Was ist Medizin(straf)recht?

Medizin(straf)recht
Eine Einführung
Universität Heidelberg
14.–18.3.2016
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Konzept
- Vorverständnis: Warum sind Sie hier?
- Vor„lesung“ als überholtes Konzept – (Speisekarte)
- Vor-, Mit- und Nacharbeit – Interesse (z. B.
Medien), Fragen, eigene „Folien“
- Privat-AG, Seminare, Schwerpunkt
- Fragen nach der Vorlesung, ggfls. Mail
- Lesen und Schreiben und Lesen und Lesen
- Recht als Konstrukt(ion)
- Arme Wissenschaft: Nur Worte – Text
- Kommunikation
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Literatur
- Welches Lehrbuch haben Sie gewählt?
- Könnten Sie schon ein Buch Ihren
Kommilitonen empfehlen?
- Von welchem Buch raten Sie ab? Warum?
- Gerichtsentscheidungen, v. a. BGH (z. B.
BGH 2 StR 454/09), Newsletter (BGH,
BVerfG = Ad fontes! OriginalEntscheid)
- Zeitschriften (Aufsätze, Entscheidungsanmerkungen) und allg. Medien, Bücher
- Kommentare insbes. Stellen mit „a. A.“
- Gesetzesbegründungen
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Gesetze
- StGB, StPO, GG, BGB, ESchG, StZG, TPG,
TFG, GenDG, SchKG, PIDV, MuSchRL, KKG,
BOÄK-BW
- Schönfelder, NOMOS, Beck-Texte
- www-gesetze im internet
- Juris, beck-online
- lexetius.com
- Wichtig: aktuell
- (Prüfungsordnung/Hilfsmittel)
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Was ist Medizin(straf)recht?
• Was ist Medizinrecht?
• Was ist Medizinstrafrecht?
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Was ist Medizin?
Was ist Recht?
Was ist Strafrecht?
Welche Bedeutung hat das Strafrecht in der
Medizin?
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Medizin
• Heilkunst/Heilkunde
• Erhaltung/Wiederherstellung der Gesundheit
• Diagnose/Therapie/Prävention/Palliation/
Rehabilitation
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Recht
• Recht als Ordnung des menschlichen
Zusammenlebens (Rechtsordnung)
• Recht als Gesetz und dessen Anwendung
• Recht als Wort und Macht
• Verschiedene Definitionen des Begriffes
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Medizinrecht
• Immer stärkere Spezialisierung im Recht
• Entwicklung in der Gesetzgebung, bei
Gerichten, in der Ausbildung und in der
Anwaltschaft
• Fachanwälte
• Medizinrecht: § 14 b FAO
Nachzuweisende besondere Kenntnisse im
Medizinrecht
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• Für das Fachgebiet Medizinrecht sind besondere
Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen:
• 1. Recht der medizinischen Behandlung,
insbesondere
– a) zivilrechtliche Haftung,
– b) strafrechtliche Haftung,
• 2. Recht der privaten und gesetzlichen
Krankenversicherung, insbesondere
• Vertragsarzt- und Vertragszahnarztrecht, sowie
Grundzüge der Pflegeversicherung,
• 3. Berufsrecht der Heilberufe, insbesondere
– a) ärztliches Berufsrecht,
– b) Grundzüge des Berufsrechts sonstiger Heilberufe,
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• 4. Vertrags- und Gesellschaftsrecht der
Heilberufe, einschließlich Vertragsgestaltung,
• 5. Vergütungsrecht der Heilberufe,
• 6. Krankenhausrecht einschließlich
Bedarfsplanung, Finanzierung und
Chefarztvertragsrecht,
• 7. Grundzüge des Arzneimittel- und
Medizinprodukterechts,
• 8. Grundzüge des Apothekenrechts,
• 9. Besonderheiten des Verfahrens- und
Prozessrechts.
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Medizin und Strafrecht?
• Strafrecht als ultima ratio
• Stärkster Eingriff des Staates in die Freiheit
des Einzelnen, Unwerturteil, Strafe (Übel)
LESEN: BVerfG 2 BvR 392/07, 26.2.08, Rz. 73
• Bestimmtheitsgrundsatz
• Rechtsgüterschutz im StGB
• Nebenstrafrecht (jedes Gesetz mit einer
strafrechtlichen Norm)
• Zivilrecht: Schadensersatz, Beweisrecht (ZPO)
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Bereiche ärztlicher Strafbarkeit
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Behandlungsfehler: fahrlässige Körperverletzung/Tötung
Unterlassene Hilfeleistung
Abrechnung ärztlicher Leistungen: Betrug/Untreue
Schweigepflichtverletzung
Gesundheitszeugnisse: Urkundenfälschung, falsche ärztl. Zeugnisse
Korruption, § 299a-E StGB
Schwangerschaftsabbruch
Schönheitsoperationen
Organspende (postmortal) sowie Gewebespende
Lebendorganspende sowie Gewebespende
Organhandel
Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik
Somatische Gentherapie
Geschlechtsumwandlung
Heilversuche, Humanexperiment und Arzneimittelforschung
Suchtmittelsubstitution
Medizin im Straf- und Maßregelvollzug
(vgl. Roxin/Schroth, MedStrR; Ulsenheimer, Arztstrafrecht)
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Medizin(straf)recht 14.–18.3.2016
1. Einführung in das Medizin(straf)recht
2. Das Patientenrechtegesetz
3. Recht am Lebensbeginn: Assistierte
Reproduktion, PND und PID
4. Recht am Lebensbeginn: § 218 StGB,
Embryonenforschung usw.
5. Einführung in das Transplantationsrecht
6. Die ärztliche Schweigepflicht
7. Recht am Lebensende: „Sterbehilfe“ vs.
Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung etc.
8. Weiterer Überblick: Forschung, Schönheits-OP,
Betrug, Korruption, Urkundsdelikte u. a.
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Grundlagen
Recht und Ethik oder Ethik und Recht?
Grundlage: Ethik, Werteordnung GG, Rechte (?)
Lebensschutz,
Autonomie – Selbstbestimmung/Wille d.
Patienten
Schädigungsverbot
Förderung der Heilung
Standesrecht – allg. Rechtsnormen
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Ärztliches Handeln und Strafrecht
• Normen: §§ 223/229, 224, 226, 222 StGB
• Deliktsaufbau, § 223 StGB:
1. Tatbestand (Def.)
2. Rechtswidrigkeit (-): Einwilligung (§ 228)
• Problem: fehlende/unwirksame Einwilligung
• Problem: Einwilligung und Misserfolg
• Voraussetzungen für die Einwilligung (Aufklärung)
Informed consent
• Indikation
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Körper- oder Willensverletzung?
• ABER: Ist Heilen nicht das Gegenteil von Verletzen?
• Arzt als beruflicher Körperverletzer (Tatbestand)?
• Daher (Teile der) Literatur: „Wer heilt, hat Recht“ = Wer
heilt, verletzt nicht die Gesundheit, ist also kein
Körperverletzer.
• Sogar: misslungene Heilbehandlung lege artis (= nach
den Regeln der [ärztl. Kunst] ist keine KV, da nicht auf
Verletzung = Gesundheitsschädigung ausgelegt =
GESAMTBETRACHTUNG (aber Ausnahme vom System
des Deliktsaufbaus)
• DAGEGEN: RSpr. seit RGSt 25, 375 (L = LESEN!) u. Lit.
• DISKUSSION
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Vertiefung
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•
§ 223 StGB „Körperverletzung“
Mensch („andere Person“ – nicht Leibesfrucht)
(üble, unangemessene) Behandlung (Misshandlg)
Gesundheitsschädigung (Hervorrufen usw. eines
patholog. Zustandes, Heilungsbedarf)
• H. M.: keine psychischen Beeinträchtigungen,
diese erst ab „Krankheitswert“ (umstr., insbes.
bildgebende Verfahren – Gehirn)
• Tatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlg (vgl.
§ 110 öStGB und §§ 229, 230 RefE 1996, AE)
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§ 110 öStGB
• (1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn
auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft,
behandelt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten
oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
• (2) Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der
Annahme nicht eingeholt, daß durch den Aufschub der
Behandlung das Leben oder die Gesundheit des
Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er nach Abs. 1
nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht
bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der
nötigen Sorgfalt (§ 6) hätte bewußt sein können.
• (3) Der Täter ist nur auf Verlangen des eigenmächtig
Behandelten zu verfolgen.
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Einwilligung als Rechtfertigung?
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•
Grundlage: Art. 2 i. V. m. Art. 1 GG
Selbstbestimmung (Autonomie)
Unterscheidung Einverständnis und Einwilligung
Tatbestandsausschließende Einwilligung (so z. B.
Schroth, MedStrafR, S. 33)? Argument: Andernfalls
wäre bei Unterlassen einer schmerzlindernden
Spritze der Tatbestand genauso erfüllt, wie beim
Setzen der Spritze. Dagegen: Gleichsetzung von Tun
und Unterlassen
• Ergebnis: Tatbestandsausschluss oder Rechtfertig.
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Voraussetzungen der Einwilligung
• Dispositionsbefugnis/-macht
• Einsichtsfähigkeit (Alter? 16 J?)
• Aufklärung (Möglichkeit des Verzichts) – ggfls.
hypothetische Einwilligung – Problem
(Vertiefung: Rönnau, JuS 2014, 882)
• Keine Willensmängel (Täuschung, Drohung)
• Erteilung: ausdrücklich oder konkludent
• Mutmaßlich (mutmaßl Wille d. Patienten!)
nur, wenn ausdrückliche Einwilligung nicht
möglich
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Folgen fehlender Einwilligung
• Strafbarkeit
• Ggfls. Tatbestands/Erlaubnistatbestandsirrtum
• In dessen Folge: Strafbarkeit wg. Fahrlässigkeit
• Ggfls. keine Strafbarkeit: rechtmäßiges
Alternativverhalten (vgl. hypoth. Einwilligung)
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Operationserweiterung
• Problem: Begonnene Operation, Notwendigkeit
der Erweiterung – Einwilligung? (BGHSt 45, 219)
• Mutmaßliche Einwilligung: Maßstab ist Werte
(Präferenzsystem des Patienten)
• Unmittelbar drohende Schäden/Lebensgefahr
legt mutmaßliche Einwilligung nahe
• Mutmaßliche Einwilligung ausgeschlossen, wenn
Erweiterung vorhersehbar oder wenn
ausdrücklich ausgeschlossen
• Ggfls: Erlaubnistatbestandsirrtum
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Fehlende Indikation
• Kollision: Selbstbestimmung u.
Schadensvermeidung
• Klassiker: Schönheits-OP
• Aufklärung über Risiken
• Grenze, vgl. § 228 StGB: Lebensgefahr und
widersprüchliche Einwilligung (BGH NJW
1978, 1206)
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Zusammenfassung
• Medizin-STRAF-Recht ist Strafrecht (§§ 223,
224, 226, 229, 229, 323c usw. StGB)
• Problem: einerseits besonderes
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und
Patient andererseits Risiken und
Gefahrneigung
• Arzt: Methodenwahl, Therapiefreiheit,
(Standesrecht)
• Patient: Selbstbestimmung
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Literatur 1
• Hilgendorf, Medizinstrafrecht, 2015
• Roxin/Schroth, Handbuch d.
Medizinstrafrechts, 4. Aufl. 2010
• Wiesner, Die hypothetische Einwilligung im
Medizinstrafrecht, 2010
• Gaede, Limitiert akzessorisches
Medizinstrafrecht statt hypothetischer
Einwilligung, 2014
• Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 5.
Auflage 2015
• Zeitschrift: MedStra – Zeitschrift für
Medizinstrafrecht
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Literatur 2
• Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Auflage
2014
• Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 3.
Auflage 2014
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