezogen auf, lässt
§ 225: Täterqualität, Tathandlung, -folgen, Gefahr
§ 229: Fahrlässige KV: Tathandlung, PrüfAufbau
§ 230: Strafantrag: Lesen, s. a. § 77
Körperverletzung 2:
§ 228: Einwilligung, Sitten, Deliktsaufbau,
§ 227: KV m. Todesfolge (vgl. §§ 223, 222)
§ 231: Beteiligung, obj. Bed. der Strafbarkeit
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Einwilligung, Sitten, § 228
Rechtfertigung: Notwehr, Notstand, Einwilligung
(Kurze Prüfung, Verhältnis § 32 zu § 34)
Einwilligung:
Disponibilität = Verfügungsbefugnis
ABER: Rechtsgut Leben: s. dazu Art. 2 GG
(Lesen! = L!) - § 216 ausdrücklich und ernsthaft
§§ 2, 3 KastrG, 8 I 2, III, 19 I Nr. 2 TPG (L!)
Vermögen, Eigentum (außer §§ 304, 306f II – L!)
berechtigt und befähigt (§ 107 ff BGB? – L!)
Willensmängel beachtlich
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Einwilligung
- Vorherige Erklärung
- ausdrücklich oder konkludent
- Frei von Willensmängeln
Subjektiv: in Kenntnis der Einwilligung
Abgrenzung: Einverständnis – Willen
§§ 123, 177, 235, 242, 239, 240, 266, 249, 252,
253, 255, § 303 I (Tatbestandssauschluss), § 303
II (?)
tatsächlich, Willensmängel unbeachtlich,
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Ärztliche Heilbehandlung
- Prüfung: obj. TB, Rewi ?
Rechtfertigung – selbst wenn gegeben, bleibt es
immer eine tatbestandliche KV - RGSt 25, 375 (L)
Folge: Ärzte als Verletzer (Regel/Ausnahme)
Problem: Qualifikation, z. B. § 224 StGB
Körper- oder Willensverletzung?
Literatur: überwiegend Tatbestandsausschluss,
wenn zu Heilzwecken und lege artis =
Gesamtbewertung, vgl.: § 110 öStGB
Differenzen: erfolgreich/nicht erfolgreich, neue
Gefahren/Gefahrverringerung
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Behandlungsvertrag BGB
§§ 630 a ff. BGB (L!)
BT-DrS. 17/10488 - Begründung (ca. 60 Seiten)
• Im Wesentlichen: Bisherige Rechtsprechung in
Gesetzesform gebracht§ 630 a: Vertragstypische
Pflichten
• § 630 b: Anwendbare Vorschriften
• § 630 c: Mitwirkung, Informationspflichten
• § 630 d: Einwilligung
• § 630 e: Aufklärungspflichten
• § 630 f: Dokumentation
• § 630 g: Einsichtnahme in Patientenakte
• § 630 h: Beweislast b. Haftung wegen
Behandlungs- und Aufklärungsfehlern
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Einzelne Regelungen
- Lebendorganspende: gesunder/s Mensch/Organ
(§§ 8 I 2, III, 19 I Nr. 2 TPG – Strafgesetz)
- Transfusion – Blutspende, § 6, 31 i. V. m. § 5 III 1 TFG
- § 40 AMG (Hinweis: §§ 6a, 95 AMG: Doping i. Sport)
- § 20 MPG
- Sterilisation und Kastration (vgl. KastrG)
- Geschlechtsumwandlung
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Mutmaßliche E
Selbstbestimmungsrecht
Interesse des Betroffenen
Ausdrücklich geregelt im Recht der PatVfg.
§§ 1901 a ff. BGB (Hinweis: BGH 2 StR 454/09)
Gefahr im Verzug (Unfallopfer): Einwilligung kann
nicht (rechtzeitig) eingeholt werden.
Wahrscheinlichkeitsurteil
Im Interesse des Betroffenen/ mangelndes
Interesse des Betroffenen
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Hypothetische E
-
≠ mutmaßliche E
Vgl. Zivilrecht, § 630 h II 2 BGB
Keine Einwilligung, obwohl möglich
Diskussion:
PRO (nicht bei gezielter Täuschung): Einheit der
RO, ultima ratio, kein Erfolgsunrecht = objektive
Zurechnung: pflichtgemäßes Alternativerhalten,
analog ETIrrtum: Täter will Selbstbestimmung
wahren, max. § 229 aber kein Handlungsunrecht
- CONTRA: Straf- ≠ ZivilR, im BGB Beweislastregel,
pflg AltV + Zustimmung, tödl. Fälle, in dubio, ex tunc
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Elterliche Erziehung - Züchtigung
„Ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet.“
Oder: „Wir sind auch nicht daran gestorben.“
„Wer sein Kind liebt, züchtigt es.“ (vgl. AT Bibel)
WDR 30.10.15 – 23.15 Uhr: „Wer seine Kinder liebt …“
WDR 05.11.15 – 22.30 Uhr: Menschen hautnah – „Ein kleiner
Klaps auf den Po – Wenn Eltern ihre Kinder schlagen“
Probleme:
Kinder als Grundrechtsträger, Rechtsgutsinhaber
Erziehung als Grundrecht der Eltern, Art. 6 II GG
§ 1631 II BGB – zivilrechtliche Verankerung
Verfahrensrechtliche Problem: § 230 (vgl. § 247)
Strafe – Folgen für die Familie
Tatbestand – Rechtswidrigkeit
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Beschneidung/Verstümmelung
§ 226a Verstümmelung weiblicher Genitalien (StGB)
(1) Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
§ 1631d Beschneidung des männlichen Kindes (BGB)
(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch
nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und
urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach
den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt
nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung
ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen
auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen
Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür
besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung
der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.
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Sadomasochismus, Sport
- Verfügbarkeit über eigenen Körper
- Grenzen? Sitten
- Sport: gesellschaftliche Anerkennung
(insbesondere Boxen, Fußball ?)
Aber mindestens: Regelkonformität
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Grenzen des § 228
-
Was sind gute Sitten?
Gibt es allgemein gültige moralische Maßstäbe?
Kommt es auf Moral überhaupt an?
Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden
- Umfang KV (Schwere) und/oder Zweck?
- Rechtsgut, Todesgefahr
- Rechtsprechung: BGHSt 49, 166, 171 und 34, 40
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Zwischenfazit
- Disposition, Freiheit, Grenzen, § 216 StGB
- Sitten in der pluralistischen Gesellschaft
- strikter Bezug auf das Rechtsgut i. V. m. dem
freien Willen
- Gefahr der Eskalation
- unfreie, schwache, verletzbare Personen
- gesellschaftlicher Diskurs
- Klausuren: Aufbau, Argumentation, Kenntnis
aktueller Fälle
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§ 227
-
§ 227 (L!)
Vorsätzliche KV
Tod des Opfers
Verbrechen
Beziehung zw. KV und Tod:
Spezifische Gefahr – engere Verbindung
Exaktheit? Wertung? § 18!
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Gefahrzusammenhang
- Körperverletzungserfolg (Letalitätslehre) oder
tatbestandsspezifische Gefahr in der Handlung?
Bsp.:
- Schlag auf den Kopf (KV-Vors) – Tod des Opfers
- Ausholen – Opfer weicht aus und stirbt
- Schlag auf den Kopf (KV-V) – Tod - Infektion i. KH
- § 224 Abs. 1 Nr. 5: „Behandlung“
Probleme: Opferverhalten, Dritte, zeitlicher
Zusammenhang
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Fälle
• RGSt 44, 137, 139 m. Verweis auf RGSt 5, 29
• BGHSt 14, 110 (Abweichen v. RGSt 44, 137)
• NJW 1971, 152 (Rötzel)
• Hochsitzfall (BGHSt 31, 96)
• NStZ 1992, 335
• Gubener Verfolgungsfall (BGHSt 48, 34)
„erfolgsqualifizierter Versuch“
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Fahrlässigkeit
- Herbeiführung der schweren Folge:
Problem: kein weiteres Geschehen, Erörterung
bereits im Gefahrzusammenhang
- Vorhersehbarkeit (subjektiv) = Wertung
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Zusammenfassung § 227
Als Handlungs-/UnterlassForderung formuliert:
- Verletze nicht! (§ 223)
- Töte nicht durch mangelnde Sorgfalt! (§ 222)
- Verletze nur so, dass du nicht dadurch den Tod
herbeiführst! (§ 227)
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§ 231
-
Beteiligung an einer Schlägerei (L!)
Gefährdung
Problem d. Nachweises der Ursächlichkeit für Tod
Obj. Bedingung der Strafbarkeit (s. a. § 323 a)
„Gegenbeweis“ unbeachtlich, d. h. wenn Dritter
als Täter feststeht, bleibt es bei § 231
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Definitionen
- Schlägerei: mind. 3 Pers. – tätliche
Auseinanders.
(Problem: Klausuraufbau: Verbrechen vor
Vergehen, aber Def.: gegenseit. KV),
- Angriff mehrerer: mind. Zwei, feindselige
WillRi, unmittelbar auf den Körper abzielende
Einwirkung (Mittäterschaft nicht erford.)
- Aktive Teilnahme a. i. S. v. Hilfeleisten (auch
Anfeuern – a. A.: § 27, Abhalten v. Hilfe)
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Probleme
-
Zuschauer (passiv)
Schlichter (gewaltfrei?)
Gesundheitshelfer
Opfer (Schutzwehr)
Notwehr für einzelne Handlungen, dennoch § 231
- Straffreiheit gem. § 231 II: zu keinem Zeitpunkt
vorwerfbar beteiligt, nicht ausweichen erlaubt
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Objektive Bedingung der Strafbarkeit
- Keine Entsprechung im Vorsatz, d. h. kein
klassisches Element des objektiven TB
- Auch gegeben, wenn
Handlung rechtmäßig (z. B. § 32)
Unbeteiligter (Schlichter, Zuschauer) Opfer wird
Unabhängig vom Tatbeitrag
Opfer kann Täter sein
Unvorhersehbare Folge (§ 18 gilt NICHT – a. A.:
Schuldprinzip: gilt doch)
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Zeitpunkt der Beteiligung
- Umfassend: vor, während, nach
- A. A: vor/nach schwerer Folge nicht
- Problem: Beweisbarkeit (in dubio)
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Vorschau
04.11.2015: Täterschaft und Teilnahme
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