Allgemeine BWL vs. Spezielle Betriebswirtschaftslehre(n) Wolfgang Weber Übersicht: • Allgemeine Perspektive in ausgewählten Disziplinen • Spezielle Perspektive: Spezialisierung innerhalb oder neben der Betriebswirtschaftslehre? • Umgang mit der Problematik und Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung des Faches Allgemeine Perspektive in ausgewählten Disziplinen • Psychologie • Soziologie • Literaturwissenschaft • Sprachwissenschaft • Geschichte Hauptergebnisse • Unterscheidung einer allgemeinen und einer speziellen Perspektive ist verbreitet und zweckmäßig • Entwicklung der wichtigsten Grundbegriffe und Aussagenzusammenhänge des Faches im Rahmen der „allgemeinen“ Perspektive • Entwicklung von Begriffen, Hypothesen, Theorien und Erkenntnissen als generelle Basis für Anwendungen in den speziellen Bereichen • Die allgemeine Perspektive umfasst neben dem Kernbereich der Theorieentwicklung auch weitere allgemeine, für das Fach relevante Themen, z. B. Geschichte des Faches Allgemeine und spezielle Perspektive in der BWL • Geschichte der BWL zeigt, der Vergleich des Materials über verschiedene Wirtschaftszweige führt zu dem „allen Betrieben Gemeinsamen“ (= zu der ABWL) • Die Herausbildung spezieller Betriebswirtschaftslehren und der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre gehen Hand in Hand • Die ABWL ist weitgehend eine Besonderheit der deutschsprachigen BWL; ähnliche Ansätze in NL, I, S • Anglo-amerikanischer Raum: Zersplitterung der betriebswirtschaftlichen Teilgebiete; aber übergreifende Perspektive zumindest in der Lehre („case studies“, Unternehmensspiele) Fazit (Auch) die Betriebswirtschaftslehre braucht die übergreifende Perspektive – wie auch immer sie verankert sein mag. Spezielle Perspektive • Spezialisierung wirkt sich grundsätzlich positiv auf das Niveau der Forschung aus. • Sie folgt der Herausbildung spezieller Betriebswirtschaftslehren (Funktionen, Wirtschaftszweige, Methoden, Entwicklungsphasen des Unternehmens. • Damit werden „Forschungs- und Lehrpakete“ geschnürt, die bewältigbar sind. • Problem ist das „Aufschnüren“ der speziellen Forschungspakete mit der Herausbildung neuer Spezieller Bereiche. Ursachen • Wachsendes Problemvolumen in den betriebswirtschaftlichen Teilbereichen • Anreiz- und Gratifikationssystem: Belohnt wird Forschung in Spezialgebieten und Publikation in möglichst hoch gerankten Zeitschriften, möglichst in englischsprachigen „journals“ • Weltweit dominierendes US-amerikanisches Fachverständnis • Fehlende Karrierechancen bei Forschungsorientierung an „allgemeinen Fragen“ des Faches Aktueller Stand - 1 • Die relativ junge Disziplin Betriebswirtschaftslehre ist mit der Suche des „Allgemeinen“ im Fach immer noch auf der Suche: Überblick, Orientierung, Integration, Klammer, Transfer von Methoden- und Objektwissen, Schaffung einer theoretischen Basis für das Fach? • In den etablierten Disziplinen ist der gemeinsame Kern des „Allgemeinen“ das jeweilige Theoriespektrum, das in der BWL trotz beachtlicher Beiträge noch auf keinem festen Boden steht Aktueller Stand - 2 • Seit mindestens 25 bis 30 Jahren werden Befürchtungen geäußert, dass die ABWL ihre frühere Funktion als Basis und Klammer der speziellen Betriebswirtschaftslehren nicht mehr erfüllt. • Versuche, die ABWL als wichtigen Beitrag der deutschsprachigen BWL zu beleben und weiterzuentwickeln sind verpufft, z. B. die Jahrestagung des VHB 1989 in Münster unter dem Motto „Integration und Flexibilität. Eine Herausforderung für die Allgemeine Zentrale Hypothese • Je theoriearmer eine Disziplin ist, desto mehr neigt sie zur Zersplitterung und Auflösung der Disziplin; • Leistungsfähige Theorien reduzieren Komplexität und tragen dazu bei, übergreifende Zusammenhänge aufzuzeigen und handhabbar zu machen. Das Fehlen oder der Verzicht auf tragfähige Theorien bedeutet, dass weitgehend zusammenhanglos Wissen gesammelt und angehäuft wird, das in Größenordnungen wächst, die unübersichtlich werden und irgendwann nicht mehr zu bewältigen sind. Mögliche Entwicklungen (1) • Auflösung der Betriebswirtschaftslehre in neue Disziplinen um solche Themenkreise wie Finanzen, Steuern oder Personal, wobei die betriebswirtschaftlichen Arbeitsfelder neue „Dächer“ suchen und finden werden • Folge: Die theoriestärkeren Partner werden dominieren; die Rolle der betriebswirtschaftlichen Beiträge wird tendenziell geringer Mögliche Entwicklungen (2) • Die Betriebswirtschaftslehre nimmt ihre Verpflichtung als wissenschaftliche Disziplin ernst und widmet sich (wieder) mit großem Einsatz dem Ausbau der theoretischen Basis des Faches. • Sie knüpft an der Diskussion in der BWL seit den 1950er Jahren an. • Positive Beispiele sind vorhanden, aber ihre Wirkung ist wegen der Rahmenbedingungen im Fach begrenzt. Beispiele • Gegenüberstellung und Analyse von Entwicklungsperspektiven Spezieller Betriebswirtschaftslehren und Allgemeiner BWL • Prüfung und Verwendung bestehender Theorieansätze für spezielle Anwendungsfelder in der BWL • Beiträge zur Theorieentwicklung (Gutenberg, Albach, Dieter Schneider, Heinen, Kirsch, Ulrich u.a.) • Darstellungen des theoretischen Angebots für die Betriebswirtschaftslehre, u.a. Schwaiger/Meyer, und für Teilbereiche des Faches • Aufarbeitung der kritischen Analysen der Thematik ABWL und SBWLn im Rahmen der Geschichte des Faches Zentraler Ansatzpunkt • Der Prozess wird nur dann in Gang kommen und erfolgreich verlaufen, wenn es Karriereperspektiven für jüngere Kolleginnen und Kollegen gibt. • D. h.: Es müssen Professuren mit der ernst gemeinten Widmung „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ oder „Betriebswirtschaftliche Theorien“ eingerichtet und besetzt werden.
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